Akteneinsicht (Deutschland)
Akteneinsicht ist in Deutschland
- die Einsicht in Akten an ihrem derzeitigem Ort,
- die Einsicht von Akten durch Mitnahme (z. B. in eigene Geschäftsräume oder in die eigene Wohnung),
- die Anfertigung von Fotokopien aus den Akten.
Recht auf Akteneinsicht
Das Recht auf Akteneinsicht in Akten eines öffentlichen Verfahrens (z. B. Strafverfahren, Gerichtsprozess) ergibt sich direkt aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ihm stehen insoweit entgegen:
- der Datenschutz von Daten anderer Beteiligter und
- das ermittlungstaktische Interesse von Ermittlungsbehörden, dass der Beschuldigte nicht weiß, was ihm zur Last gelegt wird, sodass er seiner Strafverfolgung weniger entgegen wirken kann.
Rechtsgrundlage
Das Recht auf Akteneinsicht ergibt sich
- für Beschuldigte aus § 147 StPO
- für Verletzte aus § 406e StPO
- für Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens bei Bundesbehörden aus § 29 VwVfG
- für Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens bei Landesbehörden aus den länderspezifischen Verwaltungsverfahrensgesetzen (z. B. Landesverwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg oder Sächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz), die meist dem VwVfG nachgebildet sind.
- für die Parteien eines Zivilprozesses aus § 299 ZPO
- für Beteiligte eines Verwaltungsprozesses aus § 100 VwGO
- für Beteiligte im Sozialverwaltungsverfahren nach § 25 SGB X.
Umfang der Akteneinsicht
Die Akteneinsicht umfasst in der Regel
- die optische Einsicht der Akten
- am tatsächlichen Ort der Akten (wenn sie z. B. gerade übersendet wurden) sowie
- am gewöhnlichen Ort der Akten,
- die Erstellung von Abschriften (z. B. Fotokopien) aus diesen Akten,
- die Hinzuziehung eines Beistandes (z. B. Rechtsanwalt) zur Einsicht,
- die entgeltliche amtliche Beglaubigung einzelner Dokumente aus den Akten.
Akteneinsicht im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess
Die Parteien in einem solchen Prozess sind berechtigt die Prozessakten einzusehen und sich Abschriften bzw. Kopien machen zu lassen. (§ 299 ZPO) Zum Studium außerhalb der Behörde dürfen nur Rechtsanwälte die Akten bekommen.
Akteneinsicht im Strafverfahren
Der Kreis derjenigen, die ein Recht auf Akteneinsicht haben, ist begrenzt. Zunächst hat der Beschuldigte ein Akteneinsichtsrecht, welches regelmäßig durch den Verteidiger wahrgenommen wird (§ 147 StPO). Ist allerdings die Ermittlung noch nicht abgeschlossen, so kann dem Verteidiger die Einsichtnahme verweigert werden, wenn durch die Einsichtnahme der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte. Der Verteidiger darf Fotokopien der Akten anfertigen und diese seinem Mandanten zur Kenntnis geben. Die Weitergabe der Originalakten an den Beschuldigten ist dagegen unzulässig.
Daneben kann auch der Rechtsanwalt eines Verletzten (§ 406e StPO) die Akten einsehen. Schließlich sieht § 475 StPO die Möglichkeit vor, dass auch andere Privatpersonen über einen Rechtsanwalt die Akten einsehen können, wenn Sie ein berechtigtes Interesse darlegen können.
Auch bestimmte öffentliche Stellen können ohne Beteiligter zu sein Einsicht erhalten. Dies sind:
- andere Justizbehörden (z.B. Gerichte, Staatsanwaltschaften) (§ 474 Abs. 1 StPO)
- Geheimdienste (§ 474 Abs. 2 StPO)
Die Finanzbehörde ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder im Fall der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie beschlagnahmte oder sonst sichergestellte Gegenstände zu besichtigen. Die Akten werden der Finanzbehörde auf Antrag zur Einsichtnahme übersandt (§ 395 AO).
Akteneinsicht für Beschuldigte
Im Strafverfahren wird die Akteneinsicht dadurch behindert, dass oft nur der Verteidiger für einen Beschuldigten die Akten einsehen darf, der Beschuldigte selbst jedoch nicht. Somit sind Beschuldigte, um ihr Grundrecht auf Akteneinsicht geltend zu machen, zur Bezahlung eines Rechtsanwalts verpflichtet, selbst wenn der Tatvorwurf haltlos ist. Die Verweigerung der Akteneinsicht gilt als Verweigerung des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör, denn erst diese ermöglicht es überhaupt, präzise Antworten zum Tatvorwurf und entsprechende Anträge zu stellen.
Dem Beschuldigten, der keinen Anwalt hat, können aber Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden (§ 147 VII StPO).
Am 18.3.1997 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall Foucher vs. Frankreich (Reports 1997-II = NStZ 1998, 426), dass die Verweigerung von Akteneinsicht bei einem nicht durch einen Verteidiger verteidigten Angeklagten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt (Art. 6 I, III EMRK). Gleichwohl verweigerten deutsche Gerichte weiterhin den Angeklagten die Akteneinsicht. So entschied das Landgericht Mainz im Jahr 1998, obwohl ihm die Entscheidung des EGMR bekannt war, dass mangels gesetzlicher Grundlage [1] dem nicht durch einen Verteidiger verteidigten Angeklagten keine Akteneinsicht zusteht. Daraufhin verabschiedete der Bundestag das StVÄG 1999 (BGBl. I 2000 S. 1253) um auch den Aktenzugang ohne Anwalt zu ermöglichen.
Schließlich betonte der EGMR in seiner Entscheidung vom 13. März 2003[2] im Fall Abdullah Öcalan nochmals, dass das Recht auf Akteneinsicht im Allgemeinen nicht auf Verteidiger beschränkt werden darf. Zumindest jedem Angeklagten müssen die Akten spätestens vor der Hauptverhandlung zugänglich sein.
Akteneinsicht bei Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Die Verfahrensbeteiligten können die Akten bei der Geschäftsstelle des Gerichts einsehen. Die Akten können, wenn z. B. einer der Verfahrensbeteiligten in einem anderen Ort wohnt, auf Antrag auch an das Wohnortgericht übersandt werden. Andere Personen, die ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen, können auch Akteneinsicht erhalten. Bei umfangreichen Akten kann auch die Aushändigung an einen Rechtsanwalt in Frage kommen.
Akteneinsicht in Verwaltungs- Sozial- und Finanzgerichtsprozessen
In diesen Verfahren können die Beteiligten die Gerichtsakten und eventuell auch die dazugehörenden Behördenakten im Gericht einsehen. Das Gericht kann diese Akten auch an einen anderen Ort versenden oder sie einem beteiligten Anwalt aushändigen.
Akteneinsicht bei Behörden der Bundesländer
Im Land Brandenburg hat jeder nach Maßgabe des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG) das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Auch die Bundesländer Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verfügen seit einigen Jahren über Informationsfreiheitsgesetze. Seit dem 1. Januar 2006 gilt bundesweit das Informationsfreiheitsgesetz
- Der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit
- Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
- Leitfaden zur Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz in Nordrhein-Westfalen
Weblinks
- Seminararbeit zu Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit mit Ausführungen zu Akteneinsichtsrechten
- http://www.burhoff.de/ermitt/inhalt/r58_r64.htm
- http://www.danisch.de/Uni/Pruefrecht/Akteneinsicht.html