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Aktionsart

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Die Aktionsart eines Verbs kennzeichnet die Verlaufsweise und Abstufung des Geschehens, die von einem Verb bezeichnet wird. [1]

Die verschiedenen Aktionsarten werden nach ihrer Bedeutung, also nach semantischen Kriterien unterschieden. Bei der Ableitung von Verben aus anderen Verben kann die Aktionsart durch bestimmte Morpheme ausgedrückt werden, damit ist Aktionsart eine Kategorie für die Wortbildung, die Derivationsmorphologie einer Sprache. Der Begriff Aktionsart wird in diesem Sinne vor allem im englischsprachigen Raum auch als „lexikalischer Aspekt“ (lexical aspect) bezeichnet. Werden Aktionsarten systematisch in grammatikalischen Kategorien in der Formbildung der Verben zusammengefasst, spricht man von Aspekt, engl. „grammatikalischer Aspekt“ (grammatical aspect). Der Aspekt drückt seinerseits unterschiedliche Aktionsarten aus.

Die Differenzierung des Geschehens erfolgt nach dem zeitlichen Verlauf – Ablauf, Vollendung, Anfang, Übergang, Ende (entsprechende Aktionsarten: durativ, finitiv, inchoativ, egressiv, terminativ u. a.) – und nach dem inhaltlichen Verlauf – Intensität, Wiederholung, Verkleinerung (entsprechende Aktionsarten: intensiv, iterativ, deminutiv u.a.).

Zur Begriffsgeschichte

Die Begriffe Aspekt (Lehnübersetzung der Begriffe griech. Vorlage:Polytonisch (Dionysios Thrax) bzw. russ. видь) und Aktionsart (auch Art der Handlung, Zeitart) wurden im 19. Jahrhundert für ähnliche Phänomene, teilweise sogar synonym gebraucht. Im Jahr 1908 formulierte der Slawist Sigurd Agrell erstmals eine Differenzierung der beiden Begriffe:

„Unter Aktionsart verstehe ich […] nicht die beiden Hauptkategorien des slavischen Zeitwortes, die unvollendete und die vollendete Handlungsform (das Imperfektivum und das Perfektivum) — diese nenne ich Aspekte. Mit dem Ausdrucke Aktionsart bezeichne ich bisher fast gar nicht beachtete — geschweige denn klassifizierte — Bedeutungsfunktionen der Verbalkomposita […], die genauer ausdrücken wie die Handlung vollbracht wird, die Art und Weise ihrer Ausführung markieren. [2]

Diese Definition fand weite Verbereitung in der Slawistik; als Ersatz für die Verwendung von Aktionsart für die semantische Grundbedeutung eines Verbs schlug der Slawist Alexander Isatschenko 1962 den Begriff Verbalcharakter vor. [3] In der übrigen Linguistik wurde der Begriff Aktionsart jedoch weiterhin zur Kennzeichnung sowohl für die „semantische“ Aktionsart, die einem Verb innewohnt, als auch (besonders in der Altphilologie) für die Klassifikation der semantischen Unterschiede verschiedener Konjugationsformen (Die zum Ausdruck der Tempora vorhandenen Verbalformen drücken nicht nur eine Zeitstufe, sondern auch die sog. Aktionsart aus)[4] .Wendt [5] beispielsweise unterscheidet die durch subjektive Anschauung festgelegten Apekte von den objektiv verlaufenden Aktionsarten und verweist z. B. auf die gelegentliche Realisierung auch des Aspekts in zwei verschiedenen Wörtern in den slawischen Sprachen.

In der neueren Linguistik verbreitete sich schließlich die Unterscheidung Aspekt als grammatikalischer Begriff der Flexionsmorphologie und Syntax vs. Aktionsart als lexikalischer Begriff der Derivationsmorphologie und zur semantischen Klassifizierung von Verben. [6] Gelegentlich wurde sogar vorgeschlagen, den Begriff Aktionsart ganz fallen zu lassen und nur zwischen der „grammatikalischen Kategorie Aspekt“, „aspektualer Klassifikation von Verben“ und „aspektualen Verben“ zu differenzieren [7]. Die Diskussion um die Verwendung des Begriffs Aktionsart ist heute noch nicht abgeschlossen.

Aktionsarten in verschiedenen Sprachen

Indogermanische Sprachen

Sanskrit

Auch im Sanskrit findet man Aktionsarten in dem von Slawisten postulierten Sinne vor:

  • Kausativa werden durch das Sufffix -aya markiert: karotikarayati 'er macht' vs. 'er lässt machen'
  • Desiderativa sind mit -sa suffigierte reduplizierte Bildungen: karoticikirsati 'er macht' vs. 'er wünscht zu machen'.
  • Intensiva und Iterativa (in Sanskrit-Grammatiken ist 'frequentativ' die üblichere Bez.) fallen im Sanskrit - wie auch im Lateinischen häufig der Fall - zusammen. Bei den verba movendi vergibt er eine Aktionsartspezifizierung der Bedeutung 'hin und her', z.B. bhramatibambramyati 'er schweift umher' vs. 'er schweift kreuz und quer umher'. Kennzeichnend ist das Suffix -ya, das an der Reduplikation angefügt wird. Ahematische Stämme erhalten das Suffix jedoch nicht und flektieren aktivisch , thematische dagegen medial

Im Sanskrit lassen sich ebenso Aktionsarten kombinieren : karoti (aktionsartneutral) → karayati (Kausativum) → cikarayi-sati (kausativ-desiderativ aktionsartspezifiziertes Verb) 'er macht' → 'er lässt machen' → 'er wünscht machen zu lassen'

Altgriechisch

Im Altgriechischen werden die Aktionsarten (wie vermutlich im Ur-Indogermanischen) in der grammatischen Kategorie des Aspekts ausgedrückt. Zwei dieser Aspekte kommen in einer Gegenwarts- und einer Vergangenheitsform vor, der aoristische Aspekt existiert im Indikativ nur als Vergangenheitsform.

Aspekt imperfektiv perfektiv/aoristisch resultativ/perfektisch
Aktionsarten durativ
frequentativ/iterativ
habituativ
konativ
effektiv
inchoativ/ingressiv
gnomisch
resultativ
Tempora Präsens, Imperfekt Aorist Perfekt, Plusquamperfekt

Das Futur des Altgriechischen ist ein reines Tempus und drückt keine spezifische Aktionsart aus.

Latein

Sieht man von den Aktionsarten, welche Stammformen hinsichtlich Bedeutung modifizieren, ab, so lassen sich in der lateinischen Sprache - im slawistischen Verständnis des Fachausdrucks Aktionsart - folgende Klassen belegen:

  • Inchoativa erkennt man an einem affigierten {-sc-}:amare 'lieben' vs. amascere 'sich verlieben'
  • Intensiva sind an ihrer Struktur als solche zu identifizieren; sie bilden sich von der dritten Stammform und sind dann Verben der a-Konjugation (z.B. incipere 'beginnen' vs. inceptare 'eifrig beginnen') und können dann zusätzlich auch mit {-it-} infigiert sein. Auch das Suffix {-essere}( bzw. {-issere} und {-essare}) kann zur Markierung von Intensiva dienen (z.B.'incipissere').
  • Frequentativa sind wie Intensiva abzuleiten , jedoch häufiger mit {-it-}. Beispiel: legere 'lesen' vs. lectitare 'oft lesen'.
  • Habituativa folgen dem Ableitungsmuster der Intensiva und Frequentativa; allerdings taucht bei ihnen das Infix {-it-} fast ausschließlich auf; Beispiel: vocare 'nennen' vs. vocitare 'zu nennen pflegen'.
  • Kausativa' unterliegen keinem verbindlichen Ableitungsmuster. Sie sind durch einen Wechsel der Konjugationsklasse (z.B. sedere 'sitzen' vs. sedare 'zum Sitzen bringen'), durch tiefere Veränderungen (z.B. tremere 'zittern' vs. terrere 'erschrecken') o.a. entstanden.
  • Resultativa sind wie lateinische Kausativa derivationsmorphologisch uneinheitlich ; die Signalisierung erfolgt durch Lautreduktion (occumbere 'sterben' vs. occubare 'tot daliegen')- mit Wechsel der Konjugationsklasse - oder Vokaldehnung (sidere 'sich niederlassen' vs. se dere 'sitzen').
  • Desiderativa haben immer den Aufbau 'dritte Stammform' + Suffix {-urire}, z.B.scribere 'schreiben' vs. scripturire 'schreiben wollen'.
  • Deminutiva sind durch die Suffixe {-icare} und {-illare} , die auch in der nominalen lateinischen Wortbildung vorkommen , gekennzeichnet , so z.B. albere 'weiß sein' vs. albicare 'weißlich sein'; cantare 'singen' vs. cantillare 'trällern'.

Die Kategorie der Aktionsart ist im Lateinischen - im Gegensatz zum Deutschen - auch im slawistischen Sinne vorhanden.


Slawische Sprachen

In den slawischen Sprachen werden Aktionsarten durch eine Fülle von Affixen ausgedrückt, die in vielfacher Weise dem Begriff des Ausgangsverbs eine zusätzliche Bedeutung verleihen können, wobei die ursprüngliche Bedeutung des Ausgangsverbs jedoch erhalten bleibt.[8].

Sie werden morphologisch durch Präfixe, Infixe und Suffixe, Laut- und Akzentwechsel realisiert, wobei durch dasselbe Bildungsschema auch unterschiedliche Aktionsarten ausgedrückt werden können (Beispiele aus dem Russischen):

  • Präfix + Lautwechsel: идти idti „gehen“ - по-йти pojti „losgehen“
  • Infix + Lautwechsel: прыгать prygat „springen“ - прыг-ну-ть prygnut „einmal springen“
  • Präfix + Infix: пить pit „trinken“ - по-пи-ва-ть popiwat „von Zeit zu Zeit ein Schlückchen trinken“
  • Präfix + Suffix: болтать boltat „schwatzen“ - раз-болтать-ся rasboltatsja „ins Schwatzen kommen“

Meist wechselt zwischen Grundverb und Derivat auch der grammatikalische Aspekt, das heißt aus dem imperfektiven Verb „gehen“ wird das perfektive „losgehen“.

Beispiel für Aktionsarten, die sich im polnischen Präfix po- ausdrücken:

  • inchoativ: kochać „lieben“ - pokochać „liebgewinnen“, „sich verlieben“
  • ingressiv: pojechać „fahren“ - pojechać „losfahren“
  • distributiv: wiązać „binden“ - powiązać „(viele, alle) zusammenbinden“
  • delimitativ: czytać „lesen“ - poczytać „ein bisschen lesen“
  • resultativ: grzebać „graben“ - pogrzebać „begraben“

Das Präfix po- kennzeichnet bei einigen Verben jedoch auch schlicht den perfektiven Aspekt, z. B. błogosławić „segnen“ (imp.) - pobłogosławić „segnen“ (perf.), es wird hier also „rein aspektuell“ eingesetzt. In diesem Fall spricht die Slawistik nicht von Aktionsart. Auch in der Slawistik gibt es Tendenzen, auf den Begriff Aktionsart zu verzichten und beispielsweise von „Funktion des Derivats“ zu sprechen. [9]

Französisch

Die Trennung der Begriffe Aktionsart/Aspekt war in der Romanistik lange Zeit rein sprachlich schon schlecht möglich, bis Aktionsart umständlich mit caractère de l´action übersetzt wurde. Wie in der Germanistik wurde dieser Terminus großteils rein semantisch verstanden, sodass auch periphrastische Konstruktionen als Realisierungen von Aktionsarten begriffen wurden. Im slawistischen Sinne des Fachausdrucks lassen sich im Französischen zu Simplexverben folgende Aktionsarten belegen:

  • ein -el-Suffix markiert die frequentativ-diminutive Aktionsart: craquercraqueler
  • das Suffix -ill signalisiert die frequentative Aktionsart: mordremordiller
  • die sog. iterativ-frequentative Aktionsart wird durch Suffigierung mit -ot gekennzeichnet: sifflersiffloter

Deutsch

In der Germanistik herrscht viel Unklarheit oder Verwirrung, was Aktionsarten betrifft. Oft ist auch gar nicht der Unterschied zum Aspekt bekannt, sodass erstens Aspekt und Aktionsart zu Synonymen werden und zweitens viele terminologisch unzulässige Vermischungen entstehen, indem man z.B. Perfektiv/Imperfektiv als die Hauptkategorien der Aktionsarten ansetzt. Besser, aber immer noch nicht zulässig (weil diese Einteilung auf Verträglichkeit mit Daueradverbialien basiert und dadurch syntaktisch begründet wird), ist es, durativ und nicht-durativ als aktionale Hauptkategorien anzusetzen.

Letztlich verletzen diese Theorien die Bedeutung des Terminus. Die Aktionsarten, die sich im slawistischen Sinne im Deutschen belegen lassen, d.h., streng auf den Zusammenhang aktionsartneutrales Grundverb, Bedeutung X → morphologische Änderungen → aktionsartspezifiziertes abgeleitetes Verb, veränderte Bedeutung X (man spricht in der Germanistik auch von 'Aktionsarten im engeren Sinne') gerichtet sind, sind die diminutiv-iterative (z.B. 'lachen'→'lächeln'), die intensiv-iterative(z.B. 'klappen'→'klappern') und - etwas verblasst aufgrund einigen Bedeutungsmodifikationen - die kausative (z.B. 'fallen'→'fällen'; aber :'ich fälle die Tasse'?) Aktionsart. Allerdings sind Kausativa nicht immer morphologisch markiert (so wird das aktionsartneutrale Grundverb 'hängen' im Präteritum stark konjugiert ('Das Bild hing an der Wand'), das aktionsartspezifizierte Kausativum dagegen schwach ('Er hängte das Bild an die Wand')), was deren tatsächliche Zugehörigkeit zu den aktionalen Verben in Frage stellen kann.

Eine in der Germanistik verbreitete Einteilung sieht so aus (Die Kategorien sind teils morphologisch-derivationell, teils rein semantisch und teils auch syntaktisch begründet):

  • Die aktionalen Hauptkategorien. Hier tauchen oft die Begriffe durativ/nicht-durativ auf, d.h. eine Kategorie ist negativ bestimmt. Anstatt 'durativ' erscheinen auch die Ausdrücke aterminativ, kontinuativ, kursiv, immutativ, unvollendet, atelisch, am häufigsten imperfektiv. Für 'nicht-durativ' hat die Germanistik auch die Ausdrücke terminativ, mutativ, vollendet, telisch, am häufigsten perfektiv parat.

Die Abgrenzungskriterien sind oft die Folgenden:

  • Durative Verben bez. etwas Unvollendetes, Unabgeschlossen, Dauerhaftes, nicht-durative Verben dagegen sind der Bedeutung her durch zeitliche Begrenztheit und Zielgerichtetheit gekennzeichnet
  • Durative Verben vertragen sich mit Daueradverbialien wie 'eine Stunde lang', nicht-durative dagegen nicht, sondern eher mit Temporaladverbialien wie 'in einer Stunde': 'sie suchte den Schlüssel eine Stunde lang', aber: 'sie fand den Schlüssel eine Stunde lang'?; eher 'sie fand den Schlüssel in einer Stunde '
  • Nicht-durative Verben bilden beide Passivformen ('Der Schlüssel wird/ist gefunden '), durative dagegen nur ein 'werden'-Passiv ('Der Schlüssel wird gesucht '; aber 'Der Schlüssel ist gesucht '?)
  • Nicht-durative Verben neigen eher zum sog. futurischen Präsens als durative
  • Durative Verben bilden ihre Perfektformen niemals mit 'sein' (außer 'sein' und 'bleiben')
Subkategorien der durativen Verben

Die Unterkategorien der durativen Aktionsarten sind:

  • Die iterative (auch: frequentative, seltener multiplikative, repetitve und auch habituelle/habituative) Aktionsart, die bez., dass etwas wiederholt, mehrmals (regelmäßig, gewöhnlich) geschieht, z.B. 'sticheln' ~ 'öfter stechen'
  • Die intensive Aktionsart. Sie bez. ein Geschehen, das durch hohe (erhöhte) Intensität gekennzeichnet ist, z.B. 'schnitzen' ~ 'stark schneiden'
  • Die deminutive/diminutive (auch genannt: attenuative, debilitative) Aktionsart. Sie markiert Geschehen geringerer (verringerter) Intensität, z.B. 'tänzeln' ~ 'ein bisschen tanzen' (mit pejorativer Nebenbedeutung)
  • Die intransformative (auch: immutative) Aktionsart. Verben dieses Typs bez., dass sich am gegebenen Zustand ausdrücklich nichts ändert, z.B. 'behalten' ~ 'nicht mehr weggeben'
  • Die semelfaktive Aktionsart. So beschaffene Verben bez. individuelle, einzigartige Vorgänge/Handlungen, z.B. 'ein Verbrechen begehen'.
Subkategorien der nicht-durativen Verben

Die Unterkategorien der nicht-durativen Aktionsarten sind:

  • Die inchoative (Synonyme: ingressive, inzeptive, initive) Aktionsart. Sie deutet auf einem Anfang, einen (allmählichen) Beginn, den Austritt aus einem alten Zustand und den Eintritt in einen neuen Zustand. Gelegentlich werden die Termini 'inchoativ/inzeptiv' und 'ingressiv/initiv' differenziert, indem man erstere als Aktionsart des allmählichen Beginns und letztere als Aktionsart des plötzlichen Beginns festlegt ('einschlafen' vs. 'aufspritzen').
  • Die resultative (andere Fachausdrücke: konklusiv (etwas veraltet), effektiv, egressiv sowie terminativ, perfektiv, telisch, finitiv, delimitativ) Aktionart. Resultative Verben bez. den Austritt aus einen Zustand (aber nicht den Eintritt in einen neuen!) zuzüglich Verlauf und sollen daran zu erkennen sein, dass ihre „imperfektive Variante nicht die perfektive impliziert“ (Lexikon der Sprachwissenschaft, Eintrag 'resultativ'), z.B. 'Das Haus ist am Verbrennen' impliziert nicht, dass das Haus am Ende vollkommen verbrannt sein wird. Seltener findet sich hierbei eine Unterscheidung nach 'allmählich' und 'plötzlich' ('verbrennen' vs. 'finden' = 'nicht mehr im Zustand des Suchens sein'), wobei man ersteres als 'konklusiv (resultativ)', letzteres als 'egressiv' benennt.

'Resultativ' und 'inchoativ' werden ab und an zu transformativ oder mutativ zusammengefasst, es kommt aber auch vor, dass 'transformativ' als eigene Aktionsart für Verben wie 'rosten' angesetzt wird und dann parallel zu 'perfektiv, mutativ' und/oder 'resultativ' verwendet wird.

  • Auch üblich in deutschen Grammatiken ist es,Aktionsarten des plötzlichen Zustandswechsels als punktuell oder momentan zusammenzufassen. Entsprechende Verben bilden mit Daueradverbialien nur ungrammatische Sätze: 'sie stöhnt eine Stunde lang auf /er findet die Lösung eine Stunde lang'? Das liegt daran, dass solche Verben einen schnellen Situationswechsel bezeichnen.

Das sind die meistgenannten Kategorien. Aktionsarten wie die komitative, die konative, die distributive und viele andere werden in deutschen Grammatiken nicht erwähnt, woraus zu schließen ist, dass slawistische Aktionsarteneinteilungen wesentlich präziser und differenzierter sind.

Nun zu den Mitteln, wie sich die einzelnen Aktionsarten im Deutschen ausdrücken lassen. Ausgegangen wird von morphologisch-derivationellen, morphologisch-analytischen und syntaktischen Mitteln. Unter der ersten Einordnung fallen Affixbildungen/Komposita, unter der zweiten Verbalkomplexe mit Hilfsverb + einer der drei Infinitivtypen (reiner, 'zu'-Infinitiv, substantivierter Infinitiv) und unter der dritten Adverbien-Zusätze u.a.

MORPHOLOGISCH-DERIVATIONELL MORPHOLOGISCH-ANALYTISCH SYNTAKTISCH
DURATIVE AKTIONSART - 'sein' + 'am/in/beim' + Infinitiv, 'dabein sein' + 'zu'-Infinitiv Wahl eines Präpositionalobjekts statt Akkusativobjekt (' an einem /einen Roman schreiben') Adverbien wie 'ununterbrochen, pausenlos' u.a.
Iterative Aktionsart Suffix{-ln} und evtl. Vokalwechsel ('tropfen → 'tröpfeln') Fügungen mit Verb+Verb (z.B. 'er rannte und rannte'), Adverbien wie 'mehrmals, oft' u.a.
Intensive Aktionsart expressive Konsonantenschärfung ('hören' → 'horchen') Adverbien wie 'stark, heftig, sehr'
Deminutive Aktionsart Suffix{-ln}, evtl. Vokalwechsel - Fügungen wie 'ein wenig, ein bisschen'
Intransformative Aktionsart Verbpartikel {weiter-} 'bleiben' + 'am' + Infinitiv, 'bleiben' + Infinitiv Fügungen wie 'immer noch, weiterhin' u.a.
Semelfaktive Aktionsart Nur am Satze selber erkennbar ('er sieht eine Katze' vs. 'er sieht seine Katze gerne')
NICHT-DURATIVE AKTIONSART
Inchoative Aktionsart Präfixe wie {ent-}, {er-} ('entflammen') Verbpartikeln wie {los-} {loslaufen') 'anfangen/beginnen' + 'zu'-Infinitiv (auch Phasenverbkonstruktion genannt) Fügungen wie 'allmählich, nach und nach' u.a.
Resultative Aktionsart Präfixe wie {ver-} ('verblühen') 'aufhören' + 'zu'-Infinitiv (auchPhasenverbkonstruktion genannt) Fügungen wie 'nicht mehr'u. a.


Der Ausdruck der anderen unter 'nicht-durativ' aufgeführten Aktionsarten ist auf Adverbien angewiesen.

Aus dieser Tabelle ist zu folgern: 'Aktionsarten im weiteren Sinne', so, wie sie in der Germanistik behandelt wird, ist sehr heterogen und führt zu Widersprüchen. Aktionale Verben sind im engeren Sinne VERBEN und nicht Verbformen, weshalb analytische Konstruktionen in eine andere Kategorie gehören, z.B. wird die deutsche Form {am-sein-Infinitiv} nur als Aspekt, nicht als Realisierung der durativen Aktionsart diskutiert.

Chinesisch

Es ist typisch, dass Sprachen, die eine geringere Tempusdifferenzierung aufweisen, mit aktionalen Formen stärker arbeiten. So auch im allgemein als isolierend eingestuften Chinesisch. Da werden aktionsartspezifizierte Formen auch an Substantiven und Adjektiven auf konjugationsähnliche Weise markiert:

  • das Suffix -zhe ist kennzeichnend für die durative Aktionsart: guà-guàzhe 'hängt'
  • ein -qilai markiert die inchoative Aktionsart: xiào-xiàoqilai 'anfangen zu lachen, auflachen'
  • die finitive Aktionsart wird durch das Suffix -wan signalisiert: zuowan 'fertig gemacht'
  • die resultative Aktionsart ist durch ein markantes -dao- oder -zhu-Suffix gekennzeichnet: kàndao 'erblickt;zu sehen bekommen'

Sprachhistorische Relationen zwischen Aktionsarten und Aspekt

  • Die morphologische Opposition zwischen a- und i-Stämmen in späteren slawischen Sprachen wie in russischen Aspektpaaren (da-)lassen geht auf eine Opposition zwischen i-Kaustativ- und a-Iterativstämmen zurück.
  • Die inchoativen Verben des Lateinischen mit dem Suffix -sc gehen wohl auf Iterativa des Proto-Indogermanischen zurück.
  • Nach Bertinetto geht das russische Aspektsystem auf eine weniger durchgängige morphologische Unterscheidung zwischen sog. telischen und atelischen Verben zurück. Dann wurde die Kennzeichnung der telischen Verben reihenbildend, sodass diese Unterscheidung systematisiert wurde.

Einzelnachweise

  1. Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Mannheim 1984, ISBN 3411209046
  2. Sigurd Agrell: Aspektänderung und Aktionartbildung beim polnischen Zeitworte, Lund 1908, zitiert nach [1]
  3. Alexander Isatschenko: Die russische Sprache der Gegenwart, Halle (Saale) 1962
  4. Bayer-Lindauer:Lateinische Grammatik
  5. Heinz F. Wendt: Das Fischer Lexikon - Sprachen, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3596245613
  6. Bernd Kortmann: The triad "tense - aspect - Aktionsart", Brüssel 1991
  7. Hans-Jürgen Sasse: Aspect and Aktionsart, Brüssel 1991
  8. Herbert Mulisch: Handbuch der russischen Gegenwartssprache, Leipzig 1993, ISBN 3324003253
  9. Tanja Anstatt: Das Verbalpräfix po- im Polnischen, in: Zeitschrift für Slavische Philologie 62/2, 359-385 (pdf)

Quellen

  • Helbig/Buscha (1999). Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 19. Auflage. Langenscheidt Verlag.
  • Thieroff, Rolf (1992). Das finite Verb im Deutschen. Tübingen.
  • Metzler Lexikon Sprache (Herausgeber: Helmut Glück), 2005
  • Hadumod Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft
  • DUDEN-Grammatik 1973
  • DUDEN-Grammatik 2005 (7.Auflage)
  • DUDEN-Grammatik 1995 (5.Auflage)
  • WAHRIG Grammatik der deutschen Sprache. Sprachsystem und Sprachgebrauch
  • (pdf) Begriffsgeschichte Aspekt und Aktionsart, Materialsammlung zum Seminar „Aspekt und Zeitkonstitution“ (Manfred Krifka, Wolfgang Hock), Berlin 2002
  • Adolf Friedrich Stenzler: Elementarbuch der Sanskrit-Sprache, fortgeführt von Richard Pischel, umgearbeitet von Karl F. Geldner, Gießen 1915 (online-Ausgabe)
  • Franz-Josef Klein: Aspektoppositionen und Aktionsarten im Französischen, in: Tidsskrift for Sprogforskning, 1/2003, Århus 2003 (pdf)