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Novemberrevolution

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Die Novemberrevolution von 1918 führte am Ende des 1. Weltkriegs zur Abdankung des letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. und zur Umwandlung des Deutschen Reiches in eine parlamentarisch-demokratische Republik.

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Revolutionäre Soldaten in Berlin im November 1918

Vorgeschichte

Seit 1916 wurde Deutschland faktisch nicht mehr von der Reichsregierung oder durch den Kaiser, sondern durch die Oberste Heeresleitung unter den Generälen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff regiert, wobei letzterer die maßgebliche Rolle spielte.

Waffenstillstandsgesuch und Verfassungsänderung

Hindenburg und Ludendorff hatten noch 1917 die Friedensresolution der Mehrheitsparteien im Reichstag - unter anderen Zentrum und SPD - zurückgewiesen. Nachdem jedoch die letzte Offensive des deutschen Heeres an der Westfront im Sommer 1918 gescheitert und die letzten Reserven verbraucht waren, forderte Ludendorff von Kaiser Wilhelm II. und der Regierung des Reichskanzlers Georg von Hertling am 29. September die sofortige Abgabe eines Waffenstillstandsgesuchs an die Alliierten, da er die Aufrechterhaltung der Front nicht mehr gewährleisten könne. Um günstigere Friedensbedingungen zu erlangen, empfahl Ludendorff zugleich, eine der zentralen Forderungen des 14-Punkte-Programms des US-Präsidenten Woodrow Wilson zu erfüllen und dem Reich eine parlamentarische Staatsform zu geben. Der Kaiser ernannte daraufhin den als liberal geltenden Prinzen Max von Baden am 3. Oktober zum Reichskanzler, der einen Tag später das von Ludendorff ultimativ geforderte Waffenstillstandsangebot abgab. Eine Verfassungsänderung vom 28. Oktober band den Kanzler und die Reichsminister an das Vertrauen der Mehrheit des Reichstages und übertrug den Oberbefehl über die Streitkräfte vom Kaiser auf die Reichsregierung. Damit war das Deutsche Reich von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie geworden.

Störmanöver Ludendorffs und der Marineleitung

Am 5. November stimmten die Alliierten der Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen zu. Als aber ihre Bedingungen für eine Waffenruhe bekannt wurden, bezeichnete Ludendorff diese als unannehmbar. Er forderte nun die Wiederaufnahme des Krieges, den er noch wenige Tage zuvor für verloren erklärt hatte. Seine Forderung war umso unsinniger, da das von ihm geforderte Waffenstillstandsersuchen die Schwäche des Reichs für alle Kriegsgegner sichtbar gemacht hatte. Die Reichsregierung entließ daher Ludendorff und ersetzte ihn durch General Wilhelm Groener.

Während die kriegsmüden Truppen und die von der kaiserlichen Regierung enttäuschte Bevölkerung das baldige Ende des Krieges erwarteten, fasste die deutsche Marineleitung unter Admiral Reinhard von Scheer in Kiel den Plan, die Flotte zu einer letzten Schlacht mit der Royal Navy in den Ärmelkanal zu entsenden. Dieser eigenmächtige Befehl war nicht nur militärisch und politisch völlig sinnlos, er stellte im Grunde eine Rebellion der Marineleitung gegen die neue Reichsregierung dar.

Verlauf der Revolution

Der Beschluss der Marineleitung löste zunächst eine Meuterei unter den betroffenen Matrosen und dann eine allgemeine, zunächst unblutige Revolution aus, die in wenigen Tagen die Monarchie in Deutschland beseitigte.


Am 29. Oktober meuterten in Wilhelmshaven die Besatzungen einiger zum Auslaufen bestimmter Schiffe der deutschen Hochseeflotte, um nicht in letzter Minute noch in einen sinnlosen Kampf ziehen zu müssen. Die betroffenen Schiffe wurden daraufhin nach Kiel verlegt, wo die Wortführer der Matrosen am 3. November verhaftet wurden. Dieser Versuch, sie zu disziplinieren, führte zum bewaffneten Aufstand auch der bis dahin unbeteiligten Schiffsmannschaften. Am 4. November bildeten sie in Kiel den ersten Arbeiter- und Soldatenrat. An dessen Spitze ließ sich der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske wählen, der - wie die SPD-Führung - eine Revolution verhindern, die Fäden aber in der Hand behalten wollte.

Die Revolution erfasst ganz Deutschland

Abordnungen der revolutionären Matrosen schwärmten in alle größeren deutschen Städte aus, und schon am 7. November hatte die Revolution Hannover, Braunschweig und Frankfurt am Main erfasst. Am selben Tag zwang ein Arbeiter- und Soldatenrat in München den letzten bayerischen König Ludwig III. zum Thronverzicht. Auch in den übrigen deutschen Staaten dankten in den nächsten Tagen alle Monarchen ab, zuletzt Günther von Schwarzburg-Rudolstadt am 23. November.

Der 9. November 1918

In ganz Deutschland bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte. Überall forderte man nun die Abschaffung der Monarchie. Da Wilhelm II. sich ins Hauptquartier der Obersten Heeresleitung ins belgische Spa begeben hatte, die revolutionäre Lage in Berlin sich aber immer weiter zuspitzte, verkündete Max von Baden am 9. November eigenmächtig die Abdankung des Kaisers und übertrug gleichzeitig dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers. Ebert wollte zu diesem Zeitpunkt noch an der Monarchie festhalten.

Am Nachmittag des 9. November überschlugen jedoch sich die Ereignisse in Berlin. Um die Initiative nicht dem weit links von der SPD stehenden Spartakusbund (aus dem später die KPD hervorging) zu überlassen, rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstagsgebäudes die Republik aus. Stunden später erfolgte am Berliner Stadtschloss durch Karl Liebknecht, den Vorsitzenden des Spartakusbundes die Proklamation der Freien Sozialistischen Republik Deutschland, d.h. der Räterepublik. Den Ausschlag in der Machtfrage gab ein Telefonat, das Friedrich Ebert noch in der Nacht vom 9. auf den 10. November mit General Groener, dem neuen Chef der Obersten Heeresleitung in Spa führte. Dieser sicherte Ebert die Unterstützung des Heeres zur Aufrechterhaltung der neuen staatlichen Ordnung zu.

Übergang zur Republik

Am 10. November trat als provisorische Regierung der Rat der Volksbeauftragten aus Vertretern der SPD und der USPD zusammen, und am 11. November wurden die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs mit dem Waffenstillstandsabkommen vom Compiègne eingestellt, das im Auftrag der neuen deutschen Regierung von dem Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger unterzeichnet worden war.

Die Arbeiter- und Soldatenräte im ganzen Reich hatten mittlerweile Abgeordnete nach Berlin geschickt, die am 16. Dezember im Zirkus Busch einen Rätekongress bildeten. Für wenige Tage bestand eine Doppelherrschaft von SPD-geführter Reichsregierung und Räten. Doch letztere waren in ihrer Mehrheit ebenfalls Anhänger der SPD. Sie billigten dem Spartakusbund keine Einflussnahme zu und unterstützten den Regierungsbeschluss, so bald wie möglich Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung durchzuführen.

Aufstände im Gefolge der Revolution

An Weihnachten 1918 und in den ersten Januartagen 1919 kam es in Berlin zum so genannten Spartakusaufstand radikalisierter Arbeiter und Soldaten. Sie standen dem Spartakusbund zwar nahe, die Spartakisten selbst hatten jedoch nur relativ geringen Einfluss auf die Geschehnisse. Erst nach dem Ausbruch der Unruhen, setzte sich Karl Liebknecht an die Spitze der Arbeiter, die aus Enttäuschung über ausbleibende Reformen gehandelt hatten. Sie forderten von der neuen Regierung unter anderem die Verstaatlichung von Teilen der Großindustrie, die Demokratisierung von Verwaltung und Militär und weitere revolutionäre Maßnahmen, um bereits vor dem Zusammentritt der Nationalversammlung Fakten zu schaffen.

Der Aufstand wurde schließlich von regierungstreuen Truppen unter Gustav Noske blutig niedergeschlagen. An der Niederschlagung der Spartakisten waren aber auch republikfeindliche Freikorps beteiligt. Diese ermordeten unter anderen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, obwohl letztere sich ausdrücklich gegen einen bewaffneten Aufstand ausgesprochen hatte. Liebknecht und Luxemburg hatten am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit begründet.

Auch in anderen Gegenden Deutschlands - beispielsweise im Ruhrgebiet und in Sachsen - kam es in den ersten Monaten des Jahres 1919 zu bewaffneten Aufstandsbversuchen. In einigen wurden vorübergehend Räterepubliken ausgerufen. Am längsten hielt sich die Münchner Räterepublik, der preußische, württembergische und Freikorps-Truppen erst am 2. Mai 1919 ein Ende machten.

Eine reale Gefahr, dass in Deutschland ein Rätesystem nach sowjetischem Muster installiert worden wäre, hat nie bestanden. Das Bündnis zwischen der Regierung Ebert und der Obersten Heeresleitung und deren brutales Vorgehen während der verschiedenen Aufstände im Reich hat jedoch viele linke Demokraten der SPD entfremdet. Dies sollte sich für die Entwicklung der Weimarer Republik als schwere Hypothek erweisen.

Die Nationalversammlung

Am 19. Januar 1919 fanden schließlich die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt. Dabei wurde die SPD mit 37,4 % der Stimmen stärkste Partei und ging eine Koalition mit dem Zentrum und der DDP ein. Die Nationalversammlung trat, um den revolutionären Nachwirren in Berlin zu entgehen, am 6. Februar in Weimar zusammen. Dort wurde am 11. August die neue Reichsverfassung verabschiedet, die das Deutsche Reich zu einer demokratischen Republik machte.

Historische Einordnung

Die Revolution war beendet und der Übergang zur demokratischen Republik schien gesichert. Dass die Weimarer Republik sich dann als schwache Demokratie erwies und schon 14 Jahre später unterging, hat auch mit ihren Geburtsfehlern während der Novemberrevolution zu tun.

Von großer Bedeutung war die Tatsache, dass die kaiserliche Regierung und die Oberste Heeresleitung sich frühzeitig der Verantwortung entzogen und die Bewältigung der von ihnen verschuldeten Niederlage im 1. Weltkrieg den Mehrheitsparteien des Reichstags aufbürdeten. Welches Kalkül dahinter steckte, belegt ein Zitat aus der Autobiographie des Ludendorff-Nachfolgers Groener: „Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseeligen [Waffenstillstands-]Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieb.“ (zit. nach Schulze, s.u., S. 149)

So entstand die so genannte Dolchstoßlegende, nach der die Revolutionäre dem "im Felde unbesiegten" Heer in den Rücken gefallen seien und erst damit den fast sicheren Sieg in eine Niederlage verwandelt hätten. Zur Verbreitung dieser Geschichtsfälschung trug wesentlich Erich Ludendorff bei, der sein eigenes Versagen damit kaschieren wollte. In nationalistischen und völkischen Kreisen fiel die Legende auf fruchtbaren Boden. Dort wurden die Revolutionäre und selbst Politiker wie Ebert - der die Revolution gar nicht gewollt und alles getan hatte, um sie zu kanalisieren und einzudämmen - bald als "Novemberverbrecher" diffamiert. Selbst vor politischen Morden, etwa an Matthias Erzberger, schreckte die radikale Rechte nicht zurück, und es war eine bewusste Symbolik, dass Hitler seinen Putschversuch im Jahr 1923 ebenfalls an einem 9. November unternahm.

Die Republik war vom Zeitpunkt ihrer Geburt an mit dem Stigma der Niederlage behaftet. Ein Großteil des Bürgertums und der alten Eliten aus Militär, Justiz und Verwaltung akzeptierten sie die neue Staatsform nie, sondern sahen in der demokratischen Republik ein Gebilde, das bei erster Gelegenheit wieder beseitigt werden sollte. Auf der Linken dagegen trieb das Verhalten der SPD-Führung während der Revolution viele ihrer einstigen Anhänger den Kommunisten zu. Die gebremste Novemberrevolution führte dazu, dass Weimar eine "Demokratie ohne Demokraten" wurde.

Literatur

  • Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937, Frankfurt am Main 1982
  • Sebastian Haffner, Die deutsche Revolution 1918/1919, München 1979 (u.a. ISBN 349961622X)
  • Hagen Schulze, Weimar. Deutschland 1917-1933, Berlin 1982
  • Heinrich August Winkler, Weimar 1918-1933, München 1993
  • Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, München 2002 ISBN 3486497960
  • Ottokar Luban, Die ratlose Rosa. Die KPD-Führung im Berliner Januaraufstand 1919. Legende und Wirklichkeit., Hamburg 2001 ISBN 387975960X
  • Detlef J.K. Peukert, Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-11282-1
  • Arthur Rosenberg, Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1961 (Erstausgabe: Karlsbad 1935), ISBN 3-434-00003-8 [zeitgenössische Deutung]