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Pierre Teilhard de Chardin

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Pierre Teilhard de Chardin

Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin [pjɛːʀ tɛjaʀdəʃaʀˈdɛ̃] (* 1. Mai 1881 in Sarcenat bei Clermont-Ferrand; † 10. April 1955 in New York) war französischer Jesuit, Theologe, Philosoph, Anthropologe, Geologe und Paläontologe.


Leben

Teilhard de Chardin wurde am 1. Mai 1881 in Orcines in der Auvergne geboren. Sein Vater arbeitete in der Stadtbibliothek des nahegelegenen Clermont-Ferrand und war naturwissenschaftlich interessiert. Seine Mutter war im Gegensatz dazu streng religiös (bis zum Wunderglauben). Dadurch war vielleicht schon der Grund gelegt für das Problem, das ihn sein Leben lang beschäftigte: Die Verbindung des christlichen Weltbildes mit dem der Naturwissenschaften. Teilhard wurde an einer Jesuitenschule erzogen. Am 20. März (1899) trat er in den Jesuitenorden ein und studierte Geologie, Physik und Chemie. Am Jesuitenkolleg in Kairo lehrte er von 1905 bis 1908 Physik und Chemie und unternahm geologische Exkursionen. In dieser Zeit las er das 1905 erschienene Werk „L'evolution creatrice“ von Henri Bergson, das auf ihn tiefen Einfluss ausübte. Von 1908 bis 1912 studierte er in Ore Place bei Hastings (Sussex) Theologie und wurde am 24. August 1911 zum Priester geweiht. Daran schloss sich ein paläontologisches Studium in Paris an. Der Erste Weltkrieg, in dem er als Sanitäter u.a. an der Schlacht um Verdun teilnahm, unterbrach seinen wissenschaftlichen Werdegang und hinterließ tiefe Spuren. 1922 promovierte er zum Dr. rer. nat. und erhielt eine Professur für Geologie am Institut catholique in Paris. Er arbeitete hauptsächlich als Geologe und Paläontologe und nahm an vielen Forschungsreisen teil, die ihn u.a. nach Burma, Äthiopien, Indien, Java und die Republik China führten. 1929 gehörte er zu den Entdeckern der Sinanthropus-Funde in den Höhlen von Chou Kou Tien bei Peking. Wegen seiner unorthodoxen theologischen Auffassungen durfte Teilhard nicht in Paris wirken und lebte hauptsächlich im Fernen Osten.

Nach dem Krieg lehrte und forschte er im Ordensauftrag weltweit und entwickelte in Büchern und Briefen sein Denken. Dabei geriet er in Konflikt mit dem kirchlichen Lehramt (Sanctum Officium). Seinen Lehrstuhl am Institut catholique hatte er schon 1926 verloren und verbrachte die folgenden zwanzig Jahre, unermüdlich forschend, größtenteils in China. Sein Interesse wendete sich mehr und mehr der Evolution und dem Werden des Menschen zu. Ab 1939 wurde er als Ausländer in Peking interniert. Hier entstanden seine vielleicht wichtigsten Werke „Le phénomène humain“ (Das menschliche Phänomen, deutsche Ausgabe „Der Mensch im Kosmos“) und „Le Milieu Divine“ („Das göttliche Milieu“ oder „Der göttliche Bereich“). Die Veröffentlichung seines 1940 fertiggestellten Hauptwerkes Le phénomène humain (dt. Der Mensch im Kosmos, München 1959) sollte er nicht mehr erleben, da Rom noch zehn Jahre danach das Imprimatur verweigerte - ihm wurde Eklektizismus und Titanismus u.a. von Vladimír Boublík unterstellt -, er selbst aber nicht als freier Philosoph außerhalb von Kirche und Orden publizieren wollte. Er sollte überhaupt keine theologischen und philosophischen Werke mehr veröffentlichen. Er wurde 1950 zum Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften ernannt. 1951 wurde er - infolge der Enzyklika "Humani generis" ("Über einige falsche Ansichten, die die Grundlage der katholischen Lehre zu untergraben drohen") - zum zweiten Mal vom Orden aus Frankreich verbannt. Auch diesmal gehorchte er der Ordensdisziplin. Seine letzten Jahre verbrachte er als Research Associate bei der Wenner Gren Foundation for Anthropological Research im amerikanischen Bundesstaat New York. Als er am Ostersonntag 1955 starb, folgten wenige dem Sarg. Nach seinem Tod konnten seine Bücher gedruckt werden, sie erreichten in kurzer Zeit Millionenauflagen, nachdem schon seine Vorträge und unter der Hand vervielfältigten Manuskripte auf größtes Interesse gestoßen waren. Sein Optimismus riss jeden mit, wobei dieser um so erstaunlicher schien, weil er auch durch das Erlebnis zweier furchtbarer Weltkriege nicht gelitten hatte. Der Biologe Adolf Portmann, bei dem Teilhard immer, wenn er in Basel war, einkehrte, schrieb über ihn: "Die Erforschung des Chinamenschen (...) hat seinen Ruf als Erforscher einer erloschenen Lebenswelt begründet und den Grund gelegt für das Vertrauen, mit dem viele Menschen seine weittragenden Folgerungen über die Evolution der Menschheit aufgenommen haben.“ Doch stellt Portmann gleichfalls fest, dass bei ihm sehr häufig „der Prophet dem Forscher die Feder aus der Hand genommen hat.“

Denken

Die Bedeutung Teilhard de Chardins liegt in seinem Versuch, den christlichen Glauben mit der damals neuen evolutiven Sicht von Kosmos und Leben zusammenzudenken (zum Problem s. Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube). Er stieß dabei bis an die Toleranzgrenzen der kirchlichen Lehre vor, wurde jedoch bahnbrechend für das nachfolgende theologische Denken.

Teilhard sieht Leben und Kosmos in einer von Gott bewirkten kreativen Bewegung, die noch nicht an ihr Ziel gelangt ist. Kennzeichen dieser Bewegung ist die ständige Zunahme von Organisiertheit und organischer Einheit. Das Streben in diese Richtung, also der Motor der Evolution, ist für Teilhard die Liebe. Diese Liebe, die das letzte Ziel, die organische Einheit alles Seienden, bereits handelnd und leidend vorwegnimmt, war für Teilhard im Herzen eines Menschen vollkommen verwirklicht: in Jesus Christus. So nennt er Christus mit einem biblischen Hoheitstitel (Offb. 21,6) das Omega oder den "Punkt Omega", d.h. Ziel, Richtung und Motor der Evolution.

Teilhards Schau ist geprägt von großer naturwissenschaftlicher Kenntnis und zugleich von tiefer Frömmigkeit, vor allem von der Herz-Jesu-Spiritualität. Bahnbrechend (und zu seiner Zeit anstößig) ist er darin, die Schöpfung nicht als etwas "einst" Abgeschlossenes und seither Fertiges anzusehen (wie es die biblischen Schöpfungserzählungen nahe zu legen scheinen), sondern als einen bis ans Ende der Zeit fortdauernden Prozess mit noch ungeahnten Ergebnissen. Neu gedacht hat er auch das Verhältnis von "notwendiger" Entwicklung und menschlicher Freiheit. Theologischer Anknüpfungspunkt ist ihm dabei die Lehre vom Heiligen Geist (Spiritus Creator), dessen Wirken kein bloß vergangenes ist und der mit der geschöpflichen Freiheit zusammenwirkt. Seine Überlegungen zur Evolution des Menschen, insbesondere hinsichtlich dessen geistiger und spiritueller Aspekte, werden oft mit denen des indischen Philosophen Aurobindo verglichen, der den gegenwärtig lebenden Menschen als Übergangswesen zu einer höheren Entwicklungsstufe ansieht.

Siehe auch

Werke

  • Das Auftreten des Menschen (L'apparition de l'homme, 1956). Walter, Olten 1964
  • Die Entstehung des Menschen (La Place de l'Homme dans la Nature: Le groupe zoologique humain, 1956). Beck, München 1961, ISBN 3-406-42031-1
  • Das göttliche Milieu. Ein Entwurf des inneren Lebens (Le milieu divin, 1957). Benziger, Düsseldorf 2000, ISBN 3-545-70014-3
  • Die lebendige Macht der Evolution (L'activation de l'energie, 1963). Walter, Olten 1987, ISBN 3-530-87362-4
  • Mein Glaube (Comment je crois, 1969). Walter, Olten 1988, ISBN 3-530-87368-3
  • Der Mensch im Kosmos (Le phénomène humain, 1955). Beck, München 2005, ISBN 3-406-45541-7
  • Die menschliche Energie (L'energie humaine, 1962). Walter, Olten 1987, ISBN 3-530-87360-8
  • Die Schau in die Vergangenheit (La vision du passé, 1957). Walter, Olten 1965
  • Wissenschaft und Christus (Science et Christ, 1965). Walter, Olten 1971, ISBN 3-530-87367-5
  • Die Zukunft des Menschen (L'avenir de l'homme, 1959). Walter, Olten 1994, ISBN 3-530-87358-6
  • Das Herz der Materie. Kernstück einer genialen Weltsicht (Le cœur de la matière, 1976). Patmos, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-69065-X

Literatur

  • Johannes Hemleben: Teilhard de Chardin in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, rororo bildmonographien 116, Reinbek bei Hamburg 1966
  • Adolf Haas: Teilhard de Chardin-Lexikon. Grundbegriffe, Erläuterungen, Texte., Herder, Freiburg 1984, 2 Bde., ISBN 3451019078, ISBN 3451019086 (Erläuterung der Grundbegriffe des Teilhardschen Denkens mit Textbelegen)

http://www.teilhard.de/

http://www.teilhard.org/

http://www.nugev.de/

  • [http:www.wie.org/de/j18/j22/What is Enlightenment?-Magazin]"Ein unzerstörbarer Geist", "Die Gottwerdung des Kosmos" Interview mit Brian Swimme (deutsch)