Zum Inhalt springen

Preußische Reformen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Februar 2007 um 10:24 Uhr durch Pendulin (Diskussion | Beiträge) (Revert auf Version von Benutzer:Complex (9. Feb. 2007, 10:23). Spass-Beitrag / Bitte in Zukunft unterlassen!). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Preußischen Reformen oder auch Stein- und Hardenbergschen Reformen waren eine Reaktion auf die Niederlage Preußens gegen Napoleon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Große Gebietsverluste, erdrückende Tributszahlungen an Napoleon und das Bestreben, sich wieder im Kreis der Großmächte zu behaupten, zwangen Preußen zu Modernisierungen. Sie waren "eine Politik der defensiven Modernisierung, nicht mit, sondern gegen Napoleon" (Elisabeth Fehrenbach). Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein und nach ihm Karl August Fürst von Hardenberg setzten diese Reformen um.

Ursachen

In Preußen herrschte ein Streit zwischen aufstrebendem Bürgertum und ständischer Feudal-Obrigkeit, zwischen lokal üblichem (Gewohnheits-)Recht und aufklärerischem Gedankengut (das durchaus von aufklärerischen Gedanken berührte Preußische Landrecht von 1794 wurde häufig nicht angewendet, galt auch nicht überall – auf den Staatsdomänen war die Leibeigenschaft abgeschafft, auf den ostelbischen Großgrund- und Adelsgütern nicht – und war auf bestimmte Rechtsgüter beschränkt). Die verkrusteten Strukturen wurden beim Zusammenbruch Preußens im Kampf mit dem napoleonischen Frankreich sichtbar.

Anlass und Ziele

Anlässe waren der völlige Zusammenbruch Preußens im Krieg gegen Napoleon 1807 und der Frieden von Tilsit sowie die Besetzung Preußens durch Napoleon. Eine Absicht der Reformer war die Vermeidung einer gewaltsamen Veränderung in Preußen unter dem Eindruck der wachsenden Unzufriedenheit im Volk, das auf die Errungenschaften der Revolution in Frankreich blickte. Dabei gingen die Reformer Kompromisse ein, um das bisher bestehende System in den Grundsätzen zu erhalten (zum Beispiel die Monarchie) und gleichzeitig die angestrebte Modernisierung friedlich zu realisieren. Im Mittelpunkt stand die Neuformung des preußischen Staates, dessen Fundament eine auf Freiheit und Gleichheit gegründete bürgerliche Gesellschaft sein sollte (vom Stein) wIE GEHTS MARK

Einzelne Maßnahmen

Die Agrarreformen

(Hauptartikel: Bauernbefreiung)

Bis 1807 waren die Bauern durch die Erbuntertänigkeit leibeigen. Sie wurden durch Frondienste und Abgaben belastet.

Das Oktoberedikt vom 9. Oktober 1807, ein von Karl vom und zum Stein durchgesetztes Gesetz, hob die Erbuntertänigkeit in Preußen auf. Die Schranke zwischen Bauern- und Bürgerstand fiel. Zuvor war der Landbesitz nur Adligen gestattet. Diese durften dafür keine bürgerlichen Berufe ausüben. Jetzt wurde das Recht auf freien Eigentumserwerb und die Freiheit der Berufswahl für alle preußischen Bürger gewährt. Eine weitere Neuerung war die Freiheit der Eheschließung, was in der Folgezeit zu erheblichen Geburtenüberschüssen, besonders bei der ländlichen Bevölkerung, führte

Das Regulierungsedikt im Jahr 1811 machte alle Bauern zu Eigentümern der Höfe, welche sie bewirtschafteten. Von ihren bisherigen Abgaben und Frondiensten an den Grundbesitzer mussten sie sich freikaufen. Allerdings konnten viele Bauern die Entschädigungssumme nicht aufbringen. Dann mussten sie entweder den Gutsbesitzern bis zur Hälfte ihres Landes als Entschädigung überlassen, wobei der Rest oft nicht mehr genug Ertrag brachte, oder sie mussten sich stark verschulden. Somit profitierten außer dem bäuerlichen Mittelstand eigentlich nur die Großgrundbesitzer und adligen Junker von der Reform, die auf diese Weise ihren Landbesitz mehren konnten. Als schließlich durch eine neue Verordnung auch noch die Allmende (das von allen nutzbare Land eines Dorfes) den Großbauern und Gutsherrn als Entschädigung zugesprochen wurde, verloren viele Kleinbauern endgültig ihre Existenzgrundlage und mussten sich als Landarbeiter auf den großen Gütern verdingen. Obwohl die Reformer mit diesem Edikt gute Absichten verfolgten, vergrößerte sich in der Folgezeit die besitzlose ländliche Unterschicht.

Regierungsreform

Vor der Reform entschied der König im Kreise seiner Kabinettsräte und die Minister waren an diese Entscheidungen gebunden (also nur Ausführende). Ab 1808 standen die Minister an der Spitze abgegrenzter Ressorts (Inneres, Äußeres, Finanzen, Justiz, Krieg) und trugen für königliche Erlasse Verantwortung (Ende des Generaldirektoriums). 1810 wurde das Amt des Staatskanzlers geschaffen, der über den Ministern stand. Preußen wurde in Regierungsbezirke unterteilt (davor waren es Kammer-Departements), deren Regierungen ebenfalls in Ressorts gegliedert waren.

Städtereform

1808 wurde die städtische Selbstverwaltung durch Wahl der Stadtämter (Stadtverordnete) von Freiherr vom Stein eingeführt. Diese konnten von allen Bürgern mit Besitz von Grund und Boden, Einkommen von mindestens 150 Talern oder gegen eine Gebühr gewählt werden. Diese Stadtverordnete wählten dann wiederum den Magistrat. Ziel waren die Weckung von Selbstverantwortung und Verantwortung für das Gesamtwohl.

Der Magistrat hatte die Obhut über städtische Einnahmen und Ausgaben und somit Mitspracherecht bei vielen Angelegenheiten (Bau- oder Schulwesen zum Beispiel). Die Städtereform griff auf die mittelalterliche Städteverfassung zurück und war gleichzeitig ein großer Schritt hin zur heutigen kommunalen Selbstverwaltung.

Steuerreform

Zunächst hatte die Steuerreform nur das Ziel, die Einnahmen zu erhöhen, um Kontributionen an Napoleon bezahlen zu können. Doch dann wurden wichtige Neuerungen für Gesellschaft und Wirtschaft eingeführt. Es kam zu einem Ausgleich zwischen Stadt und Land und zwischen den einzelnen Provinzen. Es wurde eine einheitliche Gewerbesteuer wie auch Verbrauchs- und Luxussteuern in ganz Preußen verbindlich eingeführt. Um einen einheitlichen Binnenmarkt zu schaffen und die Errungenschaften der neuen Gewerbefreiheit zu schützen, wurden auf Im- und Export hohe Zölle veranschlagt, während sie innerhalb Preußens abgeschafft wurden.

Gewerbereform

Von liberalem Gedankengut (basierend auf den Theorien von Adam Smith) geleitet, wurde 1810 in Abkehr vom Merkantilismus die Gewerbefreiheit eingeführt. Dies bedeutete auch die Beseitigung des Zunftmonopols und weitgehend das Ende der Aufsicht des Staates über die Wirtschaft. An seine Stelle traten das Recht auf freie Berufswahl und der freie Wettbewerb. Das Motto war: "Freie Bahn dem Tüchtigen!"

Anfangs war die Wirtschaft sehr labil, eine Wirtschaftskrise drohte. Die Regierung hielt aber an der Reform fest. Preußen wurde somit ein Vorreiter der Industrialisierung in ganz Deutschland und war anderen Staaten voraus, weil es rechtzeitig die Fesseln der alten Wirtschaftsordnung löste. Der Preis dafür war der wirtschaftliche Ruin vieler Handwerksmeister.

Bildungsreform

Im Jahre 1809 wurde der Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt als Verantwortlicher für das preußische Bildungswesen berufen. Obwohl nur ein Jahr im Amt, gelang es ihm, bedeutende Impulse zu setzen, die weit über seine Amtszeit hinausreichten.

Humboldt verfolgte den Ansatz des Humanismus, der eine gute Allgemeinbildung als Wert an sich sah. Dadurch wollte er die Menschen zu mündigen Bürgern erziehen. Erst an zweiter Stelle stand die Vermittlung beruflich benötigter Fachkenntnisse.

Volksschul-, Gymnasial- und Universitätswesen wurden als einheitliches staatliches Bildungssystem etabliert. Staatlich anerkannte Leistungskriterien wurden geschaffen als Voraussetzung für den Eintritt in den Staatsdienst: es sollte auf Bildung und Leistung ankommen, nicht mehr auf Herkunft und Stand.

Der Beruf des Lehrers wurde aufgewertet durch Einführung einer Ausbildung zum Volksschullehrer. Zuvor war der Lehrer ein dem Priester unterstellter Gehilfe, der keinerlei fachliche Qualifikation aufweisen musste. Dieses wenig angesehene Amt wurde meist an Theologen, denen es nicht gelungen war, Priester zu werden, oder ehemalige Soldaten und Handwerker vergeben. Durch Humboldts Reformen wurde es in Preußen Pflicht für angehende Lehrer, sich einer fachlichen und pädagogischen Ausbildung zu unterziehen.

Die allgemeine Schulpflicht, die seit 1717 eher formal bestand, da für ihre Umsetzung in ländlichen Gebieten meist der Gutsherr verantwortlich war, der daran oft wenig Interesse hatte, wurde aufgewertet und bis zur Jahrhundertmitte größtenteils durchgesetzt. Die Schüler wurden nicht mehr so hart gedrillt wie zuvor üblich. Juden wurde erlaubt, Unterricht an Schulen zu geben.

Die Erziehung an Gymnasien wurde auf Allgemeinbildung ausgerichtet, insbesondere durch Latein und Altgriechisch als Fächer anstatt des Auswendiglernens von Bibeltexten. Das Gymnasium stand prinzipiell den Jungen aus allen Schichten offen, wenngleich es in der Praxis nur von denen besucht werden konnte, deren Eltern das Schulgeld aufbringen konnten. Für Mädchen öffnete sich diese Schullaufbahn erst später.

Wilhelm von Humboldt gehörte zu den Gründern einer Universität in Berlin, der heutigen Humboldt-Universität. In der Folgezeit wurden weitere Universitäten errichtet und zu Stätten der neuen bürgerlichen Elite.

Außerdem wurde die Berufsschule als praxisbezogene weiterführende Schulform eingeführt.

Heeresreform

Nach dem Frieden von Tilsit wurde Gerhard von Scharnhorst im Juli 1807 zum Chef des Kriegsdepartements (Kriegsministerium), zum Chef des Generalstabes und zum Vorsitzenden der Militär-Reorganisationskommision ernannt. In dieser Stellung reorganisierte er das Heer von Grund auf. Das bisherige Söldnerheer wurde in ein Volksheer umgewandelt, die höheren Armeeränge wurden auch für Bürgerliche zugänglich, es galt das Leistungsprinzip statt Privilegien. Die Allgemeine Wehrpflicht, 1813 eingeführt, sollte auch zu einer stärkeren Identifizierung der Bevölkerung mit ihrem Staat führen. Die im Frieden von Tilsit festgesetzte Begrenzung der Armee auf 42.000 Mann wurde dabei mit dem Krümpersystem umgangen. Es wurde neben dem stehenden Heer eine Landwehr aufgebaut. Die Strafen innerhalb der Armee wurden gemildert und man schaffte das Spießrutenlaufen ab. Die Artillerie wurde mobiler, die Kampfkraft der Truppen gesteigert.

Emanzipationsedikt

Hauptartikel: Preußisches Judenedikt von 1812

Prinzipiell erhielten die Juden die gleichen bürgerlichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Staatsbürger; ihnen wurde Erwerb von Grundbesitz gestattet, und das Besetzen städtischer und Universitätsämter wurde ihnen möglich. Sie erhielten aber vorerst keinen Zugang zu Offiziersrängen, Justiz- und Verwaltungsämtern. Allerdings mussten sie Heeresdienst leisten. Das Emanzipationsedikt hatte zur Folge, dass viele Juden nach Preußen zogen.

Erfolg der Reformen (wertendes Resumée)

Die Reformen waren durchaus erfolgreich, insbesondere aus Sicht des preußischen Staates. Sie begünstigten zunächst die Befreiungskriege gegen Napoleon. Langfristig gesehen schufen die Reformen die Grundlage für den Aufstieg Preußens im 19. Jahrhundert.

Literatur

  • Werner Frotscher, Bodo Pieroth: Verfassungsgeschichte, 5. Aufl., München 2005, § 7.