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Kurden

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Kurdisches Siedlungsgebiet

Die Kurden sind ein Iranisches Volk. Es gibt schätzungsweise zwischen 24 - 27 Millionen Kurden. Davon sind 12 – 15 Mill. in der Türkei, 5,7 Mill. im Iran, 4 Mill. im Irak, 1 Mill. in Syrien, 0,7 Mill. in Westeuropa und 0,4 Mill. in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion beheimatet. Desweiteren gibt es eine kleinere Anzahl von Kurden in Libanon und Israel.

Herkunft

Wahrscheinlich ist, dass die Vorfahren der Kurden während der zweiten großen Wanderungsbewegung der indogermanischen Arier um 2000 v. Chr. von West-Iran sich im Gebiet, das später als Kurdistan bezeichnet wurde, ansiedelten. Das Volk der Kurden ging aus mehreren Völkern und Stämmen hervor. Ihre Kultur, Sprache und Mythologie ist jedoch tief in der iranischen Kultur verwurzelt.
Über die Abstammung der Kurden gibt es verschiedene Thesen, wobei zu beachten gilt, dass Völkervermischungen gerade über diesen langen Zeitraum stattgefunden haben:

  • 1. Nachfahren der Hurriter, die das Mitanni-Reich zerstörten (um 1500 v. Chr.). Deren Name Churri, von denen sich laut dieser Theorie auch der Name Kurde ableitet. Das Siedlungsgebiet der Churriter stimmt fast exakt mit den Grenzen Kurdistans überein.
  • 2. Abstammung von den Medern, (Kurandsch hergeleitet von Kur/Kurd und Mandsch für "Meder"). Viele der Kurden sehen sich heute als Nachfahren der Meder. Dies hat sich auch dadurch verstärkt, dass das altmedische Wort Turd/Kurd "stark" bedeutet. Man findet diese Form im sogenannten Kurmanji, einem kurdischen Dialekt, wobei die medische Übersetzung "Starker Meder" wäre. Gleiches gilt auch für das Wort Türkiye, das ebenfalls mit "stark" oder "mächtig" übersetzt werden kann.
  • 3. Abstammung von den Skythen. Xenophon berichtet in der Anabasis (III,5,15) von einem Stamm der Karduschen. Allerdings bezweifeln die meisten Historiker und Archäologen, dass größere Teile der Skythen in dem späteren kurdischen Volk aufgegangen sind, denn die Heimat der Skythen war Kasachstan, Südrussland und die Ukraine.

Keine dieser Thesen konnte bislang wissenschaftlich bestätigt werden.

Der geographische Name "Kurdistan" taucht das erste mal in arabischen und seldschukischen Quellen auf.

Geschichte

Frühgeschichte

Die blühendste Periode, nach kurdischer Sicht, war im 7. Jahrhundert vor Chr. im Meder-Reich. Im 12. Jahrhundert gründete Saladin, der zu Rawendis Zweig des Hadabani Stammes gehörte, die Ayyubiden-Dynastie von Syrien. Dieses Reich erstreckte sich über Teile von Ost- und Westkurdistan, Chorassan, Ägypten und dem Jemen. Das Ayyubidische Reich war aber keines falls ein Kurdisches Reich, viele seiner Bewohner - eigentlich die meisten - waren Araber und andere Völker. Es war ein islamisches Reich, denn die Bewohner bezeichneten sich als Muslime und nicht als Araber oder Kurden.

Mittelalter

Ein großer Wendepunkt ist die Schlacht von 1514 bei Caldiran (nahe Van) zwischen Osmanen und Safawiden. Schah Ismail I. unterliegt Sultan Yavuz Selim I. Danach kommt fast ganz Ostanatolien unter osmanische Herrschaft. Auf seinem Zug in die Osttürkei bringt der Sultan bei Sivas an die 40.000 Aleviten um, welche türkische und kurdische Gruppen umfassen (wobei die ersteren überwiegen), um eventuelle Zusammenarbeit mit den Safawiden zu unterbinden. 1596 verfasst Serefhan, Fürst von Bitlis und Sohn von Idris Bitlisi, das Geschichtswerk Serefname (Prachtschrift) mit dem ersten vollständigen Überblick über die kurdische Geschichte. Unter anderem wird darin behauptet, dass das Fürstentum Bitlis von Malatya bis zum Urmiasee reichte. Die historische Korrektheit dieses Geschichtswerkes wird jedoch bezweifelt.

20. Jahrhundert

Bis zur Zeit des Ersten Weltkriegs wurde das kurdische Bewusstsein einerseits durch die Stammeszugehörigkeit geprägt, andererseits durch den sunnitischen Islam. Unter dem Einfluss europäischer Ideen entwickelten sie dann ein eigenes Nationalgefühl. Durch die alliierten Siegermächte wurde ihnen zunächst ein eigener kurdischer Staat (Kurdistan) in Aussicht gestellt. Jedoch wurde ihr Siedlungsgebiet auf die Territorien verschiedener Staaten aufgeteilt, wo man sie - mit wenigen politischen Rechten ausgestattet - als ethnische Minderheit anerkannte. In der Türkei werden sie als "Bergtürken" diffamiert und der Gebrauch der kurdische Sprache war bis vor kurzem verboten.

Am 22.01.1946 wurde eine Kurdenrepublik in Nordwestiran mit Mahabad als Hauptstadt und Qazi Mohammed als deren Präsident gegründet. Die Sowjetunion wollte durch die Gründung Kurdistans und Aserbaidschans auf iranischem Boden Einfluss auf die Region ausüben. Nach Abzug der Sowjets aus dem Iran wurden die beiden Republiken von der iranischen Armee zurückerobert. Nach nur 13 Monaten wurde Quazi Mohammed mit weiteren Ministern auf dem Car Cira Platz, von dem aus die kurdische Republik ausgerufen worden war, am 31. Mai 1947 hingerichtet. Zu einer teilweisen Selbstverwaltung und Beteiligung an der Regierung kam es im Irak 1970 bis 1974.

Nach dem zweiten Golfkrieg 1991 verfügte die UNO im Irak eine Schutzzone nördlich des 36. Breitengrades. Im dritten Golfkrieg 2003 beteiligten sich kurdische Kräfte auf Seiten der USA an der Eroberung nordirakischer Städte. Seitdem genießen die irakischen Kurden einen besonderen Status als Verbündete der USA. Das Ziel der irakischen Kurden, mehr Autonomie und Einfluss zu bekommen, wird vor allem von der Türkei sehr missbilligt, da man einen entsprechenden Einfluss auf die Kurden in der Türkei befürchtet.

Politik

Bislang sind die Bemühungen um eine staatliche Souveränität auch daran gescheitert, dass die Kurden untereinander zerissen sind. In einer feudalen Gesellschaft galt nämlich, dass das Recht des Herrn oder geistlichen Oberhauptes vor dem Recht des Volkes kam. Es fehlte das nationale Gefühl. Aber in den letzten hundert Jahren kam auch der Nationalismus nach Kurdistan, so dass die Kurden immer mehr zusammen rückten. Das machte sich auch dadurch bemerkbar, dass die Kurden vermehrt Parteien bildeten, die sich europäische Parteien zum Vorbild nahmen. In den frühen 20er Jahren wurde im Libanon die Organisation Xoybun gegründet, die unter anderem den Ararat Aufstand anführte. Die bekanntesten Parteien türkischer Kurden sind die KONGRA-GEL (ehemals PKK) und KADEK, die Komala, die PDK, die PSK und die YNK. Die meisten dieser Organisationen verfolgten jahrelang ihre Ziele mit Terror. In Syrien sind bekannte kurdische Parteien die Al Party, die kurdische Volksunion (Hevgirtin Gel) und die Yekiti (Partei der Einheit).

Die größten Aufstände im 20. Jahrhundert

Religion

Die Kurden sind mehrheitlich sunnitischen Glaubens (etwa 75%). Etwa 20% sind Schiiten, daneben gibt es auch Aleviten (in der Türkei) und Jezidi.

Kultur

Es gibt eine reiche Volksliteratur in kurdischer Sprache. Zu erwähnen wäre das Epos Mem u Zin, das 1695 von dem Dichter Ahmede Xanê geschrieben worden ist. Der aus Mardin stammende Dichter Cigerxwin (Sexmus Hasan), der von 1903 bis 1984 lebte, schrieb für Zeitschriften wie Hewar. Er studierte ausführlich den Marxismus-Leninismus und hinterließ acht Gedichtsammlungen. 1935 wird der erster Roman der Neuzeit in kurdischer Sprache “Schivane Kurd” von Ereb Schemo verfasst.

Am 21. März wird das kurdische Neujahrsfest Newroz, in Anlehnung an das iranische Fest, begangen.

Sprache

Kurdisch ist eine indoeuropäische Sprache, über deren konkrete Systematik diverse Kontroversen geführt werden. Es ist jedoch allgemein gültig, dass das Kurdisch zum westiranischen Sprachzweig der indoeuropäischen Sprachfamilie gehört. Wegen der fehlenden politischen und kulturellen Einheit gibt es keine einheitliche, festgelegte Standardsprache. Die Hauptdialekte des Kurdischen stellen das Kurmanci, Sorani dar. Man unterscheidet in:

  • 1. Kurmanci (ca. 15 Mill. Sprecher) – Nord-Kurdisch (mit lateinischen Buchstaben). Kurmanci wird von den Kurden der Türkei, Syrien und der ehemaligen Sowjetunion gesprochen. Es ist auch unter den Kurden im Iran und Irak verbreitet. Vor allem das Kurmanci duchläuft gerade eine Prozess des Sprachausbaus.
  • 2. Sorani (ca. 6 Mill. Sprecher) – Zentral-Kurdisch (in arabischer Schrift). Sorani wird im Iran und Irak gesprochen.
  • 3. Zazaki oder Zaza/Dimili (ca. 4 Mill. Sprecher) – (Dialekt der mit dem iranischen Gorani verwandt ist)
  • 4. Gorani - (von iranischen Kurden gesprochen und heute fast ausgestorben)

Ob auch das Lurische zum Kurdischen gehört, wird heftig diskutiert. Insgesamt gesehen gibt es viele Mundarten, die sich von Region zu Region und von Stamm zu Stamm unterscheiden. Das macht Kurdisch zu einer reichen Sprache.

Die kurdischen Sprachen wurden 1982 von der türkischen Verfassung verboten, seit August 2002, auch auf Druck der Europäischen Gemeinschaft im Zuge der Beitrittverhandlungen, wieder zugelassen.


Ereignisse in Deutschland

Am 17. September 1992 werden die vier Mitglieder der Demokratischen Partei Kurdistans Dr. Sadegh Sharafkandi, Fattah Abdoli, Homayoun Ardalan und Nouri Dehkordi bei einem Attentat im Berliner Restaurant Mykonos (Charlottenburg-Wilmersdorf) von Geheimdiestangehörigen des Iran erschossen.

Literatur

  • Günter Kettermann: Atlas zur Geschichte des Islam, Darmstadt 2001
  • Klaus Kreiser, Werner Diem, Hans Georg Majer (Hgg.): Lexikon der Islamischen Welt, 3 Bände, Stuttgart u.a. 1974 (Urban-Taschenbücher 200).
  • Strohmeier, M./Yalçin-Heckmann, Lale: Die Kurden. C.H.Beck Verlag. München. 2. Auflage 2003. ISBN 3-406-42129-6
  • Fischer Weltgeschichte. Band 36. Fischer Taschenbuch Verlag. 2000. ISBN 3-8289-0400-9
  • Informationen zur politischen Bildung. Heft 277. Türkei. 4. Quartal 2002. ISBN 0046-9408


Das folgende Werk ist für eine wissenschaftliche Betrachtung des Themas "Kurden" unentbehrlich:

  • David McDowall: A Modern History of the Kurds. London (I.B. Tauris Publishers) 2000.