Analemma
Ein Analemma (Latinisch für den Sockel einer Sonnenuhr) beschreibt den Verlauf der Sonnenposition innerhalb eines Jahres. Wenn jeden Tag zu genau der selben Zeit, am selben Standort die Sonnenposition markiert wird und am Ende des Jahres alle Positionen verbunden werden, entsteht die Form einer Acht.
In der Gnomonik, der Lehre von den Sonnenuhren, ist das Analemma die Vorschrift zur Konstruktion von Sonnenuhren.
Entstehungsweise

Die zum Analemma führende scheinbare Bewegung der Sonne ist eine Folge zweier Bewegungen der Erde. Wenn die Bahn der Erde ein exakter Kreis wäre und wenn die Erdachse senkrecht auf der Bahn-Ebene stünde, würde die Sonne zu einer festen Tageszeit stets auf demselben Punkt stehen.
Die Bahn der Erde ist jedoch elliptisch und die Abweichung der Bahnebene vom Himmelsäquator (Projektion des Äquators auf den Himmel), oder auch Ekliptik genannt, beträgt ca. 23,5º. Hierdurch macht die Sonne während eines Jahres eine scheinbare Bewegung hinsichtlich der Erde: das Analemma – eine mehr oder weniger schiefliegende „Acht“.
Diese Bewegung wird sichtbar, wenn wir den Sonnenstand über das Jahr jeden Tag zur gleichen Mittleren Ortszeit aufzeichnen. Die nebenstehende Fotomontage zeigt diese übers Jahr verschiedenen Sonnenstände um ca. neun Uhr morgens vom 49. Breitengrad aus, wobei der Sonnenstand den rechten Teil der Bahn im Uhrzeigersinn, den linken entgegengesetzt durchläuft.
Wie erwartet geht die Sonne im Winter später und weiter im Süden auf als im Sommer. Aber sie bewegt sich dabei nicht auf der Geraden, die als Hilfslinie im Bild eingezeichnet ist. Der kürzeste Tag fällt auch nicht mit den Tagen zusammen, an denen die Sonne am spätesten auf- und am frühesten untergeht.
Die Form des Analemmas folgt unmittelbar aus der Zeitgleichung.
Analemma im klassischen Altertum

Die heute als Analemma bezeichnete Figur war im klassischen Altertum unbekannt. Sie entsteht durch Aufzeichnen der Sonnenposition über das Jahr zu stets gleicher Mittlerer Ortszeit (MOZ, einer gleichförmigen Uhrzeit) während die Sonnenuhr die Wahre Ortszeit (WOZ, ungleichförmig, ändert sich über die Jahresbahn der Erde) zeigt. Die MOZ konnte im Altertum nicht gemessen werden, da es noch keine präzisen Uhren für eine gleichförmige Zeitmessung gab.

Vitruv beschreibt im Neunten seiner "Zehn Bücher über die Architektur" (vollendet bis ca 22 v. Chr.) die Sonnenuhrenkonstruktion mit Zirkel und Lineal und bezeichnet diese Konstruktionsvorschrift als Analemma der Gnomonik. Dieses Analemma ermöglicht es, bei bekannter geographischer Breite die Sonnenposition zu jeder Tageszeit und in ihrem jahreszeitlichen Verlauf darzustellen.
Als Analemma bezeichnet man auch ein bereits von Ptolemäus im gleichnamigen Werk beschriebenes, in der Astronomie verwendetes Projektionsverfahren, bei dem sich Quadrat und Kreis umfangen sowie dreidimensional als Würfel und Kugel durchdringen.
Eine praktische Anwendung eines solchen Analemmas stellt der Entwurf der einstigen Kathedrale Hagia Sophia in Istanbul dar, bei der ein verschränktes Doppelquadrat-Analemma dem Grund- und Aufriss der Kirche zu Grunde liegt. Entschlüsselt wurde dieser Sachverhalt von dem Schweizer Kunsthistoriker Volker Hoffmann mit Hilfe modernster 3-D-Lasertechnik.