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Linsenfernrohr

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Der Große Refraktor der Universitätssternwarte Wien

Ein Linsenfernrohr, auch Refraktor genannt, ist ein Teleskop, bei dem das einfallende Licht durch eine oder mehrere Linsen – das Objektiv – gesammelt und in einer Brennebene gebündelt wird. Das Abbild in der Brennebene wird mittels eines vergrößernden Okulars betrachtet.

Nach dem Konstruktionsprinzip unterscheidet man das Galilei-Fernrohr oder Holländische Fernrohr vom Kepler-Fernrohr oder astronomischen Fernrohr.

Galilei- und Kepler-Fernrohr

Galileiteleskop mit Sammel- und Zerstreuungslinse, Keplerteleskop mit zwei Sammellinsen (baut etwas länger)


Das Galilei-Fernrohr hat als Objektiv eine Sammellinse und als Okular eine Zerstreuungslinse kleinerer Brennweite. Es besitzt ein kleines Gesichtsfeld, stellt die Objekte aber aufrecht und seitenrichtig dar. Es ist heute nur noch als Opernglas und als fest installiertes Aussichtsfernrohr in Gebrauch.

Beim Kepler-Fernrohr werden sowohl für das Objektiv als auch für das Okular Sammellinsen verwendet. Die Vergrößerung eines Refraktors ergibt sich aus dem Verhältnis der Brennweiten des Objektivs und des Okulars. Ein Gerät mit 1.000 mm Objektiv-Brennweite und 5 mm Okular-Brennweite besitzt somit eine 200fache Vergrößerung.

Kleine Fernrohre und Ferngläser charakterisiert man durch zwei Zahlenangaben, z.B. 6 x 20 mm (Taschengerät) oder 20–40 x 50 (Spektiv). Die erste Angabe bezieht sich auf die Vergrößerung und Apertur, die zweite auf die Öffnung des Objektivs in mm. Variable Vergrößerungen (z. B. 20–40) werden durch Zoom-Okulare ermöglicht. Durch den Einsatz eines Binokulars entsteht der Eindruck des räumlichen Sehens, wodurch sich die Wahrnehmung verbessert.

Beim Kepler-Fernrohr ist das Bild im Gegensatz zum Binokular oder Fernglas um 180° gedreht und steht also scheinbar auf dem Kopf. Bei Ferngläsern (Feldstechern) und Spektiven wird das umgedrehte Bild des Kepler-Fernrohrs mittels verschiedener Prismensysteme um 180° gedreht. Je nach Ausführung ergibt sich eine kürzere Bauweise. Die Bildumkehr kann auch durch eine Umkehrlinse erfolgen. Ein solches Gerät ist als Ausziehfernrohr oder Terrestrisches Fernrohr für unterwegs oder auf See gedacht. Es ist trotz Vergrößerungen von etwa 20-fach bis 60-fach klein, zusammenschiebbar und preiswert. Nachteilig sind die geringere Lichtstärke und der Zutritt von Außenluft beim Auseinanderziehen. Neuere Bautypen und Spektive haben daher einen festen Tubus und verkürzen die Baulänge durch ein geradsichtiges Porroprisma oder leicht geknicktes Umkehrprisma. Das verkehrte Bild wird bei den größeren Teleskopen der Astronomie in Kauf genommen, da die Ausrichtung der Beobachtungsobjekte am Himmel in der Regel keine Rolle spielt. Zur Verbesserung des Einblicks ins Okular werden häufig 90°- oder 45°-Umlenkprismen eingesetzt, die dann aber ein seitenverkehrtes Bild liefern.

Das Gesichtsfeld ist bei gleicher Instrumentengröße ausgedehnter als beim Galilei-Fernrohr. Zielfernrohre für die Jagd haben geringe Vergrößerungen bei hoher Lichtstärke und ein Gesichtsfeld, das auf den Einblick aus größerer Distanz optimiert ist.

Für spezielle Aufgaben werden in der Astronomie auch Linsensysteme und mechanische Bauweisen verwendet, die sich von den normalen Refraktoren unterscheiden. Beispielhaft seien hier "Kometensucher" und große Doppelfernrohre genannt, sowie Astrografen, Zenitteleskope oder Heliometer.

Falt-Refraktoren

Schaer-Refraktor Strahlengang

Die Falt-Refraktoren sind eine Sonderform des Linsenfernrohrs. Der Strahlengang wird meist über einen oder zwei Planspiegel umgelegt. Das Teleskop wird quasi gefaltet. Die diversen Faltvarianten werden dabei oft nach ihren Konstrukteuren oder nach dem äußeren Erscheinungsbild des Teleskops benannt. So erinnert der Fagott-Refraktor (einfache Faltung) an die geknickte Bauweise des gleichnamigen Musikinstrumentes und der Newton-Refraktor (zweifache Faltung) wegen seinem Okulareinblick an das Spiegelteleskop nach Newton. Der Schaer-Refraktor ist zweifach gefaltet und nach seinem Konstrukteur benannt. Okularzenitprismen oder -spiegel gehen bei der Klassifizierung dieser Bauweisen nicht mit ein, sondern sind Zubehörteile für alle Fernrohrtypen.

Linsenobjektive haben den Nachteil, dass sie durch die Brechung des Lichtes im Bild Farbsäume bilden. Diese so genannte chromatische Aberration war früher bei einfachen zweilinsigen Objektiven nur ab einem Öffnungsverhältnis von kleiner als ca. 1:15 akzeptabel. Dadurch wurden die Teleskope bei größeren Öffnungen sehr lang und unhandlich.

Verschiedene zweifach gefaltete Refraktoren sind u.a. die von E. Schaer, Ainslie und G. Nemec, wobei zwischen den beiden zuletzt genannten kleinere Modifikationen in der Strahlenführung die schnelle Typenbestimmung oftmals erschweren. So führte Ainslie den Strahlengang seiner Newtonvariante nach der 2. Spiegelung an dem einfallenden Strahlengang seitlich vorbei.

Die Amateurastronomen Nemec, Sorgenfrey, Treutner, Unkel wurden in den 1960er bis Ende der 1970er Jahre durch hochwertige Astrofotos mit ihren Faltrefraktoren bekannt, und brachte diese Refraktortypen eine gewisse Popularität.

Faltrefraktoren werden heute im Wesentlichen als Selbstbaugeräte von Amateurastronomen und einigen Volkssternwarten eingesetzt. Die Fa. Wachter bot in den 1970er und 1980er Jahren einen Schaer-Refraktor aus industrieller Serienfertigung an. Es handelte sich um einen FH 75/1200mm des japanischen Herstellers Unitron.

Coudé-Refraktor

Auch beim Coudé-Refraktor wird der Strahlengang durch zwei Planspiegel gefaltet. Diese beiden Spiegel lenken das Licht durch die Montierung zu einem ortsfesten Fokus. Das Wort Coudé bedeutet im Französischen Ellenbogen und wurde verwendet, weil die um 90° abgewinkelte Hohlachsen der Montierung an einen angewinkelten Arm erinnern.

Das Fernrohrobjektiv

Jede optische Linse weist mehr oder weniger starke Farbfehler auf. Die unterschiedlichen Wellenlängen des Lichtes werden unterschiedlich stark gebrochen. Langwelliges rotes Licht wird weniger stark gebrochen als kurzwelliges blaues Licht. Somit liegt für jeden Wellenlängenbereich ein eigener Brennpunkt vor. Bei der praktischen Beobachtung führt dies zu störenden Farbsäumen. Die Fehler werden umso stärker, je kürzer die Brennweite des Objektivs ist.

In der Vergangenheit versuchte man den Fehler mitunter dadurch zu minimieren, indem man möglichst langbrennweitige Teleskope konstruierte. So benutzte der Danziger Gelehrte Johannes Hevelius meterlange "Luftteleskope".

Ein weitere Möglichkeit der Minimierung besteht in der Kombination von Glaslinsen mit unterschiedlichen Brechzahlen, sog. Krongläser und Flintgläser. Bedeutende Verbesserungen auf diesem Gebiet erzielte der deutsche Physiker Joseph von Fraunhofer.

Hochwertige Objektivlinsen aus mehreren Gläsern werden als Achromate oder Apochromate bezeichnet.

Auch die Okulare von Teleskopen bestehen aus mehreren Linsen, um Fehler zu korrigieren und das Gesichtsfeld zu verbessern. Mit zunehmender Fernrohrgröße und Qualität wird der Entwurf und Bau solcher Linsensysteme sehr aufwendig.

Die Herstellung von Glaslinsen ist nur bis zu einem gewissen Durchmesser sinnvoll. Sie biegen sich unter ihrem Eigengewicht durch. Wird diese Durchbiegung zu groß, ist das Objektiv unbrauchbar. Mit zunehmender Dicke absorbieren Glaslinsen zunehmend Licht, wodurch die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird. Darüber hinaus führen die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Glasarten eines Objektivs zu mechanischen Problemen.

Bedeutende astronomische Refraktoren

Datei:Yerkes.jpg
Der Yerkes-Refraktor

Der 1824 an der Sternwarte Dorpat in Betrieb genommene Refraktor, besaß mit 24,4 cm das größte Objektiv, das Fraunhofer je hergestellt hat. 1838 war der 38 cm-Refraktor der Sternwarte Pulkowa das größte Teleskop der Welt.

Von etwa 1860 bis 1900 wurden sehr große Refraktoren gebaut, darunter der 68 cm-Refraktor der Universitätssternwarte Wien, der 76 cm-Refraktor des Observatoriums von Nizza, der 83 cm-Refraktor von Meudon bei Paris und der 91 cm-Refraktor des Lick-Observatoriums in Kalifornien (1888), 1899 der 80+50 cm-Doppelrefraktor des Astrophysikalischen Instituts in Potsdam. 1896 wurde der 68 cm-Refraktor der Archenhold-Sternwarte in Berlin in Betrieb genommen, der mit 21 m Brennweite der längste bewegliche Refraktor der Welt ist. 1897 wurden allerdings mit der Fertigstellung des 102 cm-Refraktors des Yerkes-Observatoriums die Grenzen des technisch Machbaren erreicht. Erst im Jahr 2002 wurde wieder ein neuer Großrefraktor in Betrieb genommen: das schwedische 100 cm-Sonnenteleskop (mit adaptiver Optik) auf La Palma.

Das größte Linsenfernrohr aber war das 125 cm-Gerät (Brennweite 49 m), das anlässlich der Weltausstellung in Paris 1900 gebaut wurde. Wegen unbefriedigender Leistung (Standort mitten in der Stadt mit Qualm sowie störendem Licht vom Ausstellungsgelände), aber wohl auch weil die Grenzen des Machbaren überschritten waren, wurde es bald wieder abgebaut; das Objektiv liegt noch heute im Pariser Observatorium.

Die Optik neuer großer Beobachtungsgeräte für die astronomische Forschung besteht deshalb nur noch aus Spiegelsystemen. Die leistungsfähigsten Reflektoren erreichen heute Durchmesser von 8 bis 10 m und sind mit ihren Leistungen den Refraktoren weit überlegen. Durch adaptive Optiken können sogar atmosphärische Störungen ausgeglichen werden.

Vorsichtsmaßnahmen

Bei der Sonnenbeobachtung durch ein Teleskop muss zwingend ein geeigneter Sonnenfilter verwendet werden, der vor dem Objektiv anzubringen ist. Kleine Glasfilter, die vor die Okulare geschraubt werden, können infolge Hitzeentwicklung platzen und schlimmstenfalls zur Erblindung des Beobachters führen.

Literatur

  • Fernrohre und ihre Meister, Rof Riekher, Verlag Technik GmbH Berlin
  • Astrooptik, Uwe Laux, Verlag Sterne und Weltraum, München