World Vision International
World Vision ist ein internationales christliches Hilfswerk mit den Schwerpunkten nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Anwaltschaftsarbeit. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Unterstützung von Kindern, Familien und Kommunen im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit. Die Organisation transportiert überwiegend eigenen Projekte und engagiert sich bisher kaum in übergeordneten Fragen der entwicklungsbezogenen Bildung. Die überkonfessionelle Organisation hat eine föderale Struktur, bei der über 90 Landesbüros sich zur weltweiten "World Vision"-Partnerschaft zusammengeschlossen haben.
World Vision International
Geschichte
World Vision wurde als überkonfessionelles christlich-humanitäres Hilfswerk am 22. September 1950 von dem Journalisten und Theologen Bob Pierce gegründet. Ziel der christlichen Organisation waren anfangs die Versorgung koreanischer Kriegswaisen. Bald entstanden nationale Dependencen in Kanada (1957) und Australien (1962), die Überseearbeit wurde schrittweise weltweit ausgedehnt. Ab 1962 trat neben die Arbeit mit Kindern auch Katastrophenhilfe (World Vision Relief Organization).
World Vision hat sich von Beginn an durch Patenschaften finanziert: regelmäßige Spendenbeiträge zur Förderung von Kindern, ihren Familien und deren kommunalem Umfeld in sogenannten "Regional-Entwicklungsprojekten". Andere Projekte, vor allem im Bereich der humanitären Hilfe, werden überwiegend durch Kooperationen mit öffentlichen Gebern oder UN-Organisationen abgewickelt (v.a. mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, WFP).
World Vision International unterhält offizielle Beziehungen zu (oder hat Beraterstatus bei) mehreren UN-Organisationen wie WHO, UNICEF, UNHCR, UNCTAD, und UNAIDS.
World Vision wächst stark (1998 bis 2006 fast eine Vervierfachung des Jahresbudgets). Es ist gegenwärtig eines der weltweit größten nichtstaatlichen Entwicklungshilfewerke (Budget Finanzjahr 2006: 2,1 Milliarden US$). Strukturell ist es ein internationales Netzwerk weitgehend autonomer Nationalbüros (u.a. Deutschland 1979; Großbritannien 1982), für die World Vision International nur noch als Dachorganisation fungiert. World Vision operiert in 99 Ländern, Spenden kommen überwiegend aus dem Westen, erhebliche Teile außerdem auch aus Taiwan, Südkorea und Hongkong.
2005 waren für WORLD VISION International mehr als 22.500 Mitarbeiter in 96 Ländern tätig.
Langfristige Entwicklungszusammenarbeit
Seit dem Zusammenbruch der Arbeit in SO-Asien durch das Ende amerikanischen Einflusses mit dem Ende des Vietnamkrieges fand eine langsame Umorientierung der Arbeit statt: langfristige Programme statt karitativer Hilfe; Gemeinwesenorientierung statt individueller Kinderförderung, Internationalisierung statt zentralistischer Leitung. Zunehmend ergänzen heute Lobbyarbeit und entwicklungspolitische Bildung die humanitäre Hilfe. Dies alles hat World Vision zunehmend zur Kooperation mit anderen Entwicklungsorganisationen geführt. Der Kern der Arbeit von World Vision ist heute vor allem die langfristige Entwicklungszusammenarbeit. Projekte werden zusammen mit der Bevölkerung in Entwicklungsländern entwickelt und durchgeführt. Um Synergieeffekte zu nutzen, werden die Projekte für größere Regionen - häufig mit mehr als 100.000 Einwohnern - konzipiert. Die Nachhaltigkeit der Entwicklung wird durch lange Projektlaufzeiten (>12 Jahre) und durch parallele Verbesserungen in unterschiedlichen Bereichen (Bildung, Gesundheitsversorgung, Nahrungssicherung, Einkommensförderung, Aids-Bekämpfung) sichergestellt.
Humanitäre Hilfe
Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit von World Vision bildet mit der Versorgung von Katastrophenopfern sowie Kriegs- und Hungerflüchtlingen die humanitäre Hilfe. Weitere Aktivitäten in diesem Bereich sind Frieden fördernde Maßnahmen und Katastrophen-Prävention.
Internationale Kooperationen
World Vision International unterhält offizielle Arbeitsbeziehungen zur Weltgesundheitsorganisation und hat Beraterstatus beim Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen. World Vision ist derzeit der größte Verteiler von Lebensmitteln für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). Das Hilfswerk ist auch als internationale ökumenische Organisation vom Weltkirchenrat (ÖRK) anerkannt.
Deutschland
WORLD VISION Deutschland e.V.
WORLD VISION Deutschland e.V. ist ein überkonfessionelles christliches Hilfswerk und seit 1979 von Deutschland aus tätig. Sitz ist das hessische Friedrichsdorf. Im Finanzjahr 2006 wurden mit einem Finanzvolumen von mehr als 90 Millionen Euro insgesamt 229 Hilfsprojekte in 46 Ländern durchgeführt. Im Mittelpunkt standen dabei über Kinderpatenschaften geförderte Regional-Entwicklungsprojekte, die neben der Nahrungsmittelsicherung auch medizinische Versorgung, Bildung, Aids-Bekämpfung und Gewerbeförderung umfassen.
World Vision Deutschland hat im Jahr 2006 insgesamt 69 Projekte der Humanitären Hilfe durchgeführt. Die Finanzierung dieser Projekte erfolgte überwiegend über Kooperationen mit dem Auswärtigen Amt, der Europäischen Union und dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). World Vision Deutschland ist außerdem Mitglied von „Aktion Deutschland Hilft e.V.“, einem Bündnis, in dem sich unter Schirmherrschaft von Richard von Weizsäcker zehn Hilfswerke zusammengeschlossen haben, um gemeinsam noch effizienter humanitäre Hilfe zu leisten.
World Vision Deutschland ist als gemeinnütziger Verein anerkannt, Mitglied im Deutschen Spendenrat sowie im Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) und trägt das Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI).
Österreich
World Vision ist seit 1976 in Österreich tätig.
World Vision Österreich
Ein Antrag von World Vision um Aufnahme in die die österreichiche Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit (AGEZ) wurde 1996 ablehnend beschieden. Die Begründung lautete:
„World Vision Österreich erfüllt weder unsere Kriterien von Transparenz und Offenlegung der Einnahmen noch entspricht ihre Arbeit unseren Anforderungen an Entwicklungszusammenarbeit.“
Der ursprüngliche Verein „World Vision Österreich – Christliches Hilfswerk“ wurde im November 1998 aufgelöst, nachdem bei einer internen Überprüfung durch World Vision International Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung und in der Dokumentation der Patenschaften auftauchten.[2] Wirtschaftsprüfer der KPMG bestätigten Geldflüsse von der Organisation zur Paneuropa-Bewegung, hierbei flossen Spendengelder in in den EU-Wahlkampf 1996.[3] In Folge wurde gegen die damalige Präsidentin und Geschäftsführerin Martina Taurer-Krones[4] und ihren Ehemann Anzeige erstattet. Unter anderen wurde ihnen vorgeworfen, Spendengelder in der Höhe von insgesamt 1,1 Millionen Euro veruntreut und für private Zwecke wie z. B. Reisen ausgegeben zu haben. Nach einem langwierigen gerichtlichen Vorverfahren wurde im November 2003 der Prozess eröffnet. Im September 2004 wurde sie zu drei Jahren unbedingt (ohne Bewährung) und ihr Ehemann als Mittäter zu zwei Jahren bedingt (mit Bewährung) verurteilt. Die des „Mitwissens“ angeklagte ehemalige Finanzreferentin von „World Vision“ wurde wegen Beweismangels freigesprochen.
World Vision GEV
Im Dezember 1998 wurde der Nachfolgeverein „World Vision - Gesellschaft für Entwicklungshilfe und Völkerverständigung“ (World Vision GEV) gegründet. Dieser ist seit Mitte 1999 wieder offiziell Partner von World Vision International. Nach der Spendenaffäre wird besonders auf verantwortungsvollen Umgang mit den Spendengeldern und öffentliche Nachvollziehbarkeit geachtet, und Wert darauf gelegt, dass keine Verbindung zum Vorgänger „World Vision Österreich“ besteht.
World Vision GEV gehörte am 14. November 2001 zu den ersten 44 Organisationen, die das Österreichische Spendengütesiegel verliehen bekamen.
World Vision GEV betreut derzeit (Stand 2005) acht Entwicklungsprojekte in den sieben Ländern Chile, Ghana, Indien, Indonesien, Malawi, Swasiland und Vietnam. Etwa 8500 Paten haben rund 9000 Kinderpatenschaften übernommen. Der Verein finanziert sich neben privaten Spenden auch durch öffentliche Unterstützungen der Europäischen Union der UNO sowie der österreichischen Bundesregierung.
Schweiz
World Vision Schweiz
World Vision Schweiz ist ein anerkannter gemeinnütziger Verein und wurde 1982 gegründet. Das christlich-humanitäre Hilfswerk ist ein eigenständiger Teil der internationalen World Vision-Partnerschaft.
2005 finanzierte World Vision Schweiz insgesamt 41 regionale Entwicklungsprojekte in 19 Ländern, unterhielt in 21 Ländern 29 sektorielle Projekte und leistete Not- und Katastrophenhilfe in verschiedenen Krisenregionen der Welt. Das Spendenvolumen lag 2005 bei 37,8 Millionen Schweizer Franken.
Ziel ist immer die Hilfe zur Selbsthilfe. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Kinder. Die regionalen Entwicklungsprojekte entstehen zusammen mit der Dorfbevölkerung, sind langfristig angelegt und werden durch Patenschaften finanziert. Somit entsteht ein Beziehungsgeflecht zwischen Menschen in Industrie- und Entwicklungsländern. Indem das Kind, die Familie und das ganze Dorf unterstützt werden, können sich Regionen nachhaltig entwickeln.
Die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit liegen bei den Themen Gesundheit, Ausbildung, Wasser, Landwirtschaft und Einkommensförderung. Sektorielle Projekte führt World Vision Schweiz unter anderem in den Bereichen Strassenkinder, Traumaverarbeitung, HIV/Aids und Mädchenbeschneidung durch.
World Vision Schweiz verfügt über das NPO-Label für Management Excellence und ist ISO 9001 zertifiziert.
Kritik
Verwendung der Spendengelder
Die Fernsehdokumentation Mein Patenkind in Bolivien- "Was geschieht mit den Spendengeldern?" von Enrico Demurray und Angelika Wörthmüller stellte bei der Betrachtung der Spendengeldverwendung für ein bolivianisches Projekt von World Vision fest, dass nur ca 50 Prozent der in Deutschland gespendeten Gelder den Kindern vor Ort unmittelbar zu Gute kommen. Rund 30 Prozent der ursprünglichen Spenden wurden für Verwaltungsaufgaben aufgewendet, der Rest für nicht näher spezifizierte finanzielle Rücklagen und Aufklärungskampagnen.
Evangelikale Bezüge
Robert Pierce war neben seiner Tätigkeit als Journalist auch als Evangelist tätig. World Vision stand anfangs wiederholt in der Kritik, die sich u.a. gegen die paternalistischen Züge der Hilfsform ‚Kinderpatenschaft’ und der Spendenwerbung sowie die Vermischung von Entwicklungshilfe mit Evangelisation richtete. Der US-Evangelikale Bob Seiple war elf Jahre lang "President of World Vision", d.h. von World Vision Inc.. Das von ihm gegründete World Visions Institute for Global Engagement (IGE) auf dem Campus der wiederholt als programmatisch „evangelikal“ kritisierten Eastern University in St. Davids Pennsylvania gilt als internationaler Thinktank der Organisation. Diese Unterorganisation bietet seit den 1990er Jahren mit der „Eastern School of International Leadership and Development“ Absolventen den Weg zum “Global MBA in partnership with World Vision” an und gilt ebenfalls als evangelikal.[5]
Auftretenten vor Ort
World Vision wurde wiederholt für das sehr dominante und werbewirksame Auftreten in Krisengebieten kritisiert das einem „soft colonialism“ entsprechen soll. Diese Kritik kommt auch von anderen anerkannten Hilfsorganisationen, so schreibt beispielsweise medico international e.V.:
„Tatsache ist, dass manche dieser NGO zum Quasi-Souveraen, zum Quasi-Staat werden – „soft colonialism“ nennen das gleich mehrere unserer Gespraechspartner. In Kattankudy koennte der NGO „World Vision“ diese Rolle zufallen: an jeder Strassenecke prangt deren Logo, wird darauf verwiesen, dass hier ein Wassertank, ein Kindergarten, ein Siedlungsprojekt von World Vision realisiert wird. Trennt man den Nordosten Sri Lankas gewoehnlich nach „Government-controlled-“ und „LTTE-controlled-Areas“ auf, faellt uns beim soundsovielsten Logo schliesslich eine dritte Kategorie ein: „World Vision-controlled-Area“.“
PR-und Marketingaktivitäten
Das Adolf-Grimme-Institut verwendete PR-Praktiken der Organisation als Beispiel für zunehmende Vermengung seriöser Berichterstattung und gekaufter Presseberichte im Rahmen einer in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung ausgerichteten Tagung. Die Organisation hatte beispielsweise 2004 ein Dutzend Auslandsreportagen des Nachrichtensenders n-tv aus Spendengeldern finanziert. In den Filmen wurden im Gegenzug ausschließlich World Vision-Hilfsprojekte lobend hervorgehoben. [7] Dieses Vorgehen wurde auch von dem Deutschen Journalisten-Verband ausdrücklich kritisiert. Der Verband forderte die Medienanstalt Berlin Brandenburg auf, die Vorgänge zu untersuchen.[8] Im Jahr 2005 bekräftigte die ARD-Clearingstelle gegen Schleichwerbung ihre Darstellung, nach der die Organisation ihre Botschaften in der Fernsehserie "Marienhof" gegen Bezahlung unterbringen ließ, diese dementierte die Vorwürfe.[9]
Die Organisation beteiligt sich immer wieder auch an christlich geprägten Aktivitäten die auf den ersten Blick nichts mit Entwicklungszusammenarbeit, humanitärer Hilfe und entwicklungspolitischer Anwaltschaftsarbeit zu tun haben. So initierte sie beispielsweise 2005 und 2006 mit der EKD, dem Fernsehsender RTL Television und der Programmzeitschrift Gong einen Wettbewerb namens „Message Music Contest“ 2006 der sich ausdrücklich an die die christliche Musikszene richtet. Ziel der sogenannten „Initiative Message Music“ ist eine breit angelegte "Werte-Offensive". Weitere Partner des Projektes sind Bibel TV, Promikon und popwert – Büro für werteorientierte Künstlerförderung. Peter Maffay erhielt im Rahmen des Finales den sogenannten „WORLD VISION Charity Award“.[10]
Literatur
- Annette Scheunpflug, Die öffentliche Darstellung von Kinderpatenschaften - Eine kritische Bestandsaufnahme aus entwicklungspädagogischer Sicht, online unter [www.uni-erlangen.de/infocenter/presse/pressemitteilungen/forschung_2005/06_05/Kinderpatenschaften.pdf uni-erlangen.de]
Siehe auch
Weblinks
- Deutschland – Österreich – Schweiz
- Internationale Webpräsenz (englisch)
Quellen
- ↑ Südwind-Magazin: Umstrittene Kinderpatenschaften - World Visions Methoden waren der "Szene" von Anfang an suspekt. Ausgabe 01/1999, Seite 8.
- ↑ vgl. AUSTRIAN DEVELOPMENT AGENCY
- ↑ hagalil.com: „Unkorrekte Geldflüsse“ − Nach Prüfbericht steigt Druck auf Habsburg
- ↑ Die Presse: Betrugsprozess: Krones-Taurer erneut angeklagt. 26.01.2007
- ↑ Ausführliche Darstellung mit umfangreichen weiteren Quellen bei Richard Ziegert Das protestantische Schisma online, unter Pfälzisches Pfarrersblatt, Organ des Vereins pfälzischer Pfarrerinnen und Pfarrer.
- ↑ medico international e.V.: „Soft Colonialism“ und eine Bitte zwischen den Feuern.
- ↑ vgl.Adolf-Grimme-Institut, Volker Lilienthal,Political Placement-Seilschaften, Journalistenbetreuung und Verführungsversuche-Einige Unsitten im Überblick und ihre mögliche Verhinderung, Online unter Political Placement: Seilschaften, Journalistenbetreuung und Verführungsversuche
- ↑ vgl. n-tv riskiert seine Unabhängigkeit
- ↑ vgl. epd medien, Nr. 75 vom 24. September 2005, online unter Evangelischen Pressedienst
- ↑ vgl.AREF-Medien-News, online unter „Opposition of One“ gewinnt den „Message Music Contest“ 2006