Ingo-Zahl
Die Ingo-Zahl (auch INGO oder INGO-Zahl genannt) ist eine Wertungszahl im Schach, mit der die Spielstärken einzelner Spieler bewertet und verglichen werden können.
Allgemein
Der Erfinder der Ingo-Zahlen ist Anton Hößlinger (* 11. Januar 1895, † 21. Dezember 1959). Er entwickelte das Verfahren und gab ihm den Namen nach seinem Geburtsort Ingolstadt. Ab 1947 wurde dieses System in West-Deutschland angewendet, bis es 1991/92 durch die DWZ-Wertung abgelöst wurde. Im chinesischen Schach (Xiangqi) wird in Deutschland noch immer die Ingo-Wertung benutzt.
Bei der Einführung des Ingo-Systems halfen Manfred Hollack (Hessen), Hermann Markgraf (Hamburg), Hans Rammin (Berlin), Heinz Wilms und Karl-Heinz Glenz (Nordrhein-Westfalen), Eduard von Wolff (Niedersachsen), Dr. Reinhard Cherubim (englische Turniere), Dr. Georg Müller (Rheinland/Pfalz).
Die Ingo-Zahlen der einzelnen Spieler wurden im "Ingo-Spiegel" veröffentlicht. Dieser erschien einmal pro Jahr von 1957 bis 1964, 1966, 1967 und von 1975 bis 1977. Leiter der sogenannten "Ingo-Zentrale" war Hermann Markgraf von 1960 bis (zu seinem Tod) 16. März 1974. Sein Nachfolger war Karl-Heinz Glenz (bis 1994). 1974 schuf der Kongress des DSB die "Ingo-Elo-Zentrale". Leiter war Karl-Heinz Glenz, Stellvertreter Manfred Hollack.
Ein Spieler mit einer niedrigen Ingo-Zahl ist besser als ein Spieler mit einer hohen Ingo-Zahl. Die meisten Vereinsspieler haben eine Spielstärke zwischen 100 und 190. Die Ingo-Skala ist nicht bei 0 zu Ende, ein Spieler mit 0 Ingopunkten hat eine entsprechende Spielstärke von 2840 Elo-Punkten und kann sich theoretisch natürlich noch weiter steigern. Bei einer Differenz von 25 Punkten liegt die nach dem Ingo-System zu erwartende Durchschnittspunktzahl bei 75% (gegenüber 76% bei der Schätzung über das Elo-System, Umrechnung siehe unten). Bei 50 Ingo-Punkten Differenz liegt die Punkteerwartung nach Ingo bei 100% (nach Elo bei ca. 91%).
Berechnung
Die Ingo-Leistung H (Turniererfolgszahl eines Turnieres berechnete sich aus der durchschnittlichen Ingo-Zahl der Gegner G und dem individuellen Prozentergebnis, das man gegen diese Gegner erzielte. Nach der Formel:
-
- H: Ingo-Leistung (Turniererfolgszahl, sog. "Halbzahl", deswegen H, obwohl diese üblicherweise geringer gewichtet wurde als die alte Zahl, siehe Entwicklungskoeffizienten)
- S: Erzielte Punkte
- n: Anzahl der gespielten Partien
Die Turniererfolgszahl H wurde dann mit der Anzahl der gespielten Partien multipliziert und dann mit der Summe der alten Ingozahl multipliziert mit einem einfachen Entwicklungskoeffizienten E (bis 20 Jahre: 10; 20-25 Jahre 15; ab 25 Jahre 20) durch die Summe aus der Anzahl der gespielten Partien und dem Entwicklungskoeffizienten dividiert: neue Ingozahl In = (H x n + Ia x E )/ (n+E). Idee des Entwicklungskoeffizienten (moderner Begriff von Elo bzw. DWZ her, früher "Faktor" genannt), der sich bloß nach dem Alter des auszuwertenden Spielers richtete, war die bekannte Erfahrung, daß jüngere Spieler mehr mit ihrer Leistung schwanken, so daß deren alten Ingozahl geringer zu gewichten ist.
Der Vorteil des Ingo-Wertzahlsystems besteht darin, dass man sehr leicht aus der eigenen Wertzahl W und der Wertzahl des Gegners G die Punkterwartung P abschätzen kann mittels der Formel
Beispiel: Ein Spieler mit einer Ingo-Zahl von 130 spielt gegen einen anderen mit einer Zahl von 160. Es ergibt sich eine Erwartung von 0.5 + 1.6 - 1.3 = 0.8 = 80%. Dies bedeutet, dass bei 100 Partien im Durchschnitt zu erwarten ist, dass der bessere Spieler 80 Punkte macht.
Je ein Ingo-Punkt mehr Abstand entspricht also einem Prozentpunkt bei der Ergebnisschätzung. Aus dieser Formel lässt sich die obige Formel für die Turnierleistung herleiten (es ist ein Maximum-Likelihood-Schätzer).
Nachteil
Ein Paradoxon des Ingo-Systems ist, dass man unter Umständen in einem Turnier seine Ingo-Zahl verschlechtern kann, obwohl man alle Partien gewonnen hat. Dies passiert, wenn alle Gegner eine wesentlich schlechtere Ingo-Zahl haben.
Grund: Bei einem um mehr als 50 Punkte schwächeren Gegner ist nach den obigen Formeln im Durchschnitt eine Punktzahl > 1 zu erwarten. Da dies nie erreicht werden kann, hätte der Spieler also "unter seinem Niveau" gespielt, und die Wertzahl würde herabgesetzt werden.
Entsprechend kann sich auch die Wertzahl verbessern, wenn alle Partien gegen deutlich bessere Gegner verloren werden.
Beispiel: Ein Turnier bestehe aus 10 Runden, Spieler A gewinnt alle Partien. Gemäß der ersten Formel erhält man
Ingo-Leistung = DurchschnittGegner - 50
Die neue Ingo-Zahl errechnet sich zu
Ingo-Zahlneu = 0,75 * Ingo-Zahlalt + 0,25 * (DurchschnittGegner -50)
Diese Zahl verschlechtert sich (wird größer), wenn
DurchschnittGegner > Ingo-Zahlalt + 50
d.h. wenn die durchschnittliche Ingozahl der Gegner um mehr als 50 über der alten Ingozahl von A liegt.
Anmerkung: Um den genannten Effekt auszugleichen, wird bei der Berechnung des Gegner-Durchschnitts nicht einfach dessen Ingo-Zahl in Anrechnung gebracht, sondern es darf die Differenz zwischen eigener und Gegner-Ingo den Wert von 40 Punkten nicht überschreiten (seit 1977; vorher und mathematisch korrekter: 50 Punkte).
Beispiel: A (Ingo 150) spielt gegen B (Ingo 220), C (Ingo 60) und D (Ingo 120): der Gegner-Durchschnitt wird nicht einfach als (220+60+120)/3 = 133,3 ermittelt. Stattdessen werden (hier in Anwendung der 50-Punkte-Grenze) die Gegner-Wertzahlen für die Berechnung in den Bereich 150+/-50 Punkte eingepaßt: (200+100+120)/3 =140; damit kann der o.g. Verschlechterungseffekt niemals eintreten.
Umrechnung in ELO
Mit Einführung der Elo-Zahlen entwickelten Dr. Reinhard Cherubim, Manfred Hollack und Prof. Arpad Elo eine Umrechnungsformel, mit der man aus der Ingo-Zahl die Elo-Zahl ermittelt:
Bei der Umrechnung der Ingo-Zahlen in die DWZ (die die gleiche Skala wie die Elo-Zahlen verwendet) stellte sich heraus, dass sich (kleinere) lokale Unterschiede in der Bedeutung herausgebildet hatten. Da fast alle Spiele nur zwischen Spielern einer Region stattfinden, waren die Skalen in den Jahrzehnten leicht "verrutscht" Daher wurde bei der Umrechnung nicht exakt die angegebene Formel verwendet, sondern es wurden von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Normierungsfaktoren verwendet. Allerdings waren die Unterschiede nicht übermäßig groß, so dass die angegebene Formel immer einen guten Richtwert darstellt.