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Paul von Lettow-Vorbeck

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Paul Emil von Lettow-Vorbeck (* 20. März 1870 in Saarlouis; † 9. März 1964 in Hamburg) war preußischer Generalmajor und Schriftsteller. Am bekanntesten (insbes. im angelsächsischen Sprachraum) ist er als Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika im Ersten Weltkrieg. Lettow-Vorbeck wird am 14. Januar 1914 auf der Schiffsüberfahrt in Mombasa Trauzeuge von Karen Blixen und Bror von Blixen, bevor er mit dem Schiff weiter in die Kolonie Deutsch-Ostafrika fährt.

Datei:Paul vonLettow-vorbeck.jpg
Paul von Lettow-Vorbeck
Paul von Lettow-Vorbeck (links) in einer Fotomontage mit Heinrich Schnee

Paul von Lettow-Vorbeck nahm an der Niederschlagung des Boxeraufstandes (1900/1901) in China teil. In der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika hatte er zwischen 1904 und 1908 ein Kommando bei der blutigen Niederschlagung der Aufstände der Herero und der Nama inne.

Tätigkeit in Deutsch-Ostafrika

Im Ersten Weltkrieg war von Lettow-Vorbeck Kommandeur der „Schutztruppe“ in Deutsch-Ostafrika. Ihm gelang es, Deutsch-Ostafrika als einzige deutsche Kolonie bis 1916 erfolgreich gegen die britischen, indischen, belgischen und portugiesischen Truppen zu verteidigen, obwohl diese sowohl zahlenmäßig als auch Ausrüstung und Nachschub betreffend weit überlegen waren. Ab 1916 musste er die deutsche Kolonie schrittweise aufgeben. Er verwickelte die Alliierten-Streitkräfte immer wieder in für ihn siegreiche Gefechte. Er wendete hierbei äußerst erfolgreich Guerilla-Taktiken an und manöverierte die alliierten Verbände durch Schnelligkeit und enorme Marschleistungen immer wieder aus. Ab 1917 zogen sich die deutschen Kolonialtruppen aus Deutsch-Ostafrika kämpfend nach Mocambique zurück und besetzten bis 1918 tatsächlich weite Teile der Nordhälfte dieser portugiesischen Kolonie. Mitte 1918 drohte Lettow-Vorbeck dort die Einkesselung. Überraschend marschierte er zurück nach Deutsch-Ostafrika und täuschte eine Angriffsbewegung auf die Hauptstadt Tabora vor, um dann jedoch plötzlich abzubiegen und nach Britisch-Rhodesien einzumarschieren. Dort erfuhr er vom Waffenstillstand in Europa. Lettow-Vorbeck wurde auf Grund seiner harten aber „ritterlichen“ Kriegsführung besonders von seinen alliierten Gegner geachtet und von seinen Askaris verehrt. Bei seinen weißen Offizieren und Unteroffizieren, sowie bei der deutschen Zivilverwaltung, erzeugten vor allem seine kriegsbedingten Befehle, die Einschränkungen des kolonialen Luxuslebens mit sich brachten, oft Unwillen.

Trotz einer vielfachen zahlenmäßigen Unterlegenheit kämpfte er mit seiner Truppe vom deutschen Mutterland isoliert weiter und blockierte damit etliche alliierte Verbände für den Einsatz in Europa. Seine militärischen Leistungen wurden deshalb nicht nur in Deutschland, sondern auch bei seinen Gegnern hoch geachtet.

Die Truppen von Lettow-Vorbecks bestanden zum größten Teil aus einheimischen Askaris. Nur einige Hundert Weiße bildeten vor allem das Offizierskorps. Mitte 1915 wurden auch die Überlebenden des Kleinen Kreuzers Königsberg mit einem Teil der geborgenen Schiffsartillerie in seine Truppe eingegliedert.

Am 13. November, also zwei Tage nach dem Schweigen der Waffen in Europa, erfuhr der inzwischen zum Generalmajor beförderte Lettow-Vorbeck aus den Papieren eines gefangen genommenen britischen Motorradfahrers, der die Meldung den britischen Truppen überbringen sollte, von der Kapitulation Deutschlands und der angeordneten Übergabe der Schutztruppe binnen eines Monats. Lettow-Vorbeck misstraute der Meldung, da er, weil er keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr nach Deutschland hatte (ein von Konstantinopel aus entsandter deutscher Zeppelin (LZ 104/L 59) war über dem Sudan umgekehrt, da fälschlich gefunkt wurde, die Lage von Lettow-Vorbecks sei aussichtslos), die Nachricht nicht vom deutschen Oberkommando bestätigen lassen konnte.

Schließlich traf aus Salisbury in Rhodesien eine Bestätigung des Waffenstillstands ein, an der nicht zu zweifeln war. Am 18. November erfuhren dann die letzten kämpfenden Einheiten beider Seiten von der Waffenruhe in Europa. Man vereinbarte mit den Briten den gemeinsamen Abmarsch nach Abercorn, südlich am Tanganjika See, wo Lettow-Vorbeck am 25. November 1918 offiziell die Waffen niederlegte.

Nach der Rückkehr von Lettow-Vorbecks nach Deutschland wurde ihm am 30. Januar 1920 der Königlich-Sächsische Militär-St.-Heinrichsorden ausgehändigt. Den höchsten preußischen Militärorden, den Pour le Merite, hatte er bereits am 4. November 1916 erhalten, das Eichenlaub dazu am 10. Oktober 1917.

Freikorps / Kapp-Putsch

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde ihm und den überlebenden 143 deutschen Soldaten in Berlin ein triumphaler Empfang bereitet. Im April 1919 übernahm er die Führung der dem Garde-Kavallerie-Schützen-Korps unterstehenden Marine-Division, zu dem auch das Schutztruppen-Regiment 1 gehörte.

In Hamburg begannen am 23. Juni 1919 Aufstände wegen verdorbener Lebensmittel (die sogenannten Sülze-Unruhen). Vier Tage nach Beendigung der Kampfhandlungen marschierte Lettow-Vorbeck mit dem „Korps Lettow“ am 1. Juli 1919 in Hamburg ein, obwohl bereits wieder Ruhe eingekehrt war. Das Korps verhielt sich wie in einer besetzten Stadt in Feindesland. Von Lettow-Vorbeck trat mit seinem Korps der von Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt geführten Marine-Brigade Ehrhardt als Divisionskommadeur bei. 1920 schied er wegen Teilnahme am Kapp-Putsch aus dem aktiven Militärdienst aus.

Weimarer Republik und „Drittes Reich“

Bereits kurz nach Ende des Kriegs veröffentlichte er zwei Bücher, die sich mit seiner Zeit in Ostafrika beschäftigten (s. u.), die heute umstritten diskutiert werden. Darin forderte er die Rückgabe der Kolonien mit der Begründung, die Siegermächte hätten sie sich zur Erweiterung eigener Kolonialbestände einverleibt, von „Befreiung“ könne keine Rede sein. 1923 Umzug nach Bremen, wo er als Großhandelskaufmann in der Firma Konrad Keller & Cie arbeitete.

1926 konnte er es durchzusetzen, dass seine ehemaligen Askaris den noch ausstehenden Sold erhielten und außerdem eine kleine Rente, die auch später durch die Bundesrepublik Deutschland weiter gezahlt wurde.

Von 1928 bis 1930 war er Abgeordneter der rechtskonservativen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) im Reichstag; im Juli 1930 Übertritt zur gemäßigten Volkskonservativen Vereinigung. Dies ein Hinweis darauf, dass er nicht bereit war, den Rechtsruck der Partei unter ihrem seit 1928 amtierenden Vorsitzenden Alfred Hugenberg mitzutragen.

Von Lettow-Vorbeck wurde 1933 von Hitler umworben und erfolglos zum Eintritt in die NSDAP aufgefordert. Die Leitung des ihm angebotenen Reichskolonialministeriums lehnte er ab.

Im Juni 1934 sprengte ein SA-Rollkommando einen Vortrag von Lettow-Vorbeck vor ehemaligen Angehörigen der „Schutztruppe“, Angehörigen des „Stahlhelms“ und Freunden, und verprügelten die Anwesenden einschließlich Lettow-Vorbecks - dies sollte allerdings nicht zu dem Trugschluß führen, Letto-Vorbeck sei Antifaschist oder Feind des Regimes gewesen.

Propagandaminister Joseph Goebbels notierte am 21. Januar 1938 über Lettow-Vorbeck in seinem Tagebuch: „Auch so ein Reaktionär!“ Und wenig später: „Lettow-Vorbeck stänkert gegen den Staat und gegen die Partei. Ich lasse ihm das öffentliche Reden verbieten.“ So passte z. B. Lettow-Vorbecks Hochachtung vor den Askaris nicht ins rassistische Weltbild der Nazis. Nachdem er wieder öffentlich reden durfte, vermied Lettow-Vorbeck verbale Attacken auf Staat und Partei und befasste sich ausschließlich mit Kolonialfragen und Kriegserinnerungen.

1938 ernannte Hitler den 68-jährigen trotzdem zum General zur besonderen Verwendung, Lettow-Vorbeck stimmte zu. Im gleichen Jahr wurde auch die Leeraner Kaserne und 1939 ein Bremer Gymnasium nach ihm benannt.

Am 5. Juni 1940 fiel sein Sohn Rüdiger von Lettow-Vorbeck, am 19. Oktober 1941 sein Bruder Arnd. 1945 wurde das Haus Lettow-Vorbecks in Bremen durch einen Luftangriff zerstört.

Lettow-Vorbecks Verhältnis zum Nationalsozialismus scheint widersprüchlich. Einerseits begrüßte er Hitlers Machtergreifung und trat auch auf Veranstaltungen, insbesondere in der Kolonialfrage, bis 1938 als Redner auf, andererseits stießen seine regimekritischen Äußerungen bei den Nazis auf Missfallen. So protestierte er in den Jahren 1933/34 gegen die Absetzung des Bremer Polizeikommandeurs Walter Caspari bzw. gegen die Eingliederung des „Stahlhelms“ in die SA.

Lettow-Vorbeck seiner konservativ-reaktionären Haltung treu, ließ sich aber dennoch gerne für die NS-Kolonialpropaganda einspannen - sein Weltbild widersprach nur in wenigen Punkten dem der Nazis; diese nahmen ihn aber nicht immer ernst: So verlangte Lettow-Vorbeck im Zweiten Weltkrieg ernsthaft nach Frontverwendung - den Nationalsozialisten war der Kriegsheld allerdings als Propagandist zu wichtig. Erst als die Nazis ab 1943 dem Kolonialrevisionismus zugunsten der Eroberung des "Lebensraumes Ost" dem Kolonialrevisionismus dann endgültig die Absage erteilten, hatte Lettow-Vorbeck für die Nazis ausgedient.

Letzte Jahre

Nach Kriegsende, inzwischen 75jährig, verdingte er sich u. a. als Gärtner. Im Auftrage einer Illustrierten konnte er 1953 nochmals seine ehemaligen Wirkungsstätten in Übersee bereisen. Dabei erkannte er, dass die alten Urteile und Meinungen, für die er ins Feld gezogen war, keine Gültigkeit mehr besaßen. „Die Reisen haben mir auch vor Augen geführt, ... wie schnell auch aus einfachen Schwarzen Menschen mit beträchtlicher Kultur werden können, die ihr Schicksal selbst bestimmen und frei von Bevormundung werden wollen.“ Drei Jahre später, 1956, wurde v. Lettow-Vorbeck zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Saarlouis ernannt. 1957 erschienen seine Memoiren mit dem Titel „Mein Leben“. Da die Bundesregierung eine Rente nicht vorsah, sammelte sein Gegner aus dem Ersten Weltkrieg, Jan Christiaan Smuts, unter seinen Offizieren finanzielle Unterstützung für ihn. Als von Lettow-Vorbeck 1964 in Hamburg starb, reisten eigens einige noch lebende Askaris der ehemaligen Schutztruppe auf Einladung des Auswärtigen Amtes an, um „ihrem“ General die letzte Ehre zu erweisen. Einige Offiziere der Bundeswehr wurden für die Ehrenwache abkommandiert und Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel hielt die Trauerrede. Paul von Lettow-Vorbeck wurde in Pronstorf, Kreis Segeberg, (Schleswig-Holstein) auf dem Friedhof der Vicelinkirche beigesetzt.

In mehreren deutschen Städten sind Straßen nach Paul von Lettow-Vorbeck benannt. Vier Bundeswehrkasernen in Leer, Hamburg-Jenfeld, Bremen und Bad Segeberg tragen bzw. trugen den Namen des Generals, wobei die drei letzteren aufgelöst wurden.

Werke

  • Afrika, wie ich es wiedersah, Lehmann, München, 1955
  • Kwa Heri Bwana! Auf Wiedersehen, Herr, Klein, Lengerich 1954
  • Mein Leben, Koehler, Biberach an der Riss 1957
  • Meine Erinnerungen aus Ostafrika, Koehler, Leipzig 1920 [„Heia Safari!“ ist davon eine gekürzte Fassung]

Literatur

  • Thomas A. Crowson: When elephants clash. A critical analysis of Maajor General Paul Emil von Lettow-Vorbeck in the East African Theatre of the Great War. NTIS, Springfield, Va. 2003
  • William Stephenson: Der Löwe von Afrika. Der legendäre General Paul von Lettow-Vorbeck und sein Kampf um Ostafrika. Goldmann, München 1984, ISBN 3-442-06719-7
  • John C. Stratis: A Case study in leadership. Colonel Paul Emil von Lettow-Vorbeck. NTIS, Springfield, Va. 2002
  • Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck - Eine Biographie. Ch. Links Verlag, Berlin 2006 ISBN 3-861-53412-6 (Rezension)
  • Edward Paice: "Tip and Run". The untold tragedy of the Great War in Africa. Weidenfeld &

Nicolson London 2007 ISBN 9-780297 847090