Stromdiebstahlsfall
Der Stromdiebstahlsfall [1] war eine Strafsache, über die das deutsche Reichsgericht im Jahre 1899 zu entscheiden hatte.
Wegen Diebstahls angeklagt war ein Monteur, der eigenmächtig eine Stromleitung angezapft hatte, um kostenfrei sein Zimmer zu beleuchten.
Gegenstand eines Diebstahls konnte und kann bis heute jedoch nur eine (fremde bewegliche) Sache sein. Dies war problematisch, denn elektrische Energie war seinerzeit eine verhältnismäßig neue Errungenschaft. Das Gericht verneinte schließlich die Sacheigenschaft mit der Begründung, dass elektrischer Energie nicht körperlich sei. Die Subsumtion unter den Begriff der Sache hätte somit die Wortlautgrenze überschritten. Daher war der objektive Tatbestand des Diebstahls als nicht erfüllt anzusehen. Eine entsprechende Anwendung auf elektrische Energie hätte gegen das strafrechtliche Analogieverbot verstoßen. In einer Bestrafung ohne gesetzliche Grundlage wiederum hätte ein Verstoß gegen den Grundsatz nulla poena sine lege gelegen. Folglich wurde der Angeklagte als unschuldig im Sinne des Gesetzes am 1. Mai 1899 freigesprochen.
Der Fall wird noch heute als Schulbeispiel dafür herangezogen, dass bei strikter Befolgung rechtsstaalicher Prinzipien möglicherweise Strafbarkeitslücken entstehen, deren Schließung Aufgabe des Gesetzgebers ist.
Als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung wurde bereits am 9. April 1900 durch das Gesetz betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit [2] ein neuer Straftatbestand der Entziehung elektrischer Energie in das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich eingefügt. Heute ist dieses Vergehen in § 248c StGB enthalten.
Da sich mittlerweile herausgestellt hat, dass Elektronen Elementarteilchen sind, wird heute vielfach behauptet, dass man sie doch als Sachen im Rechtssinne ansehen könne und ein eigener Tatbestand somit überflüssig sei. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass zum Sachbegriff auch die Greifbarkeit, das Besitzergreifenkönnen, gehört. Elementarteilchen und damit Elektronen sind jedoch als solche ebensowenig greifbar wie Wellen auf dem Meer - Besitz kann man von ihnen nur indirekt ergreifen, etwa indem man das Speichermedium an sich nimmt. De lege lata ist aber jedenfalls allein § 248c StGB als lex specialis zum heute in § 242 normierten Diebstahl anwendbar.
Siehe auch
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