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Kritik des Gothaer Programms

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Die Kritik des Gothaer Programms ist eine 1875 verfasste und 1891 posthum veröffentlichte Kritik von Karl Marx (1818-1883) am Gothaer Programm, dass bei der Vereinigung der marxistisch orientierten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) beschlossen wurde.

Entstehungs- & Veröffentlichungsgeschichte

Verfasst wurde die etwa 20 Seiten lange Kritik des Gothaer Programms von April bis Anfang Mai 1875, verbreitet wurde sie anfänglich nur im Umfeld Marx und Engels. Friedrich Engels brachte 1891, nach Marx Tod, als die Sozialistengesetze fielen und die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands sich wieder mehr dem Marxismus zuwandte (Vgl. den späteren Erfurter Parteitag), die Kritik in der Zeitschrift "Die Neue Zeit", Nr. 18, 1. Band, 1890 - 1891 mit einem Vorwort zur Veröffentlichung, um Einfluss auf den Richtungsstreit zu nehmen. [1] Das Vorwort Engels erläutert kurz die Entstehungsgeschichte der Schrift und bespricht Zensurmaßnahmen die zur Veröffentlichung notwendig waren, heute kann man die Kritik so lesen, wie Marx sie verfasste.

„Das hier abgedruckte Manuskript - der Begleitbrief an Bracke sowohl wie die Kritik des Programmentwurfs - wurde 1875 kurz vor dem Gothaer Einigungskongreß an Bracke zur Mitteilung an Geib, Auer, Bebel [2] und Liebknecht und spätern Rücksendung an Marx abgesandt. (...) Auch aus preßgesetzlichen Gründen sind einige Sätze nur durch Punkte angedeutet. Wo ich einen milderen Ausdruck wählen mußte, ist er in eckige Klammern gesetzt. Sonst ist der Abdruck wörtlich.“

Engels, Vorwort: London, 6. Januar 1891

Inhalt

In der Kritik des Gothaer Programms widmet sich Marx unterschiedlichen Fragestellungen, die er im Parteiprogramm fehlerhaft umgesetzt sieht, wie dem Ursprung des gesellschaftlichen Reichtums, dessen gerechte Verteilung, oder die Stellung von Kapitalisten und Grundeigentümern. Ebenfalls widmet er sich Themen wie der Notwendigkeit eines Internationalismus in der Arbeiterbewgung, der Stellung der Arbeiterklasse zu den anderen Klassen, dem Bildungssystem oder dem ehernen Lohngesetz von Ferdinand Lassalle, an dessen theoretischen Einfluss auf das Parteiprogramm sich die Kritik des Parteiprogramms entlang bewegt. Die Rolle des Staates und seine Entwicklung wird ebenfalls beleuchtet und kritisch dem Staatsverständnis im Gothaer Programm gegenübergestellt.

Struktur der Kritik des Gothaer Programms :

  1. Brief an Wilhelm Bracke (Zwei Seiten, datiert mit 5. Mai 1875)
  2. Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei (4 Abschnitte und ein Anhang)

Brief an Bracke

Marx führt aus, dass er das Programm ablehnt und sich klar davon abgrenzen will. Er tritt gegen einen „Prinzipienschacher“ und stattdessen für ein „Aktionsprogramm“ oder einen „Organisationsplan“ zur gemeinschaftlichen Aktion ein. Besonders kritisiert er die Lassallesche Prägung des Parteiprogramms.

Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei

I. Abschnitt

Im ersten Abschnitt werden die fünf Grundsätze des Gothaer Programms kritisiert:

„1. Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums und aller Kultur, und da nutzbringende Arbeit nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist, gehört der Ertrag der Arbeit unverkürzt, nach gleichem Rechte, allen Gesellschaftsgliedern.“

Marx kritisiert den Paragraphen grundlegend und argumentiert, warum er seiner Meinung nach nur folgenderweise sinnvoll lauten könnte: „Quelle des Reichtums und der Kultur wird die Arbeit nur als gesellschaftliche Arbeit. In dem Maße, wie die Arbeit sich gesellschaftlich entwickelt und dadurch Quelle von Reichtum und Kultur wird, entwickeln sich Armut und Verwahrlosung auf seiten des Arbeiters, Reichtum und Kultur auf Seiten des Nichtarbeiters.“

„2. In der heutigen Gesellschaft sind die Arbeitsmittel Monopol der Kapitalistenklasse; die hierdurch bedingte Abhängigkeit der Arbeiterklasse ist die Ursache des Elends und der Knechtschaft in allen Formen.“

Marx hebt hervor dass das Monopol der Arbeitsmittel nicht nur bei der Klasse der Kapitalisten liegt, sondern von Kapitalisten und Grundeigentümern gebildet wird.

„3. Die Befreiung der Arbeit erfordert die Erhebung der Arbeitsmittel zu Gemeingut der Gesellschaft und die genossenschaftliche Regelung der Gesamtarbeit mit gerechter Verteilung des Arbeitsertrags.“

Zuerst wird der Begriff „Arbeitsertrag“ als öknomisch ungenauer Begriff kritisiert, ebenso die unklare Formulierung einer „gerechten Verteilung“ („Behaupten die Bourgeois nicht, daß die heutige Verteilung "gerecht" ist?“). Folgend definert Marx anhand seiner ökonomischen Theorien seine Vorstellung einer gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts:

„[Vom gesellschaftlichen Gesamtprodukt] ist nun abzuziehen:

  1. Deckung zum Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel.
  2. zusätzlicher Teil für Ausdehnung der Produktion.
  3. Reserve- oder Assekuranzfonds gegen Mißfälle, Störungen durch Naturereignisse etc.

Diese Abzüge ... sind eine ökonomische Notwendigkeit, und ihre Größe ist zu bestimmen nach vorhandenen Mitteln und Kräften...

Bleibt der andere Teil des Gesamtprodukts, bestimmt, als Konsumtionsmittel zu dienen. Bevor es zur individuellen Teilung kommt, geht hiervon wieder ab:

  1. die allgemeine, nicht direkt zur Produktion gehörigen Verwaltungskosten.
    Dieser Teil wird von vornherein aufs bedeutenste beschränkt im Vergleich zur jetzigen Gesellschaft und vermindert sich im selben Maß, als die neue Gesellschaft sich entwickelt.
  2. was zur gemeinschaftlichen Befriedigung von Bedürfnissen bestimmt ist, wie Schulen, Gesundheitsvorrichtungen etc.
    Dieser Teil wächst von vornherein bedeutend im Vergleich zur jetzigen Gesellschaft und nimmt im selben Maß zu, wie die neue Gesellschaft sich entwickelt.
  3. Fonds für Arbeitsunfähige etc., kurz, für, was heute zur sog. offiziellen Armenpflege gehört.

Erst jetzt kommen wir zu ... den Teil der Konsumtionsmittel, [die] unter [den] individuellen Produzenten der Genossenschaft verteilt [werden]. ...

Die Gleichheit [bei der Verteilung der Konsumptionsmittel unter den Arbeitern] besteht darin, daß an gleichem Maßstab, der Arbeit (Anm.: Vgl. Arbeitswerttheorie), gemessen wird. ... Es ist daher ein Recht der Ungleichheit, seinem Inhalt nach, wie alles Recht. ... Das Recht kann seiner Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehn; aber die ungleichen Individuen (und sie wären nicht verschiedne Individuen, wenn sie nicht ungleiche wären) sind nur an gleichem Maßstab meßbar, soweit man sie unter einen gleichen Gesichtspunkt bringt ... Ein Arbeiter ist verheiratet, der andre nicht; einer hat mehr Kinder als der andre etc. etc. Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr als der andre, ist der eine reicher als der andre etc. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, müßte das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich sein.

Aber diese Mißstände sind unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehen hervorgegangen ist.“

Erst wenn die Teilung der Arbeit, der Gegensatz von körperlicher und geistiger Arbeit aufgehoben ist, und genossenschaftlicher Reichtum im Überfluss produziert werde, „kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“

„4. Die Befreiung der Arbeit muß das Werk der Arbeiterklasse sein, der gegenüber alle andren Klassen nur eine reaktionäre Masse sind.“

Marx kritisiert die seiner Meinung nach unklare Formulierung von einer „Befreiung der Arbeit“, vielmehr muss die Befreiung der Arbeiterklasse nach Marx die Tat der Arbeiter selbst sein. Ebenfalls kritisiert er die Darstellung aller anderen Klassen als der Arbeiterklasse als eine reaktionäre Masse („Hat man bei den letzten Wahlen Handwerkern, kleinen Industriellen etc. und Bauern zugerufen: Uns gegenüber bildet ihr mit Bourgeois und Feudalen nur eine reaktionäre Masse?“) und fordert zur Differenzierung auf.

„5. Die Arbeiterklasse wirkt für ihre Befreiung zunächst im Rahmen des heutigen nationalen Staats, sich bewußt, daß das notwendige Ergebnis ihres Strebens, welches den Arbeitern aller Kulturländer gemeinsam ist, die internationale Völkerverbrüderung sein wird.“

Die Fassung der „Arbeiterbewegung vom engsten nationalen Standpunkt“ kritisiert Marx, er hebt die internationale Verflechtung von Wirtschaft und Staaten hervor, eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse durch die Arbeiterklasse ist für ihm nur im internationalen Rahmen möglich („Internationalismus“).

II. Abschnitt

Nachdem die Grundsätze des Gothaer Programms formuliert wurden, fährt es folgendermaßen fort:

„Von diesen Grundsätzen ausgehend, erstrebt die deutsche Arbeiterpartei mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat - und - die sozialistische Gesellschaft; die Aufhebung des Lohnsystems mit dem ehernen Lohngesetz - und - der Ausbeutung in jeder Gestalt; die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit.“

Marx widmet sich nun der Kritik des ehernen Lohngesetzes von Ferdinand Lassalle, dem er ein falsches Verständnis von der Lohnbildung im Kapitalismus vorwirft.

„[Es] hat sich die wissenschaftliche Einsicht in unsrer Partei [durchgesetzt], daß der Arbeitslohn nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich der Wert respektive Preis der Arbeit [Anm.: Vgl. Gebrauchswert], sondern nur eine maskierte Form für den Wert resp. Preis der Arbeitskraft [Anm.: Vgl. Tauschwert]. Damit war ... klargestellt, daß der Lohnarbeiter nur die Erlaubnis hat, für sein eignes Leben zu arbeiten, d.h. zu leben, soweit er gewisse Zeit umsonst für den Kapitalisten (daher auch für dessen Mitzehrer am Mehrwert) arbeitet; daß das ganze kapitalistische Produktionssystem sich darum dreht, diese Gratisarbeit zu verlängern durch Ausdehnung des Arbeitstages oder durch Entwicklung der Produktivität, größere Spannung der Arbeitskraft etc.; daß also das System der Lohnarbeit ein System der Sklaverei, und zwar einer Sklaverei ist, die im selben Maß härter wird, wie sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit entwickeln, ob nun der Arbeiter bessere oder schlechtere Zahlung empfange.“

Ebenfalls merkt Marx noch an: „Anstatt der unbestimmten Schlußphrase des Paragraphen, "die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit", war zu sagen, daß mit der Abschaffung der Klassenunterschiede von selbst alle aus ihnen entspringende soziale und politische Ungleichheit verschwindet.“

III. Abschnitt

Marx fährt mit folgendem Zitat aus dem Parteiprogramm fort:

„Die deutsche Arbeiterpartei verlangt, um die Lösung der sozialen Frage anzubahnen, die Errichtung von Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe unter der demokratischen Kontrolle des arbeitenden Volks. Die Produktivgenossenschaften sind für Industrie und Ackerbau in solchem Umfang ins Leben zu rufen, daß aus ihnen die sozialistische Organisation der Gesamtarbeit entsteht.“

„An die Stelle des existierenden Klassenkampfes tritt eine Zeitungsschreiberphrase - "die soziale Frage", deren "Lösung" man "anbahnt". Statt aus dem revolutionären Umwandlungsprozesse der Gesellschaft "entsteht" die "sozialistische Organisation der Gesamtarbeit" aus der "Staatshilfe", die der Staat Produktivgenossenschaften gibt, die er, nicht der Arbeiter, "ins Leben ruft". Es ist dies würdig der Einbildung Lassalles, daß man mit Staatsanlehn ebensogut eine neue Gesellschaft bauen kann wie eine neue Eisenbahn!“

Marx hält fest dass die Mehrheit des arbeitenden Volkes in Deutschland aus Bauern besteht und nicht dem Proletariat. Er kritisiert die Formulierung, dass die Staatshilfen unter demokratische, also volksherrschaftliche Kontrolle des arbeitenden Volks gestellt werden sollten. „Was heißt aber "die volksherrschaftliche Kontrolle des arbeitenden Volkes"? Und nun gar bei einem Arbeitervolk, das durch diese Forderungen, die es an den Staat stellt, sein volles Bewußtsein ausspricht, daß es weder an der Herrschaft ist, noch zur Herrschaft reif ist!“

IV. Abschnitt

A. "Freiheitliche Grundlage des Staats."

Marx nennt diesen Abschnitt den „demokratischen Abschnitt“, er stellt Eingangs die Frage: „Freier Staat [3] - was ist das?“

Nach Marx muss man „die bestehende Gesellschaft ... als Grundlage des bestehenden Staats“ verstehen, und nicht den Staat als ein „selbständiges Wesen ... das seine eignen "geistigen, sittlichen, freiheitlichen Grundlagen" besitzt.“

„Die "heutige Gesellschaft" ist die kapitalistische Gesellschaft, die in allen Kulturländern existiert, mehr oder weniger frei von mittelaltrigem Beisatz, mehr oder weniger durch die besondre geschichtliche Entwicklung jedes Landes modifiziert, mehr oder weniger entwickelt. Dagegen der "heutige Staat" wechselt mit der Landesgrenze. Er ist ein andrer im preußisch-deutschen Reich als in der Schweiz, ein andrer in England als in den Vereinigten Staaten. "Der heutige Staat" ist also eine Fiktion.

Jedoch haben die verschiednen Staaten der verschiednen Kulturländer, trotz ihrer bunten Formverschiedenheit, alle das gemein, daß sie auf dem Boden der modernen bürgerlichen Gesellschaft stehn, nur einer mehr oder minder kapitalistisch entwickelten. Sie haben daher auch gewisse wesentliche Charaktere gemein. In diesem Sinn kann man von "heutigem Staatswesen" sprechen, im Gegensatz zur Zukunft, worin seine jetzige Wurzel, die bürgerliche Gesellschaft, abgestorben ist.

Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft erleiden? In andern Worten, welche gesellschaftliche Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher.

Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.

Das Programm nun hat es weder mit letzterer zu tun [Anm.: einer „Diktatur des Proletariats“], noch mit dem zukünftigen Staatswesen der kommunistischen Gesellschaft.“

Marx hebt hervor, dass die im Programm erhobenen Forderungen im "heutigem Staatswesen" der bürgerlichen Gesellschaften schon verwirklicht sind, jedoch nicht im "heutigen Staat" des preußisch-deutschen Reichs, auf dessen Grundlage die gestellten Forderungen nicht umsetzbar sind. „Da die deutsche Arbeiterpartei ausdrücklich erklärt, sich innerhalb "des heutigen nationalen Staats", also ihres Staats ... zu bewegen ... so durfte sie die Hauptsache nicht vergessen, nämlich daß [ Allgemeines Wahlrecht, direkte Gesetzgebung, Volksrecht, Volkswehr ] auf der Anerkennung der sog. Volkssouveränität beruhn, daß sie daher nur in einer demokratischen Republik am Platze sind.

Da man nicht den Mut hat ... die demokratische Republik zu verlangen, ... so hätte man auch nicht zu der weder "ehrlichen" noch würdigen Finte flüchten sollen, Dinge, die nur in einer demokratischen Republik Sinn haben, von einem Staat zu verlangen, der nichts andres als ein mit parlamentarischen Formen verbrämter, mit feudalem Beisatz vermischter und zugleich schon von der Bourgeoisie beeinflußter, bürokratisch gezimmerter, polizeilich gehüteter Militärdespotismus ist.“

Marx legt dar, dass sich die Forderungen des Gothaer Programm im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft bewegen, ebenso wie der dort angestrebte Staat. Dabei formuliert er nochmals seine Vorstellung vom Staat als Phänomen des gesellschaftlichen Überbaus: „Daß man in der Tat unter "Staat" die Regierungsmaschine versteht oder den Staat, soweit er einen durch Teilung der Arbeit von der Gesellschaft besonderten, eignen Organismus bildet, zeigen schon die Worte: "Die deutsche Arbeiterpartei verlangt als wirtschaftliche Grundlage des Staats: eine einzige progressive Einkommensteuer etc." Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungsmaschinerie und von sonst nichts. ... Einkommensteuer setzt die verschiednen Einkommenquellen der verschiednen gesellschaftlichen Klassen voraus, also die kapitalistische Gesellschaft.“

B. "Die deutsche Arbeiterpartei verlangt als geistige und sittliche Grundlage des Staats:
1. Allgemeine und gleiche Volkserziehung durch den Staat. Allgemeine Schulpflicht. Unentgeltlichen Unterricht."

Kritisch wird die Frage gestellt, wie eine gleiche Volkserziehung in einer Klassengesellschaft vonstatten gehen soll. Es wird festgehalten, dass unentgeltlicher Unterricht ebenso dazu führt, dass „[höhere] Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel bestreiten“, Marx tritt an dieser Stelle ebenfalls für technische Schulen neben den Volksschulen ein. „Ganz verwerflich ist eine "Volkserziehung durch den Staat". Durch ein allgemeines Gesetz die Mittel der Volksschulen bestimmen, die Qualifizierung des Lehrerpersonals, die Unterrichtszweige etc., und, wie es in den Vereinigten Staaten geschieht, durch Staatsinspektoren die Erfüllung dieser gesetzlichen Vorschriften überwachen, ist etwas ganz andres, als den Staat zum Volkserzieher zu ernennen! Vielmehr sind Regierung und Kirche gleichmäßig von jedem Einfluß auf die Schule auszuschließen.“

Ebenfalls tritt Marx für eine konsequentere Ablehnung der sozialdemokratischen Partei gegenüber jedlichen „religiösen Spuk“ ein.

Anhang

Marx führt aus, dass „der nun im Programm folgende Anhang ... keinen charakteristischen Bestandteil desselben“ bildet, und er sich deshalb diesem nur kurz widmet.

Er fordert eine genaue Definition der Länge des Normalarbeitstages, ebenso eine genaue Altersgrenze bei der Forderung nach dem Verbot von Kinderarbeit, wobei er festhält: „Allgemeines Verbot der Kinderarbeit ist unverträglich mit der Existenz der großen Industrie und daher leerer frommer Wunsch.“ Ebenfalls widmet er sich ganz kurz der staatlichen „Überwachung der Fabrik-, Werkstatt- und Hausindustrie“, Regelungen bezüglich der Gefängnisarbeit und dem Haftgesetz.

Marx endet mit dem Ausspruch:

„Dixi et salvavi animam meam.“ | Ich habe gesprochen und meine Seele gerettet. |

Wirkung

Zitate

„In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“

Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei, 1. Abschnitt

„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“

Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei, 4. Abschnitt

Kritik des Gothaer Programms:

Quellen & Anmerkungen

  1. Alle Daten bezogen von http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_013.htm
  2. Friedrich Engels führte zuvor schon Briefkontakt mit August Bebel bezüglich der „Einigungsgeschichte“ zwischen SDAP und ADAV. Nachdem ihm das Gothaer Programm vorlag kritisierte er in einem Brief an Bebel, datiert mit 18./28. März 1875, das Programm. „Sie fragen mich, was wir von der Einigungsgeschichte halten? Leider ist es uns ganz gegangen wie Ihnen. Weder Liebknecht noch sonst jemand hat uns irgendwelche Mitteilung gemacht, und auch wir wissen daher nur, was in den Blättern steht, und da stand nichts, bis vor zirka acht Tagen der Programmentwurf kam. Der hat uns allerdings nicht wenig in Erstaunen gesetzt.“ (Brief lesen)
  3. Der Begriff des „freien Staates“ wird erstmals im II.Abschnitt erwähnt, und stellt eine Formulierung aus dem Gothaer Parteiprogramm dar. An dortiger Stelle hält Marx diesbezüglich nur fest, dass er später auf den freien Staat zurückkommt, daher dem IV. Abschnitt.