Diversity Management
Diversity Management bzw. Vielfaltsmanagement (auch Managing Diversity) ist ein Konzept der Unternehmensführung, das die Heterogenität der Beschäftigten beachtet und zum Vorteil aller Beteiligten nutzen möchte.
Diversity Management toleriert nicht nur die individuelle Verschiedenheit (engl.: diversity) der Mitarbeiter, sondern hebt diese im Sinne einer positiven Wertschätzung besonders hervor.
Ziele von Diversity Management sind:
- eine produktive Gesamtatmosphäre im Unternehmen zu erreichen,
- Diskriminierungen von Minderheiten zu verhindern und
- die Chancengleichheit zu verbessern.
Dabei steht aber nicht die Minderheit selbst im Fokus, sondern die Gesamtheit der Mitarbeiter in ihren Unterschieden. Bei den im Diversity Management zu beachtenden Unterschiede handelt es sich zum einen um die äußerlich wahrnehmbaren Unterschiede, von denen die wichtigsten Geschlecht, Ethnie, Alter und körperliche Behinderung sind und zum anderen subjektive Unterschiede wie die sexuelle Orientierung, Religion und Lebensstil. Bei Diversity Management handelt es sich um mehr als nur die Umsetzung von Antidiskriminierungsvorschriften, sondern um ein Gesamtkonzept des Umgangs mit personaler Vielfalt in einem Unternehmen zum Nutzen aller Beteiligten, also auch des Unternehmers. Diversity Management ist damit sehr viel mehr als eine Unternehmenskultur.
Seit Ende der 1990er Jahre wird Diversity Management immer mehr zum Qualitätsmerkmal von Unternehmenskonzepten und wird bei öffentlichen Ausschreibungen (z. B. im Rahmen des Europäischen Sozialfonds) als Merkmal in der Beschreibung der geplanten Aktivitäten vorausgesetzt.
Neuere organisationswissenschaftliche Ansätze von Diversity Management schreiben diesem einen deinstitutionalisierenden Charakter zu. Diversity Management kann aus dieser Perspektive heraus als Auflösungsmechanismus für das Paradigma des Institutionalismus gesehen werden.
Entwicklungshintergrund
Die Beschäftigung mit Diversity Management im europäischen Raum folgt der Dynamik der Internationalisierung. International tätige Konzerne werden im Zuge von Unternehmenszu-sammenschlüssen mit Zielsetzung und Leitlinien des Diversity Management amerikanischer Prägung konfrontiert und fungieren als Katalysator bei der Entwicklung eines europäisch ge-prägten Diversity Management, das der unterschiedlichen Genese der Managementsysteme und Organisationskulturen in beiden Kulturräumen Rechnung trägt. Der State of the Art in der wissenschaftlichen Erforschung des Diversity Management ist noch durch Uneinheitlichkeit gekennzeichnet.
Als erster Befund lässt sich festhalten, dass ein zweifacher Paradigmenwechsel zu beobachten ist. Zum einen ist eine veränderte Schwerpunktsetzung des Diversity Management zu beo-bachten. Wurden bis in die späten 90er Jahre mit Diversity Management nahezu ausschließ-lich Programme der „positiven Diskriminierung“ und der „Affirmative Action“ assoziiert, die auf Assimilation und Eingliederung benachteiligter Gruppen zielten, findet inzwischen eine zunehmende Ausweitung der Zielsetzung im Hinblick auf eine tiefgreifende Änderung der Unternehmenskultur statt, in der Wertschätzung und Bewusstsein für die Einzigartigkeit jedes Individuums als grundlegende Werte verankert sind (Schwarz-Wölzl 2003/2004, 25 f.). Der Fokus auf die quantitative Repräsentation aller Bevölkerungsgruppen in der Struktur der Be-legschaft hat sich zugunsten der Erforschung und Gestaltung der qualitativen Komponente der Arbeitsbeziehungen heterogener Belegschaften verschoben. Mit dieser Schwerpunktverlage-rung vollzieht sich ein weiterer Paradigmenwechsel in der personalwirtschaftlichen Forschung und Praxis. Das „Defizitmodell“ im Umgang mit Minderheiten in der Organisation, durch das eine Sozialisierung im Hinblick auf die dominante Unternehmenskultur und damit faktisch das Einebnen von Unterschieden in der Belegschaft erreicht wurde, ist durch eine Diversität berücksichtigende Personalpolitik abgelöst worden. Die Homogenisierungsstrategie ist einer Strategie der Anerkennung und Nutzung von Vielfalt gewichen, die über die Zielsetzung der Gleichstellung hinaus durch die Unterstützung informeller Netzwerkbildung, den Abbau von Stereotypenbildung und differentielle personalpolitische Angebote gegenüber den einzelnen Beschäftigtengruppen geprägt ist (Vedder 2006).
Definition Diversity
Der Begriff Diversity, der meist mit Diversität, Heterogenität, Vielheit oder Verschiedenartigkeit der Belegschaft, in leicht positiver Konnotation mit dem Begriff der Vielfalt übersetzt wird, ist wie der durch diesen bezeichnete Sachverhalt vielschichtig und facettenreich. Die aktuelle Diskussion um den Gegenstandsbereich Diversity bewegt sich zwischen den Polen der Gleichstellungspolitik einerseits und einer proaktiven Wettbewerbsorientierung anderer-seits. Clutterbuck verdeutlicht: „At one extreme, diversity can be seen as a means of overcom-ing injustice – righting wrongs – and at the other as a means of enhancing individual and group contribution to the organization’s goals.“ (Clutterbuck 2002, 55). Die Begriffsfassungen von Diversity unterscheiden sich hinsichtlich des Ausmaßes an Inklusion unterscheiden-der Merkmale der Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Auswirkung auf die Arbeitsbeziehungen forschungsrelevant werden. Am weitesten geht Hayles, wenn er unter Diversity jegliche Un-terschiede fasst, durch die sich Menschen in Organisationen auszeichnen (Hayles 1996, 105, zit. n. Wagner/Sepehri 2000, 458). Differenzierter formulieren Thomas und Ely: „Diversity should be understood as the varied perspectives and approaches to work that members of dif-ferent identity groups bring.“ (Thomas/Ely 1996, 80). Die Auffassungen divergieren insbe-sondere in Bezug auf den Grad, zu dem neben sichtbaren demographischen Diversitätsmerkmalen wie Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion und Bildungsstand („surface-level diversity“) auch nicht sichtbare Merkmale wie kulturelle Werthaltungen und Erfahrungen („deep-level diversity“) von Interesse sind. Während sichtbare Attribute eine Bedeutung für die Gruppenkomposition besitzen, kann die Qualität und die Verteilung von unsichtbaren Unterschieden, vermittelt über die Arbeitsleistung von Gruppen, unmittelbare Leistungs- und Ergebnisrelevanz für Unternehmen entfalten (Agars/Kottke 2004, 73).
Eine Begriffsfassung, die über eine rein summarische Erfassung relevanter Unterschiede von Mitarbeitern und Organisationseinheiten hinausgeht, bietet Hays-Thomas, die mit der Auswirkung der Diversität auf die Arbeitsbeziehungen zugleich die Begründung für die unter-nehmerische Relevanz von Diversity liefert. Sie fast Diversity als „differences among people that are likely to affect their acceptance, work performance, satisfaction, or progress in an organization.” (Hays-Thomas, 2004, 12). Mit dieser Definition wird die konstruierte Unter-schiedlichkeit hervorgehoben. Unterschied entsteht aus Über- und Unterordnung und zeigt sich in Positionen und hierarchischen Ebenen.
Der Wert der Diversität wird wesentlich durch die Perspektive bestimmt, die die Organisation bezüglich der Veränderbarkeit von leistungsrelevanten Merkmalen ihrer Mitglieder einnimmt.
Definition Diversity Management
Diversity Management, die Gestaltungsdimension der Vielheit, beinhaltet nach Cox „planning and implementing organizational systems and practices to manage people so that the potential advantages of diversity are maximized while its potential disadvantages are minimized.” (Cox 1993, 11).
Es sind intensive Bemühungen zum Aufbau von Alleinstellungsmerkmalen durch Diversity Management zu beobachten. Unternehmen haben ebenso wie Anbieter von Arbeitskraft dann Aussicht auf hohe Renten, wenn es ihnen gelingt, ihre Leistung gewissermaßen als Unikate zu gestalten und zu vermarkten. Andererseits folgen Unternehmen dem ökonomischen Primat des „Common acting.“ Sie zelebrieren Egalität und Generalisierung, um aus der Glättung von teuren Unterschieden Kostenvorteile generieren zu können. Mithin ist die Praxis der Diversität stets durch die Optimierung von Individualität und Heterogenität einerseits und Generalisierung und Homogenität andererseits gekennzeichnet. Diversity Management bezeichnet somit die Kunst der situativen Optimierung vom Heterogenität und Homogenität zur Errei-chung gesetzter Ziele.
Theoretischer Zugang zum Diversity Management
Der theoretische Forschungsstand in Deutschland stellt sich als Folge der Orientierung an der amerikanischen Forschungstradition als eklektisch, mit wenig eigenen Schwerpunktsetzungen, dar. Als Ausnahmen mit eigener theoretischer Fundierung oder Konzeptualisierung sind die Ansätze von Krell, G. (1998), Aretz, H.-J./Hansen, K. (2002), Wagner, D./Sepehri, P. (2000) und Petersen, L.-E./Dietz, J. (2005) zu nennen. Ein großer Anteil der Forschung zu Diversity und Diversity Management hat sich dem Zusammenhang zwischen Diversity und unternehmerischem Erfolg gewidmet, um die Legitimationsbasis von Maßnahmen des Diversity Management zu erweitern. Die zunehmende Konzentration auf die ökonomische Dimension auch in der anglo-amerikanischen Forschung lässt die Frage offen, auf welchem Weg die als wertvoll erkannte Diversität der Belegschaft gezielt geschaffen werden kann. Forschungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für den Aufbau der für das Diversity Management notwendigen Kompetenz. Hier bietet die Forschung zu interkultureller Kompetenz, d.h. Kompetenz im Umgang mit kultureller Vielfalt, einen ersten Ansatzpunkt, wobei der Schwerpunkt auf die Bewusstmachung von Stereotypen und die Entwicklung eines Führungsstils zu legen ist, der Ambiguitätstoleranz aufweist und Unsicherheit auf der Seite der Mitarbeiter zu reduzieren vermag (Sackmann/Bissels/Bissels 2002, 51 f.).
Empirisch-praktischer Zugang zum Diversity Management
Gestaltungsdefizite lassen sich auf allen Analyseebenen feststellen. Die Mehrheit der auf der Ebene des Individuums ansetzenden empirischen Studien vergleicht die Auswirkung unterschiedlicher Arten von Diversität, etwa bezüglich Alter, Geschlecht oder ethnischer Abstammung auf Variablen wie Leistung, Arbeitszufriedenheit und vertikale Mobilität von Mitarbeitern. Auch der Vergleich von Beförderungshäufigkeit und Leistungsbeurteilungen benachteiligter Gruppen mit denjenigen dominierender Gruppen in der Organisation ist Forschungsgegenstand. Generalisierte, vom Individuum abstrahierende Aussagen sind mit Vorsicht zu interpretieren, da Maßnahmen des Diversity Management sich auf der individuellen Ebene unterschiedlich auswirken je nachdem, ob die Organisationsmitglieder der Minoritäten- oder Majoritätengruppe in der Organisation angehören. Es ist zudem eine beträchtliche Variation in der Stärke des Zusammenhangs zwischen Diversität und Leistung innerhalb dieser Gruppen zu beobachten (Dick 2003, 137). Auf der individuellen Ebene zielen die Maßnahmen der Herbeiführung eines jeweils typischen Leistungsangebots von Personen auf die doppelte Zielsetzung der Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit (Employability) einerseits und der Komplettierungsfähigkeit des angebotenen Humanvermögens zur Herausbildung einer einzigartigen Unternehmensleistung (Wettbewerbsfähigkeit) andererseits. Die Beschäftigungsfähigkeit und die Komplettierungsfähigkeit gründen dabei auf der geforderten aktuellen Leistungsfähigkeit und auf der Umstellungsfähigkeit des Humankapitals. Anbieter von Humankapital müssen deshalb fortgesetzt analysieren, wie ertragswahrscheinlich ihr gegenwärtiges Leistungspotential ist, und welche Umstellungsbefähigung (mental, methodisch, fachlich) als „Reserve-Diversität“ sie potentiell wechsel- bzw. umstellungsfähig hält. Die Unternehmen müssen über die Deckung des aktuellen leistungsorientierten Bedarfs an diverser Befähigung hinaus die quantitative und qualitative Entwicklung des Angebots von Humanressourcen auf den relevanten Arbeitsmärkten analysieren. Die Passung zwischen dem Angebot von Humanressourcen und den sich verändernden Anforderungen zur Sicherung der zukünftigen Unternehmensleistung ist laufend zu überprüfen.
Die von Ely und Thomas 2001 und von Kochan et al. 2003 auf Gruppenebene durchgeführten Untersuchungen der Wirkungsbeziehung zwischen Diversity und unternehmerischen Erfolgsgrößen konnten keine unmittelbaren Zusammenhänge nachweisen. Dieser Befund deckt sich mit dem Forschungsstand zur Leistung heterogen zusammengesetzter Gruppen, demzufolge in Bezug auf das kognitive Leistungsverhalten keine signifikant höhere Leistung heterogener Gruppen im Vergleich zu homogenen Gruppen nachgewiesen werden konnte. Die Mehrzahl der Studien zur Leistung heterogener Gruppen wurden als „black-box“-Studien durchgeführt, d.h. es wurde von intervenierenden Variablen zwischen Diversity und Leistung abstrahiert. Die Uneindeutigkeit der identifizierten Wirkungsrichtungen legt nahe, weitere empirische Forschung zur Klärung des Verhältnisses zwischen sogenannten „first level outcomes“ (Veränderung von Fluktuationsraten, Produktivität, Problemlösequalität, Gruppenkohäsion) und „second level outcomes“ (Gewinn, Marktanteil, Effektivität) durchzuführen (Cox 1993). Auf der Gruppenebene sind insbesondere „altersdiverse“ Teams, Kern- und Peripherie-Arrangements und Netzwerke fester und freier Leistungserbringer hinsichtlich ihrer Leistungsbeiträge, der Gestaltungsvoraussetzungen und der zu erwartenden Kosten der Beschäftigung heterogener Belegschaften zu untersuchen.
Auf der Ebene der Gesamtorganisation besteht insbesondere Forschungsbedarf zur Interaktion zwischen Organisationsmitgliedern (Dietz/Petersen 2005, 228). Bestehende Instrumente wie job-rotation, Projektlaufbahnen und „cross-pollination“ sind zur gezielten Schaffung von Diversität zu nutzen, um funktions- und geschäftsbereichsübergreifend Diversität in den Kooperationsbeziehungen aufzubauen. Geleitet von der Erkenntnis, dass das Potenzial heterogener Gruppen nicht mit der Summe aller Einzelpotenziale gleichzusetzen ist, sondern dass sich der Wert der Diversität insbesondere in der gelungenen themen- bzw. zielbezogenen Interaktion herausbildet, sind Potenzialbeurteilung und Mentoring auf die Anforderungen heterogener Gruppen so abzustimmen, dass sich auf Ebene der Gesamtorganisation zweckdienliche Wirkungen hinsichtlich der angestrebten Unternehmensziele ergeben.
Die inzwischen als klassisch zu bezeichnende Diversity-Management-Typologie von Thomas und Ely identifiziert drei wesentliche Stoßrichtungen des Diversity Management in Unternehmen und lenkt gleichzeitig den Blick darauf, „how context might shape people’s thoughts, feelings, and behaviours[...]and how these, in turn, might influence the role of cultural diversity in the work group’s functioning.“ (Ely/Thomas 2001, 237). Empirisch induktiv ermittelte Formen des Diversity Management werden zu drei Paradigmen verdichtet:
“discrimination-and-fairness paradigm”
Unter den Vorzeichen des “discrimination-and-fairness“-Paradigmas wird ein Zielbündel, bestehend aus Gleichstellung (equal opportunity), Gleichbehandlung (fair treatment) und sozialer Gerechtigkeit (social justice), verwirklicht. Den Anstoß stellen rechtliche Vorgaben zur Gleichbehandlung von Minoritäten bei Rekrutierung, Entlohnung und Förderung dar. Ein Gradmesser der Zielerreichung besteht etwa in der Erfüllung von Beschäftigungsquoten. Die zugrundeliegende Werthaltung postuliert: „It is not desirable for diversification of the workforce to influence the organization’s work or culture. The company should operate as if every person were of the same race, gender, and nationality.” (Thomas/Ely 1996, 81). Mit der Nivellierung der bestehenden Unterschiede wird Mitarbeitern die Möglichkeit genommen, ihre in den Arbeitsbeziehungen wirksam werdende Individualität in die Verbesserung von Strategie, Arbeitsprozessen und Verfahrensweisen einzubringen. Auch entfällt die Bewusstmachung von Vielfalt als Mittel zur Erhöhung der Identifikation mit der Organisation (Thomas/Ely 1996, 82). Der Zwang zur Gleichbehandlung und das Gebot des „common acting“ fördern Passivität und ausweichendes Verhalten. Motivation und Eigenaktivität zur Verbesserung der persönlichen Situation werden reduziert.
“access-and legitimacy paradigm”
Auf der Entwicklungsstufe des „access-and-legitimacy“-Paradigmas wird die Vielfalt der Belegschaft als Wettbewerbsfaktor erschlossen. Durch Nachbildung der demographischen Struktur der Kundengruppen in der Belegschaft, z.B. durch Einsatz von Kundenmanagern („key account managers“) mit entsprechender personeller und qualifikatorischer Passung, sollen Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass „access-and legitimacy leaders are too quick to push staff with niche capabilities into differentiated pigeonholes without trying to understand what those capabilities really are and how they could be integrated into the company’s mainstream work.” (Thomas/Ely 1996, 83). Werden einzelne Leistungsträger auf ihre minoritätenspezifischen Fähigkeiten reduziert, ohne für Informations- und Kompetenzaustausch in der Organisation Sorge zu tragen, wird Diversity Management als „Insellösung“ realisiert. Mangelnde Durchlässigkeit der Organisation behindert Lerneffekte (Thomas/Mack/Montagliani 2004, 33), Diversity Management bleibt punktuell und auf die operative Ebene beschränkt.
“learning-and-effectiveness paradigm”
Eine wesentliche Begriffserweiterung erfährt Diversity Management beim „learning-and-effectiveness“-Paradigma. Durch die Nutzung der in der Diversität der Belegschaft gründenden Vielfalt der Zugänge zu Arbeitsgestaltung, Aufgabenplanung und Problemlösung lernt die Organisation. Durch Hinterfragung organisatorischer Funktionen, Strategien, Prozesse und Verfahrensweisen sollen Mitarbeitern Freiheitsgrade und Wertschätzung vermittelt und im Gegenzug Innovation durch Beteiligung gefördert werden (Thomas/Ely 1996, 80). Stärker als beim „Diskriminierung-und-Fairness“ und „Marktzugangs-und-Legitimitäts“-Paradigma stellt das „Lern-und-Effektivitäts“-Paradigma auf organisationales Lernen und die ökonomische Nutzbarmachung der Diversity ab. Erfolg begründet die Legitimität von Diversity-Maßnahmen. Es ist jedoch fraglich, ob die Erkenntnisse zum organisationalen Lernen sich bruchlos auf die Problemstellung des Diversity Management übertragen lassen, besteht doch ein Unterschied zwischen der Zusammen-arbeit in homogenen Gruppen und den besonderen Anforderungen, die Gruppen-Heterogenität an Qualifikation und Identifikation ihrer Mitglieder stellt (Agars/Kottke 2004, 61).
Im Gegensatz zur deskriptiven Vorgehensweise von Thomas und Ely vertritt Cox 1991 eine dezidiert präskriptive Orientierung mit dem Ziel der Maßnahmengenerierung in Übereinstimmung mit den strategischen Zielen zur Verwirklichung einer multikulturellen Organisation (Sackmann/Bissels/Bissels 2002, 50). Das prozessual orientierte Modell von Cox et al. 2001 geht über die Nennung idealtypischer Entwicklungsphasen des Diversity Management hinaus und strebt eine Integration in die strategische Unternehmensführung an. Das Ergebnis ist ein fünfstufiger Regelkreis der Transformation zu einer multikulturellen Organisation. Dieser setzt sich aus den Elementen Führung („leadership“), Messung der Diversity-Kompetenz in der Organisation („Research and Measurement“), Anstoß eines internen Lernprozesses („Education“), Anpassung von Rekrutierung, Vergütung, Personalentwicklung und Arbeitsgestaltung auf Anforderungen des Diversity Management („Alignment of management systems“) und Erfolgskontrolle („Follow-up“) zusammen (Cox/Cox/O’Neill 2001, 19).
Strategisches und operationales Zielsystem des Diversity Management
Mit Diversity Management verbinden sich operationale und strategische Zielsetzungen. Die strategische Zielsetzung besteht in der Erhöhung der Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Marktbedingungen durch den Aufbau eines einzigartigen, schwierig imitierbaren Humankapitals. Diversity Management zielt in der operationalen Ausrichtung auf erhöhte Problemlösefähigkeit heterogener Gruppen. Diversity Management wird in Subzielen operationalisiert.
Inhalte des Diversity Managements
In dem in Deutschland noch jungen Gebiet des Diversity Management ist bereits eine Binnendifferenzierung zu beobachten. Mit personenbezogenen und verhaltensbezogenen Aspekten werden zwei Inhaltsbereiche des Diversity Management unterschieden.
Personenbezogenen Aspekten (ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss) wird durch speziell auf Zielgruppen zugeschnittene Maßnahmen Rechnung getragen, etwa zur Migrationsproblematik, zur Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer und zum Umgang mit Generationenvielfalt und der Gleichstellung der Geschlechter („gender mainstreaming“).
Verhaltensbezogene Diversität bezieht sich darauf, „wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren als Folge [...]ihrer Personen-immanenten Eigenschaften.“ (Thomas 2001, 40). Maß-nahmen, die verhaltensbezogene Aspekte (verhaltenswirksame Einstellungen gegenüber und Erfahrung im Umgang mit Diversität) zum Gegenstand haben, zielen auf die Schaffung eines für das Diversity Management günstigen Umfeldes. Dabei kann in der Praxis beobachtet wer-en, dass Stereotype die Inhalte bestimmen. Man geht gewissermaßen davon aus, dass eine bestimmte Maßnahme als „Allzweckmittel“ zur Herausbildung des erwünschten Ausmaßes von Homogenität und Heterogenität genutzt werden kann. So wird z.B. bei der Eingliederung von Mitarbeitern ausländischer Herkunft auf Sprachunterricht Wert gelegt. Wenn dies ohne Beachtung des kulturellen Hintergrundes erfolgt, kann es vorkommen, dass z.B. Frauen aus muslimischen Ländern aufgrund der kulturellen Tabus als Einzelpersonen nicht teilnehmen dürfen. Im Gegensatz zum Methodenentwurf „aus einem Guss“ stellt im genannten Beispiel das Angebot von Deutschunterricht für Paare muslimischer Herkunft eine zielgruppenangepasste Maßnahme dar. Stereotypenbildung ohne Situationsorientierung behindert die nutz-bringende Erschließung von Heterogenität. Hier kann es um diskriminierendes Verhalten gegenüber Minoritäten gehen. Stereotypen können sich aber auch in Form von Bereichsdenken, verstanden als Diversität aufgrund unterschiedlicher Ziele, manifestieren. Symptomatisch für derartige Stereotypenbildung sind Aussagen wie „Mitarbeiter der technischen Abteilung können nicht kundenorientiert denken“ oder „Mit denen kann man nicht zusammenarbeiten.“ Durch solche self-fulfilling prophecies können die Arbeitsbeziehungen nachhaltig beeinträch-tigt und die erforderliche Diversität vermindert werden (Stumpf/Thomas 1999, 37).
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Weblinks
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- Portal der Heinrich-Böll-Stiftung zu den Themen Migration, Integration, Diversity
- Das Informationsportal zu Diversity - Downloads, Einführungen, Business Case
- diversityworks - Informationen zu Diversity Management in Österreich
- Managing Gender & Diversity in Österreich und Deutschland
- Definition und Implementierung einer Diversity-Strategie
- Studie (Zwischenergebnis, engl.): Do diversity friendly companies perform better?
- Diversity Management mit der OpenSpace-Online® Methode
- Umfangreiches Informationsangebot zu Trainings, Artikel, Projekten des Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.
- Diversity Management Universität Wien
- Diversity Management bei der Deutsche Bank AG
- Diversity Management bei Ford
- Diversity Management bei der Lufthansa AG
- Vom Nutzen der Vielfalt - Praxisbeispiele österreichischer Organisationen