Relationstechnik
Die Relationstechnik ist eine juristische, meist richterliche Arbeitsmethode zur schnellstmöglichen Erfassung, Ordnung und Beurteilung eines komplexeren zivilrechtlichen Streitstoffes.
In einem Zivilprozess streiten sich Kläger und Beklagter (die Parteien) vor einem Zivilgericht über geschuldete Leistungen (z.B. Zahlungspflicht des Beklagten), das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen ihnen (z.B. Fortbestand eines Vertrages/Unwirksamkeit einer Kündigung) oder über seine Gestaltung (z.B. Auflösung einer Handelsgesellschaft). Anders als in anderen Prozessarten haben die Parteien im Zivilprozess die zugrunde liegenden Tatsachen selbst vorzutragen und der Richter hat baldmöglichst den Rechtstreit auf der Grundlage des Parteivortrages zu schlichten oder zu entscheiden.
Zulässigkeit
Hierzu prüft er zunächst, ob die Klage zulässig ist. Die unzulässige Klage weist er - wenn sie es auch nach Hinweis an den Kläger bleibt - zurück. Der Rechtsstreit ist damit, durch Prozessurteil, in dieser Instanz beendet.
Begründetheit
Die zulässige Klage untersucht der Richter auf Begründetheit und zwar in mindestens einem und höchstens drei methodischen Schritten (Stationen):
Klägerstation
In der Klägerstation (Schlüssigkeitsprüfung) unterstellt er die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen als wahr und untersucht, ob sie ausreichen, um den Tatbestand einer Anspruchsgrundlage auszufüllen, die als Rechtsfolge das vom Kläger verfolgte Begehren (Leistung, Feststellung oder Gestaltung) deckt. Reichen die Tatsachen nicht aus, so ist der Klägervortrag unschlüssig. Bleibt er es auch nach richterlichem Hinweis, dann weist der Richter die Klage als unbegründet ab. Der Rechtsstreit ist in dieser Instanz - durch ein Sachurteil - beendet, ohne dass es auf das Beklagtenvorbringen ankommt.
Beklagtenstation
Ist der Klägervortrag schlüssig, so untersucht der Richter in der Beklagtenstation das Gegnerverhalten. Bleibt der Beklagte passiv oder erkennt er den Klageanspruch an, endet der Prozess regelmäßg durch ein Versäumnis- oder ein Anerkenntnisurteil zugunsten des Klägers.
Begehrt der Beklagte die Klageabweisung, so untersucht der Richter in der Erheblichkeitsprüfung das Verteidigungsvorbringen. Zur Verteidigung kann der Beklagte zum einen die vom Kläger behaupteten Tatsachen, auf die es für die Schlüssigkeit ankommt, bestreiten. Zum anderen kann er Gegenrechte (Einreden) geltend machen.
Bestreiten
Zum Bestreiten kann es je nach Prozesslage genügen, Nichtwissen geltend zu machen (Bestreiten mit Nichtwissen) oder die gegnerisch behaupteten Tatsachen schlicht zu leugnen (einfaches Bestreiten); nicht selten muß der Gegner allerdings qualifiziert bestreiten, d.h. eine eigene alternative Sachdarstellung liefern. Das gebotene Maß des Bestreitens hängt ab vom Vortrag des Klägers und den Möglichkeiten zur eigenen Wahrnehmung der streitigen Tatsachen. Bleibt das Beklagtenbestreiten unter dem prozessual gebotenen Maß, so ist es unerheblich. Beläßt es der Beklagte auch nach Hinweis dabei und erhebt er auch keine beachtlichen Einreden, so gibt das Gericht der Klage statt, und zwar ohne Beweisaufnahme.
Einreden
Zur Verteidigung kann der Beklagte neben dem Bestreiten auch Einreden geltend machen. Einreden sind Normen, die die Entstehung eines Anspruchs hindern, seine Durchsetzbarkeit hemmen oder ihn nachträglich untergehen lassen. Der Beklagte macht sie geltend, indem er Tatsachen vorträgt, die als wahr unterstellt den Tatbestand der Einredenorm erfüllen. Der Beklagtenvortrag ist dann schlüssig aus der Einredenorm und damit erheblich.
Beispiele:
- Der Kläger verlangt Kaufpreiszahlung. Der Beklagte macht geltend der Kaufvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig (anspruchshindernde Einrede, die Kaufpreisforderung ist mangels Kaufvertrages nicht entstanden).
- Der Kläger klagt auf Werklohn. Der Beklagte behauptet, der Kläger habe ihm den Werklohn bis zur Besserung seiner finanziellen Verhältnisse gestundet (anspruchshemmende Einrede, die Forderung ist entstanden, aber derzeit nicht durchsetzbar).
- Der Kläger macht Maklerprovision geltend. Der Beklagte behauptet, die Provision bereits gezahlt zu haben (anspruchsvernichtende Einrede, da die entstandene Forderung erloschen ist).
Der Kläger kann die vom Beklagten schlüssig vorgetragenen Einredetatsachen wiederum bestreiten, im obigen Beispiel zur Stundung etwa die Vereinbarung einer Stundung in Abrede stelle. Daneben kann er auch Gegeneinreden geltend machen, im Stundungsbeispiel etwa darlegen, die finanziellen Verhältnisse des Beklagten hätten sich gebessert.
Der Beklagte kann die vom Kläger aus der Gegeneinrede schlüssig vorgetragenen Tatsachen bestreiten, oder versuchen die Voraussetzungen für Gegen-Gegeneinreden vorzutragen. Der Kläger kann diesem Vorbringen abermals wie zuvor geschildert entgegentreten.
Das Gericht arbeitet jede Stufe des wechselseitigen Einredevorbringens in gleicher Weise nach Schlüssigkeit und Erheblichkeit ab.
Einreden sind in der Praxis häufig, Gegeneinreden seltener, Gegen-Gegeneinreden noch seltener.
Beweisstation
Ist das Klägervorbringen schlüssig und das Verteidigungsvorbringen erheblich, so liegen dem Gericht mindestens zwei unvereinbare Tatsachendarstellungen vor, nach denen der Rechtsstreit unterschiedlich zu lösen ist. Der Richter verschafft sich entweder durch eine Beweisaufnahme eine tragfähige Überzeugung von der Richtigkeit einer Tatsachendarstellung oder er entscheidet nach Beweislastregeln.
Beweis erhebt das Gericht regelmäßig auf Antrag der beweisbelasteten Partei. Diese muß Beweisthema und Beweismittel nennen. Nach der Beweisaufnahme würdigt das Gericht deren Ergebnis. Ist es von der Richtigkeit der Beweisbehauptung überzeugt, so ist der Beweis geführt.
Andernfalls, also bei fehlendem Beweisantrag oder Scheitern des Beweises, lassen sich die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage oder einer Einrede nicht feststellen. Die entsprechend vortragende Partei kann die für sie günstige Rechtsfolge aus dieser Norm nicht beanspruchen, sie ist beweisfällig geblieben.
Urteil
Im Urteil stellt das Gericht dar, warum es die Klage für unzulässig hält (Prozessurteil), oder mit welchem Ergebnis es welche Anspruchsgrundlagen und Einreden geprüft hat (Sachurteil).