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Mannstoppwirkung

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Im Zusammenhang mit der Wirkung einer Schusswaffe oder einer Munition auf den Menschen und in Bezug auf die Fähigkeit, sich nach einem Treffer auf den Beinen halten beziehungsweise koordiniert weiterhandeln zu können, wird fälschlicherweise der Begriff Mannstoppwirkung verwendet. Entscheidende Faktoren über die Wirkung eines Treffers im Zielmedium sind der Auftreffort, Art, Gewicht, Geschwindigkeit und Kalibergröße des Geschosses. Mannstoppwirkung heißt fernerhin, dass das Geschoss durch Wucht, Verformung und im Ziel abgegebene Energie dafür sorgt, dass der Getroffene handlungsunfähig wird. Das geschieht z. B. dadurch, dass die Wucht eines .45-ACP-Geschosses den Getroffenen durch Wucht und Verformung förmlich von den Beinen reißt. Dieses Verhalten haben auch Geschosse im Kaliber .357 Magnum, .40 S&W, .44 Magnum usw....

Um bei Vollmantelgeschossen, die nicht mannstoppend wirken, einen Wirkungstreffer zu erzielen, der eine Handlungsunfähigkeit hervorruft, muss das Geschoss vitale Regionen des Körpers verletzen. Hierbei verhalten sich die verschiedenen Geschossarten sehr unterschiedlich. Grundsätzlich definiert sich die Stabilität des freien Fluges eines Geschosses durch Form, Drall, Gewicht bzw. Dichte und Geschwindigkeit.

Das weit verbreitete Vollmantelgeschoss im Kaliber 9x19 mm mit Rundkopf behält aufgrund seiner Zusammensetzung nach dem Auftreffen auf ein Weichziel seine Form. Durch das Gewebe wird die Geschwindigkeit reduziert. Der entstandene Schusskanal wird als "Narrow Channel" bezeichnet. Durch die Geschwindigkeitsreduzierung verliert das Geschoss an Stabilität. Der Masseschwerpunkt des Geschosses befindet sich näher zum Geschossboden hin. Da jeder Körper bestrebt ist, mit dem Masseschwerpunkt voran zu fliegen, stellt sich die Geschosspitze auf.

Durch den größeren Querschnitt während dieser Drehbewegung entsteht eine "temporäre Wundhöhle". Umliegendes Gewebe und Organe werden radial beschleunigt und je nach Eigenschaft – porös oder elastisch – beschädigt. Art und Schwere der hierdurch entstehenden Verletzungen führen zu unterschiedlichen Reaktionen bei getroffenen Personen. Auch nach schwersten Verletzungen kann eine Person bis zu mehreren Minuten weiter handlungs- und ggf. angriffsfähig bleiben.

Der Durchmesser der "temporären Wundhöhle" bei einem 9mm-VMRK-Geschoss (Vollmantel rundkopf) beträgt, je nach Geschwindigkeit, kurzfristig bis zu 20 mm. In einem Weichziel gibt ein solches Geschoss nur ca. 20% seiner Energie ab und es kommt, in der Regel, zu Durchschüssen. Nach dem Austritt des Geschosses (Endballistik) ist die weitere Flugbahn nicht vorhersehbar. Unbeteiligte werden hierdurch erheblich gefährdet.

Ein Deformationsgeschoss vergrößert seinen Querschnitt nach dem Auftreffen. Das Polizei-Deformationsgeschoss "Action 4" der Firma RUAG Ammotec pilzt von 9 mm auf ca. 10 mm auf. Hierbei werden zwischen 80%-100% der Energie im Zielmedium abgegeben. Je nach Auftreffort kommt es zu keinen Durchschüssen. Querschläger fliegen mit erheblich weniger Energie weiter.

Nach verschiedenen Vorfällen, bei denen Unbeteiligte verletzt oder getötet worden sind wurde bei verschiedenen Polizeieinheiten Deformationsmunition angeschafft. Die Umweltgefährdung wird mit einer solchen Munition erheblich reduziert.

So genannte "Dum-Dum"-Geschosse werden vor dem Gebrauch manipuliert, indem die Geschossspitze abgefeilt, eingekerbt oder abgekniffen wird. "Dum-Dum"-Geschosse werden durch Manipulationen des Benutzers hergestellt. Beim Auftreffen auf ein Ziel zerlegt sich der Geschossmantel und der Kern deformiert oder zersplittert. Dadurch wird die Wundhöhle radikal vergrößert, und die Splitter des Geschossmantels sorgen für weitere große Gewebeverletzungen. Bei einem Durchschuss kommt es zusätzlich zu großen Austrittswunden.

Die aufgeführten Geschossarten werden in Faust- und Handfeuerwaffen verwendet. Aufgrund der größeren Pulverladungen (Laborierungen) und Lauflängen bei Handfeuerwaffen erzielen diese eine höhere Geschwindigkeit und verursachen durch die Brisanz schwerere Verletzungen. Oft werden von der Presse Deformationsgeschosse mit "Dum-Dum"-Geschossen verwechselt. Während bei der Dum-Dum die Wirkung im Ziel verheerend und nicht vorhersehbar ist wird bei Deformationsgeschossen die Energieabgabe im Ziel genau definiert. So wurde z.B. bei der, eingangs erwähnten, Action 4 Polizeimunition die maximale Energieabgabe genau limitiert. Gemäss den Technischen Richtlinien der Deutschen Polizei darf die Energieabgabe nicht höher als 50 Joule/cm sein.

Im Zusammenhang mit Wirkungsweisen von Geschossen wird häufig von Schockwirkungen gesprochen.

Die Reaktion des menschlichen Körpers auf einen Treffer ist individuell. Medizinisch gleiche Verletzungen führen bei unterschiedlichen Personen nicht zu den gleichen Reaktionen.

Sofortige Handlungsunfähigkeit tritt nur bei einem Treffer des Kleinhirnes ein.

Jeder Schusswaffeneinsatz gegen Personen birgt die Gefahr schwerster Verletzungen bis zum Tod des Getroffenen in sich. International werden nicht letale (engl. "non-lethal") – nicht tödlich wirkende – Waffen entwickelt und teilweise eingesetzt. Diese sollen, bei möglichst geringem Risiko für den Betroffenen, eine Alternative zum Schusswaffeneinsatz bieten. Weil es bei NLW (non-lethal-weapons) zu Todesfällen kam wird heute die Bezeichnung LLW (less-lethal-weapons) für solche Waffen verwendet.

Hierzu gehören u. a. das Distanzelektroschockgerät TASER, Gummigeschosse sowie "bean-bags", mit kleinen Bleikugeln gefüllte Stoffsäckchen, das aus einer Schrotpatrone verschossen werden (das Stoffsäckchen entfaltet sich nach dem Abschuss auf ca. Handflächengröße).

Siehe auch