Frankfurt-Offenbacher Lokalbahn

Die Frankfurt-Offenbacher Lokalbahn war eine Eisenbahnstrecke zwischen den beiden benachbarten Großstädten Frankfurt am Main und Offenbach am Main.
Planung und Bau

Parallel zum Bau der Main-Neckar-Bahn plante eine in Darmstadt ansässigen Bahngesellschaft, Offenbach und Hanau über eine linksmainische Strecke an die Bahn nach Darmstadt anzuschließen. Das Projekt scheiterte 1841 an Geldmangel, auch befürchtete man in Frankfurt, dass die Züge nach dem Bau der Linie an Frankfurt vorbeirollen könnten. Einer Eisenbahnverbindung von Frankfurt nach Offenbach stand man jedoch weiterhin positiv gegenüber. Mittels eines Staatsvertrages beschlossen das Großherzogtum Hessen und die Freie Stadt Frankfurt am 12. Dezember 1842 schließlich den Bau einer Lokalbahnlinie, die in Sachsenhausen an den im Bau befindlichen provisorischen Endbahnhof der Main-Neckar-Bahn anschließen sollte.
Als Endpunkt wurde in Offenbach ein Grundstück nordwestlich des damaligen Stadtzentrums gewählt. Das Grundstück lag westlich der Kaiserstraße zwischen Domstraße und Bahnhofstraße. Der Sachsenhäuser Bahnhof befand sich am Ostrand Sachsenhausens zwischen Darmstädter Landstraße, Heisterstraße und Dreieichstraße. Ein weiterer Haltepunkt wurde nördlich von Oberrad an der heutigen Wasserhofstraße eingerichtet.
Da sich der Grundstückserwerb im Gebiet nördlich Oberrads wegen des Wiederstands der dort ansässigen Gärtner in die Länge zog, war die ursprünglich geplante zeitgleiche Betriebsaufnahme mit der am 1. August 1846 eröffneten Main-Neckar-Bahn nicht einzuhalten. Die für den 1. August 1847 vorgesehene Eröffnung fand jedoch trotz fertiggestellter Bahnanlagen nicht statt. Statt dessen wurden ab dem 23. August lediglich dreimal wöchentlich nächtliche Güterzüge befördert, die gegenüber der Öffentlichkeit als „Probefahrten“ deklariert wurden. Der Grund für diese von der Offenbacher Bevölkerung mit Unverständnis betrachtete Verzögerung lag an der Main-Neckar-Bahn, die den gesamten Sachsenhäuser Bahnhof für sich beanspruchte und an einer Betriebsgemeinschaft mit der Frankfurt-Offenbacher Lokalbahn nicht interessiert war. Da die Main-Neckar-Eisenbahnbrücke über den Main noch nicht fertiggestellt war, konnten deren Züge zunächst noch nicht den Main-Neckar-Bahnhof auf der rechten Mainseite erreichen. Zudem hatte die Lokalbahn ihre beiden Lokomotiven an die Main-Neckar-Bahn vermietet, die sie auf der Strecke Mannheim - Friedrichsfeld einsetzte. Die Beförderung der Güterzüge übernahm daher eine Lokomotive der Main-Neckar-Bahn.
Aufnahme des Personenverkehrs

Die Aufnahme des Personenverkehrs erfolgte schließlich unfreiwillig während der Märzrevolution von 1848. Offenbacher Bürger stürmten am 8. März das Offenbacher Bahnhofsgelände und forderten, nach Sachsenhausen befördert zu werden, von wo sie nach Darmstadt und zum dortigen Landtag weiterreisen wollten. Das Bahnpersonal kam der Aufforderung nach und stellte einen Personenzug für die Reise bereit. Die Lokalbahngesellschaft musste nun dem öffentlichen Druck nachgeben und regelmäßige Personenzüge anbieten. Da beide Lokomotiven noch immer vermietet waren, mussten vorübergehend zwei Maschinen und Personal der Main-Neckar-Bahn angemietet werden, bis die eigenen Lokomotiven aus Mannheim zurückgekehrt waren. Ab dem 9. März 1848 verkehrten nun zwischen Offenbach und Sachsenhausen zunächst vier Zugpaare nach provisorischem Fahrplan. Der offizielle Betrieb wurde schließlich am 16. April 1848 mit zehn Zugpaaren pro Tag aufgenommen, an Sonn- und Feiertagen verkehrten in beide Richtungen jeweils elf Züge.
Am 15. November konnte schließlich die Main-Neckar-Brücke und der zugehörige Bahnhof eröffnet werden. Die Frankfurt-Offenbacher Lokalbahn besaß fortan das alleinige Betriebsrecht im Bahnhof Sachsenhausen, durchgehende Züge zum Frankfurter Main-Neckar-Bahnhof wurden jedoch wegen Tarifstreitigkeiten mit der Stadt Frankfurt nicht angeboten. Erst ab dem 18. Oktober 1849 konnten durchgehende Züge zum Main-Neckar-Bahnhof angeboten werden, wegen mangelnder Nachfrage endeten die meisten Züge aber weiterhin in Sachsenhausen.
Mit der Annektion Frankfurts durch Preußen im Jahr 1899 ging auch der Frankfurter Anteil an der Frankfurt-Offenbacher Lokalbahn an Preußen über. Am 31. Dezember 1871 ging auch der hessische Anteil per Staatsvertrag rückwirkend zum 12. Juni 1868 an Preußen über, die Lokalbahn wurde so verstaatlicht und Bestandteil der Preußischen Staatseisenbahnen.
Mit dem Bau der Frankfurt-Bebraer Eisenbahn von Hanau über Offenbach nach Frankfurt stieg die Bedeutung der Lokalbahnstrecke zunächst stark an. Die am 16. November 1873 eröffnete neue Bahnstrecke mündete bei Oberrad in die bestehende Strecke der Lokalbahn und nutzte deren Gleise bis zum Main-Neckar-Bahnhof. Bereits 1874 wurde im gemeinsam betriebenen Abschnitt zwei weitere Gleise errichtet, um den gestiegenen Verkehr sicher bewältigen zu können. Am 2. Dezember 1875 konnte schließlich der Bebraer Bahnhof (der heutige Südbahnhof) südwestlich des bisherigen Sachsenhäuser Bahnhofes eröffnet werden. Gleichzeitig wurde die bisherige Gleisverbindung zur Main-Neckar-Brücke aufgegeben und abgerissen, die Lokalbahn verkehrte fortan nur noch im Pendelverkehr zwischen dem Offenbacher und dem Frankfurter Lokalbahnhof.
1881 erhielt der Frankfurter Lokalbahnhof Anschluss an die Frankfurter Straßenbahn. Ab 1884 entstand der Lokalbahn ernstzunehmende Konkurrenz durch die Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG). Zwar bot die Lokalbahn niedrigere Fahrpreise und schnellere Fahrzeiten, doch erschloss die elektrische Straßenbahn die Ortszentren von Offenbach und Oberrad besser. Die Fahrgastzahlen der Lokalbahn gingen von 1.601.826 im Jahr 1883 auf 1.405.519 Personen im Jahr 1884 zurück, während die FOTG im ersten Betriebsjahr rund 440.000 Fahrgäste aufwies. Die Frankfurter Waldbahn hatte seit dem 6. Februar 1889 am Lokalbahnhof ihre Endstation.
Ab 1885 beförderte die Lokalbahn erstmals seit den Gründungsjahren ein nennenswertes Güteraufkommen: Der Sachsenhäuser Schlachthof erhielt ein vom Frankfurter Lokalbahnhof abgehendes Anschlussgleis, über das Viehtransporte abgewickelt wurden. Bereits 1900 wurde das Anschlussgleis durch ein bei Oberrad von der Bebraer Bahn abzweigendes Gleis ersetzt, wodurch der Güterverkehr auf der Lokalbahn wieder eingestellt wurde.
Bedeutungsverlust und Stilllegung

Ein ernsthafter Rückgang der Beförderungszahlen trat 1906 mit der Eröffnung der umgespurten ehemaligen FOTG-Strecke nach Offenbach ein. Die umgebaute Straßenbahnverbindung war nun in das Netz der Frankfurter Straßenbahn integriert worden und ermöglichte Direktfahrten von Offenbach in die Frankfurter Innenstadt. Die Anzahl der Fahrgäste ging so um gut ein Viertel zurück, während sich die veraltete Infrastruktur der Bahn zunehmend negativ bemerkbar machte. Die Lokalbahn erwirtschaftete erstmals größere Verluste, weshalb die Preußische Eisenbahn über einen Verkauf der Strecke an die Städte Frankfurt und Offenbach nachdachte. Diese planten die Elektrifizierung und Modernisierung der Linie und eine Führung der Züge zum Frankfurter Süd- bzw. Hauptbahnhof, zeitweise dachte man auch an eine Umwandlung in eine elektrische Untergrundbahn nach Berliner Vorbild. Der Kriegsausbruch 1914 verhinderte jedoch die Realisierung dieser Pläne.
Wie bereits in den Kriegen von 1866 und 1870-71 beeinträchtigte auch der Erste Weltkrieg den Betrieb auf der Lokalbahn erheblich. Die Passagierzahlen gingen um die Hälfte zurück, Kohle- und Ersatzteilmangel sorgte immer wieder für länger andauernde Betriebsunterbrechungen. Der Fahrplan wurde bis 1918 immer weiter ausgedünnt, mit Kriegsende wurde der Betrieb vollständig eingestellt. Erst ab 1920 fuhren an Werktagen wieder Züge im 40-Minuten-Takt. Ab 1925 fand an allen Wochentagen wieder Betrieb, nachdem eine Initiative zur Stilllegung 1921 am Protest der Anwohner gescheitert war. Zur Reduzierung des jährlichen Defizits, das 1920 rund 700.000 Mark betragen hatte, wurde der Betrieb jedoch auf die Zeit zwischen 6 und 9 Uhr sowie 16 und 20 Uhr an Werktagen bzw. zwischen 13 und 20 Uhr an Sonn- und Feiertagen beschränkt. Die Gepäck- und Eilgutbeförderung wurde aufgegeben und das Personal auf ein Mindestmaß reduziert.
Der Zweite Weltkrieg beeinträchtigte den Bahnbetrieb zunächst nur in geringem Maße. 1942 wurde der Fahrplan zeitweise auf einen Stundentakt reduziert, doch schon im November des gleichen Jahres fuhren die Züge wieder halbstündlich. Im Januar und März 1944 unterbrachen alliierte Bombenangriffe zeitweise die Strecke und zerstörten das Empfangsgebäude in Frankfurt, doch konnte der Betrieb jeweils nach wenigen Tagen wieder aufgenommen werden. Die kriegsbedingte Betriebseinstellung erfolgte schließlich am 28. August 1944.
Erst am 2. Dezember 1946 konnte die Lokalbahn nach Beseitigung der Schäden wieder in Betrieb genommen werden. An Stelle der zuvor eingesetzten Dampfzüge kam nun erstmals ein vierachsiger Dieseltriebwagen des Typs VT 60.5 im Pendelverkehr zum Einsatz. Die zunehmende Motorisierung der Bevölkerung und ein verbessertes Zugangebot auf der Bebraer Bahn ließ die Anzahl der Reisenden auf rund 1000 pro Tag sinken. Die Deutsche Bundesbahn beschloss daher die Stilllegung der höchst unrentablen Strecke zum 1. Oktober 1955. Während der letzten drei Tage fuhren die Züge kostenlos. Ein stark überbelegter Dampfsonderzug befuhr zum Abschied nach Fahrplanende die Strecke von Frankfurt nach Offenbach am gleichen Abend zum letzten mal.
Nach der Stilllegung
Mit Ausnahme des Bahnhofs Oberrad wurden im Sommer 1956 mit Ausnahme des Bahnhofs Oberrad alle Gleisanlagen und Gebäude der Lokalbahn abgebrochen. Auf dem Gelände des Frankfurter Lokalbahnhofes entstanden 1970 eine neue Straßenbahnhaltestelle sowie ein Bürohochhaus. Seit 1990 existiert südlich des ehemaligen Lokalbahnhofes eine S-Bahn-Station gleichen Namens. In Offenbach wurde die Trasse für die Anlage der Berliner Straße genutzt.
Teile der ehemaligen Lokalbahntrasse wurden ab 1989 für den Bau der S-Bahn-Strecke nach Offenbach genutzt, die 1995 in Betrieb genommen werden konnte. Im Offenbacher Stadtgebiet folgt der S-Bahn-Tunnel heute unterirdisch der ehemaligen Lokalbahnstrecke.
Der Spitzname der Bahn - Äbbelwoi-Exbress - blieb im kollektiven Bewusstsein der Frankfurter erhalten und erfuhr 1977 eine Wiederauferstehung in Form des Ebbelwei-Expreß.
Literatur
Jens Freese, Michael Hofmann: Der Äbbelwoi-Exbress. Auf den Spuren der Lokalbahn von Frankfurt nach Offenbach. Verlag Wolfgang Bleiweis, Schweinfurt 1995. ISBN 3-928786-32-6