Ultra-Bewegung
Die Ultrà-Bewegung bezeichnet eine besondere Organisationsform für Anhänger des Fußballsports. Mittlerweile gibt es aber auch in anderen Sportarten Ultrà-Gruppen.
Ursprung
Die Ultrà-Bewegung hat ihre Wurzeln im Italien der späten 50er und 60er Jahre, als sich erstmals "fußballverrückte" Jugendliche in Gruppen zusammenschlossen, um ihre jeweiligen Lieblingsmannschaften gemeinsam organisiert zu unterstützen. Namensgebend war eine italienische Zeitung, die es Ultrà nannte, dass Anhänger des AC Turin einen Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgten. Zuerst waren es nur relativ wenige Jugendliche, die sich aber mit Hilfe von Balkenschals und Trommeln von den anderen Fans unterschieden. Die Ultràs organisierten dann auch ihre ersten gemeinsamen Auswärtsfahrten.
Die Bewegung breitete sich rasch aus, und in weiten Teilen Europas bildeten sich entsprechende Gruppierungen. Großbritannien ist eines der wenigen Länder, in dem die Ultrà-Bewegung bisher keinen Anklang finden konnte.
Struktur und Aktivitäten
Bei Ultràs handelt es sich um fanatische Anhänger, deren Ziel es ist, ihre Mannschaft "immer und überall bestmöglich zu unterstützen".
Neben der akustischen Unterstützung, die sehr häufig von einem sogenannten Capo (Vorsänger) koordiniert und durch Trommeln begleitet wird, legen Ultràs auch viel Wert auf optische Hilfsmittel, Konfettiregen, bengalische Feuer und gigantische Fahnenmeere. Außerdem kreieren, finanzieren und organisieren die Ultràs farbenprächtige, einfallsreiche und meist schön anzusehende Choreographien. Bei diesen Choreographien bereiten die Ultràs Materialien vor, die zu Spielbeginn an alle Zuschauer (auch Nicht-Ultrás) eines Stadionbereiches ausgegeben werden und die durch gleichzeitiges Hochhalten z.B. das überdimensionale Vereinswappen ergeben (siehe Abbildungen). Oft werden auch Überrollfahnen oder Wurfrollen verwendet. Unterstützung durch Sponsoren oder Vereine wird strikt abgelehnt. Ultràs finanzieren sich durch eigene Mitgliedsbeiträge und von selbstkreierten Fanartikeln.
Ultràs stehen "ihrem Verein" häufig kritischer gegenüber als unorganisierte Fans, da für sie wichtige (emotionale) Themen, wie der Erhalt der Fankultur und der "Identität der Vereine", oft im Konflikt zu den häufig wirtschaftlich motivierten Entscheidungen der Entscheidungsträger der Vereine ("Kommerzialisierung des Sports") stehen.
Ein weiteres wichtiges Thema ist der Protest gegen das als Willkür empfundene Vorgehen von Polizei und Ordnern gegen Fußballfans aller Couleur. Oftmals mit Sprechchören wie z.B. "A.C.A.B. - All Cops Are Bastards!". Viele Ultra-Gruppen versuchen die Repression der Öffentlichkeit zu zeigen und dagegen vor zu gehen.
Abgrenzung zu Hooligans
Im Unterschied zu Hooligans steht bei Ultràs der Fußball im Vordergrund und nicht die Gewalt. Schlägereien und Kämpfe sind aber auch ein Bestandteil der Ultrà-„Kultur“, einige deutsche Gruppen distanzieren sich jedoch, teilweise unter dem Eindruck des polizeilichen Vorgehens gegen die Gewalttäter, von Gewalt. Allerdings gerät das Klauen von gegnerischen Fanutensilien, insbesondere von Schals und Zaunfahnen, immer mehr in Mode. Die Zaunfahne ist bei diversen Gruppen das Herzstück, die Zaunfahne repräsentiert die jeweilige Gruppe und zeigt die Präsenz.
Deutschland
Deutschland erreichte die Ultrà-Bewegung erst Anfang der 1990er. Die erste Gruppe auf deutschem Boden waren wohl 1986 die Fortuna Eagles (Fortuna Köln), 1990 gefolgt von Madness Leverkusen (Bayer Leverkusen, seit 1994 als Mad Boyz). 1995 gründeten sich die Binding Szene (Eintracht Frankfurt), Blaue Bomber Stuttgart (Stuttgarter Kickers), Promillos Ultràs (SC Freiburg), sowie 1994 die Ultràs Nürnberg (1.FC Nürnberg). Auch bei den beiden Münchner Vereinen und einigen anderen waren in diesen Jahren erste Versuche unternommen worden, die Unterstützung der Mannschaft nach italienischem Vorbild zu organisieren.
Mittlerweile existieren bei fast allen Vereinen der oberen drei Ligen, aber auch in hierarchisch tieferen Spielklassen Gruppen, die sich selbst als Ultràs sehen. In vielen Fanszenen spielen die Ultràs allein schon deswegen eine dominante Rolle, weil es keine weiteren Gruppierungen gibt, die ihnen diesen Platz streitig machen können. Das daraus resultierende Missverständnis, die Ultràs hätten einen Alleinvertretungsanspruch der Kurve und Befehlsgewalt über den Fanblock, führt immer wieder zu Konflikten zwischen Ultràs und unorganisierten Fans.
Auftreten
Die Mehrheit der deutschen Ultrà-Gruppierungen verhält sich unpolitisch. Ausnahmen sind Großteile der Ultraszenen des FC St. Pauli "Ultra Sankt Pauli", das "Filmstadt Inferno ´99" des SV Babelsberg 03, die "Horda Azzuro" des FC Carl Zeiss Jena und die "Diablos" vom FC Sachsen Leipzig. Diese Gruppierungen sind allesamt politisch links orientiert. Als rechtsorientierte Ultras sind u.a. einzustufen: Inferno Cottbus sowie die Ultras von Lok Leipzig. Ultras in Deutschland geht es hauptsächlich um die "Verbesserung der Stimmung" und das Wachsen der eigenen Gruppe. Ultras sehen sich selbst als "Gegenpol zum unkritischen und konsumierenden Mainstream in den deutschen Fußballstadien".
Da Feuerwerkskörper aller Art in deutschen Stadien verboten sind, kommt es mittlerweile fast nur noch in unteren Ligen zum Einsatz von bengalischen Feuern und ähnlichen Mitteln. In der Bundesliga ist der Einsatz von pyrotechnischen Materialien zumindest im Ligabetrieb selten geworden.
Italien
Die mitgliederstärksten Jahre der italienischen Ultrà-Bewegung waren die 80er-Jahre. Aber auch heute noch gibt es einige Gruppen, die mehr als 10.000 Mitglieder haben. Einige wichtige Gruppen sind: Irriducibili Lazio, Brigate rossonere Milan, Brescia MU 1911, Curva Nord Bergamo, Ultras Granata. Die berühmtesten Gruppierungen, die die italienische Ultramentalität geprägt haben, haben sich wegen der andauernden Repression seitens der Lega-Calcio und der Polizei aufgelöst; Hierbei sind anzuführen: Brigate Gialloblu 71 Verona, Fdl Milan, Bna Atalanta, Commando Ultras Napoli, Verona Front. Aufgrund der sehr hohen Mitgliederzahlen einiger Gruppen haben diese einen großen Einfluss auf die Vereinspolitik. So durfte z.B. die mittlerweile aufgelöste Fossa dei Leoni entscheiden, was von wem in ihrer Fankurve verkauft werden darf. Allein wegen dieser vereinspolitischen Macht verorten sich einzelne Gruppen auch in einer bestimmten politischen Richtung, so gibt es rechtsextreme Fangruppen, wie Irriducibili Lazio, aber auch neutrale oder linksextreme Gruppen, wie die Brigate Autonome Livornesi des AS Livorno Calcio.
Frankreich
Durch die Nähe zu Italien entwickelte sich in den 80er Jahren besonders im südlichen Frankreich ebenfalls eine Ultrà-Szene. Die ersten Gruppen bildeten sich in Marseille, nämlich das Commando Ultrà 84 und die South Winners 87. Beide Gruppen sind heute noch aktiv und gehören zu den kreativsten und geachtesten Gruppen. Darüber hinaus sind sie für ihre antifaschistische und antirassistische Grundeinstellung bekannt. In Paris bildete sich mit den Boulogne Boys im Jahre 1985 ebenfalls eine erste Ultrá Gruppe. Mit der Zeit breitete sich die Ultrà Bewegung über ganz Frankreich aus und die große Gruppen gewannen rasch an Einfluß. So übernehmen in Marseille die Gruppen den Ticketverkauf für ihre Kurven selbst und haben so eine große Macht auf den Verein. Zu den bedeutensten Szenen gehören nach wie vor Marseille und Paris, wo die Ultrà-Gruppen beide Kurven im Stadien einnehmen. In Paris sind neben den Boulogne Boys die Gruppen Supras Auteuil, Lutece Falco und Tigris Mystic zu nennen, wobei letztere von den Boys und rechtsradikalen Hooligans aus dem Stadion gedrängt wurde. Darüber hinaus verfügt Saint-Étienne über eine große Szene (Magic Fans, Green Angels).
Österreich
Auch in Österreich gibt es einige Ultrà-Gruppierungen mit einem unterschiedlichen Grad an Aktivität und Bekanntheit.
Die älteste & international bekannteste Gruppe sind die "Ultras Rapid 1988", die auf der "Block West" genannten Westtribüne des Gerhard-Hanappi-Stadions den SK Rapid Wien unterstützen. Sie sind eine der wenigen Ultrà-Gruppierungen in Europa, die jedes Spiel eine Choreographie zeigen. Die Ultras Rapid wurden 2005 von der T.I.F.O. (Torcida International Fans Organisation) zur Gruppierung mit den besten Choreographien in Europa gewählt.
Die Kurve des SK Sturm Graz, der sogenannte "Sektor 25", beheimatet neben der bekanntesten Gruppe, der Brigata Graz 1994 auch die Grazer Sturmflut 96 und die Jewels Sturm. Die Salzburger Gruppierungen Union Ultrà '99 und Tough Guys Salzburg 92 litten sehr stark unter der Übernahme ihres Klubs Austria Salzburg durch Red Bull, da diese in weiten Teilen der Salzburger Fanszene auf Ablehnung stieß. Beide Fangruppierungen unterstützen jetzt die neue Austria Salzburg. Zu erwähnen ist auch die Ultràfanszene des FC Wacker Tirol. Sie beheimatet die Verrückten Köpfe 1991. Bei der Austria Wien sind die Fedayn 1995 zu erwähnen, doch auch dort gibt es durch den Einstieg des Hauptsponsors Magna und der damit verbundenen Umbenennung des Vereins in Austria Magna Wien Probleme.
Portugal

Auch in Portugal gibt es einige Ultrà-Gruppierungen. Die bekanntesten sind die Diabos Vermelhos und No Name Boys (abgekürzt NN) von Benfica Lissabon. Außerdem gibt es noch die Super Dragoes vom FC Porto, sowie die Juve Leo und Torcida Verde von Sporting Lissabon. Alle anderen Ultrà-Gruppierungen sind eher weniger bekannt.
Griechenland
Die Szene in Griechenland bzw. in der Hauptstadt Athen gilt als eine der extremsten Europas. Bei Duellen der großen Athener Klubs (Olympiakos, Panathinaikos, AEK) kommt es so gut wie immer zu schweren Ausschreitungen. Deshalb ist es Ultrà-Gruppierungen seit einigen Jahren verboten, Derbys im Stadion des Gegners zu besuchen. Die bekanntesten Gruppen sind Gate 13 (Panathinakos), Gate 7 (Olympiakos), Gate 4 (PAOK) und Original 21 (AEK).
Kroatien
Die älteste Ultrà-Gruppierung Torcida von Hajduk Split hat ihre Wurzeln im Jahr 1950, als im Vorfeld eines entscheidenden Meisterschaftsspiels eine nach heutigen Maßstäben Ultrà-artige Unterstützung organisiert wurde. Nach dem raschen Verbot durch die jugoslawische Staatsführung und der in den folgenden Jahren zwangsweise unorganisierten Anhängerschaft, erfolgte 1980 eine Wiedergeburt. Heute sind die 1986 gegründeten Bad Blue Boys vom Hauptstadtklub Dinamo Zagreb die größten Rivalen in der Szene. Erwähnenswert ist noch die Armada vom HNK Rijeka.
Serbien
Auch in Serbien gibt es bei vielen Vereinen Ultragruppierungen. Die größten Gruppen sind die Delije von Roter Stern Belgrad und die Grobari Partizan Belgrad, aber auch bei OFK Belgrad und Vojvodina Novi Sad gibt es größere Gruppierungen. Die Benutzung von Pyrotechnik gehört in serbischen Stadien zum Alltag, außerdem kommt es im Umfeld von Fußballspielen häufig zu Gewaltausbrüchen.
Schweiz
In der Schweiz sind in den letzten Jahren auch bei den meisten erstklassigen Vereinen Ultragruppierungen entstanden, die wichtigsten sind in Basel, Bern, Zürich, Sion, Luzern und St.Gallen beheimatet. In Zürich findet man die Ultras vor allem in der sogenannten "Zürcher Südkurve", welche den FC Zürich unterstützt. In Bern in der "Ostkurve Bern". Die Basler Ultras nennen sich "Inferno Basel" und haben sich in der Vergangenheit durch den Einsatz vieler pyrotechnischer Gegenstände, sowie aufwendige Choreographien hervorgetan. Ihre Heimt ist die "MK", die "Muttenzerkurve". Negative Schlagzeilen machte die Szene, als es nach der knapp verpassten Meisterschaft 2006 zu einem Platzsturm kam. Auch außerhalb des Stadions beruhigte sich die Lage nur langsam.
Ultràs beim Handball
Seit dem Jahre 2000 entstehen auch beim Handball Ultrà-Gruppierungen. Als erste und wichtigste gelten die Ultras Flensburg. Sie konnten sich durch die größte Stehplatztribüne der deutschen Handball-Bundesliga gut entwickeln. Später entwickelten sich auch bei anderen deutschen Handballclubs Ultràgruppen. Im Ausland gibt es noch die Boys aus Aalborg (Dänemark) und die Ultras von Leoben aus Österreich. Dazu kommen viele relativ unbekannte Gruppen in den unteren Ligen und Osteuropa.
Ultràs beim Eishockey
Hauptsächlich seit 2000/2001 setzte sich der Ultrà-Gedanke auch in der deutschen Eishockey-Fanszene durch, und so sind in vielen Eishallen und Arenen von der DEL bis in die Oberligen diverse Ultrà-Gruppierungen zu finden. Erste Ultrà-ähnliche Gruppierungen bildeten sich jedoch schon früher. Mitte der 90er Jahre gab es in München die ersten Choreographien zu sehn und es bildeten sich die "Munich Supporters". Aber auch in Augsburg ("Augsburg 98") und Schwenningen ("SERC-Supporters 99") bildeten sich noch vor der Jahrtausendwende Gruppen. Zu den bekanntesten Gruppierungen gehören heute Supporters Crew Mannheim ("SCMA", Mannheim) und der DEG Supporters Club ("DSC", Düsseldorf), sowie die "Inferno della Nord" ("IDN", Köln). Charakteristisch für viele Eishockey-Ultràs ist die Identifikation mit Ultrà-Gruppierungen aus der Schweiz und die gleichgültige bis feindselige Haltung der übrigen Fans am jeweiligen Standort. In der recht kleinen Szene bestehen sehr viele Kontakte unter den aktiven Leuten der verschiedenen Gruppen, wobei auch immer wieder an die Oberfläche tritt, dass sich nicht jede aktive Fangruppe im Eishockey explizit als "Ultras" versteht (Augsburg, Schwenningen, Ingolstadt).
In Bern sind die Ultras Bern anzutreffen (Commando Ultrà Bern), in Lugano die Ragazzi della Nord. Diese beiden Ultragruppierungen und ihre Kurven gehören wohl zu den qualitativ wie quantitativ stärksten in der Schweiz. Die meisten anderen Schweizer Kurven werden ebenfalls praktisch ausschliesslich von Ultrà-Gruppierungen geprägt (Fribourg Boys Fribourg, IG Genf, CrazyBirds Rapperswil, Section Uruguay ZSC, SouthSide Kloten, NorthFolk Zug, Gioventu Biancoblu Ambri). Einzig in Langnau, Davos und Basel sind die Kurven noch nicht in der Hand der Ultras. Auch in der zweithöchsten Spielklasse formieren sich viele Ultragruppierungen. Insbesondere die Szenen in Lausanne (Section Ouest) und Sierre (Dark Sun) sind dabei stark von der Ultrà-Mentalität geprägt und auch dementsprechend farbig und laut.
Weblinks
- Blickfang Ultra: überregionales Fanzine
- Erlebnis Fußball: überregionales Fanzine
- ProFans: aktive Fans
- Rettet den Fankult Unterstützt den deutschen Fankult!