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Ich klage an (1941)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Film
Titel Ich klage an
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahre 1941
Stab
Regie Wolfgang Liebeneiner
Drehbuch Eberhard Frowein
Harald Bratt
Produktion Heinrich Jonen
Musik Norbert Schultze
Kamera Friedl Behn-Grund
Franz von Klepacki
Schnitt Walter von Bonhorst
Besetzung

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Ich klage an ist ein deutscher Spielfilm von Wolfgang Liebeneiner, der am 29. August 1941 uraufgeführt wurde. Er zählt zur Gruppe der Vorbehaltsfilme und ist daher nur eingeschränkt zugänglich.

Handlung

Der Film erzählt die Geschichte einer unheilbar an multipler Sklerose erkrankten Frau, die auf ihr ausdrückliches Verlangen von ihrem Ehemann, dem Mediziner Professor Heyt, durch Verabreichung von Gift getötet wird. Dieser hatte zuvor vergeblich versucht, ein Mittel zur Heilung seiner Frau oder zum Aufhalten der Krankheit zu finden.

Der Arzt Dr. Lang, ein alter Freund von Heyts Frau, bezichtigt ihn daraufhin des Mordes. Durch die Konfrontation mit einem geistesgestörten Kind wird er aber zum Umdenken veranlasst. So wird aus dem Ankläger schließlich ein Verteidiger von Professor Heyt.

Im Strafverfahren wegen Mordes vor dem Schwurgericht stellt sich die Tat nach den Zeugenaussagen als Erlösung der Gattin und somit quasi-humanitärer Akt dar.

Nach dem Schlusswort des Angeklagten endet die Handlung. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, über den Täter zu richten. Wohin die Sympathien gehen sollen, ist jedoch naheliegend.

Filmvorlage

Der Stoff geht auf einen „Briefroman“ mit dem Titel „Sendung und Gewissen“ zurück, der bereits 1935 von Hellmuth Ungers geschrieben worden war, aber erst 1941 gedruckt erschien. Der Briefroman hatte keine durchgehende Handlung und musste dramaturgisch völlig umgestaltet werden. Viktor Brack, der in der „Kanzlei des Führers“ mit der „Aktion T4“ befasst war, beauftragte Hermann Schwenninger damit, eine neue Rahmenhandlung zu schreiben. Schwenninger war seit 1940 bei der Tiergartenstraße 4 angestellt und sollte dort einen Dokumentarfilm über die Euthanasie herstellen. Schwenningers Drehbuchentwurf für den Spielfilm enthält die Gerichtsszene, in der der Sterbehelfer zum Helden stilisiert wird.

Wolfgang Liebeneiner wies diesen Entwurf zurück. Aus der „Kanzlei des Führers“ erging an eine Arbeitsgruppe erneut die Anweisung, ein Drehbuch zu schreiben „über Euthanasie, über Auslöschung lebensunwerten Lebens. Unter Berücksichtigung der Zeitumstände sind wir zu der Überzeugung gekommen, alles mögliche vermeiden zu müssen, was nach geflissentlicher Werbung aussieht, namentlich aber auch alles zu vermeiden, was von gegnerisch Eingestellten als eine vom Staat ausgehende Bedrohung aufgefasst werden könnte.“[1]

Der neue Entwurf trug den Arbeitstitel „Drei Menschen - Ein Film um das Gesetz des Herzens“ und bezog sich auf ein geplantes „Sterbehilfegesetz“, das wegen aufkommender Proteste aus kirchlichen Kreisen jedoch nicht erlassen wurde. Der Entwurf bringt als wichtige Elemente die Dreierbeziehung zwischen einer Frau und zwei Männern ein und lässt den Ehemann und zugleich Arzt zum Täter innerhalb der Familie werden. Auch dieser Entwurf wurde überarbeitet. Liebeneiner hat später zur Rechtfertigung eine falsche Darstellung darüber in Umlauf gebracht und behauptet, darin sei unverblümt die Tötung von Geisteskranken propagiert worden. Liebeneiner übernahm jedoch die „Vernichtung unwerten Lebens“ als verdeckte Schlüsselbotschaft. Der Film enthält als Elemente die Dreierbeziehung des zweiten Entwurfs, die große Gerichtsszene aus dem ersten Entwurf und die abgeänderte Nebenhandlung zweier Eltern, die den Tod ihres schwerstbehinderten Kindes herbeisehnen.

Zensur

Die Originalfassung - auch „Ministerfassung“ genannt - war Anfang Mai 1941 fertiggestellt und wurde Mitte Juli und noch einmal Mitte August durch scharfe Zensurschnitte verändert. Ursächlich dafür waren die verschlüsselte Kritik an der Euthanasie durch ein Hirtenwort der katholischen Bischöfe, das am 7. Juli 1941 von den Kanzeln verlesen wurde, sowie die unverblümte Predigt des Erzbischofs Clemens August Graf von Galens am 3. August 1941.

Herausgeschnitten wurden Seitenhiebe gegen religiöse Vorbehalte sowie Szenen von aufdringlichen Bekehrungsversuchen. Es entfielen ferner nationalsozialistische Redewendungen und Symbole. Auch die Tötung eines kranken Versuchstieres wurde nicht mehr unmittelbar gezeigt.

Es existieren drei im Detail unterschiedliche Fassungen des Spielfilms. Sie liegen im Bundesarchiv Koblenz, dem Deutschen Institut für Filmkunde in Frankfurt/M und im ehemaligen DDR-Filmarchiv Potsdam-Babelsberg.[2]

Bewertung

Der Film wird heute allgemein als Propagandafilm pro Euthanasie gewertet und war sicher auch so intendiert, doch ist er – gewollt oder nicht – ebenso ein Plädoyer für aktive Sterbehilfe.

Während Euthanasie die staatlicherseits durchgeführte Exekution als unheilbar erbkrank, lebensunwert und damit volksschädlich erachteter Menschen meint, hat die Tötung auf Verlangen, als welche sich die aktive Sterbehilfe oft darstellt, ethisch eine andere Qualität. Sie ist daher nach deutschem Strafrecht obligatorisch erheblich milder zu bestrafen als etwa Totschlag oder Mord.

Seine besondere Bedeutung erhält der Film aber im Zusammenhang mit der damals forcierten sogenannten Vernichtung lebensunwerten Lebens. Spätestens der Hinweis des Angeklagten Heyt in Liebeneiners Film auf „Hunderttausende hoffnungslos Leidender“ und der Gesinnungswandel seiner ursprünglichen Gegner erweisen den Film als konform im Sinne der damaligen Politik.

Auszeichnungen

Der Film wurde im dritten Reich mit den Prädikaten „künstlerisch besonders wertvoll“ und „volksbildend“ ausgezeichnet.

Belege

  1. Karl Heinz Roth: "Ich klage an" - Aus der Entstehungsgeschichte eines Propaganda-Films. In: Götz Aly: Aktion T4. 2.erw.Aufl. Berlin 1989, ISBN 3-926175-66-4, S. 96
  2. Karl Heinz Roth: "Ich klage an", S. 116 Anm.15

Literatur

  • Christian Kuchler: Bischöflicher Protest gegen nationalsozialistische "Euthanasie"-Propaganda im Kino: "Ich klage an". In: Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft 126 (2006), S. 269-294.
  • Karl Heinz Roth: "Ich klage an" - Aus der Entstehungsgeschichte eines Propaganda-Films. In: Götz Aly: Aktion T4. 2.erw.Aufl. Berlin 1989, ISBN 3-926175-66-4, S. 93-116