Zum Inhalt springen

Pseudoautosomale Region

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. Januar 2007 um 02:30 Uhr durch Andreas Werle (Diskussion | Beiträge) (Genetische Besonderheiten). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Dieser Artikel wurde zur Löschung vorgeschlagen.

Falls du Autor des Artikels bist, lies dir bitte durch, was ein Löschantrag bedeutet, und entferne diesen Hinweis nicht.

Zur Löschdiskussion.

Oma-Test nicht bestanden, QS erfolglos. --ThomasO. 15:23, 25. Jan. 2007 (CET)


Pseudoautosomale Regionen (PARs) sind Abschnitte auf den Geschlechtschromosomen, die in ihrer Sequenz übereinstimmen.[1]

Einleitung

Es gibt insgesamt vier verwandte Regionen auf den Geschlechtschromosomen der Säugetiere: PAR1, PAR2, sowie die XY-homologen Regionen Xq21.3 und Yp11.1.

  • Die PAR1-Region ist 2.7 Mb groß, befindet sich am Ende des kurzen Armes der Geschlechtschromosomen und heißt auch p-PAR.
  • Die PAR2-Region ist 0.33 Mb groß, befindet sich am Ende des langen Armes der Geschlechtschromosomen und heißt auch q-PAR.

Wie die Autosomen enthalten diese Bereiche identische Gensequenzen, die in der Meiose ohne nachteilige Folgen rekombinieren können. In der PAR1-Region findet während der männlichen Meiose ein obligatorisches Crossing-over statt, welches für die korrekte meiotische Segregation der Geschlechtschromosomen benötigt wird. Im Gegensatz zur PAR1 ist ein Crossing-over zwischen den PAR2-Regionen des X- und Y-Chromosoms während der männlichen Meiose nicht obligatorisch und sogar relativ selten. Bislang wurden im Bereich der PAR ca. 30 Gene identifiziert.[2]

PAR-Regionen und Krankheiten beim Menschen

Beim Menschen gibt es eine eine erbliche Erkrankung, die mit Kleinwüchsigkeit und einer Deformation des Unterarmknochens (Madelung-Deformität) einhergeht, die sog. Léri-Weill dyschondrosteosis (LWD). Diese Krankheit ist eine pseudoautosomal dominante Erkrankung. Das heißt, das die Gene, die für die Erkrankung verantwortlich sind in der pseudoautosmalen Region der Geschlechtschromosomen sitzen und der Erbgang ist dominant. Bei der Léri-Weill dyschondrosteosis (LWD) gibt es Deletionen im Bereich der PAR1-Region. [3] Das bei dieser Erkrankung beteilgte Gen (SHOX oder Short stature homeobox gene) ist vermutlich auch für andere genetische Erkrankungen (die sog. "Langer mesomelic dysplasia" und das Turner Syndrom) mitverantwortlich.[4] Deletionen im Bereich der PAR-Regionen stehen bei Männern im Zusammenhang mit einer Infertilität, die auf eine Azoospermie zurück geht.[5][6] Eine Besonderheit stellen die sogenannten R*Y-Elemente dar. Es handelt sich dabei um DNA-Sequenzen, die eine Dreifachhelix bilden. Diese "Triplexe" verhindern die Transkription und Replikation der DNA und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von genetischen Rearrangements. Auf den Geschlechtschromosomen dienen diese Sequenzen zum Abschalten von Genen. Sie finden sich gehäuft in den Introns von Genen, die im Gehirn exprimiert werden und möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen. Da diese Genabschnitte in der Umgebung von schnell mutierten Genen gefunden werden, vermutet man, das sie bei der Evolution des Genoms eine Rolle spielen.[7]

PAR-Regionen bei Tieren

Die Untersuchung der PAR-Regionen im Y-Chromosom von Pferden (ECAY = Equine chromosome Y) war hilfreich bei der Herstellung der ersten physikalischen Karten der sog. euchromatischen Regionen von ECAY. Solche Untersuchungen sind in tiermedizinischer Hinsicht für die Untersuchung der männlichen Fertilität von Pferden und deshalb auch für Züchtungsfragen bedeutsam. [8] Bei zahlreichen Untersuchungen zu sogenannten Quantitative Trait Loci werden auch die PAR in die Suche mit eingeschlossen. Dabei werden zum Beispiel Vulnerabilitätsmaker für BSE,[9] Marker für Verhalten und Körperbau von Rindern,[10] oder Resistenzen gegen Krankheistererreger gesucht.[11]

PAR-Regionen bei Pflanzen

Die PAR-Region ist auch bei Pflanzen untersucht worden. Studien zur Meiose bei der Spezies Silene latifolia haben gezeigt, das die Rekombination nicht zwischen den beiden langen Armen der Geschlechtschromosomen stattfindet, sondern zwischen dem kurzen Arm des X-Chromosoms und dem langen Arm des Y-Chromosoms. [12] Da die Geschlechtschromosomen bei dieser Art sehr jung sind (sie entstanden erst vor etwa 10-20 Mio. Jahren) gilt die Untersuchung der PAR-Region der Lichtnelke als besonders informativ. Detailierte Untersuchungen der PAR-Region bei Silene latifolia stützen die alte Hypothese, das die Geschlechtschromosomen aus einem Paar von Autosomen hervorgegangen sind. [13][14]

Genetische Besonderheiten

Für die PAR1-Region ist bekannt, das es dort sehr viel häufiger als in anderen Bereichen des Genoms zu Rekombinationen kommt. Dabei nimmt die Häufigkeit der Rekombinationen zu, je weiter die betroffenen Genabschnitte am Ende des Chromosoms liegen (also in telomere Richtung).[15] Das Ausmaß der Rekombinationshäufigkeit scheint dabei bei verschiedenen Spezies um Größenordnungen unterschiedlich zu sein.[16] Da man davon ausgeht, das Genabschnitte, die oft von Rekombinationen betroffen sind auch häufig von Mutationen betroffen sind, wurden die PAR-Regionen auf Mutationshäufigkeit untersucht. Zumindest im Falle von Menschen und Primaten sind die PAR-Regionen sehr viel seltener als erwartet von Mutationen betroffen.[17]

Was die Häufung von Rekombinationen innerhalb der PAR1-Region betrifft gibt es einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den Verhältnissen bei Menschen und Mäusen, welches als "PAR-Boundary Paradox" bezeichnet wird. Wenn man bei Menschen die Genregion untersucht, die die PAR1- Region von den weiter zur Mitte (also nach Centromer) der Chromosomen gelegenen Gen-Abschnitten trennt, findet man, das innerhalb der PAR1-Region die Rekombinationshäufigkeit 20 mal höher ist als im übrigen Genom. Gleichzeitig finden sich dort überdurchschnittlich viele GC-Abschnitte.[18] Dabei wird die Häufung an GC-reichen Sequenzen in der PAR1-Region als evolutionäre Folge der gehäuften Rekombinationen in diesen Genabschnitten interpretiert.[19] Bei Mäusen hingegen gibt es in diesem Chromosomabschnitt keine positive Korrelation von Rekombinationsraten und GC-Gehalt.[20]

Evolutionäre Aspekte

Die PAR2-Region auf dem Y-Chromosom wurde während der Entwicklung der Säugetiere vermutlich verdoppelt. Untersuchungen über die Lage der PAR2-Gene bei Lemuren, Katzen und dem Derbywallaby ergaben, das die dafür verantwortlichen Mutationen vor 70-130 Mio. Jahren und vor 60-70 Mio. Jahren erfolgten.[21] Auch scheint die Grenze der PAR-Regionen zur den übrigen Abschnitten auf dem X- und Y-Chromosom nicht ganz scharf zu sein, da bei Säugetieren das Amelogin-Gen diese Grenze überspannt. Diese Beobachtung wird so interpretiert, das die Evolution der Geschlechtschromosomen, die bei Säugetieren und Primaten vor ca 300 Mio. Jahren begann [22] mit Veränderungen in den Genen (SRY) zu tun hat, die den männlichen Phänotyp determinieren. [23]

Molekulare Mechanismen der Geschlechtsdetermination

Die Mechanismen der Geschlechtsbestimmung sind außerordentlich verschieden. Bei Hymenoptera geschieht die Geschlechtsbestimmung auf der Grundlage von haploiden (männlich) oder diploiden (weiblich) Chromosomensätzen. Bei einer bestimmten Ameisenart (Pogonomyrmex barbatus und P. rugosus) wird vermutet, das sie drei Geschlechter hat.[24][25] Bei Drosophila bestimmt das Verhältnis von X-Chromosomen und Autosomen sowie der Einfluß des Sxl-Gens das Geschlecht.[26] Bei Reptilien wird das Geschlecht durch die Umgebungstemperatur und unter dem Einfluß von Hormonen während der thermosensitiven Entwicklungsphase bestimmt.[27] Bei Fischen und Amphibien fehlen Geschlechtschromosomen.[28] Manche Tiere ändern im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht: bei manchen Anneliden sind junge Tiere männlich und Erwachsene Tiere weiblich. Hier ist das Geschlecht von der Größe des Individuums abhängig.[29][30]

Bei Vertebraten wurden zwei unterschiedliche Geschlechtsbestimmungsmechanismen realisiert. Bei Vögeln gibt es Geschlechtschromosomen, allerdings sind bei ihnen die heterogametischen Tiere weiblich und die homogametischen männlich.[31][32] Bei allen Säugetieren finden sich bei den weiblichen Individuen identische (XX) und bei den männlichen Individuen verschiedene (XY) Geschlechtschromosomen. Aufgrund der Unterschiede und Ähnlichkeiten der Y-Chromosomen bei Säugetieren vermutet man, das Y in einem kontinuierlichen Prozess aus dem SRY-Gen heraus entstanden ist.[33]

Aus diesem Grund ist die Untersuchung der Funktion und Entstehungsgeschichte des Y-Chromosoms bedeutsam. Beim Menschen ist das Y-Chromosom etwa 65 Mb groß und enthält nur etwa 30 aktive Gene. Das Y-Chromosom der Schmalfuß-Beutelmäuse ist mit ca 10 Mb noch kleiner. Es enthält keine PAR, allerdings findet sich auf ihm auch das SRY-Gen. Dieser Befund stützt die Vermutung, das es zumindest im Falle der Marsupialia und Eutheria einen gemeinsamen Vorfahren des Y-Chromosoms gibt.[34]

Quellen

  1. Graves JA, Wakefield MJ, Toder R.: The origin and evolution of the pseudoautosomal regions of human sex chromosomes. Hum Mol Genet. 1998 Dec;7(13):1991-6. PMID 9817914
  2. Blaschke RJ, Rappold G.: The pseudoautosomal regions, SHOX and disease. Curr Opin Genet Dev. 2006 Jun;16(3):233-9. Epub 2006 May 2. PMID 16650979
  3. Benito-Sanz S, et.al.: A novel class of Pseudoautosomal region 1 deletions downstream of SHOX is associated with Leri-Weill dyschondrosteosis. Am J Hum Genet. 2005 Oct;77(4):533-44. Epub 2005 Aug 15. PMID 16175500
  4. Schneider KU, et.al.: Identification of a major recombination hotspot in patients with short stature and SHOX deficiency. Am J Hum Genet. 2005 Jul;77(1):89-96. Epub 2005 Jun 1. PMID 15931595
  5. Gabriel-Robez O, et.al.: Deletion of the pseudoautosomal region and lack of sex-chromosome pairing at pachytene in two infertile men carrying an X;Y translocation. Cytogenet Cell Genet. 1990;54(1-2):38-42. PMID 2249473
  6. Lin YH, et.al.: Ring (Y) in two azoospermic men. Am J Med Genet A. 2004 Jul 15;128(2):209-13. PMID 15214019
  7. Bacolla A, et. al.: Long homopurine*homopyrimidine sequences are characteristic of genes expressed in brain and the pseudoautosomal region. Nucleic Acids Res. 2006 May 19;34(9):2663-75. Print 2006. PMID 16714445
  8. Raudsepp T, et al.: A detailed physical map of the horse Y chromosome. Proc Natl Acad Sci U S A. 2004 Jun 22;101(25):9321-6. Epub 2004 Jun 14. PMID 15197257
  9. Zhang C, et. al.: Mapping of multiple quantitative trait loci affecting bovine spongiform encephalopathy. Genetics. 2004 Aug;167(4):1863-72. PMID 15342524
  10. Hiendleder S, et. al.: Mapping of QTL for Body Conformation and Behavior in Cattle. J Hered. 2003 Nov-Dec;94(6):496-506. PMID 14691316
  11. Reiner G, et. al.: Detection of quantitative trait loci for resistance/susceptibility to pseudorabies virus in swine. J Gen Virol. 2002 Jan;83(Pt 1):167-72. PMID 11752713
  12. Lengerova M, et.al.: The sex chromosomes of Silene latifolia revisited and revised. Genetics. 2003 Oct;165(2):935-8. PMID 14573500
  13. Filatov DA.: Evolutionary history of Silene latifolia sex chromosomes revealed by genetic mapping of four genes. Genetics. 2005 Jun;170(2):975-9. Epub 2005 Apr 16. PMID 15834147
  14. Ohno, S.: Sex Chromosomes and Sex-Linked Genes. Springer-Verlag, Berlin 1967.
  15. Filatov DA.: A gradient of silent substitution rate in the human pseudoautosomal region. Mol Biol Evol. 2004 Feb;21(2):410-7. Epub 2003 Dec 5. PMID 14660686
  16. Huang SW, et.al.: How strong is the mutagenicity of recombination in mammals? Mol Biol Evol. 2005 Mar;22(3):426-31. Epub 2004 Oct 20. PMID 15496551
  17. Yi S, et.al.: Recombination has little effect on the rate of sequence divergence in pseudoautosomal boundary 1 among humans and great apes. Genome Res. 2004 Jan;14(1):37-43. Epub 2003 Dec 12. PMID 14672979
  18. Chen JF, et. al.: Significant positive correlation between the recombination rate and GC content in the human pseudoautosomal region. Genome. 2006 May;49(5):413-9. PMID 16767166
  19. Meunier J, und Duret L.: Recombination drives the evolution of GC-content in the human genome. Mol Biol Evol. 2004 Jun;21(6):984-90. Epub 2004 Feb 12. PMID 14963104
  20. Galtier N.: Recombination, GC-content and the human pseudoautosomal boundary paradox. Trends Genet. 2004 Aug;20(8):347-9. PMID 15262406
  21. Charchar FJ, etal.: Complex events in the evolution of the human pseudoautosomal region 2 (PAR2). Genome Res. 2003 Feb;13(2):281-6. PMID 12566406
  22. Graves J A M.: The rise and fall of SRY. Trends Genet. 2002;18:259–264 PMID 12047951
  23. Iwase M, et.al.: The amelogenin loci span an ancient pseudoautosomal boundary in diverse mammalian species. Proc Natl Acad Sci U S A. 2003 Apr 29;100(9):5258-63. Epub 2003 Apr 2. PMID 12672962
  24. Helms Cahan S. and Keller L.: Complex hybrid origin of genetic caste determination in harvester ants. Nature. 2003 Jul 17;424(6946):306-9. PMID 12867980
  25. Whitfield J.: Everything you always wanted to know about sexes. PLoS Biol. 2004 Jun;2(6):e183. Epub 2004 Jun 15. PMID 15208728
  26. Penalva LO, and Sanchez L.: RNA binding protein sex-lethal (Sxl) and control of Drosophila sex determination and dosage compensation. Microbiol Mol Biol Rev. 2003 Sep;67(3):343-59, table of contents. PMID 12966139
  27. Pieau C. and Dorizzi M.: Oestrogens and temperature-dependent sex determination in reptiles: all is in the gonads. J Endocrinol. 2004 Jun;181(3):367-77. PMID 15171684
  28. von Hofsten J. and Olsson PE.: Zebrafish sex determination and differentiation: involvement of FTZ-F1 genes. Reprod Biol Endocrinol. 2005 Nov 10;3:63. PMID 16281973
  29. Collin R.: Sex ratio, life-history invariants, and patterns of sex change in a family of protandrous gastropods. Evolution Int J Org Evolution. 2006 Apr;60(4):735-45. PMID 16739455
  30. Allsop DJ, and West SA.: Sex-ratio evolution in sex changing animals. Evolution Int J Org Evolution. 2004 May;58(5):1019-27. PMID 15212382
  31. Gilgenkrantz S.: Bird sex determination Med Sci (Paris). 2004 Nov;20(11):1004-8. PMID 15525496
  32. Ellegren H.: Hens, cocks and avian sex determination. A quest for genes on Z or W? EMBO Rep. 2001 Mar;2(3):192-6. PMID 11266359
  33. Manolakou P, Lavranos G. and Angelopoulou R.: Molecular patterns of sex determination in the animal kingdom: a comparative study of the biology of reproduction. Reprod Biol Endocrinol. 2006 Nov 13;4:59. PMID 17101057
  34. Toder R, Wakefield MJ and Graves JA.: The minimal mammalian Y chromosome - the marsupial Y as a model system. Cytogenet Cell Genet. 2000;91(1-4):285-92. PMID 11173870