Erstes Konzil von Nicäa
Das Erste Konzil von Nicäa wurde von Kaiser Konstantin I. im Jahr 325 in der kleinen Stadt Nicäa bei Konstantinopel einberufen,um den in Alexandria ausgebrochenenen arianischen Streit zwischen Arianern und Trinitariern zu schlichten. Das Konzil endet mit dem (vorläufigen) Sieg der Trinitarier und dem nicäischen Glaubensbekenntnis.
Es war das erste ökumenische Konzil, die erste allgemein gültige Lehrentscheidung der christlichen Kirche seit dem Apostelkonzil in Jerusalem, und es war nur möglich geworden, weil die Christenverfolgungen zwölf Jahre vorher durch das Toleranzedikt von Mailand beendet waren.
Über das Konzil berichten die Teilnehmer Eusebius von Caesarea (eher Arianer) und Athanasius (Trinitarier). Die eigentlichen Akten des Konzils sind nicht erhalten, sie wurden vermutlich von Arianern (die einige Zeit später Konstantinopel vollständig beherrschten) vernichtet.
Teilnehmer
Kaiser Konstantin I. hatte alle 1800 Bischöfe der damaligen christlichen Kirche (etwa 1000 im griechischen und 800 im lateinischen Sprachraum) brieflich zur Teilnahme aufgefordert und übernahm auch die Reisespesen der 300 Bischöfe, die schließlich im öffentlichen Postwagen, auf Pferde-, Maultier- oder Eselrücken oder zu Fuß anreisten.
Die Eröffnungssitzung fand am 19. Juni statt, das Konzil selbst dauerte bis zum 25. Juli, aber die versammelten Bischöfe blieben noch einen Monat länger, um an den Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag der Thronbesteigung Konstantins teilzunehmen.
Nachdem jeder Bischof zwei Presbyter und drei Diakone mitbringen konnte, dürften an die zweitausend Leute am Konzil teilgenommen haben. Die meisten östlichen Provinzen des Reichs waren gut vertreten. Von der lateinischen Kirche kamen jedoch nur sieben: Hosius von Cordoba, Nicasius von Dijon, Caecilian von Karthago, Domnus von Strido, Markus von Kalabrien und die beiden Presbyter Victor (oder Vitus) und Vicentius als Abgeordnete des alten Bischofs von Rom Sylvester I..
Unter den Bischöfen waren einige, die sichtbare Zeichen des Martyriums unter der letzten Christenverfolgung trugen: Paphnutius von Theben und Potamon von Heraklea, denen ein Auge ausgestochen worden war, Paul von Neo-Caesarea, der von der Folter zwei verkrüppelte Hände hatte. Ebenfalls bemerkenswert sind Jakobus von Nisibis, der jahrelang als Einsiedler im Wald von Kräutern und Wurzeln gelebt hatte oder Spyridion von Zypern, der auch als Bischof noch ein einfacher Schafhirte geblieben war. Daneben waren auch der populäre Heilige Nikolaus von Myra, ein persischer Bischof Johannes und eine gotischer Bischof Theophilus anwesend.
Beim Kaiser dürften Hosius von Cordoba und Eusebius von Caesarea am meisten Einfluss gehabt haben.
Theologische Parteien
Theologisch gab es drei Parteien:
Die trinitarische Partei, die an der Göttlichkeit von Christus festhielt, war zuerst in der Minderheit, hatte aber bezüglich Begabung und Einfluss mehr Gewicht. An der Spitze standen die Patriarchen Alexander von Alexandria, Eustathius von Antiochia und Makarius von Jerusalem, dazu Rosinus von Cordoba, der Hofbischof, und insbesondere der junge Erzdiakon Athanasius von Alexandria, der zwar weder Sitz noch Stimme hatte, aber bezüglich Argumentation, Einsicht und Eifer an der Spitze stand. Athanasius argumentiert mit praktisch-seelsorgerlichen Gedanken: der Christus, den wir verlorenen Menschen brauchen, muss aus dem Wesen Gottes selbst sein. Wer aus ihm ein Geschöpf macht, raubt ihm die Ehre und den Menschen die Chance auf die volle göttliche Erlösung. Auf die Bischöfe, die selbst stark in der Gemeindearbeit verankert sind, wirkt die seelsorgerliche Argumentation stärker als philosophische Bedenken und lassen sich für die Seite von Athanasius gewinnen.
Die Arianer oder Eusebianer waren etwa zwanzig Bischöfe unter der Führung des einflussreichen Eusebius von Nikomedia, des späteren Patriarchen von Konstantinopel, der mit der kaiserlichen Familie verbunden war, und des Presbyters Arius, der auf Befehl des Kaisers teilnahm und oft offiziell nach seiner Sicht gefragt wurde. Arius argumentiert philosophisch und mit wissenschaftlichen Bedenken, mit denen er die wissenschaftlich interessierten und bisher unentschiedenen Anhänger von Origenes auf seine Seite ziehen will.
Die Mehrheit nahm auf die eine oder andere Art eine Mittelposition ein. Eine wichtige Gruppe gehörte zu den Schülern des Origenes, die theologisch in der Mitte standen. Viele hatten einen trinitarischen Instinkt aber wenig theologisches Unterscheidungsvermögen, andere hatte nur unsichere Meinungen und keine feste Überzeugung und wechselten die Seiten je nach Argumenten oder äußeren Einflüssen.
Verlauf
Viele Bischöfe brachten Eingaben über private Streitigkeiten vor den Kaiser, der alle diese Papiere verbrennen ließ, ohne sie zu reden, und die Teilnehmer zu Versöhnung und Harmonie ermahnte.
Zuerst schlugen die Arianer ein Bekenntnis vor, das jedoch unter Tumulten von den Anwesenden zerrissen wurde, worauf sechzehn der achtzehn Unterzeichner die Seite wechselten.
Dann schlug Eusebius von Caesarea, der Arius nach seiner Verbannung von Alexandria bei sich aufgenommen hatte, ein altes palästinisches Bekenntnis vor das die Göttlichkeit von Christus in allgemeinen biblischen Ausdrücken bestätigte, aber den strittigen Ausdruck wesenseins (griechisch oμooυσιoς homoousios, lateinisch consubstantialis (von gleicher Substanz) vermied. Der Kaiser hatte dieses Bekenntnis bereits gesehen und für gut befunden, und empfahl dem Konzil, dieses Bekenntnis anzunehmen. Auch die arianische Minderheit war bereit, es zu akzeptieren, indem sie es in ihrem Sinn um interpretierten.
Aber gerade dieser Umstand störte die Trinitarier. Sie wollten ein Glaubensbekenntnis, das kein Arianer auf seine Art interpretieren konnte und bestanden auf dem Ausdruck oμooυσιoς den die Arianer nicht akzeptieren konnten.
Der Kaiser erkannte, dass das Bekenntnis des Eusebius nicht durchkommen würde, und da ihm in erster Linie an einer möglichst einstimmigen Entscheidung lag, stimmte er für oμooυσιoς.
Dann legte Hosius von Cordoba ein Bekenntnis vor, das ursprüngliche nicäische Glaubensbekenntnis mit einem Zusatz, der die arianische Häresie verurteilt. Zu den Formeln gehörte gezeugt aus dem Wesen des Vaters und gezeugt und ungeschaffen, wesenseins mit dem Vater. Das Konzil betonte, dass der Sohn Teil der Dreieinigkeit sei, und nicht Teil der Schöpfung.
Ergebnisse
Praktisch alle Bischöfe unterschrieben das von Hosius vorgeschlagene Bekenntnis, zuerst Hosius und nach ihm die beiden römischen Presbyter im Namen ihres Bischofs. Auch Eusebius von Caesarea unterschrieb nach einem Tag Bedenkzeit und verteidigte seine Unterschrift in einem Brief an sein Bistum. Eusebius von Nikomedia und Theognis von Nicäa unterschrieben das Bekenntnis ohne den Zusatz und wurden dafür abgesetzt und für eine Zeit verbannt, schlossen sich aber schließlich den Beschlüssen des Konzils an.
Nur zwei ägyptische Bischöfe, Theonas und Secundus weigerten sich konsequent zu unterschreiben und wurden mit Arius nach Illyrien verbannt. Die Bücher von Arius wurden verbrannt und seine Partei als Feinde der Christenheit bezeichnet - der erste Fall, wo eine Irrlehre nicht bloß als Vergehen gegen die Kirche sondern auch als Vergehen gegen den Staat angesehen wurde.
Ein weiteres, heute noch wichtiges Ergebnis des Konzils war eine
verbindliche Regelung für das Datum des Osterfestes.
Folgen
Trotz des Konzilsentscheids blieb die Christenheit gespalten, und eine Reihe der Unterzeichner widerriefen, als sie nach Hause kamen. Beispielsweise schrieb der Arianer Eusebius von Nikomedia in einem Brief an den Kaiser: "Wir handelten sündig, o Fürst, als wir aus Furcht vor Euch einer Blasphemie zustimmten."
Einfluss des Kaisers auf das Ergebnis
Von heutigen Gegnern der trinitarischen Lehre (Zeugen Jehovas, Moslems) wird oft behauptet, dass der Entscheid des Konzils vom Kaiser diktiert worden sei.
Es ist historisch nicht belegt, wie weit Konstantin ein gläubiger Christ war, und erst recht nicht, wie viel er von Theologie verstand. Aus seinem Verhalten in den Jahren nach dem Konzil, wo er einmal die Trinitarier und dann wieder die Arianer unterstützte, je nach dem, was ihm für den Frieden dienlicher schien, lässt sich schließen, dass er dogmatisch weder sehr auf der einen noch auf der andern Seite stand.
Belegt ist, dass dem Kaiser in erster Linie an Frieden und Einheit in der Kirche lag. Er schreibt in einem Brief: "Mein Ziel war es, die unterschiedlichen Urteile unter allen Nationen, die die Gottheit verehren, zu einem Zustand der beschlossenen Einheit zu bringen, und zweitens, den gesunden Ton im Weltsystem wieder herzustellen..." Dieses Ziel hat der Kaiser jedoch weder am Konzil noch in den Folgejahren erreicht.
Ebenfalls gegen ein kaiserliches Diktat sprechen die folgenden Argumente:
- Alle zeitgenössischen Berichte über das Konzil (sowohl von Arianern als auch von Trinitariern) sagen übereinstimmend, dass der Kompromissvorschlag von Eusebius von Caesarea vom Kaiser für gut befunden und empfohlen, aber vom Konzil abgelehnt worden sei.
- Der trinitarische Glaube als solcher war nicht neu, trinitarische Formulierungen gibt es bereits im Neuen Testament und in der Didache. Es war jedoch vor dem arianischen Streit nicht notwendig gewesen, war den trinitarischen Glauben exakt zu formulieren, um sich gegen nichttrinitarische Lehren abzugrenzen
- Die Trinitarier hatten keine wirkliche Regierungsunterstützung: Konstantin selbst war alles andere als ein energischer Verfechter des Trinitarismus: er verbannte einige Jahre später Athanasius, ließ sich vom Arianer Eusebius von Nikomedia taufen, und war drauf und dran, Arius zu rehabilitieren (was durch den Tod von Arius nichtig wurde). Die meisten Kaiser im vierten Jahrhundert unterstützten den Arianismus und verfolgten die Trinitarier massiv.
- Viele der anwesenden Bischöfe hatten noch die letzte Christenverfolgung erlebt und durchgestanden, waren von daher nicht so leicht unter Druck zu setzen.
- In den Folgejahren wurden viele trinitarische Bischöfe wegen ihrer Lehre verbannt ohne dass sie deshalb zu den Arianern wechselten.
- Im nächsten ökumenischen Konzil von Konstantinopel wurde die Lehre von Nicäa voll bestätigt, ohne dass ein Kaiser Druck ausübte.
Siehe auch: Arianischer Streit