Eric Weil
Eric Weil (* 1904, † 1977) ist ein bedeutender, doch wenig bekannter französischer Philosoph deutsch-jüdischer Herkunft, dessen systematisches Hauptwerk Logique de la philosophie (1950) eine eigentümliche, lebendige Synthese von Kantianismus und Hegelianismus bildet.
Leben und Werk
Eric Weil wurde 1904 in Parchim/Mecklenburg, Deutschland geboren. Seine philosophische Dissertation schrieb er bei Ernst Cassirer. Er emigrierte 1932 nach Frankreich, 1938 wurde er französischer Staatsbürger. Im Dienst des französischen Militärs geriet er im 2. Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg wurde er Mitbegründer der Zeitschrift Critique. Ab 1956 war er Professor für Allgemeine Philosophie in Lille, ab 1969 Professor in Nizza.
Sein systematisches Hauptwerk ist die 1950 veröffentlichte Logique de la philosophie (nicht übersetzt). Weitere systematische Werke lieferte er 1956 mit seiner Philosophie politique (dt.: Philosophie der Politik, Berlin 1964) und 1961 mit seiner Philosophie morale (nicht übersetzt).
Zu den großteils philosophiegeschichtlich orientierten „Nebenwerken“ zählen seine 1950 erschiene Studie zu Hegel et l`État (engl.: Hegel and the State, Baltimore 1998) sowie seine Aufsatzsammlung zu Kant (in erweiterter Auflage 1970 erschienen) mit dem Titel Problèmes kantiens (dt.: Probleme des kantischen Denkens, Berlin 2002). Hinzuweisen ist auch auf die zwei Bände Essais et conférences (Paris 1970-71, rééd. Paris 1991) sowie auf eine postum veröffentlichte, zweibändige Sammlung von verstreut publizierten Zeitschriftenbeiträgen mit dem Titel Philosophie et réalité (Paris 1982 und 2003), von denen einige übrigens auch auf deutsch bzw. englisch zugänglich sind.
Grundzüge der Philosophie Eric Weils
Das Zentrum von Weils Philosophie bildet die Logique de la philosophie (1950). Es handelt sich dabei um eine originelle Variante einer von Hegel inspirierten Systemphilosophie: Der Philosoph tritt darin als eine Figur auf, die sich auf die Suche nach dem „absolut kohärenten Diskurs“ (der die Wirklichkeit als Ganzes auf den Begriff bringt) begibt. Der Philosoph will den Sinn der Wirklichkeit begreifen; dazu gehört auch, dass der Philosoph sich selbst und sein eigenes Tun (als Diskurstreibender) mitbegreift, d.h. den freien Akt des Denkens selbst in die Reflexion über die Wirklichkeit mit einbezieht. Die freie Entscheidung für die Vernunft (der Eric Weil schematisch die Entscheidung für die Willkür, d.h. für die Gewalt gegenüberstellt) ist für Weil gleichbedeutend mit dem Willen zur Einheit eines absolut kohärenten Diskurses. Von diesem Hegelschen Erbe her ist die Philosophie Weils also deutlich von „postmodernen“ bzw. dekonstruktivistischen Diskursen abzugrenzen.
Nicht ohne Grund wird Weil aber gerne als „posthegelianischer Kantianer“ charakterisiert: Das vernünftige, aber doch endliche Wesen, das der Mensch ist (diese Formel des „endlichen Vernunftwesens“ übernimmt Weil von Kant), findet für seinen Willen zum absolut kohärenten Diskurs keine inhaltliche Erfüllung; das „absolute Wissen“, zu dem der Leser der Logique de la philosophie am Ende gelangt, bleibt ganz bewusst ein formales Wissen, das die Fülle der Wirklichkeit diskursiv nicht erreicht.
Die Logique de la philosophie führt einen formal-dialektisch angelegten Meta-Diskurs über philosophische und nichtphilosophische Diskurse, die sich für die philosophische Reflexion rückblickend in idealtypischen, reinen Kategorien zum Ausdruck bringen lassen. Die Entwicklung der insgesamt 18 Kategorien beginnt – strukturell betrachtet – mit einer Kategorie des reinen Inhalts (die Schau der „Wahrheit“) und endet in den inhaltsleeren, formalen Kategorien des „Sinns“ und der „Weisheit“, die eigentlich (ebenso wie die „Wahrheit“ des Anfangs) nicht mehr durch einen spezifischen theoretischen Diskurs zum Ausdruck gebracht werden können, sondern nur mehr durch eine praktische Einstellung (frz. attitude, der zweite Grundterminus neben catégorie)) gegenüber Diskursen. Die eigentliche theoretische Arbeit der Philosophie (die Welt des Diskursiven) befindet sich zwischen diesen Kategorien des Anfangs und des Endes. Eric Weil war es daran gelegen, diesen eigentümlich formalen Abschluss seiner Systemkonzeption (mit der eigentlich der Rang der Metaphysik/Ontologie als einer „ersten Philosophie“ zurückgewiesen wird) nicht wieder in einen spezifisch inhaltlichen Diskurs über die Wirklichkeit zu gießen.
Letztlich lässt sich Weils Logik als Explikation dessen verstehen, was es heißt, ein „endliches“, aber doch „vernünftiges“ – und damit in Kontakt mit dem Unendlichen befindliches – Wesen zu sein. Vielleicht wäre es nützlich, in dieser Hinsicht so etwas wie eine „Retheoretisierung“ oder „Reontologisierung“ dieser Philosophie zu versuchen.
Linkhinweise
Auswahl von Sekundärliteratur zu Eric Weil
Deligne, Alain: Éric Weil. Ein zeitgenössischer Philosoph. Einführung in das Werk. Anthologie von Erstübersetzungen aus dem Französischen nebst Erstveröffentlichung eines Typoskripts. Bibliographie, Bonn 1998
Mohr, Georg; Siep, Ludwig [Hrsg.]: Ethik und politische Philosophie, Berlin 1997
Schuchter, Patrick : Der Weg des Denkens in die Gegenwart. Nachvollzug und Interpretation der Logique de la philosophie von Éric Weil, Innsbruck 2003
Canivez, Patrice: Éric Weil ou la question du sens, Paris 1998
Ganty, Etienne: Penser la modernité. Essai sur Heidegger, Habermas et Éric Weil, Namur 1997
Kirscher, Gilbert : La philosophie d’Eric Weil. Systematicité et ouverture, Paris 1989