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Marxismus

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Der Marxismus gilt als philosophische, historisch-politische und ökonomische Gesellschaftstheorie mit wissenschaftlichem Anspruch. Sie bezieht sich auf die Schriften von Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895). Marxisten versuchen seit Erscheinen des dritten Bandes des „Kapitals“ 1895 deren Ideen in ein schlüssiges Gesamtkonzept zu integrieren, das dem Aufbau einer sozialistischen und/oder kommunistischen Gesellschaftsordnung dienen soll.

Seitdem haben sich verschiedene marxistisch beeinflusste Richtungen entwickelt, die jeweils das Erbe der „Klassiker“ beanspruchten und sich voneinander abgrenzten, darunter:

Karl Marx (1818–1883)
Friedrich Engels (1820–1895)

Überblick

Der Terminus Marxismus wurde zunächst von politischen Gegnern pejorativ verwendet. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde er von Anhängern selbst übernommen. Marx selbst sagte, er sei kein Marxist, und bevorzugte für seine Theorie den Begriff „Wissenschaftlicher Sozialismus“. Damit grenzte er sich von anderen Staats- und Gesellschaftsentwürfen ab, die er dem Utopischen Sozialismus oder dem Anarchismus zuordnete. Er warf diesen Vorläufern und Zeitgenossen vor, eine gerechte und den Idealen der Französischen Revolution verpflichtete Gesellschaft nur zu „erträumen“, ohne die Bedingungen für ihre Verwirklichung wissenschaftlich zu erforschen und sie mit praktikablen Erfolgsaussichten anzustreben.

Marx und Engels setzten sich mit verschiedenen Denktraditionen wissenschaftlich-kritisch auseinander, die Grundgedanken von Marx wurden erst nach seinem Tod systematisiert. Ihre Einordnung in eine konsistente Theorie steht unter einem doppelten Vorbehalt:

  • Marx verstand sein Werk zunächst als ständig überprüf- und revidierbare Analyse der jeweiligen Verhältnisse und als eine daraus abgeleitete Zukunftsprognose.
  • Engels wollte die Theorie in allgemeinverständlicher Form verbreiten und trug damit aus kritischer Sicht auch zu ihrer Schematisierung und Vulgarisierung bei.

Marxismus versteht sich als theoretisches und praxisorientiertes System und als Weltanschauung. Die marxistische Theorie unterscheidet verschiedene Kernbereiche, die die Entwicklung der Ideen von Marx und Engels widerspiegeln:

  • Die umfassende Kritik der herkömmlichen Philosophie und deren „Aufhebung“ im dialektischen Materialismus. Die Marxschen Frühschriften begannen in diesem Sinn mit der Religionskritik und Ideologiekritik vor allem des deutschen Idealismus seiner Lehrer Hegel und Ludwig Feuerbach. Er beanspruchte, Hegels dialektische Methode mit realem historischem Inhalt zu füllen und den Idealismus so „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen. Zielpunkt dieser Kritik war die 11. These zu Feuerbach: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern. [1] (siehe Dialektischer Materialismus)
  • Das [gesellschaftliche] Sein bestimmt das Bewusstsein [2]: Die wirtschaftlichen Produktionsverhältnisse bedingen nach Marx als Basis das kulturelle und geistige Leben einer Gesellschaft, den so genannten Überbau. Nach dieser historisch-materialistischen Geschichtstheorie wird die Menschheitsgeschichte maßgebend von Klassenkämpfen bestimmt, die zwangsläufig zu Revolutionen führen und die Entwicklung der Gesellschaft bestimmen. Die Staatsformen von der Antike bis zum modernen Nationalstaat sind für Marx Ergebnis solcher Kämpfe. (siehe Historischer Materialismus)
  • Herzstück seines Werks ist die „Kritik der politischen Ökonomie“ in den drei Bänden des „Kapitals“. Die Gesetzmäßigkeiten der Ausbeutung im herrschenden Kapitalismus, die Entstehung der modernen Klassengesellschaft und der Konzentrationsprozess des Kapitals werden sowohl mikro- wie makroökonomisch differenziert analysiert. Dabei griff Marx auf Vorarbeiten der Nationalökonomie von Adam Smith und David Ricardo zurück. Werttheorie, Verelendungs- und Krisentheorie sind wichtige Bestandteile dieser Analyse. (siehe Politische Ökonomie (Kapitalismusanalyse))
  • Der Übergang vom Kapitalismus zur klassenlosen Gesellschaft im Kommunismus - über ein Zwischenstadium des Sozialismus - ist Gegenstand der Marxschen Revolutionstheorie. (siehe Wissenschaftlicher Sozialismus)

Praktische Anwendung (siehe Geschichte) fand der Marxismus zuerst in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts, vor allem der deutschen Sozialdemokratie (siehe Marxismus in der Sozialdemokratie), welche die Theorien von Marx und Engels zur Grundlage ihrer ersten Programme und Mitgliederschulungen machte. Sodann entwickelte Lenin im Anschluss an Marx seine Imperialismustheorie, die nach der Oktoberrevolution 1917, zusammen mit den Ideen von Marx und Engels, zur neuen Staatsideologie der Sowjetunion wurde.

Dieser Marxismus-Leninismus bestimmte den so genannten real existierenden Sozialismus nach 1945 in weiten Teilen der Welt, darunter in Ost- und Mitteleuropa, China (in der modifizierten Form des Maoismus), Kuba, Nordkorea (hier wurde er 1977 durch die Chuch'e-Ideologie ersetzt) und in Nordvietnam. Ob und wie weit dieser sich noch aus den Grundideen der „Klassiker“ herleiten lässt oder eine „Fehlentwicklung“ darstellt, ist eine der umstrittensten Fragen innerhalb der marxistischen Theoriebildung. Die praktische Politik dieser Länder wird insbesondere in Nordkorea bis heute vom Stalinismus beherrscht. Heute wird das Gulag-Regime weitgehend als totalitäres System eingeordnet und von fast allen Marxisten abgelehnt.

Gegen die unterschiedlichen Ideologien von Lenin, Stalin und Mao beansprucht auch der Trotzkismus mit seiner Theorie der „permanenten Revolution“ das wahre Erbe von Marx. (siehe Entwicklung des „Realsozialismus“)

In Abgrenzung zu Stalinismus und Faschismus entstanden seit den frühen 1930er Jahren die Arbeiten der Frankfurter Schule, die versuchten, die Ideen von Marx auf die veränderten politisch-ökonomischen Bedingungen der Moderne anzuwenden und teils mit der Psychoanalyse zu verbinden.

In den 1960er Jahren entstanden besonders im Zusammenhang mit der weltweiten Studentenbewegung, den westeuropäischen Arbeiterstreiks und den so genannten Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“ verschiedene Formen des Neomarxismus, des Eurokommunismus (insbesondere des Operaismus) und des demokratischen Sozialismus. (siehe Neomarxistische Strömungen)

Die Kritik am Marxismus begann zeitgleich mit seiner Entwicklung und hat sich im Laufe der Entstehung sich auf Marx berufender Staatssysteme im 20. Jahrhundert verschärft. Sie greift vor allem inhumane Politik und ökonomische Ineffizienz im „Realsozialismus“ als Ergebnis marxistischer Theorie an. Marxistische Kritiker dagegen wenden die Marxsche Theorie auf diese Systeme selber an, um ihre Entwicklung und das praktische Scheitern der behaupteten Gesellschaftsziele zu erklären. (siehe Kontroversen um den Marxismus)

Dialektischer Materialismus

Marxistisch-Leninistische Interpretation: Dialektischer Materialismus

Neomarxistischer Interpretationsansatz: Dialektik bei Marx - Engels

G.W.F. Hegel

Philosophisch ist der Marxismus von zwei wesentlichen Elementen geprägt: von der idealistischen Dialektik Hegels und vom philosophischen Materialismus (Feuerbach), der im Gegensatz zum Idealismus alle Ideen, Vorstellungen, Gedanken, Empfindungen usw. als Manifestationen der Materie auffasst und darauf zurückführt. Marx übernahm das materialistische Weltbild, und fügte aus dem Werk Hegels die Dialektik und den damit verbundenen Gedanken ständiger Entwicklung hinzu. Er überwand somit die Sichtweise früherer Materialisten, die die Welt als unveränderlich verstanden.

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern. - Marx, Thesen über Feuerbach. MEW, Band 3, Seite 533 ff. 1845 (1888 Überarbeitung Engels).

Nach der Hegelschen Dialektik ist das Abbild der Welt im tätigen Begreifen ihrer Zusammenhänge von aufeinander bezogenen Gegensätzen - Thesen und Antithesen - geprägt, die sich gegenseitig im dialektischen Dreischritt zu Synthesen vorwärtsentwickeln. Diese Synthesen treiben die „objektive Wirklichkeit“ voran und „bestimmen“ damit die Zukunft, bis diese keine Widersprüche mehr enthält und im Begriff des „Absoluten“ „aufgehoben“ ist. Für den idealistischen Philosophen ist dieser Fortschritt, der die materielle Welt insgesamt durchwirkt, ein Produkt des menschlichen Geistes, der im Begreifen seiner selbst mit dem absoluten „Weltgeist“ identisch wird.

Ludwig A. Feuerbach war ein deutscher Philosoph, Anthropologe und Religionskritiker.

Marx betrachtet die Hegelsche Dialektik aus Sicht des Materialismus: Er stellt sie „vom Kopf auf die Füße“ und postuliert, dass sich die objektive Wirklichkeit aus ihrer materiellen Existenz und deren Entwicklung erklären lässt und nicht als Verwirklichung einer göttlichen absoluten Idee oder als Produkt des menschlichen Denkens. Das heißt, objektive Realität existiert auch außerhalb und unabhängig des menschlichen Bewusstseins in den ökonomischen Gesetzen, die historische Gesellschaftsordnungen maßgebend bestimmen. Dies ist der Kern von Marx' berühmtem Satz, der als Trennmarke vom Idealismus gilt:

Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. - Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort. MEW 13, S. 9, 1859.

Die Konsequenz dieser Sichtweise ist eine umfassende Kritik an Religion, Recht und Moral. Diese begreift Marx als Produkte der betreffenden materiellen Verhältnisse, deren Wandel sie unterworfen sind. Religion, Recht und Moral hätten also nicht die universelle Gültigkeit, die sie beanspruchen.

In der marxistischen Philosophie wird das Universum wie in der universalhistorischen Philosophie Hegels als Totalität, also objektiv zusammenhängendes Ganzes gesehen. Aber Marx versteht die im Idealismus bloß geistigen Gegensätze als Abbild und Ausdruck realer, materieller Gegensätze: Auch diese hängen gegenseitig voneinander ab und befinden sich in ständiger wechselseitiger Bewegung. Diese ist insgesamt aufsteigend, d.h. sie verläuft vom Einfachen zum Komplexen und durchläuft dabei bestimmte Ebenen, denen bestimmte qualitative Veränderungen entsprechen, so dass sie die Entwicklung vorantreiben. Die praktische Austragung der Gegensätze bewirkt auch für Marx den Fortschritt zu immer höheren Gesellschaftsformationen: Sie ähneln Hegels Synthesen formal, ergeben sich für Marx aber aus sich immer stärker zuspitzenden, nicht synthetisch aufzuhebenden „Grundwidersprüchen“ (Interessen- und Klassen-Antagonismen).

Historischer Materialismus

Marxistisch-Leninistische Interpretation: Historischer Materialismus

Neomarxistischer Interpretationsansatz: Dialektik bei Marx - Engels

Mit dieser Theorie beschreibt Marx nach marxistisch-leninistischer Interpretation den Verlauf der Geschichte als eine determinierte Abfolge von grundlegenden Ereignissen die durch ökonomische Prinzipien bestimmt und vorangetrieben werden. Neomarxistische Strömungen hingegen interpretieren den historischen Materialismus, unter anderem mit Bezugnahme auf die asiatische Produktionsweise, als eine Theorie, die keinen Determinismus in der Entwicklung von Klassengesellschaften annimmt. Folgende historische Entwicklungsstufen von Klassengesellschaften machen Marx und Engels fest:

Produktionsweise: Wechselwirkung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse

Marx und Engels nennen vier Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformen, welche die europäischen Gesellschaften in einem materialistisch-dialektischen Prozess durchliefen:

Es werden ebenso Klassengesellschaften beschrieben, welche sich nicht in der europäischen Entwicklungsabfolge widerspiegeln, die bedeutendste davon ist die asiatische Produktionsweise.

Aufbauend auf ihren Geschichtsanalysen und Theorien fordern sie den Übergang in eine klassenlose Gesellschaft, den sie für historisch determiniert halten:

Anlehnend an Grundgedanken der Dialektik, verstehen Marx und Engels die Entwicklung der Gesellschaft als einen dialektischen Prozess der über mehrere Gesellschaftsformen verläuft: Eine klassenlose Gesellschaft (Urgesellschaft/Urkommunismus) wandelt sich in verschiedene Formen der Klassengesellschaft (z. B. asiatische Produktionsweise, Feudalismus, Kapitalismus), um letztendlich auf einer höheren Stufe wieder in einer klassenlosen Gesellschaft aufzugehen (Vom Urkommunismus zum Kommunismus).

Eine der bedeutendsten Grundannahmen des Historischen Materialismus ist, dass „[die] Geschichte aller bisherigen Gesellschaft [...] die Geschichte von Klassenkämpfen [ist][3], die „mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete[n] oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen[3]. Begründet werden die gesellschaftlichen Umwälzungen mit ökonomischen Theorien. Nach marxistischer Auffassung stehen die Individuen innerhalb einer Gesellschaft in vielfältigen wirtschaftlichen, politischen und geistigen Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen zueinander. Dabei dominieren die materiellen Produktionsbeziehungen die Produktionsweise, welche jeweils die grundsätzliche Art und Weise der Produktion und Aneignung materieller Güter beschreibt und alle anderen Beziehungen bestimmt. Der übergeordnete Begriff Produktionsweise umfasst die Einheit und die Gegensätze der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, unter denen sich die Menschen mittels Arbeit die Natur aneignen und ihre Lebensgrundlagen durch die Gewinnung und Herstellung materieller Güter sichern. Die Produktionsverhältnisse, unter denen die Produktivkräfte im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess zusammenwirken, sind primär Beziehungen, die die Menschen untereinander eingehen:

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte notwendige von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen.- Karl Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f. 1859.

Nach Maßgabe der historisch gegebenen, vorherrschenden Produktionsverhältnisse produzieren die Menschen mittels ihrer verfügbaren Produktivkräfte die gesellschaftlich notwendigen materiellen Güter. Je nach Gesellschaftsform führen die Produktionsverhältnisse, soweit sie die individuelle Macht und den Besitzanspruch über die Produktionsmittel und die Verteilung der produzierten Güter betreffen, zu unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen. Diese bestimmen oberflächlich besehen den individuellen Rechtsanspruch des Menschen zu "seinen Dingen". Der Mensch geht dabei scheinbar primär Sachbeziehungen ein, die erst in zweiter Linie die Verhältnisse aller anderen Menschen zu diesen "seinen Dingen" betreffen. Eine besondere Ausprägung erfahren diese Sachbeziehungen u. a. in warenproduzierenden Produktionsweisen durch den sich entwickelnden Warenfetischismus. Tatsächlich jedoch beruhen diese vermeintlich vorherrschenden Sachbeziehungen auf den Machtverhältnissen in der Gesellschaft und den daraus entstandenen Konventionen der Menschen untereinander.

Die mit unterschiedlicher Macht versehenen Menschen einer Produktionsweise formieren sich jeweils in ihrer gesellschaftlichen Klasse.

Entstehung und Charakteristik der Klassengesellschaften

Für Marx ist die ursprüngliche Gesellschaft der Urkommunismus, in dem fast „von der Hand in den Mund“ gelebt wurde und jedes Gesellschaftsmitglied weitestgehend gleichberechtigt an den Produktionsmitteln beteiligt ist bzw. sein kann. Diese Produktionsweise änderte sich mit der Neolithischen Revolution grundlegend. Hiernach war der Mensch durch die Nutzung von Ackerbau und Viehzucht in der Lage mehr zu produzieren als er verbraucht, also ein relevantes Mehrprodukt zu erwirtschaften und so Vorräte anzulegen. Damit konnte sich ein kleiner Teil der Gesellschaft von den unmittelbar Produzierenden lösen - es war nicht mehr fast die gesamte Arbeitsleistung aller notwendig um jede Person zu ernähren - und sich anderen Dingen, wie der Entwicklung der Produktivkräfte, zu widmen. Diese Entwicklung zur Hierarchisierung der Gesellschaft war der Weg vom klassenlosen Urkommunismus hin zu Klassengesellschaften. Nach Hegel wurde die klassenlose Gesellschaft durch die Klassengesellschaften negiert (in ihr Gegenteil verkehrt).

Die privilegierte Gruppe wächst nach Marx mit den sich verbessernden Produktivkräften und dem daraus resultierenden Mehrprodukt:

Ferner ist in jenen Anfängen die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben, verschwindend klein gegen die Masse der unmittelbaren Produzenten. Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst diese Proportion absolut und relativ.- Karl Marx, Kapital I, MEW 23, 534f. 1867.

Diese Klasse, anfangs meist religiöse Führer, geboten auch in Notfällen über die Vorräte und konnten aus dieser Macht heraus sich verstärkt Besitz an relevanten Produktionsmitteln verschaffen. Dieser Unterschied in Macht und Besitz ermöglichte dann in die Bildung der Sklavenhaltergesellschaft, wo sich prinzipiell Sklavenhalter („Freie“) und Sklaven („Unfreie“) antagonistisch gegenüberstanden. Dieser Antagonismus zwischen zwei grundlegenden Klassen ist durch gegensätzliche Interessen - die Privilegierten wollen den Zustand beibehalten, während die andere Klasse auf eine grundlegende Änderung drängt - gekennzeichnet und charakteristisch für die Klassengesellschaft. Aufgrund dieser unterschiedlichen Interessen und Machtverhältnisse sei die Klassengesellschaft stetig durch einen Klassenkampf geprägt.

Basis-Überbau-Modell

Dann beschreibt Marx in seiner Theorie von Basis und Überbau die Produktionsverhältnisse - die je nach Zeit, Ort und Gesellschaftsform differenzieren - als ökonomische Grundlage für die Gesamtheit aller möglichen und dieser Basis entsprechenden Anschauungen und Institutionen (Staat, politische Parteien und Organisationen, u.a.), also dem Produktionsverhältnisse entsprechendem gesellschaftlichen Überbau. Damit ist die jeweilige Gesellschaftsform direkt von den ökonomischen Verhältnissen abhängig. Diese Theorie soll auch für klassenlose Gesellschaften gelten.

Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen.- Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f. 1859.

Wechsel zwischen den Klassengesellschaften

Marx beschreibt nun die Sklavenhaltergesellschaft, den Feudalismus und den Kapitalismus als Klassengesellschaften. Während die Produktivkräfte sich stetig entwickeln, sind die Produktionsverhältnisse hauptsächlich durch die jeweilige Gesellschaftsform bestimmt und daher beharrend-stabil. Auch wenn die Produktionsverhältnisse zu Anfang einer neuen Gesellschaftsform an die Produktivkräfte so angepasst sind, das sie deren Entwicklung fördern, werden sie mit der Zeit zu „Fesseln“ dieser, was dann in der Beseitigung des Widerspruchs durch eine „revolutionäre“ Umwälzung der Produktionsverhältnisse durch die produzierende Klasse mündet. Diese Revolution beschreibt Marx auch mit dem von Hegel beschriebenen dialektischen Dreischritt, den er auf die konkrete Geschichte ummünzt: nach dem erfolgreichen Kampf der produzierenden Klasse verschmelzen die antagonistischen Klassen erst miteinander, teilen sich danach wieder unter Schaffung neuer, angepasster Produktionsverhältnisse und treiben so die „objektive Wirklichkeit“ voran.

Dabei geschieht diese Umwälzung nie, bevor nicht alle möglichen Produktivkräfte innerhalb der alten Gesellschaft entwickelt sind. Durch diese grundlegende Änderung der Basis (der Produktionsverhältnisse und damit der Produktionsweise, also der ökonomischen Grundlage) wechselt dann auch der Überbau und damit die Gesellschaftsform:

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. (...)
Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.- Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f. 1859.

Kritik an der marxistisch-leninistischen Auslegung

Marx ging anfangs von einer feststehenden Abfolge der Gesellschaftsformen aus, ist davon aber später, unter anderen mit seiner Theorie von der „asiatischen Produktionsweise“, selber abgewichen. Mit diesem Begriff beschreibt er, dass es - beispielsweise in den asiatischen Wasserbaukulturen - verschiedene kulturelle Ausformungen von Produktionsweisen gibt, die nicht in die aus der europäischen Geschichte abgeleiteten Periodisierungen passen. Somit wird eine deterministische, oder gar teleologische Interpretation des historischen Materialismus abgelehnt. Insbesondere Neomarxisten betonen daher die „Kontingenz“, das heißt die Zufälligkeit oder Offenheit der Geschichte. Es folgt also nicht automatisch ein Stadium dem anderen, sondern die Übergänge sind das Ergebnis von Klassenkämpfen mit immer offenem Ausgang: „Sozialismus oder Barbarei“ (nach einem Ausspruch Rosa Luxemburgs) oder, wie es im Kommunistischen Manifest heißt, „einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen[3]. So untersucht die Regulationstheorie auf dieser Grundlage die verschiedenen historischen und regionalen Ausprägungen der kapitalistischen Produktionsweise.

Politische Ökonomie (Kapitalismusanalyse)

Nachdem mit dem dialektischen Materialismus eine Erkenntnis- und allgemeine Geschichtsstheorie entwickelt wurde, und mit dem historischen Materialismus eine allgemeine Gesellschaftstheorie, war Marx seiner Analyse der gegenwärtigen, konkreten Gesellschaft bedeutend näher gekommen. Der nächste notwendige Schritt war nun für ihn, die ökonomischen Bewegungsgesetze in kapitalistischen Gesellschaften zu studieren, da nach der Theorie des historischen Materialismus die Produktionsweise einer Gesellschaft bedeutend für ihre Entwicklung ist.

siehe auch: Das Kapital

„Kritik der politischen Ökonomie“

Der erste Band der Trilogie Das Kapital

In seinem Hauptwerk: Das Kapital - Kritik der politischen Ökonomie beschreibt und kritisiert Marx die kapitalistische Produktionsweise und die damit verbundenen Wirtschaftswissenschaften. Im besonderen beschäftigt sich Marx mit Vertretern der Klassischen Nationalökonomie (auch Politische Ökonomie), wie Adam Smith und David Ricardo, von denen er viele Ansätze aufgreift um sie nach seinen eigenen theoretischen Annahmen weiter zu entwicklen, neu zu interpretieren oder umzuformulieren.

Nach dem Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Produktionsweise - von Feudalbauern, welche Feudalherren unterstehen und teilweise Leibeigene sind, zu Lohnarbeitern (dem Proletariat), die ihre Arbeitskraft an Personen verkaufen, denen relevante Produktionsmittel gehören (dem Bürgertum, der Bourgeoisie) - änderte sich laut Marx an der grundlegenden Herrschaftsstruktur der Gesellschaft wenig.

Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. – Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.- Marx; Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 463. 1848.

Nachdem sich erste Ansätze von kapitalistischer Produktionsweise schon im 14. und 15. Jahrhundert zeigten, ermöglichen mit der Zeit - unter der Führung der Bourgeoisie - der globale Wechsel zum Kapitalismus (und der damit verbundenen Steigerung der Produktivkräfte), die Erschließung neuer Märkte, die fortschreitende Konzentration von Kapital und vor allem die Industrialisierung eine massive Produktivitätssteigerung. Dies geschieht jedoch auf Kosten des Proletariats, das nur im notwendigsten Maße entloht wird. Urbanisierung, Armut, Krankheit und ein Gefühl der Entfremdung zeichnen demnach die Angehörigen des Proletariats aus. Gleichzeitig vermindert sich - aufgrund der Konkurrenz innerhalb der Bourgeoisie - die Zahl der Kapitalisten immer mehr, sodass die Masse des Proletariats wächst.

Außerdem werden laut Marx kapitalistische Gesellschaften zu großen Teilen von einem Warenfetisch bestimmt. Analog zur Projektionstheorie ist damit der Umstand gemeint, dass historische und durch gesellschaftliche Umstände erschaffene Kategorien wie Ware und Wert als natürliche und unabänderbare Tatsachen erscheinen.

Daran anknüpfend richtet sich die Kritik auch gegen die politische Herrschaft, welche die kapitalistische Produktionsweise durch „Recht und Ordnung“ absichert und, um in der Staatenkonkurrenz zu bestehen, die Interessen der Kapitalisten möglichst gut bedienen muss, was nur auf Kosten des Proletariats geschehen kann.

„Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen?- Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S. 505. 1867.

Wert- und Geldtheorie

David Ricardo war ein Vertreter der Klassischen Nationalökonomie.
Adam Smith war Moralphilosoph und Begründer der Klassischen Nationalökonomie.

In Das Kapital stellt Marx sehr detaillierte Theorien zum Wert einer Ware und dessen Zusammenhang mit Geld auf. Dabei unterscheidet er zunächst zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert einer Ware. Während der Gebrauchswert die besondere Brauchbarkeit des stofflichen Körpers der Ware betrifft, die bestimmte Bedürfnisse befriedigen kann („Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert[4]), ist der Tauschwert ein abstrakter Wert, der erst im (Tausch-)Handel Bedeutung erlangt. So hat eine Ware einen bestimmten Wert, der es, kommt es zu einem Handel, ermöglicht, sie auch gegen eine andere Ware aus völlig anderem Material auszutauschen (Ware X tauscht sich in soundsoviel Ware Y). Diesen gleichartigen Wert jeder Ware sah Marx in der abstrakten Arbeit - ausgedrückt in der Arbeitszeit, die gesellschaftlich zur Herstellung jeder bestimmten Ware durchschnittlich benötigt wird - begründet, wobei er dabei an [David Ricardo]] anknüpft. Wird der Tauschwert in Geld ausgedrückt (Ware X tauscht sich in soundsoviel Geldeinheiten), so stellt er den Preis dar.

Wird nun aus Waren etwas Neues geschaffen, werden die Waren also nicht privat, sondern in der Produktion konsumiert, so wird dem bestehenden Wert ein Neuwert (auch Wertprodukt genannt) hinzugefügt, der sich aus der benötigten Arbeitsleistung, ausgedrückt im variablen Kapital v, und dem „Gewinn“, ausgedrückt im Mehrwert m, zusammensetzt. Dies wird in der folgenden Formel dargestellt: Neuwert = v + m. Da der Mehrwert einer Ware - speziell bei der Entwicklung neuer Waren, die einen potentiell höheren Mehrwert „abwerfen“ können - maßgeblich von der menschlichen Arbeit bestimmt wird, entwickelte Marx sein Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Dieses besagt, dass im kapitalistischen Produktionsprozess durch die Profitorientierung die Arbeitsproduktivität durch den Einsatz von Maschinen erhöht wird (also weniger Menschen für die Produktion benötigt werden). Nun kann aber laut Arbeitswertlehre nur Lohn-Arbeit gemäß ihrer Arbeitszeit Wert einschließlich Mehrwert schaffen. Wenn Maschinen Lohnarbeiter verdrängen, wird aber insgesamt im Verhältnis zum Wert der eingesetzten Maschinen weniger Wert der Arbeitskraft angewandt und dadurch auch weniger Mehrwert geschaffen. Daraus schließt Marx, dass auf lange Sicht der gesamtwirtschaftliche Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital (die „Profitrate“) „tendenziell“ fallen müsse. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Unternehmen durch bessere Maschinen seinen Gewinn steigert, da dieser (Extra-)Profit zulasten der Konkurrenz geht und sich so an der grundsätzlichen Tendenz nichts ändert.

siehe auch: Arbeitswertlehre, Arbeitswerttheorie, Tauschwert, Wertgesetz

Theorie vom Übergang zur klassenlosen Gesellschaft

Durch den Prozess der zahlenmäßigen Verkleinerung der Klasse der Bourgeoisie, findet eine Konzentration von immer mehr Kapital in immer weniger „Händen“ statt, wobei gleichzeitig die Masse an Proletariern steigt. Der dadurch verstärkte Klassenkampf zwischen Bürgertum und Proletariat müsse laut Marx zum Sturz der Bourgeoisie durch die Arbeiterklasse führen. Falls den Menschen bewusst ist, dass die kapitalistische Produktionsweise nicht zwingend ist, werde damit der Weg frei für eine kommunistische, klassenlose Gesellschaft, in der die Produktionsmittel sich in Gemeinschaftsbesitz befänden:

Von dem Moment aber, wo die bürgerliche Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Distributionsverhältnisse als geschichtliche erkannt sind, hört der Wahn, sie als Naturgesetze der Produktion zu betrachten, auf, und eröffnet sich die Aussicht auf eine neue Gesellschaft, ökonomische Gesellschaftsform, wozu sie nur den Übergang bildet.- Karl Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 422.

Die Expropriateure - die „Enteigner“, die zuvor die Masse der Bevölkerung enteignet hatten, werden nun selbst expropriiert (enteignet). Nachdem einst die Klassengesellschaften den Urkommunismus als klassenlose Gesellschaft negiert haben, komme es jetzt zur Negation der Negation im Sinne der Dialektik, indem die letzte Klassengesellschaft, der Kapitalismus, durch die neue klassenlose Gesellschaft, den Kommunismus, negiert werde. Als Wirtschaftsordnung schlugen Marx und Engels die - schon von Platon erwähnte - Planwirtschaft vor. Genaue Wirtschaftsstrukturen deutete Marx jedoch nur an. In der Planwirtschaft werden jegliche Betriebe vergesellschaftet und deren Produktion koordiniert. Die Entscheidungen über Produktion und Verteilung der Güter sollte nach Marx im Konsens aller Gesellschaftsteilnehmer gemeinsam gefällt werden. So könnte die verrichtete Arbeit effizient zur Verbesserung der Lebensumstände aller, anstatt zur Kapitalbeschaffung genutzt werden.

Aufgrund der großen Unterschiede zum Kapitalismus sollte als Übergangslösung zunächst der schon auf Platon und griechische Sophisten zurückgehende Sozialismus geschaffen werden. In dieser Zwischenstufe sollte die Ausbeutung und das Privateigentum an Produktionsmitteln bereits weitestgehend aufgehoben sein. Dabei wird von einem Nebeneinander der kapitalistischen und kommunistischen Produktionsweisen ausgegangen, in deren Entwicklung die kapitalistische von der kommunistischen Produktionsweise langsam abgelöst wird. Diese Entwicklung soll letztendlich zum Kommunismus führen.

siehe auch: Zusammenbruchstheorie

Geschichte

Grundlagen/Entstehung

Um die Grundlagen des Marxismus besser zu verstehen, schlägt Lenin eine Einteilung der dafür wichtigsten theoretischen Auseinandersetzungen mit Denkern vor, die Marx und Engels führten [5]:

Die ersten Erscheinungsjahre der Schriften von Marx und Engels gelten als Entstehungszeit des Marxismus. Ab 1841 arbeitete Marx in der Rheinischen Zeitung, die er später leitete, und die schließlich 1843 wegen ihrer radikalen oppositionellen Haltung verboten wurde. Das Pamphlet Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer & Consorten“ wurde 1845 zusammen mit Engels veröffentlicht, 1847 verfasste Marx Das Elend der Philosophie als kritische Antwort auf Proudhons „Philosophie des Elends“.

1848 schrieb er mit Hilfe Engels das Kommunistische Manifest[6] (Februar 1848) für den Bund der Kommunisten, dem sie beide angehörten. Dieses bedeutende marxistische Werk enthält zunächst Beschreibungen der damaligen Lebensverhältnisse, besonders zwischen der arbeitenden und der herrschenden Klasse. Darauf aufbauend fordert es die Abschaffung des Kapitalismus und die Schaffung neuer kommunistischer Lebensverhältnisse durch unumgängliche Klassenkämpfe: der „Sturz der Bourgeoisherrschaft“ sollte erfolgen. Auch erschienen von 1872 bis 1892 Neuauflagen mit neuen Vorworten, in denen meist ergänzende Bemerkungen gemacht wurden.

In den Jahren 1848/49 waren Marx und Engels in der Neuen Rheinischen Zeitung journalistisch tätig.

1852 veröffentlichte Marx die Schrift Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in der er den Staatsstreich Louis Napoleons 1851 aus historischer, aber vor allem gesellschaftsanalytischer Sichtweise betrachtet. Er erklärt den Verlauf der Revolution durch seine Geschichtstheorie, und setzt sich ebenfalls mit seinen Theorien zum geführten Klassenkampfes und der proletarischen Revolution auseinander. Der achtzehnte Brumaire übte Einfluss auf die Totalitarismusforschung aus. Nach marxistisch-leninistischer Sichtweise wird darin dargelegt, dass eine siegreiche proletarische Revolution den bürgerlichen Staatsapparat zerbrechen müsse.[7]

1859 wurde das Buch Zur Kritik der politischen Ökonomie[8] veröffentlicht, das alle Hauptannahmen, die Marx in seinem Hauptwerk Das Kapital darlegt, beinhaltet. 1867 erschien der erste Teil der knapp 3000 Seiten starken Trilogie Das Kapital. Band 1: Der Produktionsprozeß des Kapitals[9] enthält die Definition einer „Ware“ und das Zustandekommen des Wertes dieser Ware ( Wert- und Geldtheorie) sowie umfangreiche Theorien zu Geld und Arbeit. Teil 2 und 3 tragen die Namen Band 2: Der Zirkulationsprozeß des Kapitals [10] sowie Band 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion[11]. Engels gab diese Bände nach dem Tod von Marx heraus und gab damit entscheidende Anstöße zur marxistischen Theoriebildung, auch mit eigenen populärwissenschaftlichen Zusammenfassungen.

1878 veröffentlichte Engels Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, oder kurz, den Anti-Dühring. Ursprünglich auf bitten Wilhelm Liebknechts verfasst um den Einfluss Dührings zu schmälern, entwickelte sich der polemisch verfasste Anti-Dühring neben der Kurzfassung Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft zu den meistgelesenen Werken der Ur-Marxisten Karl Marx und Friedrich Engels, und nicht etwa Das Kapital. Die Bedeutung des „Anti-Dühring“ liegt nicht in seiner Auseinandersetzung mit Dühring, sondern der Darlegung der „kommunistischen Weltanschauung“ (Vorwort zur 2. Auflage). Nicht nur die Grundzüge des Marxismus werden dargelegt, es werden auch Themen abgehandelt, die bisher unberührt blieben. Das Marxismusverständnis Lenins wurde durch den Anti-Dühring bedeutend geprägt, daher kann der Anti-Dühring als „Bibel“ des Marxismus-Leninismus verstanden werden. Innerhalb des „westlichen Marxismus“ ist das Werk Engels nicht unumstitten, besonders die „authentische Darstellung“ der Gedanken Marx durch Engels, bzw. dessen eigene Abgrenzung von den Gedanken Marx, wird diskutiert. Der Anti-Dühring nimmt eine bedeutende Rolle für die Entwicklung des Marxismus ein. Einerseits setzte mit ihm eine weite Verbreitung und Popularisierung marxistischer Gedanken ein, andereseits bildete sich damit ebenso die Simplifizierung und Dogamatisierung marxistischer Theorie.[12]

In Abgrenzung zu anderen Bestrebungen, wie dem utopischen Sozialismus oder Anarchismus, die die immer größer werdende Arbeiterklasse in ihre Überlegungen einbezogen, um deren Lebenssituation zu verbessern, prägte Friedrich Engels für seine und Marx Theorien den Begriff des Wissenschaftlichen Sozialismus.

Schon zu Lebzeiten von Marx bildete sich eine Gruppierung von Sozialisten, die sich „Marxisten“ nannte, aber bereits um die Jahrhundertwende inhaltlich schon stark divergierte.

Marxismus in der Sozialdemokratie

Im Zuge der politischen Liberalisierungen der bürgerlichen Märzrevolution 1848/1849 in Deutschland begannen sich erstmals Arbeiter in gewerkschaftsähnlichen Vereinen zu organisieren. Daraufhin bildeten sich erste verschiedene Arbeiterorganisationen, die Vorläufer der Gewerkschaften und schließlich sozialdemokratische und sozialistische Parteien, wie 1863 der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und 1869 die marxistisch orientierte Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) um Wilhelm Liebknecht und August Bebel als deutsche Sektion der ersten Internationale.

ADAV und SDAP vereinigten sich 1875 in Gotha unter dem Namen Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) auf Basis des Gothaer Programms, welches von Marx wegen seiner kompromisslerischen Anpassung gegenüber dem reformorientierten ADAV kritisiert wurde. Unterdrückung, juristische Verfolgung und zeitweilige Verbote sowie die Sozialistengesetze zwischen 1878 und 1890 unter Reichskanzler Otto von Bismarck konnten die Mitgliederzuwächse von marxistischen Organisationen in diesem Zeitraum kaum stoppen und so ging dann 1890 aus der SAP die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hervor, die sich mit dem von Karl Kautsky und Eduard Bernstein ausgearbeiteten Erfurter Programm wieder stärker am Marxismus orientierte. Sie war zum damaligen Zeitpunkt die größte, ideologisch von Marx geprägte Partei und vereinigte Anhänger verschiedener marxistischer Strömungen in sich. In ihren Anfängen wurde die Partei durch einen starken linken/marxistischen Flügel, teils um die Person Rosa Luxemburgs versammelt, beeinflusst. Es gab um die Jahrhundertwende eine sehr kontroverse Diskussion über die politische Zielsetzung innerhalb der SPD, die u.a. durch den Aufsatz Sozialreform oder Revolution von Rosa Luxemburg zugunsten der Marxisten und der „Revolution“ entschieden wurde. Jedoch verlief der praktische politische Kurs der Partei, auch nach dem Aufsatz Die Aufgaben der Sozialdemokratie (1899) von Eduard Bernstein, in Richtung Sozialdemokratie (Demokratischer Sozialismus, Reformismus/Revisionismus).

Während der Novemberrevolution 1918 widersetzte sich die SPD-Führung einer Initiative zur Umwandlung des Kaiserreiches in einen sozialistischen Staat, woraufhin sich die Arbeiterbewegung endgültig in Reformisten (Sozialdemokraten) und Kommunisten spaltete.

1959 legte die SPD endgültig mit dem Godesberger Programm ihre marxistische Weltanschauung als theoretische Grundlage ab.

Der Austromarxismus war eine Strömung im Rahmen des Marxismus, die vor allem in der Sozialdemokratie Österreichs des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts verbreitet war. Unter dem Oberbegriff „Austromarxismus“ sind durchaus unterschiedliche Ansichten zu fassen, insofern ist der Begriff tendenziell eher eine Herkunftsbeschreibung im Sinne einer österreichischen Schule des Marxismus als die klare Basis eines gemeinsamen inhaltlichen Nenners. Zum Austromarxismus können verschiedene Intellektuelle gerechnet werden, unter anderem Max Adler, Rudolf Hilferding, Otto Bauer, Karl Renner und Gustav Eckstein.

Ein gemeinsamer Nenner des Austromarxismus ist das Parteiprogramm der SDAP von 1926, das so genannte „Linzer Programm“. In diesem Programm, das hauptsächlich von Otto Bauer verfasst wurde, wurden die allgemeinen Grundprinzipien des Austromarxismus dargelegt. Der Austromarxisten versteht sich als Mittelweg zwischen sozialdemokratischem Reformismus und der damals vor allem von den Komintern-Parteien vertretenen revolutionären Orientierung.

siehe weiterführend: Sozialdemokratie, Sozialistische Partei, Arbeiterbewegung, Arbeiterbewegung in Deutschland

Marxismus in der Sowjetunion

Obwohl eines der mächtigsten Länder der Welt, war das zaristische Russland bis ins ausgehende 19. Jahrhundert noch überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Vielerorts herrschten noch vorkapitalistische Feudalstrukturen (Feudalismus). Eine verstärkte Industrialisierung setzte vor allem seit der Regierung von Zar Nikolaus II. (ab 1894) ein. Das darauf schnell anwachsende Proletariat litt unter miserablen sozialen Verhältnissen. Eine linke Opposition gegen den Zarismus war im 19. Jahrhundert in Russland stärker als in den meisten anderen europäischen Ländern von sozialrevolutionären und anarchistischen Strömungen geprägt, wohingegen die organisierte marxistische Sozialdemokratie zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst noch in ihren Anfängen steckte.

1898 wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) als Bund von drei marxistischen Organisationen gegründet, der jedoch schnell wieder verboten wurde. 1903 spaltete sich die Partei im Exil in die Bolschewiki („Mehrheit“), unter der Führung von Lenin, und Menschewiki („Minderheit“). Nachdem die Februarrevolution 1917 unter Führung der sozialdemokratischen Menschewiki nicht zum Austritt Russlands aus dem Ersten Weltkrieg führte, wurde Lenin mit Hilfe des Deutschen Reiches über Finnland nach St. Petersburg gebracht, um von dort eine weitere Revolution zu initiieren und einen Waffenstillstand auszuhandeln.

Die Oktoberrevolution 1917 war von Lenin und Leo Trotzki angeführt worden, Lenin blieb bis zu seinem Tod am 21. Januar 1924 die unbestrittene Führungsperson der Partei. Er schuf mit dem Leninismus eine totalitäre Interpretation des Marxismus, nach der die Partei „Instrument der Diktatur des Proletariats“ und ein straff „organisierter Trupp“ sein solle, die keinerlei Fraktionsbildung zulässt. Zur ideologischen Beschwichtigung der Einwände gegen die „diktatorische“ Staatsmacht führte Lenin im Buch „Staat und Revolution“ die „marxistische“ Theorie vom „Absterben des Staates“ an, welche nach dem Erreichen des Endzustandes des Kommunismus, wenn der Staat als Instrument der Klassenherrschaft überflüssig geworden sei, eintreten werde, wenngleich sich dieser Begriff nicht bei Karl Marx findet - was längere Zeit übersehen wurde. Josef Stalin, der schon seit Beginn der Revolution an Macht gewann, definierte den Leninismus 1924 als „Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution... die Theorie und Taktik der proletarischen Revolution im allgemeinen, die Theorie und Taktik der Diktatur des Proletariats im besonderen.“ („Über die Grundlagen des Leninismus“). Trotzki entwickelte hingegen als Reaktion auf den Stalinismus eigene Ideen, die zunächst abwertend Trotzkismus genannt wurden. Der Begriff wurde später von seinen Anhängern übernommen. Er stützte sich im Wesentlichen auf zwei Theorien: zum einen die Theorie der „permanenten Revolution“, derzufolge der Sozialismus als Übergangsgesellschaft zum Kommunismus nur auf internationaler Ebene funktionieren kann, weswegen die ganze Welt durch eine Revolution vom Kapitalismus befreit werden muss. Zum anderen die Analyse der Sowjetunion als „degenerierter Arbeiterstaat“, indem eine Bürokratie die Macht usurpiert hatte.

Die Revolution wirkte sich stark auf die internationale Arbeiterbewegung aus: ab 1918 wurden in ganz Europa kommunistische Parteien gegründet, die Mitgliedszahlen stiegen rapide und es entstand bald ein offener Konflikt mit dem Bürgertum. Vor allem in Deutschland (Weimarer Republik) und Italien kam es zu teils bürgerkriegsähnlichen Zuständen, bis Benito Mussolini 1922 in Italien und Adolf Hitler 1933 in Deutschland die Macht übernahmen und jegliche Arbeiterorganisation zerschlugen oder in den Widerstand drängten. Nach dem Tod von Lenin entbrannte innerhalb der KPdSU ein Machtkampf zwischen Stalin und Trotzki, der die Linke Opposition anführte. Stalin entschied diese Auseinandersetzung für sich und konzentrierte bald genug Macht in seiner Person, um Trotzki 1927 aus der KPdSU auszuschließen. Später wurde diesem noch die sowjetische Staatsbürgerschaft entzogen und er floh über Umwege nach Mexiko, wo er nach unzähligen anti-stalinistischen Veröffentlichungen 1940 von einem Agenten Stalins ermordet wurde. Von 1929 bis 1953 war Stalin quasi Alleinherrscher über das Sowjetreich, in dieser Zeit setzte er große Teile des Leninismus, den Stalinismus, mit paranoider Angst vor Verschwörungen von innen durch. Dieser basierte zum einen auf dem Sozialismus und der Verstärkung von Klassenkämpfen, wobei Stalin auch die kompromisslose Parteiführung von Lenin übernahm. Die Klassenkämpfe sollten die Entwicklung der Gesellschaft zum Kommunismus möglichst schnell herbeiführen und so das Proletariat befreien. Praktisch war dieser Grundsatz Legitimation für verstärkte Säuberungswellen und Konzentrationslager (Gulag-Lager). 1941 griff die Armee Adolf Hitlers trotz eines Nichtangriffspaktes die Sowjetunion an (Zweiter Weltkrieg) und besetzte westliche Teile des Landes, doch konnte Russland nach großen Anstrengungen zurückschlagen und schließlich im Mai 1945 Berlin besetzen. Er blieb danach noch acht Jahre Führer der UdSSR. Nach Stalin folgten mit Nikita Chruschtschow erste Ansätze der Entstalinisierung, wobei der Stalinismus als theoretisches Grundgerüst (und damit auch die Parteistruktur) bis zum Ende bestehen blieb. Der letzte mächtige Politbürochef Michail Gorbatschow leitete die endgültige Abkehr vom Personenkult um Stalin sowie tiefgreifende Reformen (Perestroika und Glasnost) ein, worauf dann der Verlust der Satellitenstaaten und damit der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1992 folgte.

siehe weiterführend: Marxismus-Leninismus, Kommunistische Partei, Geschichte der Sowjetunion, Realsozialismus, Legale Marxisten, Arbeiterbewegung

Marxismus in der „3.Welt“

In der 3. Welt griffen im Zuge der Entkolonialisierung zur Mitte des 20. Jahrhunderts antikoloniale Befreiungsbewegungen oftmals marxistische Ansätze auf, speziell in Südamerika bildete sich auch eine an marxistischen Ansätzen orientierende Befreiungstheologie.

1949 errang Mao Zedong mit der Kommunistischen Partei die Macht in China. Mao, dessen wichtigster Verbündeter bis 1965 die UDSSR war, herrschte auf Basis des Maoismus bis 1976. Der Maoismus war eine weitere totalitäre Weiterentwicklung des Leninismus und Stalinismus, in der der Fortschritt eine zentrale Rolle einnahm. Die Menschen sollten sich Mao und der Partei unterordnen und den Sozialismus nicht zur Erleichterung nutzen. Im Gegensatz zur „Assoziation der freien Produzenten“ nach Marx waren die Arbeiter unter Mao Zedong starken Zwängen unterworfen. Mao Zedong, der durch den „Großen Sprung nach vorn“, eine Kampagne, die die Wirtschaftskraft der Volksrepublik China stärken sollte und eine verheerende Hungersnot zur Folge hatte, politisches Vertrauen innerhalb der Partei verloren hatte, versuchte seine Vorstellungen eines maoistischen Staates durch die 1966 ins Leben gerufene Kulturrevolution in die Tat umzusetzen. Diese „Revolution“ bestimmte bis Mao Zedongs Tod das politische Geschehen in China und führte zu exzessiven Morden, Misshandlungen, Zerstörungen kultureller Güter und Restriktionen gegenüber dem Volk. Nach dem Tod Maos öffnete sich China wieder mehr und mehr westlichem Kapital und damit dem Kapitalismus.

Die Việt Minh unter Führung Hồ Chí Minhs kämpften in Vietnam während des Zweiten Weltkrieges gegen die japanische Besatzungsmacht und das französische Kolinialsystem Vietnams. Nach der Augustrevolution 1945 wurde am 2. September 1945 die Demokratische Republik Vietnam ausgerufen. Frankreich trat daraufhin in den Indochinakrieg ein, aus dem auf der Indochinakonferenz 1954 eine Teilung Vietnams in Nordvietnam unter Führung Hồ Chí Minhs, und Südvietnam hervorging. Der Zweite Indochinakrieg gegen die USA endete am 1. Mai 1975 mit einem Sieg der Kommunisten und einer Wiedervereinigung Vietnams, die „Sozialistische Republik Vietnam“ besteht bis heute.

Nachdem 1959 in Kuba die Revolution erfolgreich war, erklärte Fidel Castro erst 1961 seine Revolte zu einer „sozialistischen Revolution“. Als am 2. Dezember 1961 dann die Sozialistische Republik proklamiert wurde, wurde Kuba damit als ein marxistisch-leninistischer Staat definiert. Im Kalten Krieg beschränkten sich die Politik- und Wirtschaftsbeziehungen auf sozialistische Staaten wie die UDSSR oder China, wobei es während der Kubakrise fast zu einem offenen Konflikt zwischen den Weltmächten gekommen wäre. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte eine schwere Wirtschaftskrise und dann eine Öffnung gegenüber Konzernen und Touristen. Momentan wird Kuba noch immer von Castro regiert.

Kim Il-sung führte von 1948 bis 1994 eine Diktatur auf Basis des Realsozialismus mit Orientierung am Maoismus in Nordkorea an. Die offizielle Staatsideologie ist die sogenannte „Chuch'e-Idee“. Nordkorea wurde und wird wirtschaftlich von China unterstützt, so zum Beispiel während des Koreakrieges (1950-1953). Nach dem Tode Kim Il-sung's übernahm sein Sohn Kim Jong-il alle Macht und führt die Demokratische Volksrepublik Korea im Stil seines Vaters weiter.

„Westlicher Marxismus“ / Neomarxistische Strömungen

Neomarxismus ist nicht unbedingt neu, er wird vielmehr als Sammelbegriff für marxistische Denkrichtungen verstanden, die von einer orthodoxen Betrachtung der marxschen Theorie abweichen und sich von der marxistisch-leninistischen Denktradition, vor allem von dessen realen Umsetzungen, abgrenzen. Trotzdem sind die Theorien Lenins, Trotzkis oder Rosa Luxemburgs bedeutend für den neomarxistischen Diskurs.

Zu den bedeutendsten frühen Theoretikern des Neomarxismus zählen Karl Korsch, Georg Lukács, Ernst Bloch und Antonio Gramsci.

Karl Korsch überwand mit seinem Werk Marxismus und Philosophie als erster den „dogmatischen“ Diskurs über marxistische Theorie, indem er die marxistische Geschichtstheorie kritisch auf die Entwicklung des Marxismus selbst anwandte.[13]

Kernbegriffe marxistischer Theorie die Georg Lukács einer Analyse unterzog sind Entfremdung, Verdinglichung und Klassenbewusstsein. Lukács geht unter anderem davon aus, dass mit fortdauer der Kapitalisierung einer Gesellschaft immer mehr Subsysteme dieser kapitalistische Strukturen aufweisen (Bildungsstätten werden zu Bildungsbetrieben, die wie Unternehmen wirtschaften müssen; der Staat soll wie ein Unternehmen geführt werden, usw...). Sprich der Verdinglichungsprozess bestimmt alle gesellschaftlichen Verhältnisse. Sein bedeutendstes Werk ist Geschichte und Klassenbewußtsein. [14]

Ernst Bloch versuchte, den Marxismus für einen Wärmestrom empfindsam zu machen, da die Menschen nicht nur mit rationalen (kalten) Argumente zu erreichen seien, sondern aufgrund ungleichzeitiger Entwicklungen auf einer tieferen Ebene angesprochen werden müssten. Er verwies hier auf unabgegoltene Kämpfe in der Geschichte und auf den Vorschein einer herrschaftsfreien Welt, welcher in konkreten Utopien sichtbar werde. Mitte der 1950er Jahre, kurz nach Fertigstellung seines Hauptwerkes Das Prinzip Hoffnung verließ er die DDR, da Schüler von ihm inhaftiert wurden.

Antonio Gramsci, Mitbegründer der PCI, verfasste mit seinen Gefängnisheften eines der bedeutendsten Werke des Neomarxismus. Hauptbegriff seiner theoretischen Darlegungen ist die Hegemonie, verstanden als die „einheitliche Herausbildung eines kollektiven Bewußtseins“ und als „Verbreitung einer homogenen Denk- und Handlungsweise“ (Heft 1 §43[15]). Mit seinen Werken beeinflusste Gramsci nicht nur marxistische Denker, sondern die europäische Theoriebildung in den Sozial und Politikwissenschaften. Ebenso legte er theoretische Grundsteine für den Eurokommunismus[16].

Der Eurokommunismus ist eine der bedeutendsten neomarxistisch geprägten politischen Strömungen. Dieser setzte sich für Veränderungen innerhalb der pluralistischen Demokratien (des Westens, einschließlich Japan) ein. Die begrifflich getroffene Abgrenzung gegenüber den „Realsozialismus“, besonders in den 70er und 80er Jahren, wurde nach dem Zusammenbruch der UdSSR ungebräuchlich und ist heute selten anzutreffen. Bedeutende, im historischen Kontext zu bezeichnende, eurokommunistische Parteien kandidierten in Italien, Spanien und Frankreich.

Die erstmals in den 30er Jahren von Max Horkheimer begründete und bis 1959 bestehende Frankfurter Schule am Institut für Sozialforschung entwickelte mit ihrer Kritischen Theorie eine von der abendländischen Vernunftkritik beeinflusste, ideologiekritische Sozialphilosophie und Gesellschaftstheorie, die sich mit gesellschaftlichen und historischen Bedingungen der Theoriebildung (Ideologie) in Gesellschaften auseinandersetzt, speziell mit der des Spätkapitalismus. Mit dieser Kritik war zugleich der Anspruch verbunden, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Bedeutende Vertreter neben Horkheimer sind Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Erich Fromm und Herbert Marcuse. Die Frankfurter Schule übte Einfluss auf die Neue Linke, andere neomarxistische Strömungen und sozialwissenschaftliche Fachdebatten.

Louis Althusser gilt als einer der einflussreichsten europäischen marxistischen Philosophen der 1960er und 1970er Jahre. Althusser, der unter anderem von der Psychoanalyse Jacques Lacans, von der politischen Theorie Antonio Gramscis, von der Philosophie Spinozas sowie von der Epistemologie Gaston Bachelards beeinflusst war, unterzog das Werk von Karl Marx einer strukturalen Lesart.

Mit der Regulationstheorie, den Neogramscianismus oder den Cultural Studies finden sich weitere wissenschaftlich anerkannte neomarxistische Theorien in der sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsgemeinde.

siehe auch: Operaismus, Wertkritik, Weltsystem-Theorie, Critical legal studies

Geschichte marxistischer Organisationen

siehe: Geschichte marxistischer Organisationen in Europa

Die Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels sind bis heute theoretisches Gerüst für verschiedene Organisationen und Parteien in allen Teilen der Welt.

In vielen Staaten Europas formierten sich erst kleinere Organisationen und daraus später, Parteien, deren Geschichte parallelen aufweist. Mit Aufkommen des Nationalsozialismus wurden viele Organisationen aufgelöst und in den Widerstand gedrängt, nach 1945 befanden sich marxistische Organisationen vor allem in einer Auseinandersetzung mit der pluralistischen Demokratie des Westens und der Sozialdemokratie auf der einen Seite, und dem „Realsozialismus“ und der KPdSU auf der anderen. Der Zerfall der Sowjetunion führte oftmals zu einer inhaltlichen Neuausrichtung marxistischer Organisationen und Parteien.

Marxistische Theoretiker und Politiker

siehe: Liste marxistischer Theoretiker und Politiker

Unter Marxismus firmieren inzwischen sehr verschiedene Strömungen, die teilweise nur noch entfernt mit dem Fundament der Werke von Marx und Engels verbunden sind. Diese wurden wiederum durch verschiedene marxistische Theoretiker vertreten und weiterentwickelt, die sich von unterschiedlichen Denkansätzen her seinem vielschichtigen Werk genähert und eine eigene Strömung des Marxismus begründet oder vorhandene Strömungen nachhaltig beeinflusst haben.

Kontroversen um den Marxismus

Hauptartikel: Kritik am Marxismus

Seit der Veröffentlichung der ersten marxistischen Schriften formierte sich Kritik an fast jedem Teilbereich der Theorie. Das liegt vor allem an der Unvollständigkeit seines letzten Werkes und daran, dass er seine Theorien auf begründete Kritik hin auch korrigierte. Z.B. gibt es widersprüchliche Aussagen über die gesellschaftlichen Voraussetzung für eine sozialistische Revolution, wie Marx in seinem Brief an Wera Sassulitsch schreibt. Auch sind manche Formulierungen nicht eindeutig und/oder wurden falsch interpretiert. So schloss Marx aus den Erfahrungen der Pariser Kommune, dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann[17]. Nach Lenins Interpretation bestand deshalb „Der Marxsche Gedanke (...) gerade darin, daß die Arbeiterklasse ‚die fertige Staatsmaschine‘ ZERSCHLAGEN, ZERBRECHEN muß und sich nicht einfach auf ihre Besitzergreifung beschränken darf. (...) In diesen Worten: ‚die bürokratisch-militärische Maschinerie zu zerbrechen‘, ist, kurz ausgedrückt,“ nach Lenins Interpretation, „die Hauptlehre des Marxismus von den Aufgaben des Proletariats in der Revolution gegenüber dem Staat enthalten.[18]. Marx machte keine konkreten Angaben zur politischen Ordnung eines kommunistischen Staates. Innermarxistische Kritik kommt von seiten marxistischer Strömungen (vor allem der Neomarxisten; siehe Strömungen), die jeweils oft nur Einzelbereiche ablehnen. Vollständige, grundlegende Ablehnung hegen viele Anhänger von grundlegend verschiedenen Organisation, oder Philosophien.

Siehe auch

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Wiktionary: Marxismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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Wikisource: Friedrich Engels – Quellen und Volltexte

„Klassische“ Marxistische Texte

Gegenwärtige Texte mit Bezugnahme auf marxistische Theorie

Strömungen & Organisationen

Literatur

Primärliteratur

  • Karl Marx, Friedrich Engels: Werke (MEW = Marx-Engels-Werke; bekannt auch als Blaue Bände). 43 Bände, Dietz Verlag, Ost-Berlin (ab 1989: Berlin) 1956-1990
  • Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. (1844)
  • Karl Marx und Friedrich Engels: Das Kommunistische Manifest.(Originalausgabe 1848). Eine moderne Edition. Mit einer Einleitung von Eric Hobsbawm, Argument Verlag 1999, ISBN 3-88619-322-5
  • Karl Marx: Lohnarbeit und Kapital. Artikel in der Neuen Rheinischen Zeitung, April (1849)
  • Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. (1857/58)
  • Karl Marx: Das Kapital. Band I-III (1. Auflage 1867) Paderborn: Voltmedia, ISBN 3937229345
  • Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. ,1882

Sekundärliteratur

Quellenangaben

  1. Marx, Thesen über Feuerbach. MEW, Band 3, Seite 533 ff. 1845 (1888 Überarbeitung Engels).
  2. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort. MEW 13, S. 9, 1859.
  3. a b c Marx; Engels, Manifest der Kommunistischen Partei. I. Bourgeois und Proletarier. 1848.
  4. Marx, Das Kapital, Band 1. S.50. MEW, Band 23. 1867.
  5. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Lenin.
  6. Marx; Engels, Manifest der Kommunistischen Partei. 1848.
  7. Stammen, Theo; Riescher, Gisela; Hofmann, Wilhelm: Hauptwerke der politischen Theorie. 1997, S. 320-323
  8. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie. 1859.
  9. Marx, Das Kapital, Band 1: Der Produktionsprozeß des Kapitals. 1867.
  10. Marx; Engels, Das Kapital, Band 2: Der Zirkulationsprozeß des Kapitals. 1867.
  11. Marx; Engels, Das Kapital, Band 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion. 1867.
  12. Stammen, Theo; Riescher, Gisela; Hofmann, Wilhelm: Hauptwerke der politischen Theorie. 1997, S. 137-140
  13. Stammen, Theo; Riescher, Gisela; Hofmann, Wilhelm: Hauptwerke der politischen Theorie. 1997, S.263-265
  14. Stammen, Theo; Riescher, Gisela; Hofmann, Wilhelm: Hauptwerke der politischen Theorie. 1997, S. 291-294
  15. Zitat nach: Stammen, Theo; Riescher, Gisela; Hofmann, Wilhelm: Hauptwerke der politischen Theorie. 1997, S. 162
  16. Zitat nach: Stammen, Theo; Riescher, Gisela; Hofmann, Wilhelm: Hauptwerke der politischen Theorie. 1997, S. 161-163
  17. Marx; Engels, Vorwort zum „Manifest der Kommunistischen Partei“ (deutsche Ausgabe 1872)
  18. Lenin, Staat und Revolution. Lenin Werke, Band 25, Seite 393 - 507