Besitz
Begriff Besitz bezeichnet im Bürgerlichen Gesetzbuch die "tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache" unahbängig von der rechtlichen Beziehung zu dieser Sache. Besitz wird häufig – im juristischen Sinn fälschlicherweise – gleichbedeutend mit Eigentum verwendet (z.B. Hausbesitzer). Umgangssprachlich, vermutlich historisch begründet, bezeichnet man Besitz auch als die Dinge, über die man unmittelbare Verfügungsgewalt hat.
Besitz im deutschen Recht
Definition
Im Bürgerlichen Gesetzbuch bezeichnet der Begriff Besitz die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache unabhängig von der rechtlichen Beziehung zu dieser Sache. Maßgebend für die Frage, ob jemand eine Sache in Besitz hat, ist also nicht, ob diese Sache seinem Eigentum zuzurechnen ist, sondern ob er - unabhängig von der rechtlichen Zuordnung - die Sache tatsächlich inne hat. In diesem Sinne haben auch der Mieter Besitz an der Wohnung und sogar der Dieb Besitz an dem gestohlenen Gegenstand.
Besitzschutz
Eine Besitzentziehung oder Besitzstörung gegen den Willen des Besitzers (Verbotene Eigenmacht) ist stets rechtswidrig. Das gilt auch dann, wenn beispielsweise dem Eigentümer ein Recht auf den Besitz zusteht. So darf der Eigentümer nach Ablauf der Mietzeit dem Mieter nicht einfach die Sache wegnehmen, sondern muss gegebenenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Der verbotenen Eigenmacht darf sich der unmittelbare Besitzer mit Gewalt erwehren (Besitzwehr). Einen bereits gebrochenen unmittelbaren Besitz darf er zeitlich unmittelbar anschließend wieder mit Gewalt herstellen (Besitzkehr). Der Ladeninhaber darf deshalb den Dieb gewaltsam an der Wegnahme hindern und ihm die erbeutete Sache auch sofort wieder mit Gewalt abnehmen.
Arten des Besitzes
Unmittelbarer und mittelbarer Besitz
Unmittelbarer Besitz liegt vor, wenn nach der Auffassung des täglichen Lebens auf Grund der räumlichen Beziehung und deren Dauer eine unmittelbare Sachherrschaft gegeben ist. Mittelbarer Besitz abstrahiert juristisch bereits wieder von der vorstehenden Definition über die Sachherrschaft und sieht auch den als Besitzer an, der die Sachherrschaft nicht selbst wahrnimmt, sondern durch einen anderen ausüben lässt. Das meist verbreitete Besitzmittlungsverhältnis ist die Miete. Der Eigentümer (Vermieter) lässt die unmittelbare Sachherrschaft durch den Mieter ausüben. Dann ist der Vermieter mittelbarer und der Mieter unmittelbarer Besitzer.
Exkurs: Besitzdiener
Befindet sich derjenige, der die unmittelbare Sachherrschaft tatsächlich ausübt, in Abhängigkeit vom Eigentümer, so spricht ihm das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) den Besitz ab (§ 855 BGB). Der Knecht des Bauern hat an dem Pflug, den er führt, der Angestellte des Unternehmers hat an dem Computer, den er bedient, keinen Besitz, sondern ist nur Besitzdiener. Er genießt deshalb keinen Besitzschutz und darf sich der Wegnahme des Pfluges oder des Computers durch den Bauern oder Chef nicht mit Gewalt erwehren. Allerdings darf er die Besitzrechte (aus § 859 BGB - Besitzwehr und Besitzkehr) für den Chef oder den Bauern ausüben. Sobald der Besitzdiener Eigenbesitzwillen begründet, wird er jedoch unmittelbarer Besitzer.
Allein- und Mitbesitz; Teilbesitz
Übt nur eine Person die Sachherrschaft aus, hat sie Alleinbesitz. Tun dies mehrere Personen zusammen, so steht die Sache in ihrem Mitbesitz. Unter den Mitbesitzern findet Besitzschutz nur statt, wenn der eine den anderen ganz von der Sachherrschaft ausschließt, nicht aber, wenn nur die Grenzen des Gebrauchs der gemeinsam besessenen Sache streitig sind. Sperrt also einer von zwei Mitmietern den anderen aus, darf dieser Besitzschutz üben. Macht er ihm nur den Fernsehsessel während der Sportschau streitig, sind Besitzwehr und Besitzkehr ausgeschlossen. Beim Mitbesitz wird weiterhin unterschieden zwischen dem "schlichten" Mitbesitz (mehrere Bewohner eines Mehrfamilienhauses haben einen Schlüssel zum Fahrradkeller; jeder einzelne kann unabhängig vom anderen Bewohner den Fahrradkeller nutzen) und dem "gesamthänderischen" Mitbesitz (zwei Personen haben je einen Schlüssel eines Tresors, bei dem beide Schlüssel zum Öffnen des Tresors benötigt werden). Darüber hinaus gibt es noch den sog. Teilbesitz, insb. bei Wohneigentum (abgeschlossene Mietwohnung in einem Haus).
Eigen- und Fremdbesitz
Durch das Begriffspaar Eigen- und Fremdbesitz wird der Besitz nach der Willensrichtung des Besitzers differenziert. Eigenbesitz hat, wer die Sache als ihm gehörig besitzt (§ 872 BGB). Fremdbesitzer ist, wer nur aufgrund eines beschränkten Rechts besitzt. Der Eigenbesitz ist Voraussetzung für den Eigentumserwerb durch Ersitzung.
Abgrenzung zum Gewahrsam
Der überwiegend zivilrechtlich und öffentlich-rechtlich verwendete Begriff des Besitzes korrespondiert mit dem überwiegend strafrechtlich verwendeten Begriff des Gewahrsams. Besitz und Gewahrsam unterscheiden sich im Wesentlichen im Bereich von mittelbarem Besitz und Besitzdienerschaft. Der mittelbare Besitzer hat zwar Besitz, nicht aber Gewahrsam an einer Sache. Der Besitzdiener hat keinen Besitz an der Sache, wohl aber Gewahrsam.
Österreichisches Recht
Das österreichische ABGB ist als naturrechtliche Kodifikation des beginnenden 19. Jahrhunderts dem Römischen Recht näher als das deutsche BGB. Dies zeigt sich insbesondere beim Besitz, wo das ABGB zwischen Innehabung und (tatsächlichem) Besitz in römischrechtlicher Manier unterscheidet:
Innehabung und Besitz
- Innehabung: Inhaber ist derjenige, der eine Sache nur in seiner Verfügungsgewalt hat.
- Besitz: Besitzer ist der, der animus (Wille, die Sache als die seinige zu behalten) und corpus (Innehabung) hat.
Beispiele: Der Entlehner ist Inhaber, da er den Besitzwillen eines anderen anerkennt. Der Dieb ist - unredlicher - Besitzer, da er Innehabung und Eigenbesitzwille hat.
Arten des Besitzes
Im Einzelnen kann man unterscheiden:
- Sachbesitz - Rechtsbesitz
- Sachbesitz: Besitz einer körperlichen Sache
- Rechtsbesitz: Besitz von Rechten, also unkörperlichen Sachen, wobei sich diese Rechte auf körperliche Sachen (zB Mietgegenstand) beziehen und auf dauernde Ausübung gerichtet sein mussen.
- Rechtmäßigkeit - Redlichkeit - Echtheit
- rechtmäßiger Besitz: Besitz aufgrund eines gültigen Titels (zum Beispiel Kauf)
- redlicher Besitz: Der Besitzer hält die Sache "aus wahrscheinlichen Gründen für die seinige".
- echter Besitz: Besitz nec vi (nicht gewaltsam entzogen), nec clam (nicht heimlich entzogen), nec precario (nicht aufgrund einer Bittleihe)
Besitzschutz
Der Besitz ist geschützt durch:
- Besitzstörungsklage
- Actio Publiciana
- Selbsthilfe: Käme gerichtliche Hilfe zu spät, darf der Besitzer seinen Besitz durch angemessene Gewalt schützen (§ 344 ABGB).
- Notwehr