Kleine RNA
Die Kleine RNA, auch small RNA ist eine wesentlich kleinere Formen der Ribonukleinsäure (RNA) mit einer Länge von 21–28 Nukleotiden. Sie kommen in eukaryotischen Zellen neben der RNA mit den Funktionen als mRNA, tRNA, rRNA und snRNA vor.
Dabei handelt es sich um eine heterogene Gruppe von RNAs unterschiedlicher Herkunft und Funktion. Aufgrund ihrer Entdeckungsgeschichte tragen die RNAs auch bei gleicher Herkunft und Funktion je nach Organismus zum Teil unterschiedliche Bezeichnungen.
Small RNAs werden aus doppelsträngigen Vorläufern durch RNasen (RNase III wie z.B. Dicer und Drosha/DGCR8) herausgeschnitten und erfüllen wichtige Funktionen bei der Regulation von zellulären Prozessen wie z.B. Wachstumsregulation, Differenzierung und Apoptose (programmierter Zelltod) oder der Abwehr von Viren.
Bekannte Vertreter sind:
- miRNAs (micro RNAs),
- siRNAs (small interfering RNAs) und
- tnRNAs (tiny noncoding RNAs)
miRNAs
microRNA (von micros = griech. klein) sind laut aktueller Definition (V. Ambros et al. RNA 9, 277-279 (2003)) einzelsträngige RNAs mit ca. 22 Nukleotiden Länge, die von Dicer aus einem Hairpin einer endogenen RNA prozessiert werden. miRNAs beeinflussen die Translation und den Abbau ihrer Ziel-mRNAs, die aufgrund ihrer teilweisen Komplementarität erkannt werden. miRNAs liegen in der Zelle als RNP assoziiert mit Proteinen vor. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Microprocessor Complex. Die miRNAs erfüllen hier (ähnlich wie z.B. bei den snoRNAs) eine Funktion als guide RNA, d.h. sie „zeigen“ den Proteinen die richtigen Ziel-RNAs. Diese werden dann in ihrer Translation gehemmt oder ähnlich wie bei den siRNAs gespalten und abgebaut. miRNAs spielen bei der Steuerung einer Vielzahl von zellulären Prozessen eine entscheidende Rolle: bei Pflanzen regulieren sie Wachstum und Blütenbildung, in Drosophila melanogaster den programmierten Zelltod, in menschlichen Zellen die Differenzierung von potentiell unsterblichen Stammzellen zu spezialisierten Geweben und vieles mehr. Auch bei einigen Krebserkrankungen scheinen miRNAs involviert zu sein.
Die Biogenese der miRNAs besteht im Vergleich zu den unten beschriebenen siRNAs aus zwei Prozessierungsschritten. Nach der Transkription des "host"-Gens durch die RNA-Polymerase bildet sich eine "hairpin loop"-Struktur (Haarnadelschleife), die pri-miRNA. Diese wird noch im Zellkern durch den Enzymkomplex Drosha/Pasha erkannt und prozessiert. Drosha ist wie das Protein Dicer eine Typ III RNAse, die den RNA Doppelstrang an festgelegten Positionen spaltet, was zur Freisetzung des jetzt als pre-miRNA bezeichneten hairpins führt. Dieser wird anschließend über einen Exportin 5 und RanGTP vermittelten Transport in das Cytoplasma exportiert, wo er nun als Dicer-Substrat ähnlich den siRNAs zur reifen miRNA gespalten wird. Zu beachten ist hier, dass genau wie bei den siRNAs bevorzugt ein Strang (die spätere in der Zelle nachweisbare miRNA) in den späteren aktiven Proteinkomplex eingebaut wird. Bei diesem Vorgang spielt das Protein R2D2 eine große Rolle.
Weblinks:
siRNAs

Small interfering RNAs (siRNAs) sind 21-28 Nukleotide lange RNAs, die von der RNase III Dicer aus langen doppelsträngigen RNAs herausgeschnitten werden. Auch kleine einzelsträngige RNAs, die in der RNA Interferenz (RNAi) benutzt werden, können, auch wenn sie synthetisch hergestellt wurden, als siRNAs bezeichnet werden.
siRNAs entstehen – wie bereits erwähnt – durch das Schneiden einer längeren dsRNA (doppelsträngigen RNA) im Cytoplasma einer Zelle durch das Enzym Dicer in viele kleinere Fragmente von ca. 22 Nukleotiden Länge. Diese kleinen RNAs werden anschließend in einen Proteinkomplex RISC (RNA-induced silencing complex) eingebaut. Mithilfe der inkorporierten RNA-Fragmente bindet RISC komplementär an DNA, z.B. Genbereiche, oder mRNA und kann diese damit "abschalten". Dies dient einerseits dem Abbau von Fremd-RNA, z.B. der von Viren, aber auch der zellinternen Regulation (tasiRNAs: trans-acting siRNAs, rasiRNAs: repeat-associated siRNAs). siRNAs werden aktuell intensivst auf ihre Beteiligung an verschiedenen Zellvorgängen (Apoptose, Genregulation, Prionen, etc.) und Krankheiten wie Krebs erforscht.
Die molekularbiologische Forschung setzt synthetisch hergestellte siRNAs ein, um durch RNA Interferenz (RNAi) die Expression von spezifischen Zielgenen zu verringern. Die siRNA werden in isolierte Zellen eingebracht (transfiziert) und die mRNA des Zielgens wird abgebaut. Die resultierende Verringerung der Genprodukte (Gene-Knockdown) ermöglicht es, Hinweise auf die physiologische Bedeutung des betreffenden Genes zu erhalten. 2001 wurde diese Technik im Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen in der Arbeitsgruppe um Tom Tuschl erstmals an Säugerzellen erfolgreich durchgeführt.
piRNAs
Bei den piwi-interacting RNAs (kurz piRNAs) handelt es sich um eine erst vor wenigen Monaten entdeckte Gruppe an RNAs, die etwas länger als miRNAs und siRNAs sind (26-31nt). Diese RNAs binden - wie durch den Namen impliziert - an PIWI-Proteine und sind ausschließlich in Geschlechtszellen (germline) zu finden, wo sie essentiell für die Spermatogenese sind. Ihre genaue Funktion und Biogenese ist zur Zeit jedoch völlig unklar. Identifiziert wurden diese RNAs in den Labors von Greg Hannon, Toshiaki Watanabe, Haifan Lin, Dimos Gaidatzis, Mihaela Zavolan und Tom Tuschl.
Literatur
piRNAs
- N.C. Lau et al., "Characterization of the piRNA Complex from Rat Testes," Science 313, 363 (2006)
- V.N. Kim, "Small RNAs Just Got Bigger: Piwi-Interacting RNAs (piRNAs) in Mammalian Testes," Genes Dev. 20, 1993 (2006)
- A. Girard et al., "A Germline-Specific Class of Small RNAs Binds Mammalian Piwi Proteins," Nature 442, 199 (2006)
- A. Aravin et al., "A Novel Class of Small RNAs Bind to MILI Protein in Mouse Testes," Nature 442, 203 (2006)
- S.T. Grivna et al., "A Novel Class of Small RNAs in Mouse Spermatogenic Cells," Genes Dev. 20, 1709 (2006)