Estradiol
Estradiol ist eines der wichtigsten natürlichen Estrogene (auch Östrogene, Follikelhormone). Andere sind Estron und Estriol. Im Organismus ist Cholesterol der Ausgangsstoff für die Estradiol-Synthese. Über Pregnenolon, Progesteron, 17-alpha-Hydroxyprogesteron, 4-Androsten-3,17-dion, Testosteron und 19-Hydroxytestosteron entsteht schlussendlich das Estradiol. Durch Oxidation der OH-Gruppe in 17 Position kann es in Estron überführt werden. Steroidhormone wirken primär auf die Genexpression und nicht auf die Enzymaktivitäten oder Transportprozesse. Im Gegensatz zu vielen anderen Hormonen (z.Bsp. Adrenalin) müssen Steroidhormone in die Zielzelle eindringen. Im Cytosol der Zelle bindet das Hormon an seinen Hormonrezeptor (in diesem Falle an einen Östrogenrezeptor). Der Komplex aus Hormon und Rezeptor wird in den Zellkern transportiert. Dort wirkt er als Transkriptionsfaktor und veranlasst die Bildung von m-RNA bestimmter Gene (Transkription). Dies ist der erste Schritt zur Synthese von Proteinen. Seine volle Wirkung erreicht dieses Hormon erst nach Stunden, nicht innerhalb von Minuten, weil sein biologischer Effekt von der Synthese dieser neuer Proteine abhängt.
Wirkung von Östrogenen
Östrogene fördern das Wachstum von Vagina (Scheide), Uterus (Gebärmutter), Ovar (Eierstock) und Tuben sowie die Ausbildung sekundärer weiblicher Geschlechtsorgane.
Im Rahmen des Menstruationszykluses haben Östrogene starken Einfluss auf den Uterus. Sie regen das Endometrium zum Wachstum an, die Muskelfasern nehmen an Anzahl und Größe zu und die Durchblutung wird angeregt. Des Weiteren wird der Cervixschleim spinnbar. Auch auf das Epithel der Vagina konnte der zyklische Einfluss von Östrogenen nachgewiesen werden.
Während einer Schwangerschaft steigt der Blutspiegel von Östrogenen auf das 10- bis 100-Fache an, da ab dem achten Tag nach der Befruchtung in der Plazenta (Mutterkuchen) Choriongonadotropin (HCG) produziert wird, welches die Umwandlung des Corpus luteum (Gelbkörper) in das Corpus luteum gravitatis bewirkt. Corpus luteum gravitatis und Plazenta sorgen während der Schwangerschaft für hohe Spiegel an Östrogen und Gestagenen. Dadurch wird eine Menstruation unterbunden sowie das Wachstum von Uterus und Frucht begünstigt.
Beim Mann kann ein erhöhter Östrogenspiegel zur Vergrößerung der Prostata führen.
Derivate von Estradiol
Estron gehört zu den natürlichen Estrogenen (auch Follikelhormone). Es wird im Organismus aus 17β-Estradiol synthetisiert.Bei Frauen in den sogenannten fruchtbaren Jahren stammt das Östron im Blut nur zu 45% aus dem Eierstock und zu 5% aus der Nebenniere, aber 50% kommen aus anderen Quellen (extraglandulär), vor allem dem Unterhautfettgewebe. Dort wird es chemisch aus einem männlichen Hormon (dem Androstendion) umgewandelt. Daraus erklärt sich, warum Östron keine so ausgeprägte Wirkung auf den Zyklus hat wie Östradiol – außer beim PCO-Syndrom und bei Übergewicht. Bei Patientinnen mit PCO und/oder Übergewichtigkeit finden sich nämlich höhere und "starrere" Östron-Konzentrationen im Blut. Durch die hieraus resultierende negative Rückwirkung auf die Hirnanhangdrüse wird die zentrale Ausschüttung von LH und FSH gestört, was sozusagen das ganze System durcheinanderbringt. Bei Frauen nach den Wechseljahren entsteht das Östron zu 95% fast ausschließlich aus dem Hormon DHEA und Androstendion des Eierstocks und der NEBENNIERENRINDE. Dies wird dann in den Fettzellen chemisch umgewandelt. Die direkte Östron- und Östradiolproduktion im Eierstock ist in diesem Alter hingegen sehr gering. Frauen in den frühen Wechseljahren können trotz niedriger Östradiol-Spiegel im Blut relativ höhere Östron-Konzentrationen haben. Das kann zum Beispiel den Bedarf einer Hormonersatztherapie (HRT) verringern. Es kann aber auch ein wichtiger Befund im Zusammenhang mit Blutungsstörungen oder Brustschmerzen sein. Eine Besonderheit ergibt sich im Zusammenhang mit Östrogentabletten (orale Therapie): Bei der Darm- und Leberpassage werden die künstlichen „Tablettenöstrogene“ von der Leber in starkem Maße in Östron umgewandelt. Dies führt zu unnatürlich hohen Östronwerten im Blut. Da Östron und Östradiol im Körper ständig ineinander umgewandelt werden, können dann sowohl Zeichen einer Östradiol-Überdosierung (z.B. Brustspannen oder Wassereinlagerungen) als auch einer Östradiol-Unterdosierung auftreten (z.B. erneute Wechseljahresbeschwerden: so genanntes Escape-Phänomen). Finden sich bei einer Frau, die Östrogen-Tabletten einnimmt, sehr hohe Östron-Werte, sollte die Therapie umgestellt werden auf natürliche Östrogene, welche über die Haut verabreicht werden (Gele oder Pflaster). Bei Männern sind die Blutkonzentrationen von Östron höher als von Östradiol, weil Männer gegenüber Frauen doppelt so hohe DHEAS-Spiegel im Blut haben, die als Vorstufe des Androstendions und damit auch des Östrons fungieren. Besonders hohe Östronwerte sind bei Menschen mit einer Überaktivität eines bestimmten Enzyms (Aromatase) zu erwarten. Dazu tragen vor allem hoher Alkoholkonsum, Übergewicht und eine Leberverfettung bei. Die Auswirkungen bei Männern können dann Potenzstörungen, Brustvergrößerung und eine Zunahme von Bauchfett (viszerale Übergewichtigkeit) sein.
Molmasse: 296,41 g·mol-1
Summenformel: C20H24O2
17α-Ethinylestradiol ist eine estrogene Komponente in Kombinationspräparaten der Antibabypille. Es wird zusammen mit gestagenen Komponenten (Norethisteronacetat) appliziert, um die Wirkung zu erhöhen. 17α-Ethinylestradiol ist ein synthetisch hergestelltes Estrogen, das eine höhere Aktivität als 17β-Estradiol besitzt. Es kann aus 17β-Estradiol durch Einführen einer Ethingruppe in 17β Position hergestellt werden. Ein weiterer wichtiger Unterschied besteht darin, dass Ethinylestradiol im Gegensatz zu 17ß-Estradiol oral verfügbar und somit geeignet für die orale Anwendung in der Antibabypille ist.