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Ermächtigungsgesetz

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Mit einem Ermächtigungsgesetz übertrug der Reichstag in der Weimarer Republik die Befugnis zur Gesetzgebung auf die Reichsregierung. Für den Beschluss war eine 2/3 Mehrheit nötig, die ersten drei Ermächtigungsgesetze gab es in den Krisenjahren bis 1924. In der Hälfte der gesamten Amtszeit von Reichspräsident Friedrich Ebert wurde mit Ermächtigungsgesetzen regiert.

Das Ermächtigungsgesetz Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 23. März 1933 sollte ein Instrument sein, um die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus zu verfestigen. Mit der juristisch korrekten Einführung dieses Gesetzes, hätte die Regierung unter Reichskanzler Adolf Hitler die Ermächtigung erlangt, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung des Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen. Das Gesetz bzw. dessen Wirksamkeit wäre danach zunächst auf vier Jahre begrenzt gewesen.

Wenn ohne nähere Kennzeichnung vom Ermächtigungsgesetz gesprochen wird, ist normalerweise das Gesetz von 1933 gemeint, nicht die Gesetze aus der Weimarer Krisenzeit.

Gesetzestext Teil1
Gesetzestext Teil2

Abstimmung

Die 647 Sitze des Parlamentes der Weimarer Republik setzten sich nach der Wahl am 5. März 1933 wie folgt zusammen:

Partei Sitze
NSDAP 288
SPD 120
KPD 81
Zentrum 92
DNVP 52
Sonstige 14
gesamt 647
Partei Ja-Stimmen
NSDAP 288
Sonstige 12
Zentrum 92
DNVP 52
gesamt 444

Um das o.a. Ermächtigungsgesetz zu verabschieden, das Teile der Verfassung radikal ändern sollte, mussten zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen (431 Stimmen). Göring und Hitler schafften es, die bürgerlichen Parteien auf ihre Seite zu ziehen – zum einen durch Verhandlungen vom 20. März, zum anderen durch eine wirksame Drohkulisse, die die SA im Ausweichsquartier des ausgebrannten Reichstagsgebäudes in der (Krolloper) durch ihre Präsenz aufbaute. Die Verhaftung oder Ermordung der KPD-Abgeordneten erhöhte den Druck auf die bürgerlichen Parlamentarier.

Nach der widerrechtlichen Ausschaltung der KPD stimmte allein die SPD (94 Stimmen) im Reichstag gegen das Gesetz. Otto Wels hielt dabei die bedeutende letzte freiheitliche Rede im Reichstag. 109 Abgeordnete verschiedener Fraktionen nahmen nicht an der Abstimmung teil:

  • 26 Abgeordnete der SPD waren inhaftiert oder geflohen
  • 81 Abgeordnete der KPD (die gesamte Fraktion) wurden vor der Abstimmung widerrechtlich verhaftet oder ermordet
  • 2 weitere Abgeordnete fehlten aus unbekannten Gründen

Alle anderen Abgeordneten stimmten für das Gesetz; teils aus Überzeugung, teils aus Sorge für ihre persönliche Sicherheit und die Sicherheit Ihrer Familien, teils weil sie sich dem Fraktionszwang beugten. Prominentestes Beispiel für die letzte Gruppe war der spätere Bundespräsident Theodor Heuss. Einen de jure Status im Deutschen Reich der Republik seit 1919 erhielt dieses Gesetz natürlich nicht, da die Reichstagsabgeordneten der KPD verfassungswidrig an der Teilnahme an jener Abstimmung im Reichstag gehindert wurden. Auch die auf Betreiben der Nazis zu dieser Abstimmung geänderte Geschäftsordnung des Reichtages, wonach unentschuldigt fehlende Abgeordnete als anwesend geführt wurden sollten, konnte der Abstimmung zum o.a. Ermächtigungsgesetz keinen de jure Status bringen, da die Rechte der Reichstagsabgeordneten nicht in der Geschäftsordnung des Reichstags, sondern in der Weimarer Verfassung unter Artikel 20 festgelegt sind.

Inhalt

Das Ermächtigungsgesetz hatte folgenden Inhalt:

  • Neue Gesetze sollten nicht mehr verfassungskonform sein müssen, insbesondere die Grundrechte nicht wahren müssen.
  • Gesetze sollten neben dem verfassungsmäßigen Verfahren auch allein von der Reichsregierung erlassen werden können (damit bekäme die Exekutive auch legislative Gewalt).
  • die Gültigkeit des Gesetzes sollte 4 Jahre betragen
  • Es wurde am 30. Januar 1937 im nationalsozialistischen Unrechtsstaat um weitere vier Jahre bis zum 1. April 1941 "verlängert".

Ziele

Die NSDAP wollte mit diesem Gesetzentwurf zwei Ziele erreichen:

Erstens wollte sie den Schein von Legalität wahren. Damit hatte sie im Rahmen des damals unter Juristen vorherrschenden Rechtspositivismus, der zwischen Gesetz und Recht keinen Unterschied sah, überwiegend Erfolg. Tatsächlich war das Gesetz angesichts der verfassungswidrig inhaftierten und ermordeten Reichstagsabgeordneten der KPD nicht rechtmäßig zustandegekommen. Auch das Ausland sprach damals anlässlich der Vorgänge zum sog. Ermächtigungsgesetz von einem staatsrechtlichen Notstand im Deutschen Reich.

Zweitens sollte die Verfassung, bei theoretischem Fortbestehen, in der Praxis außer Kraft gesetzt beziehungsweise umgewandelt werden. Ziel des Nationalsozialismus war die Ausschaltung des Parlaments. Deutschland sollte von dem Führer Hitler regiert werden.

Die Nationalsozialisten maßen dem Schein der Legalität solches Gewicht zu, dass sie das Ermächtigungsgesetz 1937, 1939 und 1943 jeweils "verlängern" ließen.

Bewertung

Durch das Ermächtigungsgesetz von 1933 hat sich der Reichstag als das gewählte Parlament selbst Schachmatt gesetzt,indem es geschlossen einem staatsrechtlichen Notstand Vorschub leistete. Denn jeder Parlamentarier konnte damals wissen, daß die Verhaftungen und Ermordungen der KPD-Reichstagsabgeordneten die Abstimmung über das sog. Ermächtigungsgsetz zu einem tragischen Trauerspiel werden ließ, da die Abstimmung nicht nach Recht und Gesetz abgehalten wurde und somit niemals einen de jure Status erreichen konnte.

Das Ermächtigungsgesetz wurde zum Schlüsselgesetz für die Gleichschaltung Deutschlands auf allen Ebenen. Es sind hier vor allem die Gleichschaltung der Presse und des Vereinswesens zu nennen. Dennoch reichten selbst die Vollmachten des Ermächtigungsgesetzes oft nicht aus. Für die Gleichschaltung der Ländern musste es übertreten werden, ein solches Vorgehen war im Gesetz ausdrücklich verboten. Gesetzgebungsverfahren des Reichstagsn gab es danach kaum noch. Die überwiegende Mehrheit der Gesetze wurd durch die Reichsregierung erlassen. Das Ermächtigungsgesetz führte schließlich auch zum Verbot aller Parteien außer der NSDAP.

Die praktischen Auswirkungen des Gesetzes in hielten sich mehr und mehr in Grenzen, je näher das Deutsche Reich dem Krieg kam, da die nationalsozialistischen Machthaber des "Großdeutschen Reiches" immer weniger mit förmlichen Gesetzen und mehr mit Verordnungen und letztlich nur noch wahnsinnigen "Führerbefehlen" regierten. So geschah z.B. die letzte Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes nicht mehr wie 1937 und 1939 durch den (ohnehin gleichgeschalteten) Reichstag, sondern durch Erlass Hitlers, der gleichzeitig jede Aufhebung des Gesetzes für alle Zeit verbieten sollte. Soweit die Reichsregierung Gesetze auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes erließ, kann es sich nur um Vorgänge im Nazi-Staat handeln (Großdeutsches Reichoder "Großdeutschland"). Im Reichsgesetzblatt sind die auf der "Grundlage" des sog. Ermächtigungsgesetzes erlassenen Gesetze an der Eingangformel "Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen" zu erkennen.