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Berlin Hauptbahnhof

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Berlin Hauptbahnhof – Blick auf die Südfront
Obere Gleisebene

Berlin Hauptbahnhof ist der Name des Zentralbahnhofs der Stadt Berlin.

Der von dem Architekten Meinhard von Gerkan entworfene Etagenbahnhof wurde auf dem Gelände des einstigen Lehrter Bahnhofs bzw. Lehrter Stadtbahnhofs erbaut und am 28. Mai 2006 in Betrieb genommen. Damit wurde auch eine völlige Umstellung und Neuordnung des bisherigen Verkehrskonzepts für den Schienen-Personenverkehr in Berlin durchgeführt.

Funktion des Berliner Hauptbahnhofs

Zentrale Lage des Hauptbahnhofes im Pilzkonzept
Der „Spreebogen“ mit Hauptbahnhof im Regierungsviertel von Berlin. Rot eingezeichnet ist die im Bau befindliche Kanzler-U-Bahn (U55)

Die Anlagen des Berliner Hauptbahnhof stellen das Zentrum des so genannten „Pilzkonzeptes“ der schienengebundenen Verkehrsleitung in Berlin dar, wobei der Bahnhof den Verknüpfungspunkt für die hier zusammenlaufenden und sich kreuzenden Linien verschiedener Verkehrsträger bildet.

Fern- und Regionalbahnstrecken

Fern- und Regionalzüge, die Berlin anfahren, halten am Hauptbahnhof entweder auf einem der vier Gleise der aufgeständerten und in west-östlicher Richtung verlaufenden Stadtbahnebene oder fahren auf einem der acht in nord-südlicher Richtung verlaufenden Gleise in der Tiefebene ein.

Die Stadtbahn-Trasse führt Züge in östlicher Richtung über den Ostbahnhof bis nach Frankfurt (Oder), und weiter nach Polen. In westlicher Richtung laufen die Gleise zum Bahnhof Charlottenburg und von dort entweder über den Bahnhof Spandau auf die Strecken nach Hannover bzw. Hamburg oder über den Bahnhof Wannsee nach Potsdam Hauptbahnhof und weiter in Richtung Magdeburg oder Halle (Saale).

Auf der unteren Ebene des Hauptbahnhofs führen die Fernbahngleise in nördlicher Richtung zur Ringbahn und verzweigen dort nach Westen und Nordosten. In nordöstlicher Richtung wird über den neuen Fernbahnhof Bahnhof Gesundbrunnen Nord-Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erschlossen, nach Westen über die Bahnhöfe Jungfernheide und Spandau die Bahnlinie nach Hamburg oder Hannover. In Richtung Süden führen die Gleise im anschließenden Tiergartentunnel unter der Spree zu dem neuen Regionalbahnhof Potsdamer Platz und dem neuen Fernbahnhof Südkreuz Richtung Süden nach Leipzig oder Südosten nach Dresden.

Am Hauptbahnhof laufen außer der RE6 alle RegionalExpress-Linien zusammen, die einen Großteil Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns erschließen.

InterCityExpress-Linien:

  • (Kiel–) Hamburg–Berlin–Leipzig–Nürnberg–München (tief)
  • Berlin–Hannover–Ruhrgebiet-Köln–Bonn (–Koblenz)
  • Berlin–Frankfurt am Main–Mannheim (–Basel–Interlaken)
  • Berlin–Frankfurt am Main–Stuttgart–München (–Innsbruck)
  • Berlin–Frankfurt am Main (ICE-Sprinter; einzelne Züge) (tief)

InterCity- und EuroCity-Linien:

  • (Westerland–) Hamburg–Berlin–Dresden (einzelne Züge) (tief)
  • Stralsund–Berlin–Erfurt–Kassel-Ruhrgebiet-Düsseldorf (–Köln) (tief)
  • Berlin–Halle (Saale)–Nürnberg–München (einzelne Züge) (tief)
  • (Stettin–) Berlin–Hannover–Amsterdam oder Münster (Westfalen)|Münster
  • (Cottbus–Berlin–) Magdeburg–Hannover–Norddeich Mole (einzelne Züge)
  • Hamburg–Berlin–Cottbus–Kraków|Krakau (einzelne Züge)
  • (Århus–) Hamburg–Berlin–Dresden–Prag(–Wien–Bratislava) oder Budapest (tief)
  • Berlin–Warschau

Regionalverkehrs-Linien:

  • RE1: (Magdeburg–) Brandenburg (Havel)–Frankfurt (Oder) (–Eisenhüttenstadt)
  • RE2: Rathenow–Cottbus
  • RE3: Schwedt (Oder)]] bzw. Stralsund–Elsterwerda bzw. Senftenberg (tief)
  • RE4: (Wismar–) Wittenberge–Ludwigsfelde (–Luckenwalde) (tief)
  • RE5: Stralsund bzw. Rostock–Lutherstadt Wittenberg bzw. Falkenberg (Elster) (tief)
  • RE7: Dessau–Wünsdorf-Waldstadt
  • RB14 (Nauen–Lübbenau–Lübben/Spreewald–Altdöbern–Senftenberg)

Nahverkehrslinien

Derzeit halten mehrere Linien der Berliner S-Bahn, die westlich und östlich gelegene Stadtteile Berlins miteinander verbinden, am S-Bahnsteig der oberen Ebene. Es ist geplant, noch eine teilweise vorhandene unterirdische S-Bahn-Strecke vom Nordring über den Hauptbahnhof und den Potsdamer Platz über die Trasse der ehemaligen Berlin-Potsdamer Eisenbahn zum Südring zu führen. Die baulichen Vorleistungen dazu wurden bereits durchgeführt. Die nördliche S-Bahn-Anbindung soll ab Ende 2007 bis 2012 errichtet werden (Stand: Dezember 2006)[1].

Für die Berliner U-Bahn wurde bereits ein Bahnsteig in Tiefebene errichtet. Hier wird voraussichtlich Ende 2007 die so genannte Kanzler-U-Bahn (U55), die bis zum Brandenburger Tor fährt, enden. Geplant ist, diese bis 2020 mit der U5 zu verbinden und langfristig nach Berlin-Moabit zu verlängern.

Sieben Buslinien und zwei Nachtbuslinien fahren den Hauptbahnhof an (M41, TXL, 120, 123, 147, 240, 245, N20 und N40). Der M41 fährt über die Knotenpunkte Potsdamer Platz, Hallesches Tor und Hermannplatz bis zur Baumschulenstraße; außerdem kreuzt die Flughafenlinie TXL.

2009 soll darüber hinaus die Verlängerung der Straßenbahn über die Invalidenstraße fertiggestellt sein, so dass der Hauptbahnhof auch eine Anbindung an das Straßenbahnnetz erhält. Es ist geplant, die Linien M6, M8 und M10 zum Hauptbahnhof fahren zu lassen.

S-Bahn- und U-Bahn-Linien: S5, S7, S75, S9, U55 (im Bau – soll später zur Verlängerung der U5 werden)

Gebäudenutzung

Einkaufsebenen im Berliner Hauptbahnhof

Der neue Hauptbahnhof ist eine bedeutende Gewerbe-Immobilie. Auf drei Etagen bietet der Bahnhof 15.000 m² Ladenfläche für rund 80 Einzelhandelsgeschäfte im Bereich Damen- und Herren -Oberbekleidung, Gastronomie, Lebensmittel, Geschenke, Gesundheit/Wellness etc., die teilweise lange vor Eröffnung vermietet waren. Die Geschäfte sind von Montag bis Sonntag von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet. Die Deutsche Bahn ist unter anderem mit zwei Reisezentren, einer DB Lounge und einem Büro von DB Carsharing vertreten. Insgesamt arbeiten im eigentlichen Bahnhof 900 Menschen, darunter 150 DB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.

Über die Mieter der beiden je 21.000 m² Bürofläche umfassenden Bügelbauten ist noch nicht endgültig entschieden. Die DB kündigt auf ihrer Webseite an, in einen der Türme einzuziehen. Seit einiger Zeit verfolgt der Konzern die Strategie, verstärkt Mietobjekte durch eigene Immobilien zu ersetzen.

Erstmalig nach dem Abriss des alten Lehrter S-Bahnhofs wieder geöffnet sind seit der feierlichen Eröffnung am 26. Mai 2006 auch das Friedrich-List-Ufer, die Verbindungsstraße am Humboldthafen in Richtung des Washingtonplatzes und die Gustav-Heinemann-Brücke. Unterhalb der Ferngleise zum Hafen befindet sich die Anlieferung Ost für Lieferanten.

Laut Angaben der Bahn besuchten in den ersten 100 Tagen nach Eröffnung insgesamt rund 30 Millionen Menschen den Bahnhof. Von den umgerechnet 300.000 Menschen täglich, waren etwa 150.000 bis 200.000 Fahrgäste.[2]

Der Berliner Hauptbahnhof gehört zu den 21 Bahnhöfen der höchsten Bahnhofskategorie der DB Station&Service.

Architektur und Konstruktion

Südlicher Eingangsbereich, Blick auf das Regierungsviertel
Ankunftshalle
Unterste Ebene
(Nord-Süd-Trasse)

Das Bahnhofsgebäude hat zwei Hauptebenen, die dem Bahnverkehr dienen, sowie drei Verbindungs- und Geschäftsebenen. Die obere Schienenebene hat drei auf Brücken verlaufende Bahnsteige mit sechs Gleisen der Stadtbahn in einer Höhe von 10 m über dem Straßenniveau. Auf der unteren Schienenebene befinden sich vier Bahnsteige mit den acht Gleisen der Nord-Süd-Verbindung in einer Tiefe von 15 m. Eine Station für die geplante U-Bahnlinie 55 wurde mit vorgesehen.

Die Brücken in der Stadtbahnebene überspannen nicht nur den Bahnhofsbereich, sondern auch den anschließenden Humboldthafen und sind daher 450 m lang. Entsprechend der Linienführung der Stadtbahn sind sie im Grundriss gekrümmt und weiten sich aufgrund der Verbreiterung von vier auf sechs Gleise und der zusätzlichen Bahnsteige von 39 m bis zu 66 m Breite auf. Das Hauptfeld der Brücke überspannt mit einer Stützweite von 60 m den Humboldthafen und besteht aus einem Bogen mit Stahlrohren und einem Spannbetonbalken als Obergurt. Die Knoten der Stahlrohre sowie der Kämpferknoten wurden, weltweit erstmalig bei einer Eisenbahnüberführung, in Stahlguss ausgeführt.

Die in West-Ost-Richtung verlaufende obere Bahnsteighalle ist 321 Meter lang und besteht aus einer bogenförmig gewölbten stützenlosen Glasdachkonstruktion. In die Glasfläche wurde eine Fotovoltaikanlage mit Solarzellen integriert. Die Halle ist zwischen 46 und 66 Meter breit sowie maximal 16 Meter hoch. Sie besteht aus drei Abschnitten, wobei das westliche Segment 172 Meter und das östliche 107 Meter lang ist. Dazwischen liegt quer dazu das 42 Meter breite und 210 Meter lange Nord-Süd-Dach, dessen Tonnengewölbe mit dem Hauptdach eine flache Vierungskuppel bildet. Parallel zum Nord-Süd-Dach überspannen die beiden sogenannten Bügelbauten das Hauptdach der Bahnsteighalle und tragen das Nord-Süd-Dach. In diesen Bügelbauten befinden sich 42.000 m² Büroflächen.

Seit 1. September 2006 bietet die Bahn Führungen durch das Gebäude an. Der Preis für eine einstündige Gruppenführung liegt bei 150 Euro.

Durch Orkan und bauliche Mängel verursachter Schaden

Durch den Orkan Kyrill am 18. Januar 2007 wurde ein Mangel an der gitterähnlichen Außenkonstruktion entdeckt. Durch den Sturm kam es zum Absturz einer 8,40 m langen, waagrechten Strebe aus 40 Metern Höhe auf eine Treppe im Südwestteil des Gebäudes. Eine weitere Strebe wurde aus der Verankerung gerissen. Diese nur zur Zier dienenden Elemente wurden nur aufgelegt und sollten durch ihr Eigengewicht halten. Der Bahnhof muss seither ab Windstärke acht evakuiert werden bis die Streben sturmsicher fixiert sind.

Eisenbahntechnische Besonderheiten

Der Berliner Hauptbahnhof bietet neben den architektonischen auch bahntechnische Besonderheiten. Beispielsweise wurde in der Umgebung, sowie im gesamten Bahnhof selbst die so genannte Feste Fahrbahn verbaut. Statt in Schotter werden die Schienen direkt in Beton befestigt, die Fahrbahnen selbst liegen in Masse-Feder-Systemen. Dies dient der Verringerung von Schwingung der bremsenden und anfahrenden Zügen. Zur Geräuschdämmung wurden spezielle Schalldämmplatten hinzugefügt.

Über den unteren Gleisen der Nord-Süd-Trasse wurden Deckenstromschienen verbaut. Sie ersetzen das klassische Oberleitungssystem mit Drähten. Das von der Schweizer Firma Furrer+Frey entwickelte System spart Platz und verringert somit den benötigten Raum beim Tunnelbau.

Entstehungsgeschichte

Baustelle Hauptbahnhof – Lehrter Bahnhof, Mai 2005
Baustelle Hauptbahnhof – Lehrter Bahnhof, Innenansicht

Planung

Der Berliner Senat strebte schon bald nach der Wiedervereinigung 1990 eine neue Verkehrskonzeption für den Schienenverkehr in Berlin an. Dabei entstand das sogenannte Pilzkonzept, das an der Stelle des Lehrter Stadtbahnhofs einen neuen, modernen Kreuzungsbahnhof (genauer: Turmbahnhof) vorsah, der neben Fern- und Regionalbahnlinien auch Anschluss an die S- und U-Bahnlinien bieten sollte. Im Juni 1992 beschloss die Bundesregierung dessen Errichtung und lobte einen Wettbewerb für das Projekt Lehrter Bahnhof aus, den das Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner (gmp) unter Federführung von Meinhard von Gerkan im Februar 1993 gewann. Eine Teileröffnung sollte im Jahr 2000 erfolgen, die vollständige Inbetriebnahme 2002.[3]

1997 wurde eine Finanzierungsvereinbarung für den Hauptbahnhof sowie den Abschnitt zwischen Perleberger Straße und Spreebogen, zwischen Bund und Bahn im Gesamtumfang von 700 Millionen Euro abgeschlossen. Der Bundesanteil belief sich dabei auf rund eine halbe Milliarde Euro.[3]

Bauphase

Der Bau des Berliner Hauptbahnhofs erfolgte in mehreren Abschnitten. 1995 wurde mit dem Bau des Tiergartentunnels begonnen, der 2005 mit der Fertigstellung des letzten Teilabschnitts unter dem Lehrter Bahnhof abgeschlossen wurde. Der Tunnel weist vier Röhren für die Gleise der Fern- und Regionalbahnstrecken auf, zwei Röhren für die U-Bahn (U55), außerdem einen Straßentunnel, der über einen 2004 fertiggestellten, 60 m hohen Turm belüftet wird. Beim Bau des Tunnels musste das Bett der Spree von 1996 bis 1998 verlegt werden. Wegen Wassereinbrüchen in den Tunneln kam es zu über einjährigen Verzögerungen beim Bau.

2001 begann man mit dem Bau der Brücken für die neue Stadtbahntrasse; ab 2002 wurde am Längsdach über der Stadtbahn gearbeitet. Die Umsetzung der Stahl-Glas-Konstruktion war eine besonders schwierige Aufgabe für die an der Bauausführung Beteiligten, zumal eine umstrittene Änderung während der Bauausführung die Glasdächer um rund 110 m verkürzte.

Im Jahr 2002 waren die Brücken und die Haupthalle soweit fertiggestellt, dass der Verkehr der Stadtbahn auf die neue Trasse verschwenkt werden konnte. Dadurch konnte der alte denkmalgeschützte Lehrter Stadtbahnhof abgerissen werden, der dem Neubau des Hauptbahnhofsgebäudes im Wege war.

Der Baubeginn der das Dach überbrückenden „Bügelbauten“ erfolgte 2005. Dazu wurden zunächst die Bügelbrücken vertikal „in den Himmel“ gebaut und an zwei Wochenenden im Juli und August 2005 in einem weltweit einzigartigen Verfahren über das Dach des Bahnhofs abgeschwenkt. Die Brücken mit einem Gewicht von jeweils 1250 t wurden an Seilen mit 6 m pro Stunde abgesenkt, die zwischen den beiden Elementen verbleibende Lücke von nur 2 cm wurde anschließend geschlossen.

Als zentraler Projektleiter und technischer Bauleiter der Deutschen Bahn AG war Hany Azer für die Bauausführung des Berliner Hauptbahnhofs verantwortlich.

Nach Medienangaben belaufen sich die Gesamtbaukosten auf etwa 700 Millionen Euro. Zusammen mit der Erneuerung des Berliner Gesamtstreckennetzes wurden so etwa 10 Milliarden Euro in das Berliner Bahnsystem investiert. Der anno 1997 mit 700 Millionen Euro geplante Abschnitt kostete laut Bahnangaben[3] eine Milliarde – der Anteil der Deutschen Bahn sei damit von rund 200 auf etwa 500 Millionen Euro gestiegen.

Änderungen des Ursprungskonzeptes

Im ursprünglichen Entwurf war das Hallendach der Stadtbahnebene (laut Bahnangaben [3]) mit einer Länge von 321 Metern geplant. Es wurde nachträglich auf 430 Meter verlängert (Westseite 90, Ostseite 20 Meter), jedoch vor Montage, im Dezember 2001, auf die ursprünglich geplante Länge gekürzt. Als Begründung wurde angegeben, bei der ursprünglichen Gesamtlänge sei es nicht möglich gewesen, den Hauptbahnhof zu der Fußballweltmeisterschaft 2006 teilweise oder überhaupt in Betrieb zu nehmen, da das Eisenbahnbundesamt (EBA) Bedenken gegen einen Weiterbau der Dächer bei laufendem Bahnbetrieb erhob. Laut Bahnangaben[3] wäre eine Eröffnung der Station erst im Jahr 2008 möglich gewesen.

Als weiterer Grund wurde eine Kostenminderung angegeben. Allerdings soll durch die nachträgliche Verkürzung infolge der Um- und Nachkonstruktion einiger Fertigungsteile sowie der nötigen neuen Genehmigung die Maßnahme laut einem Zeitungsbericht[4] mit 64,4 Millionen Euro deutlich teurer gewesen sein. Die ursprüngliche Konzeption sei demnach mit 36,8 Millionen Euro veranschlagt gewesen.

Laut Angaben des zuständigen DB Vorstands[3] sei dagegen, durch die dem Termindruck geschuldete Verkürzung, auch eine Senkung der Kosten von 74 auf 64 Millionen Euro möglich geworden. Der Anteil der Bundesmittel sei dabei stets auf 34,5 Millionen Euro beschränkt gewesen.

Da sämtliche Bauteile (Stahlkonstruktion und Verglasung) bereits produziert und derzeit in einem Stadtbahnviadukt in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs eingelagert sind, ist eine nachträgliche Ergänzung des Daches theoretisch möglich, wobei dies unter laufendem Betrieb aber deutlich aufwändiger ist und nach wie vor unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch das EBA steht.

Die Decke für die unterirdischen Bahnsteige war vom Architekten als gewölbeähnliche, helle Konstruktion vorgesehen. Stattdessen wurde ohne Einbezug des Architekten Meinhard von Gerkan eine gewöhnliche Flachdecke gebaut. Dazu äußerte von Gerkan, dass die Baukosten durch diese Umplanungen höher seien, sowie sich die Bauzeit sogar verlängert hätte. Er sieht als Begründung allein eine Profilierung von Hartmut Mehdorn. Eine Rede zur Eröffnung seines Werkes, auch zu den Veränderungen, wurde ihm nicht gestattet. Gerkan hat nach diesen eigenmächtigen Umplanungen des Bahnhofes die Deutsche Bahn AG im Oktober 2005 wegen Urheberrechtsverletzung verklagt. Laut Bahnangaben[3] hat der Architekt seine Honorarforderung auf 39 Millionen Euro verdoppelt.

Am 28. November 2006 gab das Landgericht Berlin der Klage statt. Der vorsitzende Richter führte aus, der Hauptbahnhof sei durch den Einbau der Flachdecke „erheblich entstellt“ worden, der nachträgliche Einbau der vorgesehenen Decke möglich. Die Deutsche Bahn bezifferte die Kosten für eine derartige Umrüstung auf 40 Millionen Euro bei einer Bauzeit von drei Jahren und kündigte Berufung an.[5] Sie verwies auch darauf, mehrfach erfolglos die Architekten zu einer Kostenreduzierung aufgerufen zu haben.[6]

In einem Kommentar[3] begründete der zuständige Vorstand der Deutschen Bahn die Änderung im Untergeschoss mit erheblichen Kostensteigerungen. So hätten die ursprünglich geplanten Kosten bei sieben Millionen Euro gelägen, im Jahr 1997 jedoch bereits bei zwölf. Die Vergabe der kostengünstigeren Flachdecke an einen anderen Architekten sei dabei Gerkans mehrjähriger Weigerung geschuldet, diese Planung selbst zu übernehmen.

Eröffnungsfeier

Eröffnungsfeier des Berliner Hauptbahnhof („Lichtsinfonie“)

Am 26. Mai 2006 wurde der Bahnhof am frühen Abend durch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zusammen mit Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee in einem Sonderzug (ICE) aus Leipzig eintraf, feierlich eröffnet. Am späten Abend wurde nach Konzerten von Soulsänger Ayman, der Berliner Band Mariannenplatz und der Rockband Reamonn eine von dem Lichtkünstler Jerry Appelt konzipierte „Lichtsinfonie“ aufgeführt. In der Nacht und am 27. Mai war der Bahnhof für Besucher geöffnet. Am 27. Mai fanden neben einem Konzert von BAP am Hauptbahnhof weitere Veranstaltungen an den anderen neuen Bahnhöfen Gesundbrunnen, Potsdamer Platz und Südkreuz statt. Offiziell ging der Regional- und Fernbahnhof Berlin Hauptbahnhof am 28. Mai in Betrieb.

Benennung des Bahnhofs

Lange Zeit gab es Diskussionen über den Namen des neuen Bahnhofs. Zum einen wollte man von Berliner Seite den traditionellen Namen Lehrter Bahnhof beibehalten, wobei auch bei der Bahn der Arbeitstitel des Bauprojekts in den frühen Planungsphasen zunächst ausschließlich Lehrter Bahnhof lautete. Später wurde von Seiten der Bahn eingewandt, dass dies zu Verwirrung führen könne, auch der zentralen Stellung des neuen Knotenbahnhofs nicht gerecht würde und nur die Bezeichnung Berlin Hauptbahnhof adäquat wäre. Auf Grund von Protesten in der Bevölkerung führten der Berliner Senator für Stadtentwicklung und Verkehr Peter Strieder und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, im Sommer 2002 eine Befragung in der Berliner Bevölkerung durch. Unter drei Möglichkeiten entschied sich eine Mehrheit von 70% von 7.860 Abstimmenden für die Beibehaltung des Namens Lehrter Bahnhof. Entgegen diesem Votum und trotz zahlreicher Proteste entschied sich die Landesregierung und die Bahn-Verwaltung für den Doppelnamen Berlin Hauptbahnhof – Lehrter Bahnhof. Im Frühjahr 2005 verkündete die DB schließlich, dass der Bahnhof zur Eröffnung am 26. Mai 2006 seinen Doppelnamen ablegen und nur noch Berlin Hauptbahnhof heißen solle. Nur die Stationsschilder auf dem Bahnsteig der S-Bahn in der oberen Ankunftshalle tragen weiterhin den Zusatz Lehrter Bahnhof.

Bahnhofsumgebung und Infrastruktur „Lehrter Stadtquartier“

Im Zuge des Neubaus des Bahnhofs wurde auch ein Stadtentwicklungs- und Bebauungsplan für die unmittelbare Umgebung erstellt. Danach entstanden bereits zwei Plätze, die unmittelbar an den Bahnhof angrenzen. Der Platz nördlich des Bahnhofs bekam den neuen Namen Europaplatz, der im Süden Washingtonplatz. Das weitere Umfeld des Bahnhofs wird als Lehrter Stadtquartier bezeichnet. Hierzu wurde bereits 1994 ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt, aus dem der Entwurf von Oswald Mathias Ungers siegreich hervorging. Auf dieser Grundlage ist derzeit ein Bebauungsplan in Vorbereitung. Das Verfahren soll im Sommer 2006 abgeschlossen werden. Hauptgrundstückseigentümer ist die Immobiliengesellschaft Vivico, die das Gelände auch entwickelt.

Bereits fertiggestellt wurden im Südwesten des Areals fünf schachbrettartig angelegte Straßen, die die Invalidenstraße mit der Straße Alt-Moabit verbinden, und eine dem Verlauf der Spree folgende Straße. Das parallel zum Humboldthafen verlaufende Friedrich-List-Ufer wurde erneuert und begradigt.

Der städtebauliche Entwurf Ungers für die Flächen der Vivico sieht im Westen des Stadtquartiers sieben eigenständige Gebäude vor, davon zwei nördlich und fünf südlich des Bahnhofs, die in Nord-Süd-Ausrichtung an den angelegten Straßen stehen sollen. Alle sollen eine Traufhöhe von 22 Metern nicht überschreiten, um das Ost-West-Dach des Bahnhofs nicht zu überragen. Zu diesen Bauten wurde bereits ein Wettbewerb zur Detailgestaltung ausgelobt.

Zusätzlich zu dieser traditionellen Blockbebauung sieht der Ungers-Entwurf zwei Solitärbauten vor. Auf dem nördlichen Europaplatz soll ein 100 Meter hohes Bürohochhaus stehen, für das allerdings noch ein Investor gefunden werden muss, nachdem die Bahn entschieden hat, nicht dort, sondern in die beiden Bügelbauten einzuziehen. Auf dem Washingtonplatz soll ein kubusförmiger Bau mit einer Kantenlänge von 40 Metern errichtet werden. Der Bebauungsplanentwurf sieht die Errichtung von rund 145.000 m² Geschossfläche vor. Laut Vivico sollen dort Büros dominieren, allerdings seien auch ein Hotel oder Einzelhandel möglich. Wohnungen soll es wegen des Bahnhofslärms eher nicht geben.[7]

Kritik

Bereits in der Bauphase des neuen Bahnhofs wurde Kritik an dessen Konzept, der Größe und insbesondere dem mit ihm verbundenen Pilzkonzept laut. So wurde insbesondere bemängelt, dass die geplante Nord-Süd-Gewichtung des Fernstreckennetzes der nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Ost-West-Ausrichtung des Berliner Fernbahnverkehrs zuwider laufe. Zwar würden mit Gesundbrunnen und Südkreuz neue Fernbahnhöfe geschaffen, diese lägen jedoch allesamt im ehemaligen Westteil der Stadt, und der Ostbahnhof würde von der Fernbahn abgeschnitten.

Die Bahn reagierte auf diese Vorwürfe und entschied sich dazu, entgegen dem ursprünglichen Plan die Mehrzahl der Fernzüge auf die Strecke des Nord-Süd-Tunnels zu verlegen, doch einige Fernverbindungen über die angestammte Stadtbahnstrecke zum Ostbahnhof zu leiten, so beispielsweise die Züge aus Richtung Köln und Hannover. Eine höhere Zugfrequentierung wäre auf dem nur zweigleisigen Fernbahnteil der Stadtbahnstrecke nicht möglich.

Besonders laut wurde der Protest, als klar wurde, dass der Bahnhof Zoo im Zuge des nachträglich geänderten Pilzkonzepts zum Regionalbahnhof heruntergestuft würde. Von der DB wurde als Grund dafür angegeben, dass der Bahnhof Zoo nie als Fernbahnhof angelegt wurde und nun aufgrund stark ausgelasteter Kapazitäten und Sicherheitsrisiken wegen zu schmaler Bahnsteige durch einen belastbaren und sicheren Hauptstadtbahnhof ersetzt werde. Außerdem verkürze der eingesparte Halt die Gesamtfahrzeiten. Politik und Medien bemängelten diese Änderungen und befürchteten, der Westen Berlins verliere hiermit eines seiner Zentren und die Verkehrsanbindung werde insgesamt schlechter; die Verlagerung der Fernverkehrshalte zum Hauptbahnhof solle lediglich die Frequentierung der dort neu eingerichteten Ladenflächen sicherstellen. Für die Fahrgäste aus den bevölkerungsstarken westlichen Bezirken der Stadt verlängern sich, laut Angaben von Kritikern, aufgrund des fehlenden Halts am Bahnhof Zoo und der ungenügenden Anbindung des Hauptbahnhofs die Fahrzeiten – besonders in Richtung Westen – erheblich. Daher werden die Forderungen lauter, die Züge Richtung Hannover wieder am Bahnhof Zoo halten zu lassen, den sie derzeit durchfahren.

Als weiterhin belastend für das Umfeld des Bahnhofs Zoo wird betrachtet, dass der von Kritikern vorgebrachten mangelnden Anbindung des Hauptbahnhofs an den öffentlichen kommunalen Verkehr nunmehr durch Verlegung des Buslinienknotenpunkts Hardenbergplatz (vor dem Bahnhof Zoo) an den Hauptbahnhof Rechnung getragen werden soll. Eine solche Maßnahme würde die Fahrgastfrequentierung am Bahnhof Zoo noch stärker mindern, was die Attraktivität des betroffenen Stadtteils erneut weiter senken würde.

Die DB-Konkurrentin Veolia ließ im Sommerfahrplan 2006 ihre Fernzüge (InterConnex und Harz-Berlin-Express) weiterhin am Bahnhof Zoo halten und am Hauptbahnhof durchfahren. Ab der Fahrplanperiode 2006/2007 hält der InnerConnex in Berlin am Hauptbahnhof und am Bahnhof Potsdamer Platz.

Kritiker nahmen auch Anstoß an der Tatsache, dass der neue Bahnhof nicht in ein funktionierendes Wohn- oder Geschäftsviertel eingebunden sei, sondern gleichsam im Niemandsland läge. Die Spottzeile einer Zeitung, die schon zur Eröffnung des alten Lehrter Bahnhofs im 19. Jahrhundert die Runde machte, wurde wieder aufgegriffen ("So weit das Auge reicht, nirgends ein Gebäude, dessen Insassen diese Haltestelle benutzen könnten"[8], dies spielt unter anderem auf zwei in der Nähe gelegene Gefängnisse an.). Auch die Tatsache, dass die Anbindung an den U-Bahn-Verkehr und an die geplante Nord-Süd-S-Bahn (S21) noch Jahre auf sich warten lasse, wurde kritisiert.

Einer der Hauptkritikpunkte waren die Kosten des Bauwerks und der damit verbundenen Umstrukturierung des Berliner Streckennetzes (Schätzungen gehen von Gesamtaufwendungen von 10 Milliarden Euro aus). So monierte der EU-Abgeordnete und Verkehrsexperte der Grünen Michael Cramer die Kostenexplosion und die Tatsache, dass der Bahnhof in den Zeiten der Nachwende-Euphorie geplant worden sei, als Berlin eine Einwohnerzahl von sechs Millionen oder mehr prognostiziert wurde.[9]

Außerdem musste dem Bauvorhaben der komplette Altbau des Lehrter Stadtbahnhofs weichen, obwohl dieser unter Denkmalschutz stand und 1987 für umgerechnet 10 Millionen Euro renoviert worden war.

Literatur

Quellen

  1. Hauptbahnhof bewährt sich in Der Tagesspiegel vom 24. Dezember 2006
  2. Andrea Puppe: 100 Tage Hauptbahnhof, Die Welt, 30. August 2006
  3. a b c d e f g h Ein Dach, exakt so lang, wie einst geplant Kommentar von Wolf-Dieter Siebert, Vorstandsvorsitzender DB Station&Service AG, in Der Tagesspiegel vom 13. Januar 2007
  4. Geldverschwendung beim Bau des neuen Hauptbahnhofs? in: Berliner Morgenpost vom 12. Januar 2007
  5. Bahn verliert Urheberrechtsstreit um Berliner Hauptbahnhof Spiegel Online, 28. November 2006
  6. Presseinformation der Deutschen Bahn vom 28. November 2006
  7. Peter Neumann: Ein Wolkenkratzer neben dem Hauptbahnhof, Berliner Zeitung, 31. Mai 2006
  8. Peter Neumann: Das Prinzip Hoffnung, Berliner Zeitung, 5. April 2006
  9. Rolf Lautenschläger: Signal für die Börse, tageszeitung, 26. Mai 2006
Commons: Berlin Hauptbahnhof – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
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