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Chabad

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Chabad (Hebräisch: חב"ד) oder auch Lubawitsch (Jiddisch: ליובאוויטש) ist eine chassidische Gruppierung innerhalb des orthodoxen Judentums.

Der Name Lubawitsch deutet auf den geographischen Ursprung der Bewegung hin, nämlich eine Kleinstadt in der heutigen Ukraine. Der Name Chabad wiederum bezieht sich auf die ideologische Ausrichtung der Bewegung: Chabad ist ein Akronym für drei hebräische Wörter, nämlich Weisheit (חוכמה), Einsicht (בינה) und Wissen (דעת). Weisheit, Einsicht und Wissen bezeichnen in der Kabbalah (jüdische Mystik) die drei höchsten der insgesamt zehn Sephiroth.

  1. Chochmah – der Einfall, die Idee
  2. Binah – die Aufbereitung und Ausarbeitung der Idee
  3. Daat – die subjektive Wirkung des neutralen Intellekts (Chochmah und Binah) auf Emotionen, Meinungen und praktische Handlungen des Menschen

Der Begründer der Chabad-Schule, Rabbiner Schneor Salman aus Liadi, wird nach seinem religionsphilosophischen Werk „Tanja“ auch „Baal HaTanja“ genannt. Neben dem „Tanja“ ist sein „Schulchan Aruch HaRav“ – ein mehrbändiges Werk der Halacha – von Bedeutung.

Geschichte

Der Gründer von Chabad, Rabbiner Schneor Salman von Liadi (Russisch: Лёзна, Weißrussisch: Лиозно), wurde im Jahre 1745 geboren. Er war ein Schüler des Maggid von Mesritsch, der seinerseits ein Schüler des Baal Schem Tow war, und des Rabbiners Menachem Mendel von Witebsk (Wizebsk). Mit der Reise des Letzteren nach Palästina übernahm Schneor Salman mit nur 30 Jahren dessen Stellung.

Im Jahre 1797 wurde das chassidisch-kabbalistische „Buch Tanja” von R. Schneor Salman zum ersten Mal in Slawita gedruckt. Der Name „Tanja” geht auf die zu Beginn des Buches zitierte Talmudstelle zurück, die mit dem Wort Tanja („wir haben gelernt”) beginnt. In dem Buch wird die Person des Zaddik (dt. „Gerechter“) im Verhältnis zu den gewöhnlichen Leuten betont, sodass es als Legitimation für die zentrale Autorität des chassidischen Führers in seiner Gemeinde dient. Rabbiner Chaim aus Voloschin antwortete auf den Tanja mit dem Buch „Die Seele der Lebenden“ (evtl. auch „Die Seele des Lebenden“), worin er manche Begriffe der Kabbala anders als im Tanja interpretiert.

Das Studium des Chassidismus im Allgemeinen und des „Buch Tanja“ im Besonderen ist für Chabad-Chassidim ein wichtiger Teil des Tora-Studiums. Eine deutsche Übersetzung aller fünf Teile des „Buch Tanja“ erschien im Jahr 2000 in Wien[1].

Gegenbewegung zum Chassidismus

Mit Aufkommen einer Gegenbewegung zum Chassidismus unter Leitung des Gaon von Wilna, versuchte Rabbiner Schneor Salman, den Gaon persönlich zu treffen, um die Vorwürfe gegen den Chassidismus zu diskutieren. Zu diesem Zweck reiste er sogar nach Wilna. Der Gaon, der die chassidische Bewegung als gefährliche Sekte betrachtete, weigerte sich jedoch, ihn zu treffen.

Die Gegner der chassidischen Bewegung scheuten auch nicht davor zurück, R. Schneor Salman bei den zaristischen Autoritäten zu verleumden. Er wurde unter dem Vorwurf des Hochverrats verhaftet und 53 Tage in Gefängnis von St. Petersburg verhört. Als sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen, wurde Rabbiner Schneor Salman von Liadi wieder freigelassen. Dieser Tag, der 19. des jüdischen Monats Kislew, wird bis heute von Chabad-Anhängern gefeiert.

Liste der Rebben

  • Schneor Salman von Liadi, 1745-1813
  • Dow Ber von Lubawitsch, 1773-1827
  • Menachem Mendel von Lubawitsch, der „Zemach Zedek“, 1789-1866
  • Schmuel Schneerson von Lubawitsch, 1834-1882
  • Schalom Dowber Schneerson von Lubawitsch, 1860-1920
  • Yosef Yitzchak Schneersohn, 1880-1950
  • Menachem Mendel Schneerson, 1902-1994

Die Chabad-Führung in den letzten Jahrzehnten

Seit 1951 stand Rabbiner Menachem Mendel Schneerson als siebter Rebbe der Dynastie an der Spitze von Chabad. Unter seiner Führung wuchs Chabad um ein Vielfaches. Mit Hilfe von tausenden Chabad-Gesandten gibt es Niederlassungen und Aktivitäten praktisch überall auf dieser Welt. Aber auch dem Studium der Thora widmete er sein besonderes Augenmerk. Seine öffentlichen Reden mit Erklärungen zur Thora wurden unter den Titeln „Maamarim“ und „Sichot“ publiziert. Im Juni 1994 starb der Rebbe. Sein Tod hinterließ viel Verwirrung unter seinen Anhängern, weil sie in ihm einen Messias sahen. Eine Minderheit geht weiterhin davon aus, dass der Rebbe noch lebt. Im Jahre 1996 veröffentlichte das Rabbinical Council of America (RCA) eine Stellungnahme, in der sie den Messianismus von Chabad verurteilte. In Reaktion darauf veröffentlichte der bekannte Rabbiner Aharon Soloveitchik eine Stellungnahme, derzufolge der Glaube, der Messias könne eine bereits verstorbene Person sein, nicht außerhalb der Richtlinien des orthodoxen Judentums sei.

In den letzten Jahren seines Lebens gewannen die Chabad-Anhänger, die in ihm den Messias sahen, zunehmend an Einfluss. Der Rebbe selbst hat es aufs schärfste verurteilt, sich mit dem Thema öffentlich zu beschäftigen, weil es nur unnötigen Streit verursachen würde. Dass er der Messias sei, hat er deshalb nie bestätigt aber auch niemals verneint. Nach seinem Tod hat sich die Chabad-Bewegung geteilt: Ein Teil arrangierte sich mit dem Tod ihres Rebben, der andere Teil (die Messianisten oder Meschichisten) nennt den Rebben weiterhin König Messias und erwartet seine schnelle Wiederkunft. Ein Nachfolger für Rabbiner Menachem Mendel wurde bis heute nicht ernannt. Dazu beigetragen hat allerdings auch, dass der Rebbe keine Kinder hatte und es deshalb an einem natürlichen Nachfolger mangelte.

Selbst noch heute wenden sich seine Anhänger in Fragen wie Heirat, Sorgen um die Gesundheit, Arbeit o.ä. an ihren toten Rebben als Fürsprecher im Himmel, mit Briefen oder mit einem Besuch an seinem Grab.

Da alle chassidischen Gruppierungen durch ihren Rebben dominiert werden, hat die Nicht-Ernennung eines Nachfolgers von Rabbiner Menachem Mendel Schneerson zu internen Konflikten um die Führung der Bewegung geführt. Aber auch die Breslow Chassidim haben nach dem Tod ihres Führers Rabbiner Nachman keinen Nachfolger ernannt. Bis heute gilt der schon lange tote Rabbiner Nachman als ihr Führer, allerdings mit dem Unterschied zu Chabad, dass dort niemand je ernsthaft den Tod von Rabbiner Nachman anzweifelte.

Grundlegendes

Der Hauptsitz von Chabad und gleichzeitig die zentrale Talmudschule liegt heute in Brooklyn, New York, wo auch Menachem Mendel Schneerson, der letzte der Chabad-Führer, bis zu seinem Tode gewohnt hat. Das Chabad-Zentrum wird nach seiner Adresse „770 Eastern Parkway“ auch 770 genannt.

Grundlegend für Chabad sind die starke Präsenz in der Öffentlichkeit sowie der Versuch, die Thora-Lehre in jede Ecke der Welt zu verbreiten. So kann man fast überall auf dieser Welt Vertretungen von Chabad, genannt Chabad-Häuser, finden. Des Weiteren gibt es viele Schulen in Israel, den USA und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die von Chabad-Anhängern geleitet werden. Zur Verbreitung der Chabad-Lehre dienen unter anderem Unterricht per Satellit, Plakatwerbung und zahlreiche Seiten im Internet. Mehr als jede andere chassidische Gruppierung gilt Chabad deshalb im Allgemeinen als besonders weltoffen.

Chabad und die Politik

Rabbiner Schalom Dowber und Rabbiner Yosef Yitzchak von Lubawitsch waren entschiedene Gegner des Zionismus; unter der Führung von Rabbiner Menachem Mendel Schneerson vollzog die Bewegung jedoch eine Kehrtwendung hin zu aktiver Teilnahme am Aufbau des Staates Israel. Vor der Kandidatur von Benjamin Netanyahu für das Amt des israelischen Premierministers war Chabad kaum an der israelischen Politik beteiligt. Zu den Wahlen 1996 jedoch, als Chabad die vermeintliche Gefahr des Friedensabkommens von Oslo sah, initiierten Chabad-Anhänger eine Unterstützungskampagne für Netanyahu unter dem Solgan „Bibi ist gut für die Juden“ und trugen viel dazu bei, dass Netanyahu gewählt wurde. Der politische Aktivismus stieß bei der israelischen Linken auf herbe Kritik, unter anderem auch, weil der australische Millionär und Chabad-Anhänger Yosef Gutnick die Kampagne finanzierte.

Die Mehrheit der Chabad-Anhänger vertritt in Bezug auf territoriale Zugeständnisse Positionen der israelischen Rechten und protestieren immer wieder gegen jeden Verzicht auf derzeit von Israel besetzte Territorien, das ihrer Meinung nach Teil des dem jüdischen Volk zugesprochenen Eretz Israel ist.

Quellen

  1. Das Buch Tanja, ins Deutsche übertragen von Levi Sternglanz unter der Leitung von Rabbiner Jacob I. Biderman, Kehot Publication Society, Wien 2000, 486 Seiten, ISBN 0-8266-6124-6

Aktuelle Literatur

  • Habad Messianism Kritik am Chabad-Messianismus im Blog von Rabbiner Gil Student (auf Englisch)