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Wertanalyse

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Wertanalyse versteht sich als ein Wirksystem zum Lösen komplexer Probleme, für die weder eindeutige Lösungen bekannt noch Lösungen mit Hilfe numerischer Verfahren, wie z.B. durch Rechnereinsatz, möglich sind. Sie dient der Entwicklung und Verbesserung von Produkten, technischen Abläufen und anderen Vorgängen in allen Bereichen von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Durch die Anwendung des Wirksystems Wertanalyse wird in der Regel eine erhebliche Verbesserung und Wertsteigerung der bearbeiteten Objekte erreicht, die gleichzeitig mit einer Reduzierung des Aufwandes und der Kosten gegenüber der ursprünglichen Situation verbunden sind. Die Wertanalyse wird grundsätzlich projektspezifisch und in kleinen interdisziplinären Teams angewendet.

Die Wertanalyse beinhaltet das Zusammenwirken der Systemelemente Methodik, Verhaltensweisen und Management unter Einbeziehung des Umfeldes zu einer ganzheitlichen Lösungsfindung. Kennzeichnend für die Methodik ist die grundsätzlich systematische Vorgehensweise in einzelnen Arbeitsschritten, das Denken in Wirkungen und Funktionen sowie die Trennung der kreativen Phase bei der Lösungssuche von der Bewertung der verschiedenen ermittelten Lösungen und der endgültigen Entscheidung für eine Lösung.

Der zentrale Maßstab aller Entscheidungen bei der Wertanalyse ist der Begriff Wert, der allgemein durch das Verhältnis Nutzen / Aufwand definiert ist und grundsätzlich > 1 sein muss.

Anwendung und Ziele der Wertanalyse

Die Wertanalyse beschäftigt sich mit den Wirkungen eines Produkts, die in Funktionen formuliert werden. Es wird überprüft:

  • welche Wirkungen das Produkt oder der untersuchte Prozess überhaupt entwickeln soll
  • ob alle Wirkungen, die ein Objekt entfaltet, gewünscht oder notwendig sind,
  • ob sie sich mit anderen Lösungen kostengünstiger und besser realisieren lassen,
  • welchen Preis ein Kunde bereit ist für die Wirkung zu bezahlen.

Die Wertanalyse wird nicht nur bei bestehenden Produkten zur Wertverbesserung und/oder Kostensenkung eingesetzt, sondern auch bei Produkten, die sich erst in der Entwicklung befinden (Wertgestaltung).

In einem Unternehmen spielen die Gemeinkosten eine besondere Rolle. In der Regel wachsen sie kontinuierlich und sind nur schwer in den Griff zu bekommen. Mit Wertanalyse kann dieser Kostenbereich effizient analysiert werden. Ziel ist es, nicht notwendige Leistungen zu vermeiden oder Lösungen zur rationelleren Leistungserbringung zu finden (Gemeinkosten-Wertanalyse). Der Zusammenhang zwischen Gemeinkosten und Leistungsbeitrag ist wesentlich undurchsichtiger als bei variablen Kosten. Gemeinkosten sind Kosten, die dem Produkt nicht direkt zurechenbar sind, wie z.B. Stromverbrauch oder allgemeine Verwaltungskosten. Eingefahrene Wahrnehmungsmuster, Gewohnheiten, aber auch Rücksichtnahme auf bestimmte Personen, Besitzstände und Positionen verhindern häufig mögliche und notwendige Rationalisierungmaßnahmen.

Mit der Methodik der Wertanalyse werden Ziele erreicht, wie z.B.:

  • Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Prozessen
  • Zeitersparnis durch planmäßiges und zielgerichtetes Bearbeiten der Problemstellung
  • Motivationssteigerung bei Mitarbeitern durch Einbeziehen der Betroffenen in die Problemlösung
  • Stimulation von Kreativität durch den Einsatz entsprechender Methoden (Brainstorming, usw.)
  • Aufbau von Mitarbeiter-Netzwerken im Unternehmen
  • reibungslosere, weil verständnisvollere Zusammenarbeit in der Folge der Projekte
  • Know-How-Steigerungen bei allen Teammitgliedern
  • Teamorientiertes Arbeiten nach den Regeln des Konsensprinzips
  • Qualitätssteigerungen und Kosteneinsparungen von mindestens 10%, in der Regel aber deutlich darüber (30 bis 50 %).

Organisation der Wertanalyse

Die Wertanalyse beinhaltet folgende drei Systemelemente:

Methode
Der Arbeitsplan ist nach VDI 2803 (früher DIN Norm 69910) vorgegeben. Zielvorgaben bezüglich des Termins, der Qualität und der Kosten sind notwendig. Außerdem wird bereichsübergreifend im Team gearbeitet. Ein erfahrener Moderator mit einer VDI Ausbildung zum Wertanalytiker übernimmt die Moderation und Leitung.
Verhaltensweisen der Projektmitglieder
Die Teammitglieder, nicht mehr als 6-8 Personen, sollten sich alle auf der gleichen hierarchischen Ebene im Unternehmen befinden und einen direkten Bezug zum herzustellenden Erzeugnis haben. Für Sachverhalte, für die das Team keine Kompetenzen hat, werden externe Experten herangezogen.
Zusätzlich wird von Anfang an eine Schulung zur Methodik der Wertanalyse durchgeführt. Ganzheitliches, systemorientiertes Denken ist ein Erfolgkriterium.
Management
Das Management legt die Projektziele (Muss-Ziele) fest. Außerdem schafft es den Mitarbeitern günstige Arbeitsvoraussetzungen und sorgt für die Bereitstellung der Ressourcen. Das Management trifft die entsprechenden Entscheidungen und nimmt eine Vorbildfunktion ein.

Das Zusammenwirken dieser Systemelemente sowie deren gleichzeitige gegenseitige Beeinflussung bestimmen, inwieweit das Ziel einer Optimierung des Ergebnisses erreicht werden kann.

Ablauf der Wertanalyse

Die Wertanalyse beinhaltet 6 Arbeitsschritte nach VDI 2803 (früher DIN 69910). Nach der neuen DIN EN 12973 (Europa-Norm) beinhaltet der Ablauf der Wertanalye jetzt 10 Schritte.

0 Vorbereitung des Projektes; 1 Projektdefinition; 2 Planung; 3 Umfassende Daten über die Studie sammeln; 4 Funktionenanalyse, Kostenanalyse, Detailziele; 5 Sammeln und Finden von Lösungsideen; 6 Bewertung der Lösungs-Ideen; 7 Entwicklung ganzheitlicher Vorschläge; 8 Präsentation der Vorschläge; 9 Realisierung.

  1. Vorbereitung
    Die Differenzierung von Kostenbestimmungsfaktoren kann mittels ABC-Analyse erfolgen. Die Faktoren, die für 80% der Herstellkosten verantwortlich sind, gehören der A-Gruppe an. Die restlichen Kostenbestimmungsfaktoren werden den Gruppen B und C zugeordnet. Die Wertanalyse sollte sich auf die A-Gruppe konzentrieren, denn dort ist das Ersparnispotenzial in absoluten Beträgen am größten.
  2. Ermitteln des IST-Zustandes
    In der Wertanalyse werden die Kosten eines Produktes ausschließlich auf dessen Funktionen bezogen. Funktionen im Sinne der Wertanalyse sind Zwecke, Aufgaben und Wirkungen von Objekten. In dieser Phase erfolgt die Funktionen- und Kostenanalyse.
    • Funktionenbeschreibung
    Die Funktionenbeschreibung ist der Ausgangspunkt für die Ermittlung und für das Suchen von allen denkbaren Lösungen.
    • Funktionenarten
    Die Funktionenarten können wie folgt eingeteilt werden:
    Unter Gebrauchsfunktionen werden jene Funktionen verstanden, die zur technischen und wirtschaftlichen Nutzung des Wertanalyse-Objektes erforderlich sind.
    Geltungsfunktionen sind jene, die die Gebrauchs- oder Nutzungsfunktion eines Objektes nicht wesentlich beeinflussen. Sie erfüllen die geschmacklichen oder prestigeorientierten Ansprüche. Eine Geltungsfunktion ist erforderlich, wenn der Kunde diese zusätzliche Funktion wünscht.
    • Funktionenklassen
    Die Differenzierung nach Haupt- und Nebenfunktionen in der Wertanalyse ermöglicht es, die unbedingt erforderlichen Aufgaben von den nur mittelbar notwendigen zu trennen. Ein Produkt kann dabei mehrere Haupt- und Nebenfunktionen besitzen:
    Die Hauptfunktionen kennzeichnen die eigentlichen Hauptaufgaben oder den Verwendungszweck des Untersuchungsobjektes. Ihre Erfüllung ist unerlässlich.
    Die Nebenfunktionen kennzeichnen weitere notwendige Aufgaben, die dazu beitragen müssen, die Hauptfunktionen zu erfüllen. Sie helfen allerdings oft nur indirekt bei der Erfüllung der Hauptfunktion. In der wertanalytischen Untersuchung sollen daher einerseits Nebenfunktionen weitgehend eliminiert oder durch Zusammenfassung auf ein Mindestmaß zurückgeführt werden, andererseits könnten sie auch als unabwendbare Nebenfunktionen des Produktes erforderlich sein.
    Ziel einer Wertanalyse ist es, die Nebenfunktionen eines Produktes zu verringern, und die unnötigen Funktionen ganz zu eliminieren. Deshalb ist eine gründliche Funktionsanalyse die Basis, von welcher der Erfolg dieser Arbeit abhängig ist.
    • Funktionenkosten
    Die Funktionenkosten sind alle Kosten des Materials, der Fertigung und Montage sowie alle Planungs-, Investitions- und Dispositionskosten, die zur Herstellung des Produkts notwendig sind.
    Sind diese Kosten nicht nur für die betrachteten Funktionen anzusetzen, so sind sie anteilsmäßig zuzurechnen. Durch diese Funktionskostenermittlung sollen Kostenschwerpunkte erkannt und Kostenvergleiche ermöglicht werden. Mittels Funktionenkosten-Matrix lässt sich ermitteln, welche Kostenanteile auf die einzelnen Funktionen entfallen.
    Die Ergebnisse der Funktionenkosten-Matrix geben Aufschluss über das weitere Vorgehen der Wertanalyse.
  3. Prüfen des IST-Zustandes
    Für das Objekt werden Soll-Funktionen ermittelt. Das sind Funktionen, auf die man nicht verzichten kann. Diese Soll-Funktionen werden mit den IST-Funktionen verglichen.
  4. Ermitteln von Lösungen
    Hier werden Lösungen gesucht, wie das Wertanalyse-Objekt alternativ zu gestalten ist, um die Soll-Funktionen realisieren zu können. Es können verschiedene Techniken der Ideenfindung eingesetzt werden, wie z. B. Brainstorming, Brainwriting, Delphitechnik, Kreativitätstechnik.
  5. Prüfen von Lösungen
    In dieser Phase werden die Lösungen des vorigen Schrittes überprüft. Zunächst geht es um die Frage, ob die vorgegebenen Soll-Funktionen erfüllt werden. Anschließend erfolgt die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Ziel ist es, diejenige Lösung zu ermitteln, bei der die vorgegebenen Funktionen mit den geringsten Kosten realisiert werden können.
  6. Verwirklichung von Lösungen
    Bei diesem Teilschritt werden die Lösungen ausgewählt und anschließend verwirklicht.

Ausbildung zur Wertanalyse

Die Ausbildung zur Wertanalyse auf Basis von VDI Seminaren ist in folgende Basiskurse gegliedert:

Seminar Befähigung Abschluss
Wertanalyse-Grundseminar 1 Teilnahme an einem Wertanalyseteam
Wertanalyse-Praktikum Nachweis praktischer Erfahrung
Wertanalyse-Grundseminar 2 Moderation Wertanalyse Wertanalytiker

Fazit

Beurteilung der Wertanalyse

Durch die Wertanalyse lassen sich Kostensenkungen und Leistungsverbesserungen von 20% und darüber erreichen. Die Wertanalyse hat sich über Jahrzehnte (seit 1938) in der Praxis bewährt. Das Ersparnispotenzial ist zumeist hoch, da überflüssige Funktionen eines Produktes erkannt und weggelassen werden.

Probleme der Wertanalyse

Bei der Funktionenanalyse ist es wichtig, einen dem Untersuchungsobjekt und der Zielsetzung angepassten Abstraktionsgrad zu erzielen. Ein zu geringer Grad verfehlt eventuelle Innovationsmöglichkeiten. Ein zu hoher Grad bringt keine oder schwierig zu realisierende Ideen hervor, und ist zudem sehr kosten- und zeitintensiv. Die Wertanalyse ist in ihrer Durchführung zeitaufwendig.

Literatur

  • Bronner/Herr (2003): Vereinfachte Wertanalyse, Berlin:Springer Verlag, ISBN 3-540-43710-X
  • DIN EN 1325-1 (1996): Value Management, Wertanalyse, Funktionenanalyse Wörterbuch - Teil 1: Wertanalyse und Funktionenanalyse, Berlin: Beuth Verlag.
  • Gärtner (1992): Wertanalyse in der Gebrauchs- und Konsumgüterindustrie, Frankfurt: Lang, ISBN 3-631-43211-9
  • Miles (1961): Technique of Value Analysis and Engineering, New York.
  • Pauwels, Marc (2001): "Interkulturelle Produktentwicklung - Produktentwicklung mit Wertanalyse und interkultureller Kompetenz". Aachen, Shaker, 2001 ISBN 3-8265-8431-7
  • VDI-Bericht (2006): Wertanalyse Praxis 2006 - Standort sichern mit Wertanalyse, Düsseldorf: VDI-Verlag, ISBN 3-18-091955-8

DIN EN 12973 (1997) Europa-Norm -Value Management-

Weiterbildung

Dieser Link führt zum Kompetenzfeld Wertanalyse / Value Management der VDI-Gesellschaft Systementwicklung und Projektgestaltung. Das Kompetenzfeld Wertanalyse organisiert die fachlichen Belange der Wertanalyse in Deutschland und vertritt diese in der europäischen Dachorganisation EGB (European Governing Board)

http://www.vdi.de/vdi/organisation/schnellauswahl/fgkf/gsp/organisation/05165/index.php


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Siehe auch