Müllverbrennungsanlage
Eine Müllverbrennungsanlage ist die technische Einrichtung zur Müllverbrennung.
Sie wird auch Müllheizkraftwerk (MHKW), Müllkraftwerk (MKW) oder Müllheizwerk (MHW) genannt, je nach abgegebener Energieform. Die in der Schweiz übliche Bezeichnung lautet Kehrichtverbrennungsanlage (KVA).
Die bei der Verbrennung freiwerdende Wärme wird in der Regel zur Stromerzeugung oder auch zur Fernwärmebereitstellung genutzt. In diesem Fall spricht man von einem Müllheizkraftwerk.
Bauarten
Müllverbrennungsanlage für Haus- und Gewerbemüll
Eine Müllverbrennungsanlage (MVA) besteht beispielsweise aus
- einer Wiegestation, zur Ermittlung des Abfallgewichts durch eine Eingangs- und Ausgangswiegung
- einer Müllentladehalle, in der der Müll über Rutschen in den Müllbunker befördert wird
- einem Müllbunker, der zur Zwischenlagerung und Homogenisierung des Mülls dient
- einem Greifkran, über den der Müll in den Aufgabetrichter gegeben wird
- einem Verbrennungsraum, in dem der Müll verbrennt
- einem Verbrennungsrost, über den sich der Müll bewegt und verbrennt
- einem Entschlacker, in den die Schlacke fällt und in den Schlackebunker transportiert wird
- einem Dampferzeuger, in dem mittels der heißen Rauchgase Dampf erzeugt wird, der die Turbine antreibt und über einen Generator elektrischer Strom erzeugt wird oder der als Fernwärme zum Heizen von Haushalten genutzt wird.
- einem Oberflächenfilter, mit dem Staub abgeschieden wird
- einem HCl-Wäscher, zum Auswaschen von Salzsäure.
- einem SO2-Wäscher, in dem durch Zugabe von Kalkmilch das im Rauchgas enthaltene Schwefeldioxid ausgewaschen wird.
- einem Elektrofilter, in dem noch eventuell vorhandener Staub entfernt wird
- einem Schornstein, durch den die gereinigten Rauchgase, an die Außenluft abgegeben werden.
Feuerung
Die Temperatur im Verbrennungsraum kann je nach System mehr als 1000 °C betragen, wobei eine Temperatur von mindestens 850 °C eingehalten werden muss. Um die Freisetzung von Dioxinen und anderen unerwünschten toxischen Verbindungen zu verhindern, werden die Rauchgase nochmals „nachverbrannt“, so dass eventuell entstandene Dioxine zerfallen.
In Müllverbrennungsanlagen für Haus- und Gewerbemüll werden ausschließlich Rostfeuerungen verwendet. Diese Feuerungen haben den Vorteil, dass keine Aufbereitung des Mülls erforderlich ist. Es werden Walzenroste, Vorschubroste oder Rückschubroste eingesetzt. Aus dem Bunker wird der Müll in den Aufgabeschacht gefüllt und über eine Schleuse auf den Rost geleitet. In der ersten Zone findet eine Ausgasung des Mülls statt. Wasser und leichter siedende Stoffe gasen aus. Es folgt die Verbrennungszone, die sich durch starke Flammenbildung auszeichnet. Den letzten Teil des Rostes bildet die Nachverbrennungszone. Die von unterhalb des Rostes zugeführte Primärluft und oberhalb zugeführte Sekundärluft haben einen wesentlichen Einfluss auf die Verbrennung und die Bildung der Reaktionsprodukte. Mit der Primärluft wird eine unvollständige Verbrennung auf dem Rost eingeleitet. Die Luftmenge wird so optimiert, dass ein guter Ausbrand bei geringer Stickoxidbildung erreicht wird. Die Nachverbrennung der Radikale (Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe) findet in der Nachverbrennungszone durch Zuführung der Sekundärluft statt. Die Verbrennungsluftmengen können zonenweise geregelt und die Mengen werden entsprechend der Rauchgasanalyse (CO, NOx, Luftüberschuss) geregelt. Der gesamte oder untere Abschnitt des ersten Zuges des Dampfkessels wird ausgemauert, um den Wärmeübergang zu begrenzen und die Rohrwände vor Korrosionen bei hohen Temperaturen zu schützen. Durch den reduzierten Wärmeübergang hat das Rauchgas über eine längere Zeit eine hohe Temperatur, und somit findet eine Nachverbrennung und Zersetzung der Dioxine statt. Stützbrenner (Gas- oder Ölbrenner) werden nur in seltenen Fällen beim Anfahren oder bei schlechten Müllheizwerten gezündet. Alternativ werden dem angelieferten Müll Ersatzbrennstoffe, wie nicht recyclebare Kunstofffolien oder Holzteile aus dem Sperrmüll, zugesetzt.
Sondermüllverbrennungsanlagen
Für die Verbrennung von Sondermüll, für die hohe Temperaturen notwendig sind, werden Drehrohröfen eingesetzt. Bei der Technik wird der Müll in das obere Ende eines schräg stehenden sich langsam drehenden Rohres gegeben. Die Länge eines solchen Drehrohrofens kann bis zu 120 m betragen, der Durchmesser liegt zwischen vier und fünf Metern. Dieses Rohr ist mit feuerfesten Steinen ausgekleidet, um eine hohe Temperatur von 1000–1300 °C aufrecht zu erhalten. Die Auskleidung schützt den äußeren Stahlmantel vor Korrosionen und vor einer unzulässig hohen Temperatur.
Bei der Wirbelschichtverbrennung wird in den Boden des Ofens ein Düsenbett eingebaut (also eine Platte, die mit vielen Luftdüsen bestückt ist). Durch diese Düsen wird Verbrennungsluft nach oben geblasen. Dazu kommt Sand, der durch die Luft nach oben gewirbelt wird und ein so genanntes Wirbelbett bildet (Fluidisierung des Sandes). Nach Aufheizen des Ofens mittels Zündbrennern wird der Müll aus einigen Metern Höhe von der Seite aus auf das Wirbelbett geworfen und dort verbrannt. Bei einer guten Steuerung von Luft- und Müllzufuhr wird der Müll in der Schwebe gehalten (ebenfalls fluidisiert) und bei Temperaturen von etwa 800°C verbrannt. Der Austrag der Asche erfolgt je nach Gewicht über den Ofenabzug nach oben oder durch Schächte nach unten. Durch die geringen Temperaturen entstehen relativ wenig Stickoxide.
Emissionen
Da bei der Verbrennung des Mülls nicht bekannt ist, welche Inhaltsstoffe in welchen Mengen zu einem bestimmten Zeitpunkt verbrannt werden (kritisch sind beispielsweise PVC, Batterien, Lacke etc.), variiert die Zusammensetzung des Rauchgases und der Asche. Bei der Verbrennung entstehen neben Kohlendioxid und Wasser auch Kohlenmonoxid, Schwefeloxide, Stickoxide, aber auch Chlorwasserstoffsäure und Fluorwasserstoff sowie schwermetallhaltige Stäube. In sehr geringen Konzentrationen entstehen auch hochtoxische Stoffe wie polychlorierte Dioxine und Furane. In der Vergangenheit wurde für die Ausbreitung der letztgenannten Stoffe in der Umwelt die Müllverbrennung ursächlich verantwortlich gemacht[1], jedoch stellte eine Studie des Bundesumweltministeriums in 2005 fest, dass diese Aussage nicht mehr aktuell ist („Kamen 1990 ein Drittel aller Dioxinemissionen aus Müllverbrennungsanlagen, waren es im Jahr 2000 weniger als 1 %“[2]).
Für Müllverbrennungsanlagen gilt das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und seine Verordnungen. Speziell die Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen (kurz: 17. BImSchV) beinhaltet besondere Anforderungen an die Auslegung der Feuerung und gibt die Grenzwerte für zulässige Emissionen vor. Die Emissionen müssen kontinuierlich überwacht und die Messergebnisse online an die zuständigen Behörden übertragen werden. Die 17. BImSchV nennt in § 5 und im Anhang neben den Grenzwerten auch zugehörige Berechnungsmethoden für die Bewertung der Emissionen.[3] Seit dem Inkrafttreten der europäischen Verbrennungsrichtlinie[4] gelten für Müllverbrennungsanlagen und Mitverbrennungsanlagen (z. B. Kraftwerke, Zementwerke) die gleichen Emissionsgrenzwerte und die 17. BImSchV[5] musste entsprechend überarbeitet werden. Gleichwohl werden die gesetzliche Gleichbehandlung und auch die grundsätzlichen Vor- und Nachteile des Mülleinsatzes in Mitverbrennungsanlagen von Befürwortern und Gegnern kontrovers diskutiert, wobei unter anderem auch Ökobilanzen zur Bewertung herangezogen werden.
Aschen, Schlacken und Stäube
Zu den festen Rückständen von diesen Anlagen, ca. 30% der zu verbrennenden Abfallmenge, zählen Aschen und Schlacken der Abfallverbrennung sowie Abfälle aus der Rauchgasreinigung und der Abwasserreinigung und Filterstäube. 70% werden über den Rauchfang in die nähere und weitere Entfernung als Gase, Stäube und Rauchpartikel verteilt. Der mit Abstand grösste Teil dieser Gase machen jedoch die unbedenklichen H2O und CO2 aus. In Österreich lagen die maximale Behandlungskapazität der großen Abfallverbrennungsanlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen und der heizwertreichen Fraktion bis Ende 2004 bei rund 1,6 Mio. t/a. 2003 fielen aus der Verbrennung von Siedlungsabfällen (ohne Anlagen zur Verbrennung von gefährlichem Abfall) rund 190.000 t Grobasche (Schlacke) und 88.000 t Flugasche an. Diese Mengen dürften sich bis zum Jahr 2010 auf rund 314.000 t/a Grobasche (Schlacke) und rund 170.000 t/a Flugasche erhöhen.
Eine große Menge als "gefährlich" eingestufter Abfall, der in Österreich wegen der Vielzahl an Schadstoffen und dem Ab- oder Herauslösen derselben durch Wasser, nicht als Baumaterial verwendet werden darf, sondern entsprechend der Deponieverordnung nachbehandelt oder untertage deponiert werden muss.[6]
In Deutschland werden die Verbrennungsschlacken mit den aufkonzentrierten Schadstoffen teilweise deponiert, jedoch häufiger als Füllmaterial in Straßenbau und Salzstöcken verwendet. Filterstäube und die getrockneten Rückstände aus der chemischen Rauchgasreinigung werden in Deutschland fast ausschließlich in Salzbergwerken eingelagert.
Errichtete Müllverbrennungsanlagen im deutschsprachigen Raum
Deutschland

Die erste Müllverbrennungsanlage Deutschlands wurde ab 1893 am Hamburger Bullerdeich errichtet. 1894 begann der Probebetrieb, 1896 wurde der reguläre Betrieb aufgenommen.
Bis 1998 wurden in Deutschland 53 Müllverbrennungsanlagen errichtet. Die Zahl stieg bis 2003 auf 61 an. Die Planung sieht in naher Zukunft vor, weitere 15 Anlagen zu bauen, hauptsächlich in Ostdeutschland (insgesamt dann 75).
Schweiz
In der Schweiz gibt es momentan 28 Kehrichtverbrennungsanlagen.[7] Im italienischsprachigen Kanton Tessin fehlte bisher eine Anlage, weshalb der Kehricht entweder in andere Kantone gebracht oder vorübergehend abgelagert worden ist. In Giubiasco wird eine neue Anlage gebaut und im Jahre 2009 in Betrieb genommen. Aufgrund ungenügender Kapazitäten in Süddeutschland wird ein Teil des dort anfallenden Mülls an die Ostschweizer Kehrichtverbrennungsanlagen geliefert.
Österreich
In der Hauptstadt Wien existieren drei große Müllverbrennungsanlagen, Spittelau, Simmeringer Haide und Flötzersteig. Die von Wien Energie betriebenen Werke produzieren neben rund 116 GWh elektrische Energie rund 1.220 GWh an Fernwärme, wobei 550.000 t Hausmüll, 180.000 t Klärschlamm und 90.000 t Sondermüll verbrannt werden. Dabei entstehen 190.000 t Asche, Schlacke, Schrott und Filterkuchen. Weitere Anlagen befinden sich in Wels, Zwentendorf/Dürnrohr, Lenzing, Niklasdorf und Arnoldstein (Stand 2005).
Siehe auch
Literatur
- Heuel-Fabianek, B.: Standortsuche für Abfallbehandlungsanlagen in Ballungsräumen. in: Umweltverträglichkeit in der Abfallwirtschaft (Hrsg.: Heuel-Fabianek, B., Schwefer, H.-J., Schwab, J.), S. 71 - 87 (2005), Springer-Verlag, ISBN 3-540-63732-X
- Stormanns, B.: Bewertungsmaßstäbe zur Umweltverträglichkeit von thermischen Abfallbehandlungsanlagen. in: Umweltverträglichkeit in der Abfallwirtschaft (Hrsg.: Heuel-Fabianek, B., Schwefer, H.-J., Schwab, J.), S. 89 - 110 (2005), Springer-Verlag, ISBN 3-540-63732-X
Weblinks
- Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e.V.
- Verband der Betriebsleiter und Betreiber Schweizerischer Abfallbehandlungsanlagen
- Confederation of European Waste-to-Energy Plants
Quellen
- ↑ Greenpeace Österreich: Müllverbrennung und Gesundheit (Langfassung)
- ↑ BMU-Studie zur Müllverbrennungssituation in Deutschland
- ↑ http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschg/gesamt.pdf
- ↑ http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/eg_verbr.pdf#search=%22verbrennungsrichtlinie%20eu%22
- ↑ http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl103s1633.pdf
- ↑ Umweltbundesamt Österreich: Abfallvermeidung und Verwertung: Aschen, Schlacken und Stäube in Österreich, Wien 2005 [1]
- ↑ http://www.vbsa.ch/index.html?&page_id=21