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Geisterbahnhof

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Der wiedereröffnete ehemalige Geisterbahnhof Potsdamer Platz

Ein Geisterbahnhof ist ein Bahnhof, der nicht mehr in Betrieb aber baulich auch noch nicht verfallen ist. Dazu gehören vor allem unterirdische Bahnhöfe, die besonders unheimlich wirken, wenn sie schwach beleuchtet sind.

Geisterbahnhöfe in Berlin

In Berlin waren vor allem die Tunnelbahnhöfe der S- und U-Bahn Geisterbahnhöfe, an denen während der Teilung der Stadt (1961 bis 1990) West-Berliner Linien ohne Halt unter Ost-Berliner Gebiet durchfuhren. Bedingt war dies durch die Lage des Bezirks Mitte, der zum Ostteil der Stadt gehörte und im Norden, Westen und Süden an West-Berlin grenzte. Er wurde durch zwei U-Bahn-Linien (U6, U8) und eine S-Bahn-Tunnelstrecke (S1, S2) durchschnitten, die also vom Westteil durch den Ostteil wieder in den Westteil fuhren. Eine vierte West-Linie nach Ost-Berlin war die oberirdische Berliner Stadtbahn (damals S3) mit dem Endbahnhof Friedrichstraße. An ihr gab es keinen Geisterbahnhof, da zwischen ihrer Endstation in Ost-Berlin und dem letzten Bahnhof in West-Berlin (Lehrter Stadtbahnhof) kein weiterer Haltepunkt lag.

Der Name spielt auf das schaurige Gefühl an, das vor allem West-Berliner Fahrgäste bekamen, wenn sie in lediglich schneller Schrittgeschwindigkeit durch einen kaum beleuchteten, aber sichtbar bewachten Bahnhof fuhren. Die Fahrgäste der U-Bahn wurden an den Grenzbahnhöfen informiert: „Voltastraße. Letzter Bahnhof in Berlin-West. Letzter Bahnhof in Berlin-West.“ Nach der beklemmenden Durchfahrt von 6 Bahnhöfen und der Unterfahrung des Zentrums Ostberlins wurde dann der nächste Halt Moritzplatz erreicht.

Liste der Geisterbahnhöfe einschl. der letzten Bahnhöfe im Westteil

Besondere Bahnhöfe

Nur am Bahnhof Friedrichstraße hielten die Züge, er war also eigentlich kein Geisterbahnhof. Hier konnten West-Berliner Fahrgäste ohne Grenzkontrollen zwischen der U6, der S1/S2 (Nord-Süd-Tunnel) und der S3 (Berliner Stadtbahn) umsteigen oder zur Fernbahn gelangen. Dazu wurde der in Ost-Berlin gelegene Bahnhof in einen Ost- und West-Bereich geteilt und diente mit dem sogenannten Tränenpalast auch als Grenzübergangsstelle. Der Ostbereich war normaler Teil des Binnenverkehrsnetzes der DDR (S-Bahn). Der Westbereich war hermetisch vom umgebenen Ost-Berlin abgetrennt, vergleichbar mit der Transithalle internationaler Flughäfen. Die einzigen Möglichkeiten, ihn zu verlassen, waren das Besteigen einer Bahn Richtung West-Berlin, oder das Durchqueren der DDR-Passkontrolle in Richtung Ost-Berlin. Der U-Bahnsteig konnte nur über einen langen Verbindungsgang vom unterirdischen S-Bahnsteig aus erreicht werden, alle Ausgänge waren zugemauert. Auf den Bahnsteigen der S- und U-Bahn wurden Intershop-Verkaufsstellen mit speziellen Angeboten für West-Berliner - insbesondere zollfreie Spirituosen und Zigaretten - betrieben.

Als Geisterbahnhof könnte auch der Bahnhof Bornholmer Straße bezeichnet werden. Er lag noch knapp auf Ost-Berliner Gebiet an der S2 zwischen Gesundbrunnen und Wollankstraße, war jedoch kein Tunnelbahnhof. Auch hier hielten die Züge nicht, obwohl das Empfangsgebäude am Grenzübergang Bornholmer Straße noch für West-Berliner zugänglich war. Vor dem Mauerfall gab es auch Planungen, ihn für West-Berliner zu öffnen.

Eine andere Besonderheit war der Bahnhof Wollankstraße, der vollständig im Ostsektor lag, dessen westlicher Rand jedoch die Sektorengrenze bildete. Er war in Betrieb, hatte einen geöffneten Ausgang zum Westsektor und konnte daher vom Westteil aus ohne Kontrolle benutzt werden. Die Mauer verlief unmittelbar östlich des Bahnhofs, seine Zugänge Richtung Ost-Berlin waren versperrt.

Wiedereröffnungen

Der erste wiedereröffnete Geisterbahnhof war Jannowitzbrücke (U8), auf dem am 11. November 1989 - zwei Tage nach dem Mauerfall - wieder Züge hielten. Er wurde provisorisch mit handgezeichneten Zugzielanzeigen ausgestattet, sowie ähnlich wie im Bahnhof Friedrichstraße eine provisorische DDR-Passkontrolle auf der Mittelebene eingerichtet. Am 22. Dezember 1989 folgte als zweiter Bahnhof Rosenthaler Platz (U8) mit einer ebenso provisorisch eingerichteten Passkontrolle.

Der dritte Bahnhof war Bernauer Straße (U8) am 12. April 1990. Es wurde zunächst jedoch nur sein nördlicher Ausgang geöffnet, der direkt an West-Berlin grenzte, so dass die Einrichtung einer Grenzkontrolle nicht nötig war. Der südliche Ausgang wurde gleichzeitig mit den restlichen Bahnhöfen der U6 und U8 am 1. Juli 1990 geöffnet, dem Tag der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen den beiden deutschen Staaten, an dem auch alle Grenzkontrollen fielen.

Am 2. Juli folgte dann Oranienburger Straße als erste S-Bahn-Station. Nach notwendiger Renovierung folgten am 1. September 1990 die Stationen Unter den Linden und Nordbahnhof. Der Bahnhof Bornholmer Straße folgte am 12. Dezember 1990, zunächst nur am Bahnsteig für Westlinien. Für die Ost-Berliner Linien wurde ein zweiter provisorischer Bahnsteig am 5. August 1991 dem Verkehr übergeben. Als letzter Geisterbahnhof wurde am 3. März 1992 Potsdamer Platz nach einer umfangreichen Sanierung des Nord-Süd-Tunnels dem Verkehr übergeben.

Siehe auch

Literatur

  • Heinz Knobloch: Geisterbahnhöfe. Westlinien unter Ostberlin. Ch. Links Verlag, ISBN 3-86153-034-1