St. Michael (Berlin-Mitte)
Die 1851 erbaute Sankt-Michaelskirche gehört neben der 1831 erbauten Sankt-Hedwigskathedrale zu den ältesten katholischen Berliner Kirchbauten und wurde während des Zweiten Weltkriegs teilweise zerstört. Theodor Fontane bezeichnete sie in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" als Berlins schönste Kirche. Die auf der Grenze zwischen Berlin-Mitte und Kreuzberg gelegene Kirche gilt als eine brillante Umsetzung des für Karl Friedrich Schinkel typischen Rundbogenstils durch seinen Schüler Johann August Carl Soller (* 14.03.1805 Erfurt, † 06.11.1853 Berlin). Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Lage
Die Sankt-Michaelskirche liegt auf dem Michaelkirchplatz am Engelbecken, das zum Luisenstädtischen Kanal gehört. Nachdem der 1926 teilweise zugeschüttete Kanal, durch dessen Rundbogen bis zur Wende die Berliner Mauer verlief, wieder zur Grünfläche und Flanierstrecke umgewandelt wurde, bot sich aus südlicher Richtung ein wunderbarer Ausblick zur Sankt-Michaelskirche. Doch erst der Fall der Mauer öffnete die Sichtachse wieder, so dass die Kirche heute ihre ursprüngliche städtebauliche Idee wieder erfüllt und den Akzentpunkt des Luisenstädtischen Kanals bildet. Vom Michaelkirchplatz zur Spree über die sehr alte Köpenicker Straße verläuft die Michaelkirchstraße. In unmittelbarer Nähe stehen das ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Verbandshaus der Gewerkschaften und das St.-Marien-Stift. Der Michaelkirchplatz gehört zum Stadtbezirk Berlin-Mitte.
- Adresse: Michaelkirchplatz 15, 10179 Berlin
- Verkehrsverbindung: Bus 147 oder U8 Heinrich-Heine-Straße
Architektur
Aussehen
Die dreischiffige Backsteinkirche ist 55 m lang und 30 m hoch. Die drei Langschiffe werden jeweils duch eine Apsis abegrundet, was eher ungewöhnlich ist. Überragt wird die Kirche noch heute von der 56 m hohen Kuppel, die auf dem mit Rundbogenarkaden verzierten Tambour thront, der sich über die Vierung erhebt. Das Querschiff ist mit Tonnengewölben überdeckt. Die Kirche ist eine Hallenkirche, daß heißt die drei Langschiffe waren vor der Zerstörung gleichhoch.
architektonische Einordnung
Die Kirche gilt als gelunge Synthese zwischen klassizistischer und mittelalterlicher Architektur. In historistscher Manier bedient sie sich vielfältig vergangener Stilepochen. Soller orientierte sich in seinem Bau an mittelalterlichen Backsteinkirchen aus der Lombardei. Außerdem sind bei der Kirche, die ohne Turm auskommt, Anleihen an der Renaissance-Architektur unverkennbar. Die Fassade mit dem filigranen Erzengel auf der Spitze erinnert an florentinische Renaissancekirchen, z.B. den Dom Santa Maria del Fiore. Der Grundriss hingegen, mit seinen drei Aspiden, und dem ausgedehnten Langhaus orientiert sich stark an der Kirche San Salvador in Venedig. Das Querschiff ist mit Tonnengewölben überdeckt. Die Verbindung von Zentralbau und Langhaus gilt als entwicklungsgeschichtlich bedeutsam für mehrere Berliner Nachfolgebauten.
Geschichte
Bau (1851–1859)
Der protestantische König Friedrich Wilhelm IV. genehmigte den Bau der zweiten katholischen Kirche Berlins, die am Anfang vor allem als Garnisonskirche geplant war. Sie sollte den in Berlin lebenden katholischen Soldaten eine religiöse Heimat geben und die Sankt-Hedwigskathedrale entlasten. Der Weihung der Kirche auf den Erzengel Michael geht auf den König zurück, der schon die Michaelstraße (heute: Michaelkirchstraße) benannt hatte und so die Baukommision zu dem Entschluss brachte, auch die Kirche nach dem Erzengel Michael – dem Schutzpatron des Kriegsheeres – zu taufen. Den Bau übernahm der Schinkelschüler August Soller, der zeitgleich den Turm der nahe gelgenen Luisenstädtischen Kirche plante. Drei Jahre vor der Fertigstellung des Baus im Jahre 1856 starb Soller und wurde in der von ihm entworfenen Kirche beigesetzt. Nachdem die Finanzierung der Kirche zwischenzeitlich ins Stocken geraten war, vollendeten Andreas Simons und Richard Lucae den Bau in seinem Sinne. Die Michaelfigur auf der Eingangsfassade stammt von August Karl Eduard Kiss (* 1802, † 24.03.1865), wurde jedoch nicht speziell für die Sankt-Michaelskirche entworfen.
Von der Militär- zur Zivilgemeinde
Nach Einweihung der Kirche 1861 wurde eine Militärgemeinde für 3000 katholische Soldaten gegründet. Zwei Jahre später kam eine Zivilgemeinde hinzu, die immer mehr wuchs, bis die Kirche 1877 schließlich ganz in deren Besitz überging. 1888 wurde die Zivilgemeinde zur Pfarrei erhoben. Mit der Besiedlung der Umgebung der Kirche, die bei Baubeginn 1851 noch weitgehend Heideland war, prosperierte die Gemeinde. Waren es bei Gründung der Zivilgemeinde noch 6000 Mitglieder, gehörten ihr zur Jahrhundertwende schon 20.000 Katholiken an, die sich Michaeliten nannten.
Soziale Konflikte und soziales Engagement
Die Luisenstadt genannte Gegend um die Sankt-Michaelskirche mit ihren vielen Mietskasernen war damals ein sozialer Brennpunkt. So kam es am 26. Februar 1892 zu Ausschreitungen und Plünderungen durch Arbeitslose, die Geschäfte überfielen. Wohlhabende Gemeindemitglieder bemühten sich um die Gründung von Hilfsvereinen, um die Probleme zu dämpfen. 1888 kamen Marienschwestern aus Breslau in die Gemeinde und gründeten 1909 das Marienstift, das sie bis 1995 betreuten. Zu dem Marienstift gehörten auch soziale Einrichtungen wie eine ambulante Krankenpflege, ein Kindergarten sowie Unterkünfte für Dienstmädchen. Der seliggesprochene Bernhard Lichtenberg war von 1903–1905 Kaplan an St. Michael. Das soziale Engagement der Kirche wurde 1917–1926 von Maximilian Kaller ausgebaut. Er band unter dem sogenannten Laienapostolat auch Gemeindemitglieder in die Seelsorgearbeit ein.
Ein Freibad vor der Kirche?
Als der Luisenstädtische Kanal 1926 wieder zugeschüttet wurde, sollte das nach der Michaelfigur auf der Kirche benannte Engelbecken in ein Freibad verwandelt werden. Dies empörte Berlins Katholiken, die durch den bevorstehenden Badespaß vor ihrer Tür die Störung ihrer Andacht fürchteten. Mit Hilfe der Zentrumspartei wurde der Plan im Preußischen Landtag schließlich verhindert und das Engelbecken zu einem Schwanenteich mit Grünanlage ausgebaut.
Kriegszerstörung
Im letzen Kriegsjahr des Zweiten Weltkriegs, am 3. Februar 1945, wurde die Luisenstadt und auch die Sankt-Michaelskirche durch Bombenangriffe und Brände schwer zerstört. Dabei wurde auch die Orgel vernichtet, die als eine der schönsten und größten Orgeln in einer katholischen Kirche Berlins galt. Die Umfassungsmauern und die Kuppel sowie die Front blieben jedoch erhalten.
Mit den Gottesdienst wich man nun in das Marienstift aus. Unter dem Pfarrer Franz Kusche wurden die Apsis, die Sakristei und das Querschiff wiederaufgebaut, so dass 1953 erstmals wieder Gottesdienste gehalten wurden. Über dem Altar stand die vielsagende Inschrift „Wer ist wie Gott“, eine Übersetzung des hebräischen Namens Michael, geschrieben. 1957 wurden drei neue Glocken und 1960 nach dem Bau einer Orgelempore eine neue Orgel eingeweiht.
Mauerbau und Teilung der Gemeinde
Mit dem Bau der Mauer 1961, der quasi vor der Tür stattfand, wurde die Gemeinde in die Ostmichaeliten und die nun heimatlosen Westmichaeliten zerrissen. Das hundertjährige Kirchenweihjubiliäum im Oktober 1961 wurde getrennt gefeiert. 1984 zog das Pfarrhaus aus der Michaelkirchstraße aus und in das 1985–1988 in der Kirchruine als Flachhaus gebaute Pfarrhaus ein. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde der Glockenturm saniert und die restaurierte Figur des Erzengels Michael wieder auf den Turm gesetzt. Die Malereien über dem Portal wurden 1999 restauriert. Dennoch bleibt das Längsschiff bis heute ohne Dach. Gottesdienste werden im Querschiff abgehalten.
Die Kirche heute
Am 7. März 2001 wurde der „Förderverein zur Erhaltung der katholischen Kirche St. Michael Berlin-Mitte e.V.“ gegründet, der die Erhaltung der Kirche und die mit ihr verbundenen Aktivitäten unterstützen soll. Am 31. Oktober 2003 wurde die Pfarrei St. Michael aufgelöst und in die Pfarrei St. Hedwig eingegliedert. Die Kirche ist somit keine Pfarrkirche mehr, wird aber noch immer für Gottesdienste genutzt. Die Kirche wird neben den deutschen Gottesdiensten auch von einer polnischer Gemeinde für polnische Gottesdienste genutzt. Ende 2003 einigte man sich im Rahmen des Projekt Jugendkirche darauf, die Sankt-Michaelskirche im Erzbistum Berlin zur Jugendkirche auszubauen. Mit eigenen Veranstaltungen und einem an Jugendlichen orientierten Gottesdienst versucht das Projekt jüngere Menschen mit dem Christentum zu erreichen.
Gottesdientzeiten:
- Dienstags: 9:00
- Freitags: 18:30
- Sonntags: 9:30/18:00 (polnisch)
Literatur
- Bohle-Heintzenberg, Sabine: Architektur und Schönheit. Die Schinkel-Schule in Berlin und Brandenburg. ISBN 3887471210
- Eberhardt, Frank; Stefan Löffle u. andere: Die Luisenstadt. ISBN 3-89542-034-9