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Gleichschaltung

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Gleichschaltung bezeichnet allgemein die teils erzwungene, teils freiwillige Vereinheitlichung aller Gesellschaftsbereiche in totalitären Staaten. Im engeren Sinne bezeichnet man damit die Entmachtung, Eingliederung und zentrale Lenkung bestehender gesellschaftlicher und staatlicher Organisationen durch totalitäre Parteien und Regierungen. Diese gestalten das Staats- und Gesellschaftssystem dann in der Regel entsprechend der eigenen Parteigliederung um und richten es nach ihrer Ideologie aus, um Staat und Gesellschaft verschmelzen zu lassen. Als Paradebeispiel dafür gilt die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland von 1933 bis 1945.

Begriff

Der Begriff Gleichschaltung entstammt ursprünglich der Elektrotechnik. Seine politische Bedeutung erhielt er durch den NS-Reichsjustizminister Franz Gürtner. Der deutschjüdische Autor und Zeitzeuge Victor Klemperer nahm ihn als typische Wortprägung der Nationalsozialisten in seine Lingua Tertii Imperii auf.

Nationalsozialistische Gleichschaltung von 1933 bis 1945

Länder

Sofort nach dem 30. Januar 1933 begann die Machtergreifung Hitlers und die Nationalsozialisten mit der Umsetzung ihrer Ideologie in Bezug auf das Staatssystem. Der erste Schritt dazu war „die Gleichschaltung des politischen Willens der Länder“ (so Adolf Hitler am 12. März 1933 in München). Dies bedeutete die Aufhebung des Weimarer Föderalismus. Nach den letzten „freien“ Reichstagswahlen am 5. März 1933, bei denen die NSDAP 43,9 Prozent erreichte, ergriffen die Nationalsozialisten noch am Wahlabend in Hamburg, Lübeck und Hessen die Macht, bis zum 9. März auch in Sachsen, Württemberg, Baden und Bayern. In den übrigen Ländern waren bereits regulär NS-geführte Regierungen an der Macht. Das größte Land Preußen war schon am 20. Juli 1932 (RGBl. I S. 377) durch die Reichsregierung übernommen worden („Preußenschlag“).

Legalisiert wurden die Machtübernahmen über § 2 der Reichstagsbrandverordnung (RtBVO), wonach die Reichsregierung in die Kompetenzen der Länder eingreifen konnte, sofern diese nicht für Ordnung und Sicherheit sorgen konnten. Dies vollzog sich nach immer demselben Schema. SA-Trupps und Schaulustige demonstrierten und schufen so eine „revolutionäre“ Atmosphäre, die Reichsinnenminister Wilhelm Frick über die Einsetzung eines Reichskommissars nach § 2 RtBVO „bekämpfte“. Dieser Reichskommissar übernahm anschließend die Regierungsgeschäfte.

Nur in Bayern ereigneten sich nennenswerte Abwehrversuche. So planten bayerische Monarchisten, den Kronprinzen der Wittelsbacher, Rupprecht von Bayern, zum König auszurufen, um Bayern vor Hitlers Eingreifen zu schützen. Dies scheiterte jedoch an der streng legalistischen Gesinnung des Ministerpräsidenten Heinrich Held. Als gesetzliche Grundlage dienten nachträglich das vorläufige Gleichschaltungsgesetz vom 31. März 1933 (RGBl. I, S. 153), das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 (RGBl. I, S. 173) und das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 (RGBl. I, S. 75).

Verbände und Interessengruppen

Andere Formen der Gleichschaltung mit ähnlichen pseudo-legalen Gewaltmitteln wurden praktisch auf alle gesellschaftlichen Gruppen und Vereinigungen, insbesondere auch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Parteien, Interessenverbände, Jugendverbände, die Justiz usw. angewandt. Diese wurden entweder verboten oder in entsprechende NS-Organisationen überführt oder folgten freiwillig der nationalsozialistischen Bewegung. Mitglieder der Verbände wurden damit automatisch Mitglieder der NS-Organisationen. Damit wurden auch unpolitische Menschen, z. B. die im ADAC organisierten Kraftfahrer im gleichgeschalteten Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps (NSKK), erfasst und ideologisch beeinflusst. Auf diese Weise gelang es der NSDAP, die gesamte Gesellschaft zu durchdringen.

Andere Beispiele sind der „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“, der 1934 gleichgeschaltet wurde, sowie die Studentenverbindungen, die entweder aufgelöst oder als sogenannte Kameradschaften dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) angegliedert wurden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Gleichschaltung der Medien, insbesondere der Zeitungen und Zeitschriften. Die Pressefreiheit war damit ausgeschaltet.

Weitere Beispiele:

Justiz

Ein erster Eingriff in die Justiz war ebenfalls die Reichstagsbrandverordnung. Das wichtigste Mittel zu ihrer Gleichschaltung waren Entlassungen, Versetzungen, Beförderungen und Auswahl neuer Richter. Die Gerichte wurden 1935 dem Justizministerium unterstellt, welches den Gerichten seine Wünsche mitteilte. Bereits im März 1933 wurden Sondergerichte für politische Straftaten gebildet, 1934 entstand der Volksgerichtshof. Beim sogenannten Röhm-Putsch "entfernte" Hitler vorallem Mitglieder der SA als innerparteiliche Konkurrenz. Anlass war ein vermeintlicher Putschversuch des SA-Führers Röhm. Hitler erließ im Nachhinein ein Gesetz zur Legalisierung seines Vorgehens.Mit der Zeit wurden die Einspruchsmöglichkeiten eingeschränkt und unerwünschte Urteile von der SS und Gestapo "korrigiert", deren Maßnahmen konnten ausdrücklich nicht gerichtlich überprüft werden. Die 5. Verordnung zur Ergänzung des Kriegssonderstrafrechts vom 5. Mai 1944 erlaubte die Anwendung jeder Strafe, wenn der regelmäßige Strafrahmen nach gesundem Volksempfinden zur Sühne nicht ausreicht.

Gesetze

Siehe auch

Literatur

  • Karl Dietrich Bracher u.a. (Hrsg.): Die nationalsozialistische Machtergreifung.
  • Martin Broszat: Der Nationalsozialismus. Weltanschauung, Programm und Wirklichkeit
  • Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik (zu den Voraussetzungen der Selbstgleichschaltung)