Gotthard-Basistunnel

Der Gotthard-Basistunnel ist ein im Bau befindlicher Eisenbahntunnel in der Schweiz. Nach Fertigstellung im Jahr 2016 wird er mit 57 km (Weströhre: 56'978 m, Oströhre: 57'091 m) der längste Tunnel der Welt sein. Mit allen Quer- und Verbindungsstollen werden insgesamt 153,5 km Tunnelstrecke gebaut.
Geschichte und Bedeutung
Nach ersten Überlegungen 1947 plante ab 1962 eine Studiengruppe des Eidgenössischen Departements des Innern einen Basistunnel durch das Gotthardmassiv. Hintergrund waren der immense Anstieg des Verkehrsaufkommens und die schwierige Alpenquerung. 1992 wurde der Beschluss für die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) verabschiedet. Nach vielen Planungsänderungen begann der Anstich des Tunnels am 4. November 1999.
Er wird nach Fertigstellung (voraussichtlich 2014) der längste Tunnel der Welt sein. Er soll in Verbindung mit dem Zimmerberg-Basistunnel und dem Ceneri-Basistunnel die Fahrzeit Zürich–Mailand durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen (200 bis 250 km/h) um über eine Stunde verkürzen (derzeit 3 h 40 min) und wird damit nicht nur zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz zum Auto/LKW, sondern auch zum Flugzeug.

Durch den Gotthard-Basistunnel soll die Transportleistung auf der Schweizer Nord-Süd-Achse auf 40 Mio. Tonnen Güter nahezu verdoppelt werden. Dies wird möglich durch die sogenannte Flachbahn. Heute verhindern die Steigung und die engen Kurvenradien der Steigungstunnel das Befahren der bestehenden Strecke mit schweren Güterzügen. Zudem müssen jeweils mehrere Lokomotiven eingesetzt werden, die die maximal 2000 Tonnen schweren Züge das Urner Reusstal bzw. die Leventina hochschleppen und -stossen. Die neue Alpenquerung jedoch wird einen Scheitelpunkt von nur noch 550 m ü. M. haben, bei der jetzigen Strecke liegt dieser Punkt 600 Meter höher. Das bedeutet, dass die Alpen fast ebenerdig durchfahren werden können, was das Zusammenstellen spezieller Güterzugskompositionen erübrigt und Güterzüge mit bis 4000 Tonnen Gesamtgewicht ermöglichen wird. Zudem wird die Route durch den Wegfall der kreisförmigen Kehrtunnel und zahlreicher weiterer Kurven um 40 km kürzer. Zusammenfassend gesagt, können mehr und schwerere Güterzüge schneller die Alpen durchqueren. Dieses Angebot soll die rollende Landstrasse (ROLA) attraktiver machen und nicht nur den zeitweilig überlasteten Gotthard-Strassentunnel, sondern die gesamte Nord-Süd-Achse vom stark wachsenden Schwerverkehr entlasten und somit einen wichtigen Schritt hin zur geplanten Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene sein. (ausführliche Informationen über die politischen Hintergründe, die zum Bau des GBT führten im Artikel „NEAT“)
Lage und Geologie

Der Gotthard-Basistunnel verbindet Erstfeld im Urner Talboden mit Bodio bei Biasca im Kanton Tessin. Ergänzt wird die neue Gotthardlinie durch den 20 km langen Zimmerberg-Basistunnel südlich von Zürich und den 15 km langen Ceneri-Basistunnel vor Lugano sowie durch den nördlich angrenzenden Axentunnel.
Zahlreiche Probebohrungen sowie Temperaturmessungen und seismische Untersuchungen sollten die geologischen Verhältnisse klären. Es fanden sich unterschiedliche Gesteinsarten, vom harten Granit bis zu nachgiebigen Phylliten und Schiefern der Urseren-Garvera-Zone und des Tavetscher Zwischenmassivs. Ausserhalb dieser Problemzonen herrschen verschiedene Arten von Gneis vor, etwa Erstfelder Gneis oder der Streifen-Gneis des Gotthardmassivs, im Süden in der penninischen Gneiszone vorwiegend Leventina- und Lucomagno-Gneise. Dank der Probebohrungen konnte nachgewiesen werden, dass eine gefürchtete geologische Schlüsselstelle, die mit zuckerkörnigem Dolomit gefüllte Piora-Mulde, nicht bis auf die Höhe des Basistunnels hinunterreicht sondern auf dessen Höhe aus Dolomitmarmor ohne Wasserdruck und -fluss besteht. Allerdings ist man inzwischen verschiedentlich auf Kakirit gestossen, ein weiches, nachfliessendes Gesteinsmehl, was umfangreiche Massnahmen zur Sicherung und Verfestigung nach sich zog.
Projektierungs- und Vorbereitungsphase
Man entschied sich für zwei einspurige Tunnelröhren mit etwa 180 Querstollen. An zwei von aussen zugänglichen und klimatisierten Multifunktionsstellen (Sedrun und Faido) sind Spurwechsel sowie Nothalte auf separaten Gleisabschnitten möglich, auch technische Räume für den Bahnbetrieb und Lüftung sind angegliedert. Das Ausbruchsmaterial wird zu einem Fünftel als Betonzusatzstoff wiederverwertet, der Rest in natürlichen Senken und alten Steinbrüchen deponiert, als Schotter verkauft und zu einem kleinen Teil in den Vierwaldstättersee geschüttet.
Sowohl mit Tunnelbohrmaschinen als auch mit Sprengstoffen wird der Vortrieb erzielt. Ein mindestens 30 cm dickes Tunnelgewölbe aus Ortbeton sichert die Tragfähigkeit. Anfallendes Tunnelwasser wird durch einen Kanal (Ø 60 cm) unterhalb des Tunnels abgeführt. Die erwartete Temperatur von 35 Grad Celsius erfordert einen permanenten Luftaustausch. Die durchfahrenden Züge sollen durch den Kolbeneffekt die Luft herauspressen. Sollte dies nicht ausreichen, werden mechanische Lüftungen nachgerüstet.
Gesamtverantwortlich für das Projekt ist die AlpTransit Gotthard AG, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Zu Beginn der Bauarbeiten wurden von vier verschiedenen Stellen Zugangsstollen gegraben. Die Multifunktionsstelle (MFS) Faido ist durch einen 2,7 km langen Querstollen mit einem Gefälle von 13 % mit der Aussenwelt verbunden. Für die MFS Sedrun war ein höherer Aufwand nötig: zuerst wurden ein knapp einen Kilometer langer Zugangsstollen und ein 450 m langer Entlüftungsstollen waagrecht in den Berg getrieben. Von dieser Stelle führen zwei Schächte 800 m tief auf das Niveau des Eisenbahntunnels, die von der südafrikanischen Spezialfirma Shaft Sinkers gebohrt wurden. Erst von dort unten begannen die eigentlichen Bauarbeiten am Basistunnel. Durch diese Aufteilung soll eine Halbierung der Bauzeit ermöglicht werden.
Insgesamt 153 km Tunnel, Stollen und Schächte sind für das Projekt zu erstellen, von denen am 1. Januar 2007 66.57 Prozent ausgebrochen waren.
Bauphase




Richtung Norden
Die auf der Tessiner Seite eingesetzten Tunnelbohrmaschinen (TBM) haben einen Bohrkopf mit einem Durchmesser von 8,8 Metern, welcher mit 58 Rollenmeisseln versehen ist, und verfügen über einen 3500 kW starken Motor.[1] Die von der Firma Herrenknecht im badischen Schwanau stammenden Geräte tragen den Namen Heidi und Sissi und sind inklusive Nachläufer rund 400 m lang. Sie bohren vom Südportal bei Bodio her nördlich in Richtung Faido und haben je über 13 km zurückgelegt. Der Durchbruch in die rund 2 km lange Multifunktionsstelle Faido erfolgte in der Oströhre am 6. September 2006, jener in der Weströhre am 26. Oktober 2006. Danach werden die beiden TBM zunächst generalrevidiert und die Bohrköpfe von 8,80 auf 9,40 m erweitert, bevor sie ab Juni 2007 den übrigen Teil des Bauloses Faido in Richtung Sedrun ausbrechen. [2]
Im Abschnitt Faido, wo es infolge des enormen Bergdrucks immer wieder zu kleineren Einstürzen kommt, liegt man seit Jahren im Zeitplan zurück. Deshalb hat die Bauherrin, die AlpTransit Gotthard AG, im Frühjahr 2006 beschlossen, eine Option in den Verträgen mit den Baukonsortien einzulösen und die Losgrenze für das Baulos Sedrun um einen Kilometer nach Süden zu verschieben, um den Rückstand in Faido zu kompensieren.
Der endgültige Durchschlag zwischen den Multifunktionsstellen Sedrun und Faido ist für die zweite Hälfte 2010 vorgesehen.
Richtung Süden
Vom Zwischenangriff Amsteg her bohren die beiden Tunnelbohrmaschinen Gabi I + II in südlicher Richtung zur Multifunktionsstelle Sedrun. Dabei müssen immer wieder Störzonen mit lockerem Gestein durchfahren werden, was den Vortrieb teilweise massiv behindert. Gabi I hat ihr Ziel inzwischen erreicht und wird im Stollen zerlegt und rückwärts hinaustransportiert. Sie wird im Abschnitt Erstfeld nochmals zum Einsatz kommen. Im Abschnitt Sedrun müssen in nördlicher Richtung noch einige hundert Meter im Sprengvortrieb in sehr anspruchsvollem Gestein ausgebrochen werden, bis der Durchbruch in die von den beiden Gabis gebohrten Röhren möglich ist, was nicht vor Sommer 2007 passieren dürfte.
Probleme beim Nordportal
Im Bereich des Nordportals bei Erstfeld im Kanton Uri sind die Vorbereitungsarbeiten für den maschinellen Vortrieb abgeschlossen. Infolge der wiederholten Einsprache seitens eines im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerbers konnte der Bau in diesem Abschnitt 2006 noch nicht beginnen. Hierdurch verzögert sich der Gesamtzeitplan weiter, der 2002 noch von einer Inbetriebnahme in den Jahren 2013/14 ausging, und bereits durch Schwierigkeiten im südlichsten Abschnitt verändert wurde. 2016 gilt inzwischen als frühester Fertigstellungstermin, kann aber, sollte es nicht bald zu einer Einigung kommen, ebenfalls nicht gehalten werden.
Verlängerung im Norden
Im Innern des Bergs bei Erstfeld wird für weitere 100 Mio. CHF das Verzweigungsbauwerk „Uri Süd“ gebaut. Damit wird eine mögliche spätere Weiterführung des Tunnels in Richtung Norden und damit die Umfahrung von Altdorf in der sogenannten Bergvariante vorbereitet. Diese von der Urner Regierung und Bevölkerung geforderte Lösung zum Schutz der Reussebene vor weiterem Lärm und Emissionen, wurde vom Bundesrat im Juni 2002 zur Planung beauftragt.
Das neue Tunnelteilstück würde im Raum Flüelen mit dem ebenfalls noch zu bauenden Axentunnel verbunden werden, was den Gotthard-Basistunnel faktisch auf rund 75 Kilometer verlängern würde. Die Finanzierung und der Zeitrahmen, in dem diese weiteren NEAT-Abschnitte entstehen werden, sind offene Fragen.
Porta Alpina
Einsatzzweck der Multifunktionsstelle Sedrun ist u. a., als Nothaltestelle zu dienen. Unter dem Namen Porta Alpina läuft das Projekt, diese Multifunktionsstelle zu einem unterirdischen Bahnhof auszubauen. Dazu werden jetzt vier grosse Wartehallen (zwei pro Richtung) für je ca. 240 Personen zusätzlich errichtet. Diese werden später mit druckdichten Türen von der Tunnelröhre getrennt. Der jetzige Lift, die noch ausschliesslich dem Transport der Bauleute und des Abraummaterials dient, würde zu einem Fahrgastlift nach Sedrun in der Bündner Region Surselva ausgebaut und würde somit die Region bedeutend schneller an die grossen Zentren in Italien und der Schweiz anbinden. Dadurch könnte der Tourismus in der Region stark gefördert werden.
Der Lift wird eine Höhe von fast ca. 800 m haben und soll im Jahre 2016 fertig gestellt sein.[3]
Baustellentourismus

Im Bereich der Baustellen Amsteg, Sedrun, Faido und Bodio hat sich ein regelrechter Baustellentourismus entwickelt. Anfangs wurden nur Führungen – bis tief in den Berg hinein – angeboten, später aufgrund des grossen Informationsbedürfnisses Infozentren eingerichtet und in Pollegio bei Bodio sowie in Erstfeld gar Besucherzentren gebaut. Der jährlich stattfindende Tag der offenen Tür auf den einzelnen Grossbaustellen zieht jeweils mehrere tausend Besucher an. Die Gesamtzahl aller Besucher beläuft sich mittlerweile auf mehrere 100'000, und die kostenlosen Führungen sind jeweils lange im Voraus ausgebucht. Für die Standortgemeinden stellt dieser Tourismus mittlerweile einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, der neben den auswärtigen Montageleuten und Firmenvertretern weitere Menschen in diese Randregionen bringt und für zusätzliche Übernachtungen und Restaurantumsätze sorgt. Die Gemeinden profitieren indirekt an den Umsätzen der Besucher und der Bergleute und direkt durch die Quellensteuern und weitere Abgaben der Bergleute.
Bahntechnik
Über 228 km Schienen und 190'000 Betonschwellen für den schotterlosen Oberbau werden im Gotthard-Basistunnel verlegt. Vorgesehen ist ein Mischbetrieb mit Hochgeschwindigkeitszügen bis zu 250 km/h und schweren Güterzügen (bis 4000 Tonnen). Mehr als 250 Züge sollen pro Tag auf der Relation Zürich–Mailand verkehren. Die Hochgeschwindigkeitszüge sollen dafür rund 2:40 Stunden Fahrtzeit brauchen.
Weiterhin sollen 2800 Kilometer Kabel für Stromversorgung und Datenübertragung verlegt werden. Es werden keine optischen Signale installiert. Für die Zugsicherung soll das standardisierte European Rail Traffic Management System (ERTMS) / European Train Control System (ETCS) mit dem Zugfunksystem GSM-R zum Einsatz kommen. Dabei werden die Informationen und Fahranweisungen drahtlos in den Führerstand geleitet.
Zahlen und Fakten

Basistunnel
- Baubeginn:
- Sondiersystem Piora: 1993
- Sprengvortrieb Zugangsstollen und Montagekavernen für TBM: 1996
- Vortrieb TBM: Nov. 2002
- Einbau Bahntechnik (geplant): 2008
- Durchstich (geplant): Ende 2010
- Fertigstellung (geplant): 2016
- Länge: 57'091 Kilometer (Oströhre)
- Züge/Tag: 200–250
- Transportleistung (Güterzüge): 40 Mio. Tonnen/Jahr
- Durchschnittsgeschwindigkeit 160 km/h
- Reisegeschwindigkeit: 250 km/h
- bewegte Gesteinsmasse: 24 Mio. Tonnen
- Baukosten (Stand 1998): 8.035 Mrd. CHF (5.2 Mrd. Euro)

Gripper-Tunnelbohrmaschinen (TBM)
- Anzahl: 4 (2 × 2)
- Länge: 440 m (inkl. Nachläufer)
- Gewicht: 2700 t (nur TBM)
- Durchmesser: 9,58 m
- Anz. Motoren: 10
- Anz. Rollenmeissel: 62
- Gesamtleistung: 3500 kW
- Leistungsaufnahme: max. 63 MWh Strom im Wert von CHF 10'000 (6'300 Euro) täglich je TBM, entspricht dem Verbrauch von 4200 Einfamilienhäusern
- Vortriebsleistung: max. 35–40 m/Tag (abhängig von Gesteinsart und -beschaffenheit, wird kaum je erreicht)
- Hersteller: Herrenknecht AG, D-Schwanau (TBM), Rowa Tunneling Logistics AG, Wangen SZ (Nachläufer)
Quellenangaben
- ↑ Pressemitteilung der Herrenknecht AG vom 2002-11-07
- ↑ Pressemitteilung der AlpTransit Gotthard AG vom 2006-09-05
- ↑ Fahrstuhl in die Unterwelt. in: Der Spiegel. Hamburg 2006,36, S. 142. ISSN 0038-7452
Siehe auch
Literatur
- Rolf E. Jeker: Gotthard-Basistunnel, Der längste Tunnel der Welt. Werd Verlag, Zürich 2002, ISBN 3859324209
Weblinks
- AlpTransit Gotthard AG (offizielle Website der Bauherrin)
- Konsortium Murer-Strabag – Bauabschnitt Amsteg
- Konsortium Transco – Bauabschnitt Sedrun
- Konsortium TAT-TI – Bauabschnitte Bodio und Faido
- Herrenknecht AG – Referenzprojekt Gotthard
- Tunneltrade – Tunnelbau 57 Kilometer durch den Fels
- Fotoreportage über den Tunnelbau