Filter mit unendlicher Impulsantwort
Ein Filter mit unendlicher Impulsantwort (englisch infinite duration impulse response filter, IIR-Filter), auch IIR-System genannt, ist ein Begriff aus der Theorie der Digitalen Signalverarbeitung. Er bezeichnet ein zeitdiskretes lineares zeitinvariantes Filter, auch LTI-System (Linear Time-Invariant) genannt.
Filter dienen z. B. dazu, aus einem zusammengesetzten Signal, wie es z. B. beim Rundfunk oder der Breitbanddatenübertragung verwendet wird, einzelne Teilsignale zurückzugewinnen. Ein frequenzselektives kontinuierliches Filter wird also verwendet, um aus der Gesamtheit aller elektromagnetischen Schwingungen eine bestimmte Radiostation herauszufiltern. In der Breitbandtechnologie (s. OFDM) werden diskrete Filter(bänke) verwendet, um mehrere digitale Signale so zusammenzuführen, dass jedes einzelne Signal einen Subkanal im verfügbaren Frequenzkanal einnimmt, und um diese Signale nach der Übertragung wieder zu trennen.
Die meisten analogen, d. h. zeitkontinuierlichen Systeme, haben eine unendlich lange Impulsantwort. Dies ist z. B. immer der Fall, wenn in der Schaltung ein Kondensator oder eine Spule enthalten ist. Die Notwendigkeit unendlich langer digitaler Filter entsteht daraus, dass man oft die Wirkung endlich langer digitaler Filter umkehren möchte. So können Signalverzerrungen bei der Übertragung als endliches digitales Filter modelliert und dementsprechend durch Testsignale gemessen werden. Zum Rückgängigmachen dieser Störung muss – idealerweise – ein unendlich langes digitales Filter verwendet werden, oder eine gute Approximation dessen.
Andere Bezeichnungen für "Filter" sind System oder, "altmodisch", Operator. Ein "Filter" ist meist ein frequenzselektives LTI-System. In mathematischen Begriffen ist ein stabiles LTI-System ein beschränkter linearer Faltungsoperator auf einem normierten Folgenraum, wie z.B. dem Hilbertraum der quadratsummierbaren Folgen bzw. dem Banachraum der gliedweise beschränkten Folgen.
Im kontinuierlichen Fall ist ein Filter durch eine betragsintegrable Funktion S(t) definiert, wobei jedem zeitkontinuierlichen Signal x(t) das Signal y(t):=(S*x)(t) zugeordnet wird, d. h.
- .
Im zeitdiskreten Fall ist ein digitales Filter durch eine betragssummierbare Folge S[n] definiert, wobei jedem zeitdiskreten Signal x[n] ein Signal y[n]:=(S*x)[n] zugeordnet wird, d. h.
- .
Die Funktion S(t) bzw. die Folge S[n] sind die Impulsantwort des Systems und können als solche direkt gemessen werden. Ist der innere Aufbau des Systems bekannt, so kann die Impulsantwort auch durch Verknüpfung der Impulsantworten der elementaren Komponenten des Systems abgeleitet werden.
Im allgemeinen sind zur Auswertung eines digitalen IIR-Filters unendlich viele Berechnungsschritte für jedes Glied yn erforderlich. Im Spezialfall eines rekursiven Systems gibt es jedoch auch eine endliche Darstellung, welche jedoch in der Ausführung der Berechnung eine unendliche Ein- und Ausschwingphase verlangen würde.
Die System-Funktion ist die Laplace-Transformierte der Funktion S(t) bzw. die Z-Transformierte der Folge S[n]. Im Falle eines digitalen IIR-Filters ist die Z-Transformierte die Laurent-Reihe
- .
Diese definiert eine stetige Funktion auf dem Einheitskreis der komplexen Zahlenebene, bzw. durch die Parametrisierung z=eiω eine stetige, -periodische Funktion
- .
Diese ist die Fourier-Reihe bzw. Übertragungsfunktion des Systems S. Das System ist ein ideales frequenzselektives Filter, wenn die Übertragungsfunktion nur die Werte 0 und 1 annimmt. Dieses ist unter den genannten Voraussetzungen nicht möglich, kann aber beliebig genau approximiert werden.
Rekursive oder rationale Systeme
Für rekursive Systeme, welche praktisch realisierbare IIR-Systeme sind, ist die Theorie linearer inhomogener Rekursionsgleichungen mit Lösungen in diesen normierten Räumen bedeutsam.
Gibt es eine Folge , so dass das Faltungsprodukt ebenfalls eine endliche Folge ergibt, so spricht man von einem kausalen rekursiven System. Dieses kann durch einen endlichen Algorithmus bzw. eine Signalschaltung realisiert werden, welche Rückkopplungen enthalten, d. h. auf andere, schon berechnete Glieder des Ausgangssignals zurückgreifen. Da es real immer ein erstes Glied gibt, ist in der Praxis eine Einschwingphase zu berücksichtigen.
Die Anwendung eines rekursiven Filters auf ein Signal x[n], y[n]=(S*x)[n] ist dann die beschränkte Lösung der endlichen linearen Rekursionsgleichung
- ,
welche komponentenweise und in Normalform die Berechnungsformel
ergibt.
Die Systemfunktion kann dann als Bruch geschrieben werden,
- .
Ein solcher Bruch kann durch Partialbruchzerlegung und sorgsame Anwendung der geometrischen Reihe wieder in eine formale Laurent-Reihe bzw. in deren Koeffizientenfolge S umgewandelt werden. Dabei entsteht ein kausales System, d. h. eine Folge mit Werten Null zu negativen Indizes, genau dann, wenn das Laurent-Polynom b(Z) im Nenner nur Nullstellen innerhalb des Einheitskreises aufweist.
Realisierung als Pseudo-Schaltkreis
Für rationale IIR-Systeme gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese als Netzwerk aus Additions-, Multiplikations- und Verzögerungselementen zu realisieren. Die verschiedenen Netzwerkstrukturen haben Vor- und Nachteile. Die folgende Netzwerkstruktur lässt sich zum Beispiel sehr leicht aus der Differenzengleichung herleiten. Der Nachteil dieser Struktur ist jedoch, dass in der Implementierung relativ viele Verzögerungselemente (T-Glieder, Speicherstellen) zur Realisierung benötigt werden. Der Vorteil besteht darin, dass in der Implementierung nur ein Akkumulator benötigt wird. Diese Filterstruktur wird auch als "Direct-Form 1" (DF1) bezeichnet.
Eine andere Struktur zur Realisierung eines IIR-Systems ist die kanonische Direktform. Im Gegensatz zur oben gezeigten Netzwerkstruktur benötigt sie nur halb so viele Verzögerungsglieder, dafür werden zwei Akkumulatoren in der Implementierung benötigt. Diese Filterstruktur wird auch als "Direct-Form 2" (DF2) bezeichnet.
Datei:Iir filterstruktur kanonische direktform.png
In praktischen Implementierungen werden IIR-Systeme höherer Ordnung oft durch eine serielle Aneinanderreihung von IIR-Filtern zweiter Ordnung gebildet. In der englischsprachigen Fachliteratur werden diese Systeme als "Second Order Structure" abgekürtzt "SOS", bezeichnet. Der Vorteil besteht neben der Minimierung von Überlaufproblemen im Akkumulator in einer vereinfachten Stabilitätsuntersuchung.
Darüber hinaus können IIR-Filter auch durch die Nachbildung von analogen Filterschaltungen in Form von Wellendigitalfilter realisiert werden.