Jugendweihe
Die Jugendweihe ist eine festliche Initiation, die den Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter kennzeichnen soll. Sie ist eine nichtkirchliche Alternative zur Konfirmation in den evangelischen Kirchen und zur Firmung der katholischen Kirche.
Geschichte
Der Begriff Jugendweihe, heute gelegentlich auch als Jugendfeier bezeichnet, tauchte erstmals 1852 auf und geht auf einen Vorschlag von Eduard Baltzer zurück, der damit zum Ausdruck bringen wollte, dass sich die Abkehr von den Kirchen auch in der Terminologie niederschlägt. Denn zunächst wurden auch noch Begriffe aus der christlichen Tradition (Konfirmation) für außerkirchliche Feiern benutzt oder ihr Ersatzcharakter betont. So nutzte am 9. April 1846 eine Breslauer Tageszeitung noch das Wort Confirmationsersatzfeier. Die neue Form des Initiationsritus wurde von freireligiösen Gemeinden entwickelt. In Opposition zu den Kirchen organisierten sie einen kulturgeschichtlich fundierten Moralunterricht für ihre Kinder. Die abschließende Jugendweihe war vor allem eine Feier zur Schulentlassung, deshalb erhielt man sie im Alter von 14 Jahren. Seit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts stand ihre Form weitgehend fest. Der Jugendlehrer hielt einen Vortrag über die freigeistige Weltanschauung, es gab ein Gelöbnis, Erinnerungsblätter und ein Gedenkbuch wurden überreicht. Gesänge und Rezitationen umrahmten die Feier. Diese freireligiöse und freidenkerische Tradition wurde von der Arbeiterbewegung übernommen.
In der Weimarer Republik (1918 - 1933) war die "Blütezeit" der Jugendweihe. Es etablierten sich vor allem die Jugendweihen der proletarischen Freidenkerbünde und der Arbeiterparteien SPD und KPD. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die Freidenker-Bewegungen verboten, ein generelles Verbot der Jugendweihen gab es jedoch nicht. Gleichzeitig wurden die "Schulentlassungsfeier" eingeführt, sowie die Aufnahmerituale in Hitlerjugend und BDM. Diese drei Elemente wurden dann 1940 in Opposition zu Konfirmation und Firmung zur "NS-Jugendleite", der „Verpflichtung der Jugend“ zusammengefasst. Konfirmation und Firmung wurden dadurch aber nicht abgeschafft.
Nach dem Krieg nahmen die freireligiösen Gemeinden die Tradition wieder auf. Entgegen der häufig vorgebrachten Behauptung waren Jugendweihen in der DDR bis 1954 nicht verboten. Im Februar 1950 hatte das Zentralkomitee der SED die Mitwirkung der Partei, der Gewerkschaften und der FDJ an Jugendweihen im Sinne der früheren Freidenkerverbände abgelehnt. Dennoch fanden Jugendweihen in der Freidenker-Tradition statt, an denen auch viele Vertreter von Partei und Staat mitwirkten. Dass die Jugendweihe danach zum staatssozialistischen Fest avancierte, war in Moskau beschlossen worden. Im Mai 1953 fasste das Politbüro der KPdSU einen Beschluss über „Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR“, der auch eine sozialistische Alternative zur Konfirmation vorsah. Mit gewaltigem Druck wurde die Feier neben Konfirmation bzw. Firmung etabliert. Aber auch konfessionell gebundene Jugendliche sollten (parallel zur Konfirmation/Firmung) an den Jugendweihefeiern teilnehmen. Wer nicht daran teilnahm, musste mit erheblichen Nachteilen und Repressionen rechnen. Am 27. März 1955 fand die erste Jugendweihe in Ost-Berlin statt. Die Jugendlichen im Alter von 14 Jahren wurden dabei in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen, danach auch mit „Sie“ angeredet und erhielten den Personalausweis.
Jugendweihe in der DDR
Vor der eigentlichen Jugendweihe wurden ein Jahr lang die so genannten Jugendstunden durchgeführt, die zumeist aus Betriebsbesichtigungen, Vorträgen über Sexualität und Politik, Tanzstunden oder ähnlichen gesellschaftlichen Nachmittagen bestanden.
Zu dem Festakt, der meist in einem größerem Saal oder Theater des Ortes stattfand, waren alle Angehörigen eingeladen. Nach einigen offiziellen Reden und dem Gelöbnis, in dem sich die Jugendlichen zum sozialistischen Staat bekannten, wurden dann meist von Jungpionieren Blumen überreicht. Bis 1974 schenkte der Staat noch jedem jungen Erwachsenem das Buch Weltall Erde Mensch, das neben propagandistischen Auslassungen vor allem Allgemeinwissen enthielt. Nach 1974 erhielten alle das rein propagandistische Buch Der Sozialismus – Deine Welt und in den letzten Jahren der DDR wurde das Buch Vom Sinn unseres Lebens überreicht. Außerdem gab es noch eine Urkunde dazu. Nach dem feierlichen Akt in der Öffentlichkeit wurde meist der Rest des Tages gemeinsam mit den Familien der Klassenkameradinnen und Klassenkameraden zugebracht.
Das erste Jugendweihegelöbnis vom 17. Februar 1955
Das erste Gelöbnis zur Jugendweihe wird vom Zentralen Ausschuss für Jugendweihen veröffentlicht:
Liebe junge Freunde!
Seid Ihr bereit, alle Eure Kräfte einzusetzen, um gemeinsam mit allen friedliebenden Menschen den Frieden zu erkämpfen und ihn bis zum äußersten zu verteidigen?
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, alle Eure Kräfte einzusetzen, um gemeinsam mit allen Patrioten für ein einheitliches, friedliebendes, demokratisches und unabhängiges Deutschland zu kämpfen?
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, all eure Kräfte einzusetzen für den Aufbau eines glücklichen Lebens, für den Fortschritt in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst?
Ja, das geloben wir!
Nehmt nun das Versprechen der Gemeinschaft aller Schaffenden unseres Volkes entgegen, Euch zu schützen, zu fördern, zu helfen, damit Ihr das hohe Ziel, das Ihr Euch gestellt habt, erreichen werdet.
Das zweite Jugendweihe-Gelöbnis (1955)
Das zweite Gelöbnis zur Jugendweihe wird vom Zentralen Ausschuss für Jugendweihen veröffentlicht:
Liebe junge Freunde!
Seid Ihr bereit, alle Eure Kräfte für ein glückliches Leben der werktätigen Menschen und für den Fortschritt in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst einzusetzen?
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, alle Eure Kräfte für ein einheitliches friedliebendes, demokratisches und unabhängiges Deutschland einzusetzen?
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, im Geiste der Völkerfreundschaft zu leben und alle Eure Kräfte einzusetzen, um gemeinsam mit allen friedliebenden Menschen den Frieden bis aufs äußerste zu verteidigen und zu sichern?
Ja, das geloben wir!
Wir haben Euer Gelöbnis vernommen! Ihr habt Euch ein hohes Ziel gesetzt. Wir, die Gemeinschaft aller Werktätigen, versprechen Euch dabei Förderung, Schutz und Hilfe. Mit vereinten Kräften, vorwärts!
Das dritte Gelöbnis von 1956
...unterscheidet sich nur wenig vom vorangegangenen Gelöbnis.
Größere Veränderungen gibt es aber zwei Jahre später:
Das vierte Gelöbnis 1958
Das Sekretariat des Zentralen Ausschusses beschließt das neue Gelöbnis zur Jugendweihe:
Liebe junge Freunde! Seid Ihr bereit, als treue Söhne und Töchter unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates für ein glückliches Leben des gesamten deutschen Volkes zu arbeiten und zu kämpfen, so antwortet mir:
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, mit uns gemeinsam Eure ganze Kraft für die große und edle Sache des Sozialismus einzusetzen, so antwortet mir:
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, für die Freundschaft der Völker einzutreten und mit dem Sowjetvolk und allen friedliebenden Menschen der Welt den Frieden zu sichern und zu verteidigen, so antwortet mir:
Ja, das geloben wir!
Wir haben Euer Gelöbnis vernommen, Ihr habt Euch ein hohes und ein edles Ziel gesetzt. Ihr habt Euch eingereiht in die Millionenschar der Menschen, die für den Frieden und Sozialismus arbeiten und kämpfen. Feierlich nehmen wir Euch in die Gemeinschaft aller Werktätigen in unserer Deutschen Demokratischen Republik auf und versprechen Euch Unterstützung, Schutz und Hilfe.
Mit vereinten Kräften - Vorwärts !
Das fünfte Gelöbnis vom 21. November 1968
Liebe junge Freunde! Seid Ihr bereit, als junge Bürger unserer Deutschen Demokratischen Republik mit uns gemeinsam, getreu der Verfassung, für die große und edle Sache des Sozialismus zu arbeiten und zu kämpfen und das revolutionäre Erbe des Volkes in Ehren zu halten, so antwortet:
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, als treue Söhne und Töchter unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates nach hoher Bildung und Kultur zu streben, Meister Eures Faches zu werden, unentwegt zu lernen und all Euer Wissen und Können für die Verwirklichung unserer großen humanistischen Ideale einzusetzen, so antwortet:
Ja, das geloben wir!
Seid Ihr bereit, als wahre Patrioten die feste Freundschaft mit der Sowjetunion weiter zu vertiefen, den Bruderbund mit den sozialistischen Ländern zu stärken, im Geiste des proletarischen Internationalismus zu kämpfen, den Frieden zu schützen und den Sozialismus gegen jeden imperialistischen Angriff zu verteidigen, so antwortet:
Ja, das geloben wir!
Wir haben Euer Gelöbnis vernommen. Ihr habt Euch ein hohes und edles Ziel gesetzt. Feierlich nehmen wir Euch auf in die große Gemeinschaft des werktätigen Volkes, das unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei, einig im Willen und Handeln, die entwickelte sozialistische Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik errichtet.
Das sechste Jugendweihe-Gelöbnis (1985)
LIEBE JUNGE FREUNDE!
Seid ihr bereit, als junge Bürger unserer Deutschen Demokratischen Republik mit uns gemeinsam, getreu der Verfassung, für die große und edle Sache des Sozialismus zu arbeiten und zu kämpfen und das revolutionäre Erbe des Volkes in Ehren zu halten, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR!
Seid ihr bereit, als treue Söhne und Töchter unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates nach hoher Bildung und Kultur zu streben, Meister eures Fachs zu werden, unentwegt zu lernen und all euer Wissen und Können für die Verwirklichung unserer großen humanistischen Ideale einzusetzen, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR!
Seid ihr bereit, als würdige Mitglieder der sozialistischen Gemeinschaft stets in kameradschaftlicher Zusammenarbeit, gegenseitiger Achtung und Hilfe zu handeln und euren Weg zum persönlichen Glück immer mit dem Kampf für das Glück des Volkes zu vereinen, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR!
Seid ihr bereit, als wahre Patrioten die feste Freundschaft mit der Sowjetunion weiter zu vertiefen, den Bruderbund mit den sozialistischen Ländern zu stärken, im Geiste des proletarischen Internationalismus zu kämpfen, den Frieden zu schützen und den Sozialismus gegen jeden imperialistischen Angriff zu verteidigen, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR!
Wir haben euer Gelöbnis vernommen. Ihr habt euch ein hohes und edles Ziel gesetzt. Feierlich nehmen wir euch auf in die große Gemeinschaft des werktätigen Volkes, das unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei, einig im Willen und im Handeln, die entwickelte sozialistische Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik errichtet.
Wir übertragen euch eine hohe Verantwortung. Jederzeit werden wir euch mit Rat und Tat helfen, die sozialistische Zukunft schöpferisch zu gestalten.
Jugendweihe heute
Nach der Wende geriet die Jugendweihe unter einen erheblichen politischen Druck, öffentliche Anerkennung oder gar staatliche Förderung wurden versagt. Per Kultusministerdekret wurde 1993 den Lehrern an staatlichen Schulen untersagt, weiterhin wie bisher üblich die Organisation und Vorbereitung der Jugendweihe in den achten Klassen direkt in der Schule zu unterstützen (Infoveranstaltungen organisieren, Anmeldungen entgegennehmen etc.) Bei Firmung oder Konfirmation gewährte Vorteile (ein Tag schulfrei) werden den Jugendweihlingen nicht gewährt, da die Jugendweihe keine Initiationsfeier einer anerkannten Weltanschauungsgemeinschaft darstelle.
Heutzutage nehmen noch etwa 40 Prozent der Jugendlichen in den neuen Bundesländern freiwillig an Jugendweihen teil.[1] a´schalala schalala
Träger
Jugendweihen werden von freireligiösen Gemeinden, freigeistigen, freidenkerischen und humanistischen Organisationen sowie vor allem in Ostdeutschland von speziellen Vereinen durchgeführt. Zum Teil werden sie nicht mehr Jugendweihen, sondern als „Jugendfeiern“ bezeichnet.
Buchpräsente für Jugendweihlinge in der DDR
- "Weltall - Erde - Mensch", Verlag Neues Leben Berlin, 1954 - 1974
- "Der Sozialismus, Deine Welt", Verlag Neues Leben Berlin, 1975 - 1982
- "Vom Sinn unseres Lebens", Verlag Neues Leben Berlin, 1983 - 1989, ISBN 3-355-00493-6
Quellenangaben
- ↑ Peter Maser: Kirchen in der DDR. Bonn 2000, S. 115. ISBN 3-89331-401-6