Influenza
Die Influenza, auch „echte“ Grippe genannt, ist eine durch Viren aus den Gattungen Influenzavirus A oder B ausgelöste Infektionskrankheit bei Menschen, anderen Säugetieren und Vögeln. Im Volksmund wird die Bezeichnung Grippe häufig für grippale Infekte verwendet, bei denen es sich aber um verschiedene, in der Regel deutlich harmloser verlaufende Viruserkrankungen handelt.

Historisches
Der Name „Influenza“ (ital. für "Einfluss") leitet sich zunächst von der bis ins Mittelalter vorherrschenden medizinisch-astrologischen Vorstellung ab, alle Krankheiten seien durch bestimmte Planetenstellungen beeinflusst (coeli influencia: Einfluss der Gestirne). Erst seit dem 15. Jahrhundert bleibt der Name der „echten Grippe“ vorbehalten. Berichtigend sprach man ab der Mitte des 18. Jahrhunderts dann vom Einfluss der Kälte (influenza di freddo), da man die Krankheit in der Regel in den kalten Jahreszeiten auftreten sah.
Die Geschichte der Virologie ist unter anderm eng mit den Namen Adolf Mayer, Dmitrii Iwanowski, Martinus Beijerinck sowie Wendell Meredith Stanley verknüpft. Deren Arbeiten und die Isolation des für die Influenza beim Menschen „verantwortlichen“ Virus durch Andrewes, Smith and Laidlaw vom National Institute for Medical Research[1] im Jahr 1933 waren nötig, um die Hilflosigkeit angesichts der Influenza (zumal gegen die bakteriellen Folgeinfektionen auch noch keine Antibiotika verfügbar waren) zu überwinden, die der nachstehende Bericht aus einer österreichischen Tageszeitung aus dem Jahre 1889 anschaulich darstellt:
„Die Influenza breitet sich aus. In Wien, wo der erste Fall Ende des vorigen Monats auftrat, soll die Krankheit bereits den Charakter einer rapid um sich greifenden Infektionskrankheit angenommen haben. Im Wiener Allgemeinen Krankenhause gibt es keine Klinik und Abteilung, wo das Wartepersonal von Influenzafällen frei wäre. Dasselbe gilt von den Sekundarärzten, Operateuren und Aspiranten. Auch in Berlin sind in den letzten Tagen Fälle von Influenza vorgekommen, und in Paris ist die Krankheit bekanntlich im Louvremagazin ausgebrochen, wo gegen 400 Personen daran leiden. In Russland hat sich die Influenza über das ganze Reich ausgebreitet. In Petersburg und Moskau wurden über 300000 Menschen davon befallen.
Die Influenza greift überaus rapid um sich, wie dies von keiner anderen Krankheit, selbst Cholera und gelbes Fieber gesagt werden kann. Sie gibt sich, wie der russische Professor Dr. Filatoff in einer wissenschaftlichen Abhandlung schildert, vor allem durch das Fiebern des Körpers, durch heftige Kopfschmerzen, vorzüglich im Schädel und im Bereiche des sinus frontalis (Stirnbogen) und durch die Steigerung der Körperwärme kund. Manche Patienten werden überdies von heftigem Schnupfen und Husten befallen. Im ganzen Körper empfindet man Schwäche und Mattigkeit. Die Krankheit dauert nicht länger als 5 bis 6 Tage, wobei der Kranke an einzelnen Zwischentagen gar keine Leiden hat und sich ganz wohl fühlt. Nach solchen Zwischenfällen treten gewöhnlich starkes Fieber und große Hitze im Körper ein, worauf der Patient wieder ganz gesund wird.
Als eines der besten Mittel gegen die Influenza empfiehlt ein Arzt in der russischen St. Petersburger Zeitung den Absud vom Salbei, welcher glasweise, unter Beimischung einiger Tropfen des stärksten Cognacs getrunken wird. Die Krankheit ist nach Prof. Nothnagel in Wien unzweifelhaft eine Bakterienkrankheit; sie verbreitet sich nicht durch ein Contagium, sondern mittels Miasmen durch die Luft.“
Vorkommen
Die Influenzaviren und die durch sie ausgelösten Erkrankungen existieren weltweit, allerdings kommen im Gegensatz zu den anderen Virustypen die Influenza-C-Viren nur sehr selten als Erreger der Virusgrippe vor.
Übertragung
Das Virus wird entweder übertragen
- per Tröpfcheninfektion das heißt direktes Einatmen von Expirationströpfchen (Ausatmungströpfchen) infizierter Personen, oder über Kontaktinfektion beziehungsweise Schmierinfektion mit den Viren der auf Gegenständen oder Körperoberflächen niedergegangenen hoch infektiösen Expirationströpfchen, wenn sie anschließend über die Schleimhäute zum Beispiel in Mund, Nase oder Augen in den Körper gelangen.
- über das Trinkwasser, unter Umständen sogar durch das öffentliche Trinkwassernetz, da die Viren bei Kälte über mehrere Wochen konserviert werden und so in der kalten Jahreszeit bis zum Wasserhahn gelangen können
- durch Kotpartikel erkrankter Wirte und Vektoren
- mechanisch auf Haaren, Haut und Gefieder
Es gibt unterschiedliche Schätzungen, nach welcher Zeit ein infiziertes Individuum seinerseits in der Lage ist, das Virus auf andere Individuen zu übertragen. Nach Longini et al. dauert es vier Tage, bis ein gerade angesteckter Mensch weitere Menschen infizieren kann. Dagegen kommt ein anderes Wissenschaftsteam (Fergurson et al.) nach Analyse von historischen Daten zu dem Schluss, dass die Weitergabe der Viren schon 2,6 Tage nach der Infektion möglich ist.
Krankheitsverlauf/Symptome
Symptome treten nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis Tagen auf, jedoch können die Viren bereits zwei Tage vor dem Auftreten der ersten Symptome auf andere übertragen werden. Da die Krankheitsanzeichen relativ unspezifisch sind, können sie mit vielen anderen akuten Atemwegserkrankungen verwechselt werden. Charakteristisch ist allenfalls der oft sehr plötzliche Beginn des Vollbilds der Erkrankung. Die wichtigsten Symptome sind:
- ausgeprägtes Krankheitsgefühl im ganzen Körper
- hohes Fieber bis 40 Grad Celsius
- Schüttelfrost
- Kopfschmerzen und Müdigkeit
- Gliederschmerzen
- Augentränen
- trockener Husten
- trockene Kehle
- angeschwollene Nasenschleimhaut
- Schnupfen
Komplikationen
Das Gefährliche an der Influenza sind oftmals nicht die Viren selbst, sondern die bakterielle Superinfektion, die auf eine Grippeerkrankung folgt. Da der Organismus aufgrund der Bekämpfung der Influenza-Viren bereits geschwächt ist, können Bakterien leichter in den Körper eindringen, sich vermehren und dort zu weiteren Krankheiten führen.
In seiner schwersten Verlaufsform führt eine Influenza bei vorerkrankten, immungeschwächten oder ohne jeden Impfschutz versehenen Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen zu einer primären grippebedingten Lungenentzündung (Influenzapneumonie) oder auch innerhalb weniger Stunden (perakut) zum Tod.
Als weitere Komplikationen, hervorgerufen durch eine Superinfektion durch Bakterien, kommen Gehirnentzündungen (Enzephalitiden) und Herzmuskelentzündungen (Myokarditiden) in Betracht. Diese Komplikationen können zwar in jedem Lebensalter auftreten, doch treten sie in erster Linie bei Menschen mit schwerwiegenden Grunderkrankungen wie chronischen Herz-Lungen-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Immundefekten und anderen in Erscheinung. Da unter diesen Bedingungen eine vorbeugende Impfung oft nicht angezeigt ist, bedeutet ein deshalb nicht vorhandener Impfschutz einen weiteren Risikofaktor.
Im Winter 2002/2003 gab es nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Deutschland 5 Millionen Infizierte und 16.000 bis 20.000 Todesfälle, die auf eine Influenza zurückzuführen sind. In den meisten Fällen starben diese Menschen aber nicht unmittelbar am Influenza-Virus, sondern an einer bakteriellen Superinfektion. Diese Zahlen beruhen allerdings bezüglich des Erregers auf Mutmaßungen, da nur selten ein direkter Virusnachweis veranlasst wird. In der amtlichen deutschen Todesursachenstatistik sind daher für die Jahre 1998 bis 2004 jeweils nur zwischen 9 und 34 nachgewiesene Influenza-Todesfälle verzeichnet. Gleichwohl werden in dieser Statistik für die ICD-10-Klassifikation J10-J18 (Grippe und Pneumonie) für diese Zeitspanne jährlich 17.500 bis 21.800 Todesfälle ausgewiesen.
Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik Österreich starben 2002 in Österreich 18 Menschen direkt an der Grippe. Es ist aber davon auszugehen, dass der Influenza noch viele weitere Todesfälle ursächlich zuzurechnen sind.
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt meistens aus einem Nasenabstrich aus der hinteren Nasenhöhle oder aus dem klassischen tiefen Rachenabstrich. Andere Untersuchungsflüssigkeiten sind Trachealsekret, die Bronchoalveoläre Lavage (BAL), Nasenspülflüssigkeit, Rachenspülflüssigkeit oder das Blut.
- Direkter Erregernachweis in der Elektronenmikroskopie oder Zellkultur
- Influenzaantikörper im Blut
- Labor: Die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist erhöht, Leukozyten variabel, Serologie erst ab der zweiten Krankheitswoche aussagekräftig
- Influenza-PCR: Die Kosten von etwa 40 Euro werden derzeit nicht von den deutschen gesetzlichen Krankenkassen getragen.
- Influenza-Schnelltest: Dieser Test liefert innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, in dem Proteine des Virus mittels farblich markierter Antikörper auf einem Teststreifen sichtbar gemacht werden. Dieser Test wird im Gegensatz zur Influenza-spezifischen PCR von den deutschen gesetzlichen Krankenkassen bei Kindern bezahlt.
Therapie
- Neuraminidase-Hemmer
- Oseltamivir (Handelsname Tamiflu®) zur Einnahme
- Zanamivir (Handelsname Relenza®) zur Inhalation
- M2-Hemmer (werden nur noch selten als Influenzamittel eingesetzt und sind nur bei sehr früher Einnahme wirksam)
- Amantadin (Handelsname Symmetrel® / PK-Merz®) zur Einnahme
- Rimantadin (Handelsname Flumandine®) zur Einnahme
- Antibiotika um eine bronchiale Sekundärinfektion zu bekämpfen
- symptomatische Maßnahmen
- Mundschutz zur Verhinderung der Ansteckung und andere Hygienemaßnahmen
- fiebersenkende Maßnahmen
- Einatmen von kalter, sauberer, feuchter Luft
- Kalte Luft dämpft die Schwellung und Entzündung der Bronchialschleimhaut
- Beatmung
- Befeuchtung der Nasenrachenwege
- Hustenmittel
Entwicklung neuer Medikamente
Der Virologe Stephan Ludwig von der Universität Münster verfolgt neben Forschungen an einem Wirkstoff der Graubehaarten Zistrose (Cistus incanus) auch noch hinsichtlich eines vor Resistenzentwicklung gefeiten Antigrippemittels einen ganz neuen Ansatz. Angriffspunkt eines zukünftigen Präparates soll nicht das Virus selbst sein, sondern sogenannte Signalketten in den infizierten Zellen, also Mechanismen der Wirtszellen. Damit sind nacheinander geschaltete biologische Schalter gemeint, mit denen die Zellen Signale von außen aufnehmen und dann in das Innere weiterleiten. Auf diese Weise erfährt die Zelle beispielsweise auch, wann sie sich teilen oder aber ihr eigenes Absterben einleiten soll. Für gesunde Zellen sind nach Ansicht des Forschers einige dieser Signalketten durchaus entbehrlich, aber andererseits für die Vermehrung von Influenzaviren unverzichtbar. Eine von der Firma Inamed entwickelte Wirksubstanz hat schon klinische Tests ohne nennenswerte Nebenwirkungen bestanden, doch mit einer Zulassung eines neuen Medikaments ist nicht vor 2008 zu rechnen.
Auch Forscher aus Tübingen und Berlin[2] haben Erfolge bei der Behandlung mit Extrakten der Zistrose vorzuweisen. Als wirksame Bestandteile werden die reichlich darin enthaltenen Polyphenole benannt. Eine Studie über die Verabreichung von handelsüblichen Cystusextrakt-Lutschtabletten zeigte eine deutliche Besserung bei 112 von 141 behandelten Patienten. Ein direkter Vergleich der Wirksamkeit mit dem Standardmedikament Tamiflu® steht noch aus.
Vorbeugung
Siehe auch: Grippeimpfung
Grundsätzlich ist eine vorbeugende Impfung gegen die Influenza beim Menschen möglich, und sie gilt als die wirksamste vorbeugende Maßnahme. Allerdings sind Influenza A-Viren enorm wandlungsfähig, so dass - um eine möglichst große Übereinstimmung der verwendeten Impfstämme mit den jeweils umlaufenden, krankmachenden Virus-Varianten zu erzielen - in der Regel eine jährliche Auffrischung der Immunisierung nötig ist. Deshalb finden, vorzugsweise in den Monaten Oktober und November, Impfaktionen statt, deren Kosten von den deutschen Krankenkassen in der Regel vollständig übernommen werden. Im Falle einer drohenden Epidemie ist eine Impfung auch zu jeder anderen Jahreszeit möglich und sinnvoll.
Die Impfungsrate in Deutschland nahm in den vergangenen Jahren stetig leicht zu, von 22,3 Prozent der Bevölkerung in der Saison 2002/03 auf 26,5 Prozent in der Saison 2004/05. Für das Jahr 1996 wurde die Zahl der Neuerkrankungen auf 4 Millionen Fälle geschätzt. Einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts zufolge fallen jährlich 800.000 bis 1,6 Millionen Arbeitstage wegen Arbeitsunfähigkeit aus, ferner gibt 10.000 bis 20.000 Influenza-bedingte Krankenhauseinweisungen.[3]
Während einer Grippewelle sind ganz allgemein und besonders bei einem Krankheitsfall in der allernächsten Umgebung wie etwa in der Familie auf Grund der Übertragbarkeit der Influenzaviren die Grundregeln der Hygiene zu beachten. So sollte vor allem die Verbreitung der Erreger durch das Tragen eines Mundschutzes, durch Waschen und Desinfizieren der Hände und die Vermeidung eines zu engen Kontakt mit dem bereits Infizierten vermindert werden.
Besonders für Kleinkinder und für Erwachsene jenseits der 65 kann ferner eine Impfung gegen Pneumokokken sinnvoll sein. Diese Bakterien sind häufig verantwortlich für die einer Virusinfektion unmittelbar folgende Lungenentzündung: Wer sich mit einem Influenza-Virus infiziert und an dessen Folgen stirbt, stirbt normalerweise nicht unmittelbar durch die Viren, sondern an einer Sekundärinfektion, und diese wird häufig durch Pneumokokken hervorgerufen.
Epidemien/Pandemien
Von einer Influenzaepidemie oder Grippewelle spricht man, wenn 10-20 Prozent der Bevölkerung infiziert sind und die Ausbrüche lokal begrenzt bleiben, während eine Influenzapandemie sich über den ganzen Globus verbreitet. Auslöser der Epidemien und Pandemien sind Influenzaviren der Gruppen A und - seltener - B, da diese in der Lage sind, ihre antigenen Oberflächenmoleküle Hämagglutinin: HA und Neuraminidase: NA ständig zu verändern. Das führt dazu, dass sie bei einer erneuten Infektion vom Immunsystem nicht mehr oder nur schlecht erkannt werden.
Influenzapandemien treten in der Regel alle 10 bis 40 Jahre auf und stellen nach wie vor eine so große Bedrohung dar, dass von der WHO von der größten vorstellbaren globalen Katastrophe gesprochen wird.
In der EU (und assoziierten Staaten) sammelt das Programm European Influenza Surveillance Scheme Landesdaten zu Influenzaerkrankungen und wertet diese wöchentlich aus.
Quellen
- ↑ National Institute for Medical Research
- ↑ www.dradio.de; siehe auch www.pharmazeutische-zeitung.de
- ↑ Thomas D. Szucs u. a.: Grippeimpfung in Deutschland. Eine bevölkerungsbezogene Querschnittsanalyse der drei Influenzasaisons von 2002 bis 2005. In: Medizinische Klinik 7/2006, S. 537-545
Weblinks
- RealFlu-Report Influenza Frühwarnsystem
- Arbeitsgemeinschaft Influenza Deutschland
- Europäisches Influenza Überwachungssystem (EISS)
- Deutsches Grünes Kreuz: Influenza/Grippe
- Grippe-Impfung (Influenza)
- Influenza-Seite der „WHO“ (englisch)
- Informationen über die Grippe-Saison 2003/2004 des „National Center of Infectious Diseases“ (englisch)
- Influenza Report 2006 (englisch)
- Commons: Influenza – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien