Bundesamt für Verfassungsschutz

Inlandsnachrichtendienst Deutschlands ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Es untersteht dem Bundesministerium des Innern. Die Organisation beschäftigte im Jahr 2003 2.401 Personen und wird von einem Präsidenten, zur Zeit Heinz Fromm, geleitet. Der Hauptsitz befindet sich in 50765 Köln, Merianstraße 100.
Präsidenten
Viele Präsidenten der Behörde erlangten einen unerwarteten Bekanntheitsgrad, wurden in den vorzeitigen Ruhestand geschickt oder traten zurück.
- 1950 - 1954 Otto John - 1954 setzte sich John unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen in die DDR ab. Ende 1955 kehrte er zurück und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die „Affäre Otto John“ war einer der ersten großen politischen Skandale der jungen Bundesrepublik.
- 1955 - 1972 Hubert Schrübbers - Rücktritt, nachdem seine Tätigkeit in der NS-Justiz während der Zeit des Dritten Reiches bekannt wurde. Unter Schrübbers sollen auffällig viele hohe Positionen im Bundesamt mit ehemaligen SS, bzw. SD Angehörigen besetzt worden sein.
- 1972 - 1975 Günther Nollau - Rücktritt nach der Affäre des DDR-Spions Günter Guillaume im Bundeskanzleramt von Willy Brandt.
- 1975 - 1982 Richard Meier (Bundesamt für Verfassungsschutz) - Rücktritt wegen einer Privataffäre (verurteilt wegen fahrlässiger Tötung in einem Verkehrsunfall).
- 1983 - 1985 Heribert Hellenbroich - wird im Juli 1985 zunächst Präsident des BND am 29. August jedoch in den Ruhestand geschickt, nachdem sich sein ehemaliger Untergebener, der Regierungsdirektor im Amt für Verfassungschutz, Hansjoachim Tiedge, in die DDR abgesetzt hatte. DDR-Agent Tiedge war Gruppenleiter in der Spionageabwehr und hatte in dieser Position vermutlich viele andere Agenten geschützt.
- 1985 - 1987 Ludwig-Holger Pfahls - im Juli 1999 untergetaucht, wegen Bestechlichkeit international gesucht, im Juli 2004 in Paris verhaftet.
- 1987 - 1991 Gerhard Boeden
- 1991 - 1995 Eckart Werthebach - Rücktritt aufgrund Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen "Verdacht auf Geheimnisverrat".
- 1995 - 1997 Hansjörg Geiger
- 1997 - 2000 Peter Frisch
- seit 2000 Heinz Fromm
Aufgaben
Informationssammlung und -auswertung
Die Hauptaufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist das Sammeln und Auswerten von Informationen über verfassungsfeindliche und extremistische Bestrebungen. Dazu gehören unter anderem politische Aktivitäten, die aufgrund ihrer antidemokratischen Ansichten die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden, wie zum Beispiel extrem links beziehungsweise rechts gerichtete Parteien. Doch auch die Scientology-Organisation geriet aufgrund ihrer, zum Teil illegalen, Aktivitäten in die Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Spionageabwehr
Ein anderer gesetzlicher Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist die Spionageabwehr, auch nach dem Ende des Kalten Krieges. Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterscheidet zwischen drei Arten der Spionage:
- Die militärischen Spionage, hierbei wird u.a. die Truppenstärke, die Ausrüstung der gegnerischen Truppen und ähnliches untersucht. Die Abwehr dieser Art der Spionage gehört zu den Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).
- Die politische Spionage.
- Die Wirtschaftsspionage, bevorzugter Bereich sind Forschung und Wissenschaft, sie dient der Beschaffung von neuester Technologien anderer Länder. Durch die Wirtschaftsspionage fremder Staaten entstehen der deutschen Volkswirtschaft Schäden in Milliardenhöhe.
Geheimschutz
Ein weiteres Aufgabengebiet des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist der Geheimschutz. Unter diesem Begriff versteht man den Schutz von geheimem und vertraulichem Material des Staates und der von ihm beauftragten Industrie vor nicht-befreundeten Nachrichtendiensten, Interessenverbänden und Einzelpersonen, die versuchen, an solch vertrauliche Unterlagen zu gelangen.
Möglichkeiten/Methoden
Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, bedient sich das Bundesamt für Verfassungsschutz verschiedenster Möglichkeiten:
Öffentliche Quellen
Den größten Teil seiner Informationen bezieht das Bundesamt für Verfassungsschutz aus öffentlichen Quellen, wie Zeitungen, Fernsehen, dem Internet, Flugblättern und ähnlichem. Zudem besuchen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz öffentliche Informationsveranstaltungen.
Nachrichtendienstliche Mittel
Doch auch der Einsatz von umfassenden überwachungsdienstlichen Mitteln gilt als unverzichtbar. So werden zum Beispiel Verbindungsmänner des Bundesamtes für Verfassungsschutz in extremistische Kreise eingeschleust. Auch die genehmigungspflichtige Brief- und Telefonüberwachung gehört zu den Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Bei der Durchführung dieser Aktionen ist es jedoch strengstens an das Grundgesetz gebunden.
Beobachtete Organisationen
Beispiele für Personen, die vom Verfassungsschutz und angeschlossenen Organisationen befragt oder observiert worden sind:
- Personen aus KPD, DKP, MLPD, RAF, FDJ und anderen linksgerichteten Organisationen
- Personen aus rechtsgerichteten Vereinigungen NPD, Republikaner oder dessen Nahestehende
- Scientology
- per Ausreiseantrag aus der DDR ausgewanderte Personen (da auch die getarnte Ausreise von MfS-Mitarbeitern angenommen wurde und mögliche Geheimnisträger ausgeforscht werden sollten)
- Flüchtlinge aus dem Ostblock (da vermutet wurde, dass östliche Geheimdienste Spione einschleusten)
- Politiker der DDR und anderer sozialistischer Staaten (Abhöraktionen, Analysen)
Kontrolle/Rechenschaftslegung
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird, wie die anderen beiden Geheimdienste in der BRD von der Parlamentarischen Kontrollkommission des Bundestags überwacht. Zur Rechenschaftslegung und zur allgemeinen Information über den politischen Extremismus veröffentlicht es jährlich einen Verfassungsschutzbericht; kostenfrei erhältlich.
Abschaffung/Kritik
In der Vergangenheit wurde immer wieder die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert. So forderten Die Grünen noch 1998 in ihrem Wahlprogramm, dass die Geheimdienste schrittweise aufzulösen seien. Kritiker bezweifeln Effektivität der Behörde und kritisierte die „Datensammelwut“ und die Observationspraktiken der Behörde. Gelegentlich lieferte das BfV aufgrund seines Verhaltens Anlass zur Kritik: So startete man im Jahre 1976 einen mehrmonatigen „Lauschangriff“ auf den RAF-terrorismusverdächtigen ehemaligen Atommanager Klaus Traube. Der Terrorismusverdacht erwies sich als falsch, der damals verantwortliche Innenminister Werner Maihofer musste zurücktreten. Aktuell machte das BfV im Rahmen des Verbotsverfahrens gegen die NPD von sich Reden. Ein wesentlicher Grund dafür, dass das Verbotsverfahren scheiterte, ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich in Übereinstimmung mit dem verantwortlichen Innenminister Otto Schily weigerte, mitzuteilen, welche Parteiaktivitäten von der Partei selbst und welche vom Verfassungsschutz beziehungsweise durch in den Parteiapparat als Funktionäre eingeschleuste Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes initiiert wurden. Da das Bundesverfassungsgericht somit nicht beurteilen konnte, welche Handlungsweisen der Partei originär zugerechnet werden können, und bei welchen der Verfassungsschutz als agent provocateur Pate gestanden hat, lehnte es den Antrag auf Verbot der NPD ab. Unwidersprochen blieb die Agentur-Meldung der „dpa“, dass etwa jeder 7. Funktionsträger in der NPD-Leitungsebene vom Kölner Bundesamt steuerfinanziert ist.
Literatur
- Hendrik van Bergh: KÖLN 4713. Geschichte und Geschichten des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz. NAUMANN Vg, Würzburg 1981, ISBN 3-88567-010-0
Siehe auch: Politische Straftaten, Berner Club, Nachrichtendienst, Staatsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst