NS-Ordensburg Vogelsang

Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang ist der zentrale Gebäudekomplex auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Vogelsang im Nationalpark Eifel in Nordrhein-Westfalen. Das Gelände gehört größtenteils zum Ort Schleiden.
Die so genannte Ordensburg ist keine mittelalterliche Burganlage, sondern nach den Parteitagsbauten in Nürnberg mit fast 100 ha bebauter Fläche die zweitgrößte bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus in Deutschland. Allein der unter Denkmalschutz stehende Teil der Bauwerke umfasst eine Bruttogeschossfläche von mehr als 50.000 Quadratmetern. Seit dem 1. Januar 2006 ist die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich. Hier soll das „NS-Dokumentationszentrum Vogelsang“ entstehen.
Geschichte
Planung und Bau ab 1933
1933 forderte Adolf Hitler im Rahmen einer Rede in Bernau bei Berlin den Bau von neuen Schulen für den „Führernachwuchs“ der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Mit dem Bau wurde der so genannte „Reichsorganisationsleiter“ Robert Ley betraut. Ley gab den Bau dreier "Schulungslager" in Auftrag: In Crössinsee (Pommern), Sonthofen (Allgäu) und Vogelsang in der Eifel. Finanziert wurde der Bau aus Geldern der enteigneten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.
Den Planungsauftrag für Crössinsee und Vogelsang bekam der Kölner Architekt Clemens Klotz.
Die Bezeichnung NS-Ordensburg für die drei Bauwerke wurde erst ab 1935 üblich. Die Burg Vogelsang wurde im ersten Bauabschnitt von bis zu 1.500 Arbeitern innerhalb von nur zwei Jahren errichtet.
Zusätzlich zu den auf Vogelsang errichteten Bauwerken waren noch weitaus größere Bauten geplant. Unter anderem sollte ein gigantisches „Haus des Wissens“ als Bibliothek entstehen, das die vorhandenen Gebäude schon alleine mit seiner Grundfläche von 100 m x 300 m buchstäblich in den Schatten gestellt hätte. Darüber hinaus war ein „Kraft durch Freude-Hotel“ mit 2.000 Betten geplant. Auf Vogelsang sollten zudem die größten Sportstätten Europas entstehen. Die teilweise bereits begonnenen Bauarbeiten wurden bei Kriegsbeginn eingestellt.
Geplant und teilweise ausgeführt wurden folgende Bauwerke:
- Der Eingangbereich mit Tor und zwei Türmen (größtenteils fertiggestellt),
- Das Haus des Wissens (nur Sockelmauern fertiggestellt),
- Das Gemeinschaftshaus mit Adlerhof, Turm, Ost- und Westflügel (fertiggestellt, teilweise kriegszerstört),
- Die Burgschänke (fertiggestellt),
- Zehn Kameradschaftshäuser für jeweils 50 Zöglinge (fertiggestellt, teilweise kriegszerstört),
- Vier Hunderschaftshäuser für jeweils 100 Zöglinge (fertiggestellt),
- Der Thingplatz als Veranstaltungsbühne (fertiggestellt),
- Sportanlagen mit Tribüne, Turn- und Schwimmhalle (fertiggestellt),
- Das Feuermal Fackelträger (fertiggestellt),
- Das Haus der weiblichen Angestellten (fertiggestellt).
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Eingangsbereich der Burg
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Innenhof der Burganlage
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Wandelhalle
Künstlerische Gestaltung
Die meisten Plastiken in Vogelsang – Fackelträger, Der deutsche Mensch und das Sportlerrelief – stammen von Willy Meller. Während die Holzplastik Der deutsche Mensch 1945 verschwunden ist, sind die beiden anderen Plastiken – teilweise beschädigt – bis heute erhalten.
Nach einem Besuch Adolf Hitlers im Jahre 1937 wurde das Eingangstor mit Dorischen Säulen ohne irgendeine statische Funktion ergänzt. Berichten zufolge ging die Initiative dazu von Hitler selbst aus.
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Willy Meller: Reiterrelief am Haupttor
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Willy Meller: Sportlerrelief
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Willy Meller: Fackelträger
Schulungsburg der NSDAP ab 1936
Am 24. April 1936 wurden die drei Ordensburgen in einem Festakt an Adolf Hitler übergeben. Wenig später rückten die ersten 500 Junker auf Vogelsang ein. Die Lehrgangsteilnehmer kamen aus ganz Deutschland. Sie waren auf Vorschlag der Gauleitungen von Robert Ley handverlesen ausgewählt worden. Die meisten waren Mitte zwanzig. Voraussetzung waren erste "Bewährung" in der Parteiarbeit, völlige körperliche Gesundheit, Arbeits- und Militärdienst sowie ein Abstammungsnachweis. Weiterhin mussten die Bewerber auf Anordnung von Robert Ley verheiratet sein, dagegen interessierten ihre schulischen Leistungen überhaupt nicht. Den Bewerbern war bei ihrem Eintritt versprochen worden, dass sie nach Abschluss der Ausbildung jedes Regierungs- und Verwaltungsamt in Deutschland bekleiden könnten.
Der Stundenplan sah vor: 6:00 Uhr Frühsport, 7:00 Uhr Fahnenappell, 8:00 bis 10:00 Uhr Arbeitsgemeinschaften, 10:00 bis 12:00 Uhr Vortrag im großen Hörsaal durch Gast- oder Hauptlehrer, nachmittags Sport, 17:00 bis 18:30 Uhr Arbeitsgemeinschaften, 22 Uhr Zapfenstreich. In den Hauptvorlesungen zu den Themen „NS-Rassenkunde“ und „Geo-Politik“ wurden die „Junker“ mit aggressiven außenpolitischen und rassistischen Thesen indoktriniert. Daneben gab es intensive sportliche Schulung, der Schwerpunkt dieser Ausbildung lag bei der Ordensburg Vogelsang auf dem Reitsport.
Die Lehrgänge auf den „NS-Ordensburgen“ sahen auch eine Pilotenausbildung vor. Zu diesem Zweck wurden Flugplätze an allen drei Burgen gebaut. Der Vogelsanger Flugplatz entstand in der Nähe des Walberhofes, nahe der Ortschaft Schleiden-Morsbach. Neben der Pilotenausbildung sah der Lehrplan der Junker auch eine Reitausbildung vor.
Nach der Eröffnung des Schulbetriebs nutzte die politische Prominenz des Dritten Reichs Vogelsang auch als Repräsentationsort. Adolf Hitler sowie weitere führende Mitglieder des NS-Staates besuchten mehrfach die Ordensburg. Auf Wunsch der NS-Parteileitung in Berlin wurde die Ordenburg Vogelsang von insgesamt 16 Bunkern des Westwalles gesichert, deren Reste noch heute erkennbar sind und am 01.12.2006 unter Denkmalschutz gestellt wurden.
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Kameradschaftshäuser (in jedem fand eine Hundertschaft Platz)
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Kameradschaftshäuser
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Sportplatz mit Sportlerrelief
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Turnhalle
Nutzung durch die Wehrmacht ab 1939
Beim Kriegsausbruch im September 1939 wurden die Junker entlassen, die Burg Vogelsang wurde der Wehrmacht übergeben. Diese nutzte die Bauwerke zweimal als Truppenquartier: Einmal beim Westfeldzug 1940, danach im Rahmen der Ardennenoffensive im Dezember 1944.
Zwischenzeitlich waren auf Vogelsang mehrere Klassen so genannter Adolf-Hitler-Schulen untergebracht.
1944 bestand dort ein Wehrertüchtigungslager, in dem 15 bis 16 Jahre alte Kinder aus der Hitler-Jugend militärisch ausgebildet wurden. Durch alliierte Luftangriffe wurden einige Gebäude zerstört, darunter der Ostflügel und die Turnhalle.
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Grundriss eines Kameradschaftshauses
Zwecknutzung für Truppenübungsplatz seit 1946

Zur allgemeinen Geschichte der Anlage nach 1945 bis 2005 siehe Truppenübungsplatz Vogelsang.
Auf der Ordensburg Vogelsang selbst wurden von der belgischen Militärverwaltung behutsame Rekonstruktionen der kriegszerstörten Bausubstanz vorgenommen sowie die vorhanden, aber zunächst nicht nutzbaren Rohbauten einer sinnvollen Nutzung zugeführt. So verwendete man die bereits fertiggestellten Sockelmauern des Hauses des Wissens als Aussenmauer für die Kaserne „Van Dooren“ und das benachbarte Fundament eines Hörsaales für den Neubau eines Kinos. Beseitigt wurden nur die Hoheitsabzeichen des dritten Reiches, im wesentlichen Hakenkreuze.
Zivile Umnutzung ab 2006
Nach Aufgabe des Truppenübungsplatzes steht das Areal der ehemaligen Ordensburg mit den gewaltigen Bauwerken seit dem 1. Januar 2006 einer zivilen Nutzung offen und kann tagsüber besichtigt werden, ein Teil der umliegenden Flächen ist durch Wanderwege erschlossen. Ein temporäres Besucherzentrum ist bereits eingerichtet.
Es ist geplant, in der Burganlage die Verwaltung des Nationalparks Eifel einschließlich des zentralen Besucherzentrums sowie eine Ausstellung zur Geschichte der NS-Ordensburg unterzubringen. Des Weiteren gab/gibt es Überlegungen, eine UNESCO-Akademie in den Gebäuden anzusiedeln.
In den Gebäuden am Malakoff genannten Torbereich soll die Nationalparkforstverwaltung untergebracht werden.
Literatur

- Ruth Schmitz-Ehmke: Die Ordensburg Vogelsang: Architektur – Bauplastik – Ausstattung. (Landschaftsverband Rheinland - Landeskonservator Rheinland. Arbeitsheft 41) Rheinland-Verlag, Köln. 2003. (2. veränd. und erw. Auflage)
- Hans-Dieter Arntz: Ordensburg Vogelsang 1934 bis 1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich. Verlag Landpresse Weilerswist (5. und aktualisierte Auflage, Juli 2006) ISBN 3-935221-69-X
- Franz A. Heinen: Vogelsang - Von der NS-Ordensburg zum Truppenübungsplatz in der Eifel. Eine kritische Dokumentation. Helios-Verlag, Aachen. 2005. (3. Auflage) ISBN 3-933608-46-5
- Franz A. Heinen: Vogelsang. Im Herzen des Nationalparks Eifel. Ein Begleitheft durch die ehemalige "NS-Ordensburg. Gaasterland Verlag. Düsseldorf. 2006. ISBN 3-935873-11-5. 48 S.
- Rolf Sawinski: "Die Ordensburg Krössinsee in Pommern". Helios-Verlag, Aachen. 2004. ISBN 3-933608-77-5. 144 Seiten, über 200 Fotos, Zeichnungen und Dokumente.
Weblinks und Literatur
- lernort-vogelsang.de – „Vogelsang: gestern – morgen – heute“, neben vielen textlichen Informationen finden sich dort etwas versteckt auch Luftbilder der Burganlage (14 Seiten, pdf)
- serviceagentur-vogelsang.de Seite der Burg Vogelsang ab 2006 (Land NRW)
- foerderverein-nationalpark-eifel.de Nationalparkinformationen zum Burggelände
- video4u.be - Infoseite des belgischen Offiziers Georg Schmitz
- Homepage des Buchautors "Ordensburg Vogelsang 1934-1945" (Hans-Dieter Arntz)
- NS-Ordensburg Vogelsang: Eine Serie der Gesamtausgabe der Aachener Volkszeitung vom 12.06.-01.07.1986 von Hans-Dieter Arntz