Lebendes Fossil
Als lebende Fossilien werden gemeinhin Arten oder Artengruppen (Taxa) bezeichnet, die ihren Bauplan seit oftmals hunderten von Jahrmillionen gar nicht oder nur sehr wenig verändert haben. Häufig haben sie einmal weite Bereiche unseres Planeten besiedelt, kommen jedoch heute nur noch in wenigen Regionen vor (Reliktvorkommen) und galten teilweise bereits als ausgestorben. Lebende Fossilien sind Lebewesen, für die es viele, zum Teil sehr alte fossile Belege gibt, auf deren Basis der Vergleich mit den heute lebenden Formen stattfindet.
Die Bezeichnung ist insofern irreführend, als sie die Vorstellung nahe legt, seit der Fossilisation ihrer Vorläufer vor Millionen Jahren habe keine evolutive Veränderung der Arten mehr stattgefunden, und die heute lebenden Vertreter würden exakt den fossil belegten Arten gleichen. Aus Sicht der Evolutionstheorie handelt es sich hier um einen Trugschluss, da auch diese Arten zwangsläufig evolutiven Veränderungen unterworfen worden sind. So waren zum Beispiel die fossilen Quastenflosser Bewohner der Flachmeere und Küsten; die heutigen Arten leben demgegenüber in der Tiefsee und haben sich diesem Lebensraum angepasst. Ebenfalls findet Evolution praktisch ständig auf zellulärer und molekularbiologischer Ebene statt, was aber an Fossilien nicht untersucht werden kann. Der Begriff bezieht sich deshalb ausschließlich auf den morphologischen Bauplan.
Stabilisierende Selektion
Unter stabilen ökologischen Verhältnissen, wie z.B. in bestimmten ökologischen Nischen oder in der Tiefsee leben die Individuen einer Population über viele Generationen hinweg unter konstanten Umweltbedingungen. Tiere, die nahe am Mittelwert der Population liegen, zeigen eine höhere Fitness. Somit führt stabilisierende Selektion zu einer geringeren phänotypischen Variabilität, die Formen verändern sich nicht.
Beispiele für fossile Baupläne, die in Reliktformen rezent vorkommen
Beispiele für lebende Fossilien sind:
- der Cociella crocodila (Alligatorfisch)
- die Cyatheales (Baumfarne)
- die Sphenodon punctatus (Brückenechse, Tuatara)
- der Ginkgo biloba (Ginkgo)
- das Atractosteus tristoechus (Knochenhecht)
- der Nasikabatrachus sahyadrensis (eine Froschart)
- die Neopilina galatheae (Neopilina)
- die Nautilus spec. (Perlboote)
- der Xiphosura: Limulidae (Pfeilschwanzkrebs)
- die Latimeria spec. (Latimera oder Quastenflosser)
- das Ornithorhynchus anatinus (Schnabeltier)
- der Tachyglossidae (Ameisenigel)
- der Cathaya (Taubenbaum)
- der Triops spec. (Triops)
- die Welwitschia mirabilis (Welwitschia)
- die Wollemia nobilis oder Wollemie (ein Araukariengewächs)
- der Cyprinodon diabolis (Teufelskärpfling)
- der Solenodon (Schlitzrüssler)
Weitere ursprüngliche Baupläne in heutigen Formen
Zudem gibt es einige Baupläne, die ebenfalls aus vergangenen Erdzeitaltern fossil erhalten sind, jedoch aufgrund ihrer heutigen weiten Verbreitung nicht zu den lebenden Fossilien gerechnet werden. Hierunter fallen beispielsweise:
- die Oomyceten (rezent); stellen Übergangsformen zwischen Pflanzen und Pilzen dar und weisen Merkmale beider auf. Die Baupläne sind sehr alt, kommen jedoch heute sehr häufig vor.
- die Volvox (rezent); eine Kolonie von Grünalgenzellen, welche eine Übergangsform zwischen Einzellern zu Mehrzellern darstellt. Obwohl sie aus mehreren Zellen besteht, hat sie doch keine Arbeitsteilung. Der Bauplan der Volvox ist außerordentlich alt, diese Lebewesen sind jedoch auf der Erde allgemein verbreitet.
Siehe auch: Missing Link (fehlendes Bindeglied)
Andere Bedeutungen des Begriffs
Der Begriff „Lebendes Fossil“ wird umgangssprachlich meist abwertend für alte, in ihrer intellektuellen, künstlerischen, etc. Entwicklung auf einem nicht mehr als zeitgemäß erachteten Stand stehengebliebene Menschen verwendet.