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Hauptamt SS-Gericht

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Das Hauptamt SS-Gericht war die Zentral- und Ministerialinstanz der gesamten SS- und Polizeigerichtsbarkeit mit Sitz in München. Das Hauptamt war - gleichberechtigt neben der Kriegsgerichtsbarkeit der Wehrmacht - als Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für den gesamten Bereich der SS und der Polizei zuständig. Später wurde die Zuständigkeit ausgedehnt auf deutsche und ausländische Zivilpersonen wegen aller im Operationsgebiet begangenen Straftaten, ab Januar 1945 sogar auf alle Kriegsgefangenen.

Geschichte

Das Hauptamt SS-Gericht ging hervor aus dem SS-Disziplinaramt und dem SS-Rechtsamt, die schon länger zuvor bestanden hatten und am 1. Juni 1939 im neuen Hauptamt aufgingen. Sein Aufgabenbereich war zunächst die Bearbeitung von "Disziplinar- und Beschwerdesachen für den Reichsführer-SS".

Juristische Grundlagen

Grundlage der Arbeit der Sondergerichtsbarkeit der SS und Polizei waren das Militärstrafgesetzbuch und die Militärstrafgerichtsordnung, von denen jedoch in einer Reihe von Fällen abgewichen wurde.

Hauptamtschefs

Erster Hauptamtschef war vom 1. Juni 1939 bis zu seinem Tode am 29. Juli 1942 SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Paul Scharfe. Nachfolger und letzter Hauptamtschef wurde am 15. August 1942 SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Franz Breithaupt. Zum Dienstantritt Breithaupts verfügte Himmler, dass niemals ein Jurist an die Spitze des SS-Hauptamtamts Gericht treten dürfe.

SS- und Polizeigerichte

Im Hauptamt in München wurde ein Oberstes SS- und Polizeigericht eingerichtet für alle Fälle von Hoch- und Landesverrat, Spionage, für alle Straftaten von SS- und Polizeioffizieren im Generalsrang sowie für Straftaten von besonderer Bedeutung. Das Oberste SS- und Polizeigericht war kein übergeordnetes Gericht im Sinne einer Rechtsmittelinstanz. In allen Strafverfahren der SS und Polizei entschied jedes Gericht, entsprechend den Kriegsgerichten der Wehrmacht, ohne Berufungsmöglichkeit in erster und letzter Instanz. Es kam jedoch häufig vor, dass Himmler, dem eine enorme Anzahl von Urteilen persönlich vorgetragen oder vorgelegt wurden, Urteile eigenhändig korrigierte, sei es strafverschärfend oder auf dem Gnadenwege Todesurteile abschwächend durch Versetzung von Verurteilten zu so genannten "Bewährungseinheiten".

Dem Hauptamt SS-Gericht unterstanden bis zu 38 regionale SS- und Polizeigerichte. Sie waren eingerichtet jeweils am Dienstsitz eines Höheren SS- und Polizeiführers, der in den Verfahren auch als Gerichtsherr fungierte. An den SS- und Polizeigerichten waren SS-Führer mit der Befähigung zum Richteramt als so genannte SS-Richter tätig, die der Waffen-SS angehören mussten. Es gab im Sommer 1944 605 dem Hauptamt SS-Gericht unterstellte SS-Richter: ein deutlicher Hinweis auf die hohe Zahl von Strafsachen in den Reihen der SS und Polizei.

Durch Erlaß Himmlers vom 16. Mai 1944 wurde beim Hauptamt SS-Gericht ein SS- und Polizeigericht z.b.V. (zur besonderen Verwendung) eingerichtet, das ausschließlich mit der Aufklärung und Verfolgung einiger in Konzentrationslagern begangener Delikte, insbesondere von Unterschlagungen und Korruption, betraut war. Zum Tode verurteilt wurden die beiden KZ-Kommandanten Karl Otto Koch (KZ Buchenwald) und Hermann Florstedt (KZ Buchenwald) und KZ Majdanek). Koch wurde in Buchenwald zur Freude der Häftlinge erschossen, Florstedts Schicksal ist nicht völlig geklärt. Verhaftet und verurteilt wurden mindestens drei weitere abgesetzte KZ-Kommandanten. Ermittlungsverfahren gab es unter anderem gegen SS-Oberführer Johannes Loritz (KZ Dachau und KZ Sachsenhausen), Rudolf Höss (KZ Auschwitz), sogar gegen den Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes Oswald Pohl und seinen Verteter August Frank. Diese Ermittlungen wurden erwartungsgemäß auf direkte Weisung Himmlers eingestellt.

Literatur

  • Bernd Wegner: Die Sondergerichtsbarkeit von SS und Polizei. Militärjustiz oder Grundlegung einer SS-gemäßen Rechtsordnung? In: Ursula Büttner (Hrsg.): Das Unrechtsregime. Internationale Forschung über den Nationalsozialismus, Bd. I, Hamburg 1986. S. 243-259, ISBN 3767209624.
  • Hans Buchheim: Die SS - das Herrschaftsinstrument. Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. In: Anatomie des SS-Staates, Bd. I, Deutscher Taschenbuch Verlag Nr. 2915, München 1967, S. 153-160, ISBN 3423029153.