Amistad (Schiff)
La Amistad (span.: Die Freundschaft; zunächst Friendship, später Ion) war ein Schiff im 19. Jahrhundert. Bekannt wurde es durch einen Aufstand von versklavten Afrikanern, der 1839 an Bord ausbrach. Das von den Afrikanern übernommene Schiff wurde vor der Küste der Vereinigten Staaten von Amerika von der US-Marine aufgebracht, die die Afrikaner festnahm. Die nachfolgenden Gerichtsverhandlungen – die sog. Amistad-Prozesse – fanden unter großem Interesse der zeitgenössischen US-amerikanischen und zum Teil sogar der internationalen Medien statt und spielten eine Rolle für die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in den USA.
Der Aufstand und die nachfolgenden Prozesse bildeten die Grundlage für mehrere Bücher und den Film Amistad - Das Sklavenschiff von Steven Spielberg (1997), die zum Teil deutlich von den historischen Begebenheiten abweichen.
Das Schiff bis 1839
Die spätere Amistad wurde als zweimastiger Schoner in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland unter dem Namen Friendship (engl.: Freundschaft) gebaut. Ihr Deck war etwa 65 Fuß (ca. 19,81 Meter) lang, und sie hatte etwa 120 Tonnen Verdrängung (d.h. eine Schiffsmasse von etwa 120 Tonnen). Nach Verkauf an einen Spanier wurde das Schiff in La Amistad umbenannt. Aufgrund der "Amistad-Prozesse" ist das Schiff heute auch in den USA unter seinem spanischen Namen bekannt.
La Amistad wurde als Frachtschiff auf kurzen küstennahen Strecken um Kuba eingesetzt, das in dieser Zeit zu Spanien gehörte. Ihre übliche Route verlief zwischen ihrem Heimathafen Guanaja und Kubas Hauptstadt Havanna, und ihre Hauptfracht waren Produkte der Zuckerherstellung. Auf La Amistad wurden aber auch Passagiere und gelegentlich Sklaven befördert. Entgegen häufiger Darstellungen war La Amistad also kein Sklavenschiff im engeren Sinne: Sie wurde weder für die Sklaventransporte zwischen Afrika und Amerika eingesetzt, noch war sie speziell zum Transport von Sklaven konstruiert. So hatte sie ein Frachtdeck in normaler Höhe, wohingegen für echte Sklavenschiffe ein halbhohes Frachtdeck charakteristisch ist, das zu niedrig zum Stehen ist, da die Sklaven in liegender bis sitzender Stellung angekettet wurden.
Der Aufstand und die Fahrt der Aufständischen 1839
Am Abend des 28. Juni 1839 wurde die zu dieser Zeit schwarzgestrichene La Amistad in einem kleinen Hafen bei Havanna mit Fracht (Wein, Rosinen, Medizin, Kleidung, Geschirr und Macheten für die Zuckerrohrernte) für eine mehrtägige Fahrt nach Guanaja beladen. Zusätzlich wurden 53 Afrikaner an Bord genommen. Neben drei Mädchen und einem Jungen handelte es sich um 49 Männer von vermutlich sechs ethnischen Gruppen, die in den heutigen Staaten Liberia, Sierra Leone und Guinea siedeln.[1] Alle Afrikaner waren erst kurz zuvor in Afrika versklavt und/ oder von afrikanischen Sklavenhändlern gekauft worden, und die 49 Männer waren einige Wochen zuvor mit dem portugiesischen Sklavenschiff Teçora nach Kuba gebracht worden. Diese Einfuhr von Sklaven nach Amerika nach 1819 verstieß gegen einen internationalen Vertrag, den auch Spanien unterzeichnet hatte, zu dem Kuba in dieser Zeit gehörte; legal handelte es sich bei den Afrikanern daher nicht um "Sklaven" (siehe Amistad-Prozesse). Da La Amistad über keine ausreichende Unterbringung für 53 Sklaven verfügte, wurde die Hälfte der Afrikaner unter Deck, die andere Hälfte an Deck untergebracht. Die Afrikaner konnten sich relativ frei bewegen.

An Bord des Schiffes waren neben dem Kapitän Ramón Ferrer sein sechzehnjähriger Sklave und Kabinensteward Antonio, zwei Matrosen und der Mulattenkoch Celestino. Außerdem fuhren der Sklavenhändler Pepé Ruiz mit, der den Großteil der 49 erwachsenen Afrikaner als sein Eigentum beanspruchte, und der Sklavenhändler Pedro Montes, der die vier Kinder sein Eigentum nannte.

In der dritten Nacht fand der spätere Anführer der Afrikaner, Sengbe Pieh (in den Amistad-Prozessen bekannt geworden als Joseph Cinqué), an Deck einen Nagel, mit dem er sich und die übrigen Afrikaner befreien konnte. Gegen 4 Uhr morgens begannen die Afrikaner einen Aufstand, in dessen Verlauf sie den Kapitän und den Koch töteten. Die beiden Matrosen wurden entweder ebenfalls getötet oder konnten über Bord entkommen.[2] Es überlebten der schwarze Sklave Antonio und die beiden Sklavenhändler. Auch zwei der Afrikaner starben während des Aufstands, mehrere wurden verletzt.
In der Folge wollten die Afrikaner auf La Amistad nach Afrika zurückkehren. Da sie aber bisher weder über Erfahrungen mit Segelschiffen noch mit Hochseenavigation verfügten, versuchten sie, die zwei Sklavenhändler zu zwingen, ihnen bei der Fahrt nach Osten zu helfen. Tatsächlich bemühten sich die Sklavenhändler jedoch, in den Gewässern um Kuba zu bleiben und einem anderen Schiff zu begegnen. Tagsüber segelten die Afrikaner daher nach Osten. Die Sklavenhändler verlangsamten allerdings nach ihren Möglichkeiten die Fahrt und segelten darüber hinaus bei Dunkelheit wieder nach Westen. Dadurch entfernte sich La Amistad nur sehr langsam aus den Gewässern um Kuba und blieb mehrere Wochen in der Karibik und anschließend in den Gewässern um die Bahamas. In dieser Zeit riskierten die Afrikaner einen Landgang auf den Bahamas, um Wasser, Vorräte und möglicherweise einen Steuermann zu bekommen. Da sie aber kaum englisch sprachen und fürchteten, gefangengenommen und wieder versklavt zu werden, segelten sie bald weiter.[3]
Als der Schoner schließlich in den Atlantik gelangte, geriet er in den Golfstrom und wurde von ihm auf den wechselnden Kursen der Afrikaner und der Sklavenhändler entlang der Küste der USA nach Norden getrieben. Im August verschärfte sich die Situation an Bord: Die Vorräte wurden knapp, mehrere Afrikaner waren krank, einige waren gestorben, andere dem Tode nah.[3] Die Afrikaner entschieden, einen weiteren Landgang zu riskieren und erreichten am 25. August die Halbinsel Culloden Point im Osten von Long Island im US-Bundesstaat New York. Eine Gruppe von Afrikanern ging an Land, wo sie Henry Green und vier weitere ortsansässige Seeleute traf. Die Afrikaner versuchten, die Amerikaner zu überreden, La Amistad gegen Zahlung von Gold, das sie angeblich an Bord hätten, nach Afrika zu segeln. Wie Green in den Amistad-Prozessen später zugab, wollte er das Schiff stattdessen gegen Bergelohn in New York ausliefern, und machte den Afrikanern deswegen vage Versprechungen. Beide Seiten verabredeten ein weiteres Treffen am nächsten Morgen.[3]
Bevor es dazu kam, traf die USS Washington – eine 1837 gebaute Brigg der US-Marine – ein. Da La Amistad in den vergangenen Wochen mehrfach gesichtet worden und als Piratenschiff beschrieben worden war, hatte der Kommandant der USS Washington, Leutnant Thomas Gedney, den Auftrag, nach einem Piratenschiff mit schwarzer Besatzung Ausschau zu halten. Obwohl er nicht auch eigens einen Auftrag zum Entern und Übernehmen des Schiffes erhalten hatte, wie es für das Aufbringen von Piratenschiffen eigentlich rechtlich erforderlich war, ließ Gedney La Amistad entern und alle Afrikaner einschließlich des schwarzen Sklaven Antonio gefangen nehmen. Anschließend wurde La Amistad nach New London (Connecticut) gebracht, wo die Afrikaner und Antonio ins Gefängnis und die beiden weißen Sklavenhändler auf freien Fuß gesetzt wurden. In den Amistad-Prozessen wurde der Besatzung der USS Washington vorgeworfen, sie hätten New London anstelle des näheren Hafens von New York angelaufen, um den ihnen zustehenden Bergelohn für La Amistad zu erhöhen, da Sklaverei in Connecticut – anders als in New York – noch erlaubt war und der Wert der "Fracht" sich damit um den Wert der Sklaven erhöhen würde. Der Vorwurf konnte in den Prozessen jedoch nicht sicher belegt werden.
Das weitere Schicksal der Beteiligten am Aufstand entschied sich in den Amistad-Prozessen, in deren Mittelpunkt die Frage stand, ob die Afrikaner nach geltendem Recht Sklaven waren, deren Rebellion illegal gewesen wäre, oder unrechtmäßig versklavte freie Menschen, die sich legal mit allen Mitteln gegen ihre Gefangennahme wehren durften.[4] Nach einem Rechtsstreit durch alle Instanzen sprach der Oberste Gerichtshof der USA ("Supreme Court") den Afrikanern 1841 endgültig die Freiheit zu. 35 der Afrikaner kehrten nach Afrika zurück, das sie Mitte Januar 1842 erreichten. Die beiden Sklavenhändler kehrten nach Kuba zurück.
Das Schiff nach 1839
Von 1839 an lag La Amistad über ein Jahr lang an der Werft hinter dem Zollhaus von New London und wurde in dieser Zeit instandgesetzt, bevor sie im Oktober 1840 von einem Justizbeamten (U.S. Marshall) versteigert wurde. La Amistad wurde von Kapitän George Howland aus Newport (Rhode Island) erworben. Es wurde eigens ein US-amerikanisches Bundesgesetz verabschiedet, das Howland erlaubte, das Schiff in den USA in ein Schiffsregister eintragen zu lassen. Howland benannte das Schiff in Ion um und segelte es Ende 1841 mit einer Fracht von Zwiebeln, Äpfeln, Geflügel und Käse auf die Bermuda-Inseln und nach Saint Thomas auf den Amerikanischen Jungferninseln.
Nachdem er das Schiff mehrere Jahre eingesetzt hatte, verkaufte Howland es 1844 in Guadeloupe. Das weitere Schicksal und der Verbleib des Schiffes sind ungeklärt.
Der Nachbau von La Amistad: Die Amistad
Im März 2000 lief ein Nachbau von La Amistad unter dem Namen Amistad – oft mit dem englischen Beinamen Freedom Schooner (engl. für "Freiheitsschoner") – im Hafen von Mystic (Connecticut) vom Stapel. Das Schiff im Eigentum der AMISTAD America Inc. hat seinen Heimathafen in New Haven (Connecticut), wo der erstinstanzliche Amistad-Prozeß stattfand. An Bord des Schiffes werden Schulkinder über Bürgerrechte, die Geschichte der Sklaverei und Rassendiskriminierung aufgeklärt. Die Freedom Schooner Amistad läuft auch andere Häfen an, um dort für pädagogische Ziele eingesetzt zu werden. Im Jahr 2007 wird das Schiff zu seiner ersten Transatlantikreise aufbrechen, auf der es nach Großbritannien, über Lissabon und die Kanarischen Inseln nach Dakar (Senegal) und Freetown (Sierra Leone) segeln soll und schließlich über Kap Verde und die Karibik entlang der Ostküste der USA nach New Haven zurückkehren soll.[5]
Die Amistad ist seit 2003 Flaggschiff und Tall Ship Ambassador (engl.; etwa "Großsegler-Botschafter") des Staates Connecticut.[6]
Quellen
- Einzelne Angaben des Artikels basieren auf dem gleichnamigen Artikel in der englischen Wikipedia in der Fassung vom 5. Januar 2007. Weiterhin sind zu nennen:
- ↑ Laut AMISTAD:-The Ordeal of 39 African Men and Three Little African Girls (abgerufen 6. Januar 2007) waren die Afrikaner von den Stämmen der Mende (z.T. auch "Mendi"), Mandingo, Vai, Kissi, Gbandi und Lorma. Allerdings stützt sich die Seite in weiten Teilen auf private Quellen und legt eine abweichende Zahl von Afrikanern zugrunde.
- ↑ Exploring Amistad at Mystic Seaport® (1997): The Revolt (engl.) (abgerufen 6. Januar 2007)
- ↑ a b c Exploring Amistad at Mystic Seaport® (1997): The Black Schooner (engl.) (abgerufen 6. Januar 2007)
- ↑ Exploring Amistad at Mystic Seaport® (1997): The Trials (engl.) (abgerufen 6. Januar 2007)
- ↑ AmistadAmerica: The 2007 AMISTAD America's Atlantic Freedom Tour (engl.) (abgerufen 7. Januar)
- ↑ State of Connecticut, Secretary of State: Sites º Seals º Symbols : State Flagship and Tall Ship Ambassador. Freedom Schooner Amistad (abgerufen 5. Januar 2007)
Literatur
- John Quincy Adams (1876). Memoirs of John Quincy Adams. (Band X) J. B. Lippincott & Co. (Adams' Darstellung des Amistad-Falls von der Ankunft des Schiffs in den USA bis zu seiner Verteidigung der Afrikaner vor dem Obersten Gerichtshof der USA) (engl.)
- Mary Cable (1971). Black Odyssey – The Case of the Slave Ship Amistad. New York: Viking Press. (engl.)
- Howard Jones (1987). Mutiny on the Amistad – The Saga of a Slave Revolt and Its Impact on American Abolitionism Law and Diplomacy. New York: Oxford University Press. (engl.)
- David Pesci (1998). Amistad. Der authentische Roman über einen Aufstand, der Geschichte machte. (Originaltitel: Amistad - A Novel) Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe. (historische Fiktion, gestützt auf und mit Angabe von Originalquellen im Anhang; zum Teil freie, nicht historisch korrekte Darstellung)
Internetverweise
- Exploring Amistad at Mystic Seaport®: The Amistad Story (engl.) (Geschichte der Amistad-Afrikaner, einschließlich einer Schilderung des Aufstands an Bord von La Amistad)
- Amistad America (engl.) (Internetseite der Amistad, des Nachbaus von La Amistad)
- Seite Seite des US-Bundesstaates Connecticut mit einem Photo der Amistad, des Nachbaus von La Amistad (engl.)