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Rechtskraft (Deutschland)

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Unter Rechtskraft versteht man bestimmte Rechtswirkungen, die von einem gerichtlichen Urteil oder einem Beschluss ausgehen, und die Voraussetzungen, unter denen diese Wirkungen eintreten.

Die Wirkung der Rechtskraft lässt sich mit dem römischen Grundsatz "Contra rem judicatam non audietur" wie folgt beschreiben: "Gegen eine gerichtlich entschiedene Sache wird man nicht gehört". Ziel der Rechtskraft ist es, die Endgültigkeit richterlicher Entscheidungen wirksam werden zu lassen, um somit dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit zu dienen. Die entgegenstehende Rechtskraft führt daher bei einer erneuten Klage zur Unzulässigkeit.

Grundsätzlich erwächst nur der Tenor des Urteils in Rechtskraft, also die gerichtlich festgestellte Rechtsfolge, nicht jedoch die Urteilsbegründung oder etwa Tatsachenfeststellungen.

Zu unterscheiden ist zum einen zwischen der Rechtskraftwirkung von Prozessurteil und Sachurteil, zum anderen zwischen formeller Rechtskraft und materieller Rechtskraft.

Formelle Rechtskraft

Typischerweise hindern rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel den Eintritt der Rechtskraft, (Suspensiveffekt). Dies sind beispielsweise Berufung und Revision. Die formelle Rechtskraft tritt ein, wenn es kein Rechtsmittel mehr gegen die Entscheidung gibt (vgl. § 705 ZPO). Das ist der Fall, wenn die zur Einlegung von Rechtsmitteln Berechtigten die hierfür vorgesehene Frist verstreichen lassen, darauf verzichten (Rechtsmittelverzicht) oder ein solches nicht vorgesehen ist.

Die eingetretene formelle Rechtskraft kann nur ausnahmsweise nachträglich wieder entfallen. Bei unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist kann nachträglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO, §§ 44 ff. StPO) gewährt werden. Unter engen Voraussetzungen kann das Verfahren wiederaufgenommen werden (§§ 578 ff. ZPO, §§ 359 ff. StPO). Auch auf eine Verfassungsbeschwerde hin kann eine rechtskräftige Entscheidung wieder aufgehoben werden.

Materielle Rechtskraft

Die materielle Rechtskraft setzt den Eintritt der formellen Rechtskraft voraus. Sie bindet sämtliche Gerichte und die Parteien an die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge auch in späteren Prozessen. Dies soll unter anderem sich widersprechende Urteile verhindern und Rechtssicherheit für die Parteien schaffen.

Im Zivilprozess ist es dann grundsätzlich nicht mehr erlaubt, dasselbe Begehren (denselben Streitgegenstand bzw. prozessualen Anspruch) noch einmal zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machen. Klagen mit identischem Inhalt sowie Klagen mit anderer Zielsetzung über einen identischen Streitgegenstand werden nach Eintritt der Rechtskraft ausgeschlossen.

Im Strafprozess führt die Rechtskraft des Urteils zu einem Strafklageverbrauch (Ne bis in idem), so dass eine nochmalige Verfolgung wegen derselben Tat ausgeschlossen ist.

Auf Dritte, die am Verfahren nicht beteiligt waren, erstreckt sich die Bindung dagegen grundsätzlich nicht.

Die Bestandskraft entfaltet im öffentlichen Recht bei Verwaltungsakten der Rechtskraft ähnliche Wirkungen.