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Ameisensäure

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Datei:Methansäure 2.png
Strukturformel der Methansäure

Ameisensäure (auch Formylsäure und Hydrocarbonsäure, nach der Nomenklatur ist der Name Methansäure) ist eine farblose, ätzende und in Wasser lösliche Flüssigkeit, in der Natur wird sie vielfach von Lebewesen zu Verteidigungszwecken genutzt. Sie zählt zu den Alkansäuren, dies sind gesättigte Carbonsäuren, und ist mit der Summenformel CO2H2 die kürzeste von diesen. Die Säure wurde im 1671 von John Ray als erster aus toten Ameisen isoliert, und erhielt von diesen ihren Namen.

Historische Informationen

John Ray isoliert 1671 als erster die Ameisensäure.

In dem frühen 15. Jahrhundert merkten einige Alchemisten und Naturalisten das Ameisen eine saure Flüssigkeit absonderten. Der englische Naturalist John Ray isolierte 1671 die Ameisensäure als erste Person als er eine große Anzahl von Ameisen destillierte. Der Doktor Christoph Girtanner schrieb 1795 zur Gewinnung von Ameisensäure folgenden Text:

Die Ameisensäure erhält man durch Destillation aus den Ameisen (Formica rufa). Man destilliert Ameisen bei gelindem Feuer, und erhält in der Vorlage die Ameisensäure. Sie macht ungefähr die Hälfte des Gewichtes der Ameisen aus. Oder man wäscht die Ameisen in kaltem Wasser ab, legt sich nachher auf ein Tuch, und gießt kochendes Wasser darüber. Drückt man die Ameisen gelinde aus, wird die Säure stärker. Um die Säure zu reinigen, unterwirft man sie wiederholt der Destillation, und um sie zu konzentrieren, läßt man sie gefrieren. Oder noch besser: man sammelt Ameisen, preßt sie aus, ohne Wasser, und destilliert die Säure davon.

Der französische Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac synthesierte die Ameisensäure als erstes aus der Blausäure. 1855 erfand ein anderer französischer Chemiker, Marcellin Berthelot, die Synthese aus dem Kohlenmonoxid, welche noch heute angewendet wird. Lange Zeit war die Ameisensäure von nur kleiner technischer Bedeutung. In den spätem 60er Jahren wurden signifikante Mengen der Ameisensäure als Nebenprodukt bei der Synthese zu Essigsäure hergestellt. Erst später wurde die Ameisensäure im größeren Stil genutzt und wurde jetzt nicht mehr nur noch als Nebenprodukt hergestellt, sondern durch eigene Synthesen hergestellt.

Eigenschaften

Thermodynamische Eigenschaften
Standardbildungsenthalpieflüssig -424,72 kJ/mol
freie Standardbildungsenthalpie -361,35 kJ/mol
Standardentropieflüssig 128,95 J/(mol·K)
Wärmekapazitätflüssig 99,04 J/(mol·K)
Standardbildungsenthalpiegasförmig -378,6 kJ/mol
Standardentropiegasförmig 248,7 J/mol·K
Wärmekapazitätgasförmig 45,7 J/mol·K

Ameisensäure riecht stark und stechend, die Geruchsschwelle liegt bei 1ppm. Mit Wasser, Ethanol sowie Glykol ist die Ameisensäure in jedem Verhältnis mischbar, in den meisten anderen polaren organischen Stoffen ist es auch löslich, in Kohlenwasserstoffen ist es nur gering löslich.

Ameisensäure ist eine relativ instabile, farblose, klare und leicht flüchtige Flüssigkeit. Bei 8 °C erstarrt die Ameisensäure zu einem farblosen Feststoff und bei 100,7 °C siedet sie. Bei Anwesenheit von Sauerstoff verbrennt sie zu Kohlendioxid und Wasser. Aufgrund ihrer Aldehydgruppe ist die Ameisensäure ein starkes Reduktionsmittel. Die Ameisensäure hat kein Säureanhydrid. Die Ameisensäure bildet Wasserstoffbrückenbindungen aus, diese bestehen teilweise auch im gasförmigen Zustand weiter, deswegen kommt es zu stärkeren Abweichungen zu dem idealen Gasgesetz.

Die Dichte beträgt bei 20 °C 1,190 g/cm³, der Dampfdruck beträgt 28 hPa. Die Säurekonstante(pKs-Wert) ist 3,75, sie ist die stärkste Säure der Carbonsäuren. Das Molgewicht beträgt 46,03 g/mol. Beim Schmelzen der Ameisensäure werden 12,7 kJ/mol freigesetzt, beim Verdampfen 22,7 kJ/mol. Die wichtigen thermodynamischen Eigenschaften lassen sich aus der rechten Tabelle entnehmen.

Der Nachweis der Ameisensäuredampfes erfolgt mithilfe von Dräger-Prüfröhrchen, ansonsten wird die Ameisensäure über ihre reduzierende Wirkung nachgewiesen, meist dadurch, dass sie eine ammoniakalischen Silbernitratlösung zu Silber reduzieren kann.

Aufbau und Nomenklatur

Datei:Methansäure.jpg
Kalottenmodell der Methansäure

Das Molekül der Ameisensäure ist das am einfachsten und kürzesten aufgebaute Molekül der Carbonsäuren, es enthält nur ein Kohlenstoffatom. Die Ameisensäure nimmt eine Sonderstellung ein, aufgrund des (kurzen) Aufbaus wirken sowohl eine Aldehydgruppe (CH=O-Gruppe) als auch eine Carboxylgruppe(COOH-Gruppe) auf das Molekül ein, diese wirken besonders stark, weil das neben der Carboxylgruppe auftrettende Wasserstoffatom kaum ein Gegengewicht schafft.

Dies erklärt auch einige Eigenschaften der Ameisensäure: Aufgrund der stark polaren Carboxylgruppe ist die Ameisensäure in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar ist, die Anwesenheit Carboxylgruppe bei der Ameisensäure erklärt auch die höhere Acidität (Säurestärke) gegenüber den Alkoholen. Die Aldehydgruppe wiederum ist für die reduzierendere Wirkung der Ameisensäure verantwortlich.

Die Summenformel der Ameisensäure lautet CO2H2. Der richtige Name der Ameisensäure lautet nach der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) Nomenklatur Methansäure, er gibt den Aufbau der Ameisensäure wieder, Ameisensäure, ein historisch bedingter Name, der auf die Anwesenheit in Ameisen hinweist, ist allerdings der wesentlich häufig verwendete Name. Die Salze der Ameisensäure sind die Methanate, auch hier wird der Trivialname Formiate häufiger benutzt, obwohl er nicht der Nomenklatur entspricht, die Formiate haben die Summenformel (HCOO)-. Das bedeutenste Formiat ist das Natriumformiat.

Herstellung

Marcellin Berthelot erfindet 1855 die Synthese der Ameisensäure aus dem Kohlenmonoxid.

Die urtümliche Isolation der Ameisensäure aus toten Ameisen wird heutzutage natürlich nicht mehr genutzt, die Herstellung der Ameisensäure erfolgt in der chemischen Industrie meist nach dem von Marcellin Berthelot 1855 erfundenen Verfahren, hierbei werden zwei Verfahrensschritte benötigt, giftiges Kohlenmonoxid kann hierbei sinnvoll genutzt werden:

Auch die Herstelung der Ameisensäure aus Methanol erfolgt unter anderem aus Kohlenmonoxid, auch hier werden zwei Verfahrensschritte benötigt. Als Zwischenprodukt wird Ameisensäuremethylester hergestellt, am Ende ensteht wiederum Methanol, welches auch Ausgangsprodukt dieser Synthese war:

  • Methanol reagiert mit Kohlenmonoxid zu Ameisensäuremethylester, hierbei werden meist 80 °C und 40 atm benutzt.
    • Ameisensäuremethylester reagiert mit Wasser zu Ameisensäure und Methanol.

Weil die Hydrolyse des Ameisensäuremethylesters viel Wasser verbrauchen würde, benutzen einige Hersteller der Ameisensäure einen inderektes Verfahren mit Ammoniak, bei dem wiederum zwei Verfahrensschritte vonnöten sind. Aber auch dieses indirekte Verfahren birgt Probleme, weil teilweise das Nebenprodukt Ammoniumsulfat freigesetzt wird:

Aufgrund dieses Problemes wurde von den Hersteller ein neues Verfahren der direkten Hydrolyse entwickelt, bei dem die Ameisensäure energiegünstig aus den großen Mengen von Wasser abgesondert werden kann. Ein Beispiel hierfür ist ein Verfahren der BASF bei dem mit Hilfe einer organischen Base die Ameisensäure durch Flüssigextraktion abgesondert werden kann.

Desweiteren fällt Ameisensäure als Nebenprodukt bei der Herstellung von Essigsäure aus Leichtbenzin oder Butan an. Auch mit Hilfe von Blausäure kann Ameisensäure hergestellt werden. Die Herstellung aus Methanol kann auch auf eine zweite Art geschehen, hierbei wird das MEtahnol zu Formaldehyd und Ameisensäure umgesetzt. Diese drei Verfahren sind allerdings von geringer technischer Bedeutung.

Sicherheit

Die CAS-Nummer der Ameisensäure ist 64-18-6. Bei der Ameisensäure sind folgende R- und S-Sätze zu beachten: R:35 und S:(1)-23-26-45. Die Maximale Arbeitsplatz-Konzentration liegt bei 5 ml/m³. Die LD50(oral) beträgt für eine Ratte 1100 mg/kg (Diese Werte beziehen sich auf den unverdünnten Stoff).

Gefahren und Schutzmaßnahmen

Datei:Gefahrensymbol C.png
Ameisensäure ist ätzend

Der Kontakt mit Ameisensäure oder konzentrierten Dämpfen reizt die Atemwege und Augen. Sie führt auf der Haut ab einer Konzentration über 10% zu Verätzungen und Blasen. Bei dem Zerfall der Ameisensäure kann das Atemgift Kohlenmonoxid entstehen, deswegen sollte Vorsicht währen, wo immer größere Mengen von Ameisensäure zu finden ist. Ameisensäure kann vom Körper abgebaut werden. In hohen Dosen ist es giftig . Ameisensäure ist schwach wassergefährdend. Bei chronischer Aussetzung kann es zu Hautallergien führen. Tierversuche haben gezeigt, dass Ameisensäure mutagen wirkt, außerdem führte es hierbei zu Leber- und Nierenschäden.

Ameisensäure muss an einem gut belüfteten, kühlen Ort aufbewahrt werden. Behälter in denen Ameisensäure gelagert wird, müssen mit einer Druckausgleichverschraubung verschlossen werden. Bei Versuchen mit Ameisensäure müssen Schutzbrille- und Handschuhe verwendet werden.

Erste Hilfe und Brandbekämpfung

Bei Kontakt mit der Säure oder ihren Dämpfen mit den Augen sollen diese ca. 15 min lang mit Wasser ausgespült werden und ein Arzt konsultiert werden. Ameisensäure und ihre Dämpfe können zu bleibenden Augenschäden führen. Auch bei Hautkontakt sollte die betroffene Stelle mit Wasser abgespült werden. Beim Einatmen sollte sofort für Frischluftzufuhr gesorgt werden, beim Verschlucken sollte viel Wasser getrunken werden, allerdings kein Erbrechen herbeigeführt werden. Bei jeder Art Unfall oder Unwohlsein aufgrund der Ameisensäure sollte sofort ein Arzt hinzugezogen werden.

Ab einem Luftvolumenanteil von 12-38% (je nach der Konzentration) bilden Dämpfe der Ameisensäure explosive Gemische mit der Luft. Auch an Nickelkatalysatoren und Nitromethan besteht Explosionsgefahr. Der Flammpunkt der Ameisensäure liegt bei 48°C, die Zündtemperatur bei 480 °C, diese Werte liegen relativ niedrig. Die Dämpfe sind schwerer als Luft und brennbar. Das Löschmittel sollte je nach Umgebung ausgewählt werden und Wassernebel, Schaum oder Kohlendioxid sein.

Reaktionen

  • Ameisensäure zerfällt zu Wasser und Kohlenmonoxid.
  • Ameisensäure verbrennt bei Anwesenheit von Luft zu Kohlendioxid und Wasser.
  • Bei höheren Temperaturen und unter Anwesenheit eines Katalysator zerfällt sie zu Kohlendioxid und Wasserstoff.

Mit Metallen reagiert die Ameisensäure wie anorganische Säuren zu Metallformiaten und Wasserstoff.

Mit Alkoholen reagiert die Ameisensäure unter Anwesenheit eines Katalysator (meist Schwefelsäure) zu Wasser und Ameisensäurealkylestern.

  • Ameisensäure reagiert mit Methanol zu Wasser und Ameisensäuremethylester.

Verwendung

Die Ameisensäure wurde unter der E-Nummer E236 als Konservierungsmittel in Fisch-, Obst- und Gemüseprodukten verwendet, was aber seit 1998 in Deutschland gesetzlich verboten ist. In der Medizin wird sie als Antirheumatikum verwendet, in der Textil- und Lederindustrie zum Beizen und Imprägnieren. Teilweise wird sie auch als Desinfektionsmittel (auch in sauren Reinigungsmitteln) verwendet. Sie tötet Bakterien gut ab, allerdings kann sie dabei auch mit anderen Stoffen in Reaktion tretten. In der chemischen Industrie wird sie zur Neutralisierung, bei der Gummiproduktion und allgemein in der organischen Synthese genutzt.

Vorkommen in der Natur

Brennhaare der Brennessel

In der Natur ist die Ameisensäure weit verbreitet, sie wird von vielen Pflanzen- und Tierarten, besonders von den Stechimmen, als Giftcocktail zu Verteidigungs- bzw. Angriffszwecken benutzt.

Die Raupen des Schmetterling Gabelschwanz sowie einige Ameisenarten wie die Waldameise spritzen zur Verteidigung Ameisensäurecocktaile, der Gabelschwanz spritzt die Ameisensäure nur einige Zentimeter weit, die Waldameise spritzt sogar, um ihren Bau zu verteidigen, etwa einen Meter weit. Einige Laufkäfer- sowie Bienenarten benutzen Ameisensäurecocktaile sowohl zu Verteidigungszwecken als auch zu Angriffszwecken. Auch bei einigen Quallenarten werden in den Nesseln Ameisensäurecocktaile zum Beutefang verwendet.

In den Brennhaaren der Brennesseln findet sich ein Cocktail, der unter anderem Ameisensäure und Natriumformiat enthält.

Im menschlichen Organismus entsteht Ameisensäure neben Formaldehyd bei der Metabolisierung von Methanol.

Soweit möglich und gebräuchlich, wurden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen.

Literatur

  • Ameisensäure, Formiate, Diglykol - bis – chlorformiat. Wiley/VCH, Weinh, ISBN 3527285296
  • Ausgewählte C-H-O Radikale. Ameisensäure. Essigsäure. Oxalsäure (Gmelin Handbook of Inorganic and Organometallic Chemistry - 8th edition ELEM C TL C LFG 4). Springer Verlag, ISBN 3540932836
  • Gundula Jänsch-Kaiser und Dieter Behrens: Ameisensäure und Erdalkalihydroxide. DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., ISBN 3926959002