Geschichte Malawis
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte Malawis.
Frühgeschichte bis 1859
Erste bekannte Bewohner waren die San, welche vor rund 3500 Jahren ins Gebiet des heutigen Malawis kamen. Zeugen ihrer Anwesenheit sind die noch heute bestehenden Felszeichnungen in den Höhlen von Chencherere und Mphunzi südlich der Stadt Lilongwe.
Offenbar stand Malawi lange im Einfluss der San, deren kulturelles Zentrum bis 1400 das Munhumutapa-Reich war. Die Nkope-Kultur am Malawisee wie auch die Longwe-Kultur am Mulanje und bei Nsanje liegen beide zeitlich weit vor der Bantuwanderung. Es ist zu vermuten, dass sie in irgendeiner Form den See, den Shire bis Liwonde und unterhalb von Chikwawa, den Sambesi und den Mazoe befahren konnten. Gefundene Glasperlen deuten wie bei Ingombe Ilede auf Handelbeziehungen über den indischen Ozean. Das ist ein Suahelihandel, dessen Beteiligte bis heute nur zu erahnen sind. Vor 1100 hat keine arabische Dau Inhambane erreicht und ist schon gar nicht von dort weiter nach Indien gesegelt. Bisher sieht es so aus, dass die San bis Nyika siedelten, einer schwer überwindlichen geographischen Barriere. Ihre Kultorte sind bis ins mittlere Luangwatal zu finden. Am nördlichen Malawisee, insbesondere im Songwe-Delta, wurden bisher keine entsprechenden Artefakte gefunden. Nkope ist bisher die nördlichste Fundstelle der San-Besiedelung.
Die erste Gruppen von Bantus sind keineswegs vor 1450 ins Land gekommen. Ob die San sich mit ihnen im Laufe der Zeit vermischten, in Kriegen umkamen oder nach Süden abgedrängt wurden, ist unklar, auf jeden Fall verschwanden sie als eigenständige Ethnie in diesem Gebiet. Die Banuts wanderten von Süden her nach Malawi, also aus dem Gebiet zwischen Tete und Petauke, das sie erst um 1450 in kleinsten Gruppen erreichten. Diese Einwanderer der Chewa aus dem Kongobecken gründeten der Bantulegende nach im 16. Jahrhundert das Königreich Maravi, das durch wissenschaftliche Forschung jedoch nicht weiter nachweisbar ist. Portugiesen haben Maravi als Krieger rekrutiert, von einem Königreich Maravi steht nichts in ihren Quellen.
Erste Europäer in Malawi waren portugiesische Händler aus den Küstenstädten Mosambiks. Namentlich bekannt ist ein Caspar Bocarro, welcher Edelmetalle von den Minen bei Zumbo am Sambesi gegen europäische Güter tauschte. Auch gelangten vereinzelte Jesuiten ins Gebiet, gründeten aber keine Gemeinden und Siedlungen. Sie brachten allerdings die Sage von einem riesigen See im Norden mit. Die Portugiesen kauften Elfenbein, Sklaven, Gold und Nahrungsmittel und verkauften europäische Waren und Maissamen. Eine portugiesische Delegation unter F. de Lacerda fand zwar den Mwerusee, aber nicht den Njassasee, falls sie überhaupt nach ihm gesucht hat. Der Begriff Entre Lagos für das Gebiet von Mangochi setzt bei den Portugiesen durchaus eine präzise geographische Vorstellung vorraus, nur verliefen die Haupthandelswege über Petauke und den Copperbelt ins Bangweulubassin, denn von dort kamen Kupfer, Gold und Elfenbein, vom Malawisee nur Fisch.
Es sieht so aus, als ob die Chewa nach Norden wanderten, also das fruchtbare Viphya-Hochland besiedelten. Nach 1500 entwickelte sich Nkhotakota um das Handelsgut Eisen, das die Chewa zu bearbeiten verstanden, zum wichtigsten Handelsplatz am See, den Händler aus Sansibar Ende des 18. Jahrhundert erreichten und bald Sklavenhändler nach sich zogen. Völlig unabhängig von diesen wanderten Anfang des 19. Jahrhunderts die Yao, die für die Portugiesen Sklaven jagten, von Osten her in das Gebiet von Mangochi. Bald danach wanderten Nguni aus Natal in die Gebiete um Ntcheu und Mzimba. Sie kamen in kleinen Gruppen und stießen in ein sehr dünn besiedeltes Land.
Neuere Zeit (ab 1859)
Europäische Entdeckung und Frühphase der Kolonisierung 1859-1891
David Livingstone erreichte am 16. September 1859 als erster Europäer die Ufer des Njassasees. 1861 versuchte eine Gruppe von Missionaren unter der Leitung von Bischof Frederick Mackenzie an desssen Ufer eine Missionsstation zu errichten. Sie kamen nur bis in die Gegend von Zomba. Die Malaria und Angriffe der Yao trieben sie zurück an die Küste. Erfolgreicher waren dagegen im Jahr 1875 eine Gruppe schottischer Missionare. Sie gründeten die heutigen Städte Blantyre und Livingstonia und waren entschiedene Gegner des Sklavenhandels. Da die Missionare versorgt werden mussten, wurde 1878 die African Lakes Company gegründet. Diese schuf eine eigene Schutztruppe und ihre Leute gerieten oft mit arabischen Sklavenhändlern aneinander. Zur Betreuung der britischen Bürger entsandte Grossbritannien 1883 erstmals einen Konsul ins Gebiet der Könige und Häuptlinge Zentralafrikas. Die Company rekrutierte ständig mehr Soldaten. Einer von ihnen war Frederick Lugard, ein fähiger Offizier. Ihm und seinen Leuten gelang die Vertreibung der Sklavenhändler Richtung Norden. Ein weiteres Problem waren die Portugiesen, welche ihre Kolonien Angola und Mosambik verbinden wollten. Deshalb schickten sie 1889 eine Expedition unter Alexandre Serpa Pinto ins Gebiet des heutigen Malawi. Um die Portugiesen fernzuhalten, trieben die Briten die Erschliessung voran. Am 21. September 1889 gründeten sie das Protektorat Shire River und ernannten einen britischen Kommissar. Im selben Jahr übernahm die British South African Company die weitere Erschliessung des Gebiets.
Britische Kolonialzeit 1891-1964
Der Aufbau der Kolonialstrukturen 1891-1918
Die offizielle britische Verwaltung begann am 15. September 1891 mit der Gründung des Njassaland-Distrikt Protektorats. Bereits am 23. Februar 1893 wurde das Gebiet in Protektorat Britisch Zentralafrika umbenannt. Der neue Verwalter, Harry Hamilton Johnston, welcher gleichzeitig Nordrhodesien (das heutige Sambia ) verwaltete, vertrieb die Sklavenhändler endültig mit Hilfe von Kanonenbooten und indischen Hilfstruppen. Sein Nachfolger Alfred Sharpe brachte Tee, Tabak und Baumwolle ins Land. Um diese Produkte anbauen zu können, kam es im Shire-Tal zu grossflächigen Landenteignungen und zur Vertreibung von Einheimischen. Diese wehrten sich und konnten erst 1904 unterworfen werden.
Sharpe blieb (mit kleinem Unterbruch) bis 1910 im Amt. Am 1. Mai 1908 wurde er erster ständiger Gouverneur des Protektorats Njassaland. Seit 1907 verfügten die europäischen Zuwanderer mit dem Einsitz in den Exekutiv- und Legislativrat über begrenzten politischen Einfluss. 1911 wurde deren Mitsprache ausgeweitet. Afrikaner waren in diesen Gremien nicht vertreten. Von 1903 bis 1911 verliessen viele Malawier das Land, um Arbeit in die Minen Südafrikas zu bekommen. Den europäischen Siedlern fehlten die Arbeitskräfte. Deshalb wurde den Einheimischen die Arbeit in Südafrika verboten.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs drangen von Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) kaiserliche Truppen im Norden Malawis ein. Mit Zwangsrekrutierungen grossen Stils konnten die Eindringlinge abgewehrt werden. Insgesamt 18'920 Mann kamen zu den Kings African Rifles und weitere 191'200 Männer leisteten als Träger oder Mitglied der Heimwehr Dienst.
Weit grössere Probleme bereitete der Kolonialmacht der Aufstand von 1915. Die rechtlosen Einheimischen waren in den vergangenen Jahren in immer grösserer Zahl zum Christentum übergetreten. Gleichzeitig erhielten sie eine Schulbildung. Einheimische Christen wurden zu Wanderpredigern, sahen aber auch das Elend ihrer Landsleute. Drei Personen unter ihnen predigten den Leuten nicht nur das Evangelium, sondern sagten den Zuhörenden auch: Afrika gehört den Afrikanern! Unter der Leitung von John Chilembwe, Charles Domingo und Elliott Kamwana, die als Propheten angesehen wurden, erhoben sich zahlreiche Afrikaner gegen die Europäer. Die Briten schlugen den Aufstand mit harter Hand nieder.
Die Zwischenkriegzeit 1918-1939
Zuerst arbeiteten die Briten in der Zwischenkriegszeit Pläne aus, die eine Vereinigung von Malawi mit Kenia oder Tansania vorsah. Dies und die Benachteiligung der Afrikaner gegenüber weissen Siedlern führte bereits 1920 zur Gründung der Nyasaland Native National Association unter Malawiern in Südafrika. Auch im Land selber entstanden lokale Zellen. Ende der 1920er-Jahre verlangten die europäischen Siedler eine Zusammenlegung Malawis mit Südrhodesien (heute Sambia ) und Nordrhodesien (heute Simbabwe ). Wegen der heftigen Reaktion der Afrikaner auf diese Pläne begrub die Kolonialregierung die Idee bis 1939.
Endphase der Kolonialzeit 1939-1964
Als am 18. Oktober 1944 von der britischen Kolonialverwaltung eine engere Zusammenarbeit Njassalands mit den beiden Rhodesien beschlossen wurde, gründete Levi Mumba mit gleich Gesinnten den Nyasaland African Congress. Dessen Vertreter in London war ein Arzt namens Hastings Kamuzu Banda. Diesem gelang es, der britischen Kolonialbehörde neun Jahre lang Pläne für eine Zentralafrikanische Föderation auszureden. Doch am 23. November 1953 wurde die Föderation Wirklichkeit. Zur Freude der Europäer und zum Schrecken der Afrikaner. Die NAC unter Henry Chipembere, Kanyama Chiume und Dunduzu Chisiza bekämpfte zusammen mit sambischen Kollegen die Föderation mit Streiks und Demonstrationen. Bei den Legislativwahlen vom 15. März 1956 errang der NAC alle fünf den Afrikanern zustehenden Mandate. Am 6. Juli 1958 kehrte der populäre Banda nach 43 Jahren in sein Geburtsland zurück. Kurze Zeit später, am 1. August 1958, wurde er bereits zum Parteipräsidenten des NAC auf Lebenszeit ernannt. Im November nahmen, nach einem Boykottaufruf von Banda, nur ganze 16(!) Afrikaner an den Wahlen zum Föderationsrat teil. Ab 15. Februar 1959 kam es zu massiven Unruhen. Polizeistationen wurden überfallen, Gefängnisse gestürmt und die Häftlinge befreit, Flughäfen blockiert. Die Stadt Chipita (damals Fort Hill) geriet in die Hände des NAC. In dieser Lage verhängte die Föderationsregierung den Notstand und bot Tausende (weißer) Soldaten nach Malawi auf. Nach monatelangen Unruhen und 52 Toten konnte im Juni 1959 die Ruhe wieder hergestellt werden. Gleichzeitig verhaftete die Regierung rund 1000 NAC-Leute, darunter die gesamte Führung. Die Partei wurde verboten - aber kurze Zeit später als Malawi Congress Party (MCP) neu gegründet. Die provisorische Leitung übernahm Orton Chirwa. Die unbeliebte Föderation aber war politisch beerdigt. 1960 gewährten die Briten dem Land eine begrenzte innere Autonomie. Bei den Legislativwahlen vom 15. August 1961 gewann die MCP 22 der 28 Sitze, darunter alle den Afrikanern zustehenden. Banda wurde am 1. Februar 1963 erster afrikanischer Premierminister des Protektorats. Am 31. Dezember 1963 wurde die Zentralafrikanische Föderation offiziell aufgelöst. Am 6. Juli 1964 endete die britische Kolonialzeit und das Protektorat Njassaland wurde zum unabhängigen Staat Malawi.
Siehe auch
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