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Browserkrieg

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Als Browserkrieg wird die Konkurrenzsituation zwischen den Webbrowsern Netscape Navigator und Microsofts Internet Explorer bezeichnet, die dazu führte, dass der Netscape-Browser von seiner Position als Marktführer verdrängt wurde. Eine Fortsetzung des Browserkriegs wird teilweise in der Konkurrenz zwischen dem Mozilla Firefox und der aktuellen Variante des Internet Explorer gesehen.

Die Anfänge des WWWs

Anfang der 1990er Jahre basierte das World Wide Web noch auf dem HTML-2.0-Standard (siehe Spezifikation), der kaum Formatierungen erlaubte, ja nicht einmal Tabellen kannte. In dieser Zeit erschien mit dem Netscape Navigator (als Nachfolger des NCSA Mosaic) ein neuartiger Browser, der den bisherigen Standard deutlich erweiterte und nach Ansicht vieler verbesserte.

Das Programm erlaubte neben den bisherigen, relativ einfachen Webseiten mittels der gleichen Syntax auch das Einbinden von Tabellen und wesentlich mehr Farben. Später kamen außerdem so genannte Frames, Skriptfunktionen, Layer und Multimediaelemente hinzu. Als 1995 die Benutzung des World Wide Webs populär wurde, hatte der Netscape Navigator einen weltweiten Marktanteil von über 80 Prozent. Mit der Verbreitung des Navigators wollte Netscape die Nachfrage an den eigenen Server-Produkten steigern.

Der I. Browserkrieg (1995 bis 1998)

Microsoft erkennt die Bedeutung des Internets

Bis 1995 unterschätzte Microsoft die spätere Entwicklung des Internets und schenkte dem neuen Medium kaum Beachtung. Dieses sollte sich schlagartig ändern, als Bill Gates beschloss, massiv in das Internet zu investieren und ein Konkurrenzprodukt zum Navigator zu entwickeln. Microsoft befürchtete, dass sich Netscape zu einem ernsthaften Konkurrenten entwickeln könnte:

Microsoft ran the risk of being made irrelevant as the technology advanced“ (Brad Silverberg, bis 1999 Mitarbeiter bei Microsoft. Deutsch: „Microsoft lief Gefahr, durch den Technikfortschritt bedeutungslos zu werden.“).

Weit gravierender als der Verlust der Technologieführerschaft, falls sich Netscape tatsächlich zu einem ernsthaften Konkurrenten entwickelt hätte, war die Tatsache, dass der Netscape Navigator nicht nur auf Betriebssystemen von Microsoft lief, sondern auch für Konkurrenz-Plattformen angeboten wurde. Damit gefährdete Netscape indirekt Microsofts Quasi-Monopol auf Betriebssysteme für Personal Computer durch Windows und damals auch noch MS-DOS.

Der Internet Explorer

Im August 1995 veröffentlichte Microsoft die erste Version seines Internet Explorers, der zum damaligen Zeitpunkt noch im Wesentlichen aus NCSA-Mosaic-Code bestand. Mit einem eigenen Browser wollte Microsoft nicht wie Netscape die Nachfrage nach ihren Serverprodukten steigern, sondern den Marktanteil des Navigators eindämmen, der das Quasimonopol gefährdete. Dabei hatte Microsoft zwei entscheidende Vorteile gegenüber Netscape: Zum einen verfügte man über wesentlich mehr finanzielle Mittel als der Konkurrent, und zum anderen konnte man den Browser einfach mit seinen Betriebssystemen bündeln, wodurch dieser automatisch erheblich an Marktanteil gewinnen würde (was einmal installiert ist, werden die Leute auch benutzen). Nach Berichten des amerikanischen Bundesgerichts investierte Microsoft jährlich mehr als 100 Millionen US-Dollar in die Entwicklung und Vermarktung des Internet Explorers.[1]

Während das ursprüngliche Internet-Explorer-Team 1995 aus nur 5 bis 6 Mitgliedern bestand, waren es ein Jahr später schon 100. 1999 arbeiteten 1000 Mitarbeiter (das waren mehr Mitarbeiter, als Netscape insgesamt je an Angestellten hatte [2]) an der Entwicklung und Vermarktung des Browsers, was angesichts eines relativ kleinen Softwareprojektes wie der Entwicklung eines Browsers eine erhebliche Größenordnung darstellt. Durch die zusätzliche Integration des Internet Explorers in das Windows-Betriebssystem, welches auf 95% aller neu verkauften Personalcomputern installiert wird, gelang es Microsoft, den Marktanteil des Internet Explorers schnell zu erhöhen.

Vernachlässigung von Standards

Da nun beide Browserhersteller unbedingt ihre Position am Markt erhalten oder verbessern wollten, begann man immer wieder neue Erweiterungen des HTML-Standards zu erfinden, die den Seitenautoren neue Möglichkeiten gaben und von vielen auch angenommen wurden. Die offiziellen Standards des W3C dienten hierbei anfangs noch als „kleinster gemeinsamer Nenner“, mit der vom W3C 1996 eingeführten Formatierungssprache CSS begann man jedoch, auch die Standards nach eigenem Gefallen und möglichst immer inkompatibel zum jeweils anderen zu „interpretieren“ oder Teile dieser zu ignorieren (und den Seitenautoren in gleicher Funktion aber anderer Syntax wieder anzubieten).

Bei Netscape ruhte man sich zusätzlich auf seinem scheinbar uneinholbaren Marktanteil aus und fügte in seinem Browser (damals in Version 4) lieber Funktionen für Online-Shopping oder datenschutzrechtlich fragwürdige Suchhilfen ein, statt kritische Fehler zu beheben.

Microsoft gewinnt den Browserkrieg

Netscape hatte dem Aufwand Microsofts und vor allem der Einbindung des Internet Explorers in Windows nichts entgegenzusetzen, was zur Folge hatte, dass der Marktanteil des Navigators von 1995 bis 2003 von über 80 Prozent auf unter vier Prozent sank, während der Marktanteil des Internet Explorers im selben Zeitraum von unter drei Prozent auf über 95 Prozent stieg. 1998 wurde Netscape von AOL für 4,2 Milliarden US-Dollar aufgekauft.[3] Seitdem wurden viele der Entwickler des Navigator entlassen, und zwischenzeitlich sollte die Arbeit sogar ganz eingestellt werden.[4]

Letztendlich gab Netscape 1998 auf und veröffentlichte den Quellcode des Browsers als Open Source. In dem hieraus entstandenen Projekt Mozilla wurde das Programm vollständig neu geschrieben.

Gerichtsverfahren gegen Microsoft

Das aggressive Marktverhalten Microsofts hat dazu geführt, dass sich das Unternehmen mit vielen Klagen von Konkurrenten auseinandersetzen muss. Durch die Zahlung hoher Geldsummen ist es Microsoft dabei meistens gelungen, sich außergerichtlich mit der jeweils anderen Partei zu einigen. Bei Netscape waren das 750 Millionen US-Dollar. Microsoft hat Sun Microsystems im April 2004 sogar 1,6 Milliarden US-Dollar[5] für die Beilegung aller kartellrechtlichen Streitigkeiten sowie Patentbeschwerden zugesichert. Diese hohen Summen haben Real Networks, die Firma, die ein Konkurrenzprodukt zum Windows Media Player vertreibt, Ende 2003 dazu veranlasst, Microsoft gleich auf eine Milliarde US-Dollar[6] zu verklagen, weil Microsoft versuchen würde, den wachsenden Markt mit digitalen Medien zu monopolisieren.

In keinem kartellrechtlichen Verfahren gegen einen größeren Konkurrenten wurde Microsoft jemals schuldig gesprochen. Erst im Antitrust-Verfahren, das im Mai 1998 von der US-Regierung sowie 20 Bundesstaaten angeregt worden war, wurde Microsoft wegen Verstoßes gegen das US-Kartellrecht für schuldig befunden. Trotzdem ist Microsoft bisher nicht für die Verstöße gegen die Antitrust-Gesetze bestraft worden. Zwar verfügte Richter Thomas Penfield Jackson während des Verfahrens eine Spaltung Microsofts in zwei unabhängige Unternehmen, doch dieses Urteil wurde in der Berufung, die Microsoft erwirkt hatte, wegen Befangenheit des Richters zurückgezogen. Die jüngste Strafe, die gegen Microsoft verhängt wurde, ist das Bußgeld, das das Softwareunternehmen an die Europäische Kommission zahlen musste. Die Kommission sah es als erwiesen an, dass Microsoft durch „Missbrauch seines Quasi-Monopols (Artikel 82 EG-Vertrag) bei PC-Betriebssystemen gegen die EG-Wettbewerbsregeln verstoßen hat“.[7] Deshalb musste Microsoft 497 Millionen Euro (das ist die höchste von der Kommission jemals verhängte Kartellstrafe) an die Kommission zahlen, und „innerhalb von 120 Tagen die Schnittstellen offen legen [...], die die Wettbewerber benötigen, damit ihre Produkte mit dem allgegenwärtigen Betriebssystem Windows kommunizieren können“.[8]

Der II. Browserkrieg (9. November 2004 bis heute)

Folgen des hohen Marktanteils des Internet Explorers

Browser-Marktanteile

Im Jahr 2003 lag der Marktanteil des Internet Explorers nahezu bei 90 %. Gleichzeitig wurde der Internet Explorer kaum noch weiterentwickelt.

The features we had in Mosaic are pretty close to what we have in Internet Explorer in 2003. It's not identical, but it's very much the same“ (Jakob Nielsen, Experte für Benutzerfreundlichkeit im Internet. Deutsch: „Der Funktionsumfang von Mosaic entsprach in etwa dem Funktionsumfang des Internet Explorers von 2003. Er war nicht identisch, aber sehr ähnlich.“).

Nach dem Erscheinen des Internet Explorers Version 6 wurde im Herbst 2001 das Entwicklerteam so gut wie aufgelöst. Mittlerweile ist die Entwicklung der nächsten Version abgeschlossen und der Internet Explorer 7 wurde am 19. Oktober 2006 veröffentlicht.

Die weite Verbreitung des Internet Explorers hat außerdem dazu geführt, dass Webseiten für diesen Browser „optimiert“ werden. Das kann sogar so weit führen, dass Nutzer alternativer Browsern von bestimmten Angeboten wie Online-Banking oder Online-Shopping ausgeschlossen werden. Weil der Internet Explorer so weit verbreitet ist, richten sich viele Autoren bei der Gestaltung ihrer Webseiten nicht mehr nach dem offiziellen HTML-Standard des World Wide Web Consortiums, sondern gestalten ihre Webseiten so, dass sie im Internet Explorer am besten aussehen, ohne sie mit alternativen Browsern zu testen. Deshalb sind einige Webseiten nicht mehr kompatibel zu alternativen Browsern und können nur vom Internet Explorer vollständig dargestellt werden.

Der hohe Marktanteil des Microsoft Browsers trägt außerdem zur schnelleren Verbreitung von Computerviren bei. Autoren von Viren machen sich beim Programmieren ihrer Schädlinge die Tatsache zu Nutzen, dass fast alle Computernutzer die gleiche Software (Windows-Betriebssystem, Internet Explorer, Microsoft Office usw.) installiert haben. Wird in einem dieser Programme eine neue Sicherheitslücke bekannt, führt diese „Softwaremonokultur“ dazu, dass sich Viren schneller verbreiten können.

Standards werden zunehmend unterstützt

Aufgrund der notorischen Sicherheitsprobleme des Microsoft-Produkts und erweiterter Funktionen alternativer Browser (zu denen neben Mozilla bzw. Mozilla Firefox auch Opera von der gleichnamigen norwegischen Firma, das KDE-Programm Konqueror und der auf diesem basierende Apple Safari gehören), entsteht in den letzten Jahren vor allem auf Webseiten zu technischen Themen wieder eine heterogene Browserlandschaft, die Optimierungen für einige wenige Browser unmöglich macht. Zusätzlich kommen immer mehr Spezialprogramme auf PDAs und Mobiltelefonen auf, die ebenfalls Browserfunktionen bieten und bedient werden müssen. Parallel dazu arbeiten die Browserhersteller immer mehr an der Umsetzung der vorhandenen Standards, statt weitere eigene Erweiterungen zu erfinden.

Dadurch gewinnen die Standards des W3C an Bedeutung, und der Satz „Sie brauchen Browser x für diese Seite“ wird zur Seltenheit. Im Bereich Online-Banking wird den Kunden ab und zu noch mit teilweise fragwürdigen Begründungen die Benutzung des Internet Explorers vorgeschrieben; ebenso wird auf Websites, die mit Microsoft DRM-Schutz geschützte Medien verkaufen, der Internet Explorer verlangt.

Mozilla steigt ein

Vorrangig Anhänger von Mozilla verkünden die zweite Runde des Browserkrieges. Im Juni 2004 ruft Microsoft das Entwicklungsteam für den Internet Explorer wieder zusammen. Als im Juli 2004 der Internet Explorer mit dem Bekanntwerden von gravierenden Sicherheitslücken 1 % Marktanteil an Mozilla-Produkte verliert, scheinen die ersten Schritte getan, um den Browserkrieg neu zu entfachen.

Mozilla Firefox 2.0 unter Debian

Viele Benutzer misstrauen zusehends dem Internet Explorer, da dieser viele und vor allem meist lange unbekannt bleibende Sicherheitslöcher hat, und suchen nach Alternativen. In vielen US-Onlinemagazinen, aber auch deutschen IT-Magazinen wie heise online erscheinen regelmäßig Artikel über die neuen Alternativen, besonders über Mozilla Firefox.

Die Veröffentlichungen von Version 7.2 des Netscape Communicator im August 2004 sowie nutzerspezifischer Versionen wie z. B. Netscape Compact zeigen das Potenzial solcher auf Mozilla basierenden Alternativen. Welche Rolle der neue Markeninhaber von Netscape, die America Online Corporation AOL, in Episode II des Browserkrieges spielen wird, bleibt vorerst noch offen.

Firefox – Mozilla wird schlank

Als vorläufig letzte große Bewegung am Browsermarkt gilt die Veröffentlichung der Version 1.0 von Mozilla Firefox am 9. November 2004. Firefox ist direkt von Mozilla abgeleitet, bietet jedoch nur den Browser ohne den „Ballast“ der Websuite. Mit mittlerweile (Stand 28. Oktober 2006) 238,7 Millionen Downloads [9] gewinnt der Mozilla Firefox unter den Browsern stetig an Bedeutung. Laut den Angaben französischer Web-Beobachter von XiTi, hat Mozilla Firefox in Europa zwischen dem 28. August und 3. September 2006 schätzungsweise 21,9 % Marktanteil (in Deutschland: 30,9 %) erreicht.[10]

Firefox-Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Mit der Internet-Initiative Spread Firefox und großflächigen Zeitungsanzeigen in der New York Times und der FAZ [11] – finanziert durch Spenden – wurde intensiv Werbung betrieben, um das Programm populär zu machen. Firefox ist der erste Browser, dem es gelungen ist, dem vorherrschenden Internet Explorer kontinuierlich Marktanteile abzunehmen. Dieser Umstand und die teilweise veraltete Technologie des IE 6.0.x haben dazu geführt, dass Microsoft seit etwa Anfang 2005 wieder in die Weiterentwicklung des Internet Explorer investiert. Der IE 7 erschien Mitte Oktober 2006, also noch vor dem Verkaufsstart von Microsoft Windows Vista.

Alternative Betriebssysteme wie zum Beispiel Linux oder BSD, für die es den Internet Explorer nicht gibt, spielen derzeit für den Erfolg von Mozilla/Firefox noch keine wesentliche Rolle – ihre Verbreitung im Desktop-Bereich ist zu gering. Sollte die Verbreitung alternativer Betriebssysteme allerdings weiter wachsen, wüchse damit auch der Marktanteil von alternativen Browsern wie Safari, Mozilla Firefox, Opera oder Konqueror.

Quellen

  1. „Browser wars: High price, huge rewards“ ZDNet, 15. April 2003
  2. „Memoirs From the Browser Wars“, Eric.Weblog(), 15. April 2003
  3. „AOL kauft Netscape!“, Heise Online, 24. November 1998
  4. „Hü und Hott bei Netscape“, Heise Online, 19. Juli 2003
  5. „Sun und Microsoft begraben das Kriegsbeil“, Heise Online, 3. April 2004
  6. „RealNetworks verklagt Microsoft wegen Wettbewerbsverletzung“, Heise Online, 19. Dezember 2003
  7. „Microsoft geht vor EU-Gerichtsanhörung in die Offensive“, Heise Online, 27. September 2004
  8. „EU: 497,2 Millionen Euro Strafe für Microsoft“, golem.de, 24. März 2004
  9. US-Initiative Spread Firefox, englisch
  10. XiTi Monitor: Germany and Croatia join the circle of European countries with over 30% Firefox use., Studie zur Verbreitung von Firefox zwischen dem 28. August und 3. September 2006, englisch
  11. „Firefox-Anzeige: Feuer!“, Firefox-Anzeige, 3. Juni 2006