Das Fräulein von Scuderi
Das Fräulein von Scuderi ist eine Novelle von E.T.A. Hoffmann, erschienen 1819/21. Sie handelt von der Titelfigur, der französischen Schriftstellerin Madeleine de Scudéry (1607-1701) und gilt als erste deutsche Kriminalnovelle.
Inhalt
Die Novelle spielt in Paris im Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten. Paris wird von einer Räuberbande heimgesucht, die wohlhabende Bürger überfällt und deren Schmuck raubt. Einige Opfer sind nur mit einem gezielten Schlag auf den Kopf betäubt worden, doch die meisten haben einen gezielten Dolchstich in der Brust, der sie sofort tötete. Bei den Ermordeten handelt es sich meist um Liebhaber auf dem Weg zu ihren heimlichen Geliebten.
Die Liebhaber fordern nun den König, in einem ihn verherrlichenden Gedicht, auf, etwas zu ihrer Sicherheit zu unternehmen. Doch das Fräulein von Scuderi, das während dieser Bitte anwesend ist, entgegnet: „Ein Liebender, der die Diebe fürchtet, ist der Liebe nicht würdig.“. Diese Worte gefallen dem König. Dennoch wird eine Sondereinsatzeinheit der Polizei beauftragt, den Morden nachzugehen. Diese verbreitet fast genauso viel Schrecken wie der Mörder selbst.
Eines Nachts bringt ein Mann dem Fräulein von Scuderi Schmuck und einen Brief in einer Schatulle. In diesem Brief bedankt sich die Mörderbande für die Worte, die die Scuderi gesagt hat. Das Fräulein ist verängstigt und bittet die Mätresse des Königs um Hilfe. Sie finden heraus, dass der Schmuck von René Cardillac, einem angesehenen Pariser Goldschmied stammt. Nach einigen Monaten wird ihr auf dem Pontneuf ein Zettel in ihre Glaskutsche geworfen. Auf diesem steht, dass sie den Schmuck innerhalb von zwei Tagen zurück zu René Cardillac bringen soll, andernfalls sei ihr Leben in Gefahr, oder der Träger des Zettels würde sich vor ihren Augen ermorden.
Das Fräulein von Scuderi erscheint aber erst nach drei Tagen bei Cardillac und wird nur noch Zeuge, wie René Cardillacs Leiche weggebracht wird. Cardillac ist durch einen Dolchstich mitten ins Herz ermordet worden. Cardillacs Lehrling Olivier Brusson, dessen Geliebte, Madelon, die Tochter Cardillacs ist, wird des Mordes beschuldigt und verhaftet.
Das Fraulein kümmert sich um Madelon, und nach einigen Gesprächen mit ihr glaubt sie, dass Olivier unschuldig sei. Dies sagt sie auch dem zuständigen Präsidenten des Gerichtshofes La Regnie, der sie allerdings vertröstet und ihren Ausführungen wenig Glauben schenkt. Doch als sie Olivier zum ersten Mal sieht, bemerkt sie, dass er derjenige war, der den Zettel und den Schmuck zuvor überbracht hatte. Olivier sagt in Gegenwart der Scuderi aus, dass Cardillac der alleinige Mörder sei und keine Möderbande existiere. Er habe ihn einmal bei einem Mord beobachtet, habe aber der Polizei nichts gesagt, weil er Angst gehabt habe, Madelon so zu verlieren. Bei einem weiteren Mordversuch sei Cardillac von einem Offizier getötet worden. Dieser Offizier sei geflohen, da er nicht in die Morde verwickelt werden wollte. Er selbst habe die Leiche ins Haus gebracht und sei so des Mordes verdächtig worden.
Jener Offizier meldet sich bei Scuderi, die daraufhin beim König interveniert und ihn über die wahren Hintergründe des Mordes aufklärt. Daraufhin spricht der König Olivier frei, mit der Bedingung, dass dieser und seine Geliebte, Madelon, Paris verlassen.
Entstehungsgeschichte
E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi (1819) ... gehört zu einer Sammlung von 19 Erzählungen, Novellen und Märchen, die 1819-21 in vier Bänden unter dem Titel "Die Serapionsbrüder" in Berlin erschienen. Am Tag des heiligen Serapion (14. November 1818) trafen Hoffmann und seine Schriftstellerfreunde ("Brüder") nach langjähriger Pause wieder zusammen (Adalbert von Chamisso war von einer dreijährigen Weltreise zurückgekehrt), dieses Ereignisse inspirierte E.T.A.Hoffmann zum Titel und zur Fertigstellung seiner Sammlung. Die Serapionsbrüder tragen sich gegenseitig die Geschichten vor. Die Ereignisse um das Fräulein von Scuderi gehen auf historische Vorgänge zurück, welche von Voltaire in seinem "Siècle de Louis XIV." (1751) und von Johann Christoph Wagenseil (1633-1705) in dessen Chronik der Stadt Nürnberg berichtet werden.
Die Erzählung erschien zuerst 1820 im "Taschenbuch für das Jahr 1820. Der Liebe und Freundschaft gewidmet" und soll so erfolgreich gewesen sein, dass die Verleger dem Autor eine Kiste mit 50 Flaschen Wein (Jahrgang 1811!) zusandten.
Das Cardillac-Syndrom
Künstler müssen sich, um von ihren Werken leben zu können, von ihnen trennen, doch fällt ihnen das oftmals sehr schwer, da sie wichtige Teile ihrer Identität darstellen. Sie behelfen sich vielfach mit sorgfältigem Führen von Erwerberlisten, gelegentlich auch vertraglichen Rückkaufsrechten. Arnulf Rainer behielt sich das Recht vor, ein verkauftes Werk jederzeit aufsuchen und ändern zu dürfen. Psychologisierend spricht man in diesem Zusammenhang in Anlehnung an E.T.A. Hoffmanns Novelle vom Cardillac-Syndrom.
Verfilmungen
- 1950 - Die tödlichen Träume - Regie: Paul Martin
- 1955 - Das Fräulein von Scuderi - Regie: Eugen York
- 1968 - Cardillac - Regie: Edgar Reitz
- 1976 - Das Fräulein von Scuderi - (als westdeutsche Fernsehfilm-Produktion) - Regie: Lutz Büscher
Vertonung
- 1926 - Cardillac, Oper von Paul Hindemith