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Adoption (Römisches Reich)

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In der römischen Republik war eine Adoption (von lateinisch adoptio, Annahme an Kindes Statt) ein üblicher Vorgang, vor allem in der Oberschicht und bei den Senatoren.

Gründe für eine Adoption

Da Rom von einer begrenzten Anzahl von Familien regiert wurde, gehörte es zu den Pflichten eines jeden Senators, Söhne zu haben, die den Besitz übernehmen, den Familiennamen und die politische Tradition fortführen konnten. Allerdings war eine große Familie auch ein teurer Luxus. Töchter mussten mit einer passenden Mitgift versehen, und Söhne durch die politischen Ämter des cursus honorum geschleust werden. Je höher der politische Status der Familie, um so höher waren die Kosten. Folglich begrenzten römische Familien die Zahl ihrer Kinder, vermieden es, mehr als drei zu haben. Die sechs Söhne und Töchter des Appius Claudius Pulcher (1. Jahrhundert v. Chr.) wurden zu dieser Zeit als finanzieller und politischer Selbstmord angesehen. Andererseits konnte es auch die falsche Entscheidung sein, nicht genügend Kinder zu haben: sie konnten sterben und das Fehlen männlicher Nachkommen war immer ein Risiko. Für Familien mit zu vielen und solchen ganz ohne Söhne war die Adoption die einzige Lösung. Sogar der reiche Lucius Aemilius Paullus Macedonicus zögerte nicht, seine zwei ältesten Söhne zur Adoption freizugeben, den einen, Publius Aemilius Paullus, an die Scipionen (aus ihm wurde Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus, der Sieger des Dritten Punischen Kriegs), den anderen, Quintus Aemilius Paullus, an Quintus Fabius Maximus Verrucosus (aus ihm wurde Quintus Fabius Maximus Aemilianus). Da allerdings seine anderen Söhne jung starben, ging mit ihm auch sein Familienname unter.

adoptio und adrogatio

Was heute unter Adoption verstanden wird, konnten in Rom zwei unterschiedliche rechtliche Vorgänge sein, je nachdem, ob der zu Adoptierende noch der väterlichen Gewalt (patria potestas) unterstand oder nicht. Im ersten Fall spricht man von adoptio, im zweiten von adrogatio.

Im römischen Recht lag die Macht, Personen, die der patria potestas unterstanden, also Kinder und zunächst auch Frauen und Freigelassene, zur adoptio freizugeben, beim pater familias, und die Person, um die es ging, war üblicherweise der älteste Junge, der Gesundheit und Talent zeigte. Für die kinderlose Familie war eine adoptio ein teures Unterfangen, denn Geld floss zwischen den Parteien, und eine riskante Sache, denn die Zukunft der Familie musste durch fremdes Blut sichergestellt werden. Die adoptio wurde zwischen Familien von gleichem Sozialstatus vereinbart, oft politischen Verbündeten und/oder Blutsverwandten.

Die adrogatio hingegen war die Annahme an Kindes Statt einer Person, die keiner patria potestas mehr unterstand, anfangs ausschließlich erwachsene frei geborene Männer, im Patriziat dann auch Frauen und Freigelassene.

Die adoptio wurde vor dem Stadtpraetor vollzogen, als dreimal durchzuführender mancipatio (lateinisch für Verkauf: die Person mit der bestehenden patria potestas, also üblicherweise der leibliche Vater, verkauft den zu Adoptierenden an die Person mit der zukünftigen patria potestas, den Adoptivvater) und manumissio (lateinisch für Entlassung in die Freiheit); der Adoptivvater macht danach, um dem Zwölftafelgesetz zu entsprechen, vor Gericht seine Vaterschaft geltend (vindicatio, lateinisch für Rechtsanspruch): Si pater filium ter venumduit, liber a patre esto.

Für die adrogatio war die Volksversammlung zuständig. Sie kam in der comitia tributa durch eine rogatio vor dem pontifex maximus zustande (Aulus Gellius 5,19,9: adrogatio autem dicta, quia genus hoc in alienam familiam transitus per populi rogationem fit). Die zugehörige Formel lautete: velitis iubeatis Quirites, ut Lucius Valerius Lucio Titio tam iure legeque filius siet, quanti ex eo patre matreque eius natus esset utique ei vitae necisque potestas in eum siet uti patri endo filio est? Haec uti dixi ita vos Quirites rogo.

Nach Einrichtung der comitia ceturiata gerieten die comita curiata in ihrer ursprünglichen Funktion zwar allmählich außer Gebrauch, bewahrten aber einerseits in der formellen Übertragung des imperium, die ausschließlich durch eine lex curiata möglich war, sowie andererseits in der Zeremonie der adrogatio die auch weiterhin lediglich in dieser Comitia getätigt wurde, über die Republik hinaus bis unter Augustus einen Schatten der alten Verfassung.

Der Adoptierte nahm den Namen des Adoptivvaters an, dem ein cognomen hinzugefügt wurde, das seinen ursprünglichen Familiennamen anzeigte: aus Aemilius wurde Aemilianus (siehe oben), aus Octavius wurde Octavianus (siehe unten). Er erwarb auch den Status des Adoptivvaters, das heißt, falls der Adoptierte aus einer patrizische Familie stammte, wurde er durch Adoption Plebejer und umgekehrt. Adoption wurde nicht verschwiegen oder als beschämend angesehen, auch wurde nicht erwartet, dass der Adoptierte die Verbindungen zu seiner bisherigen Familie abbrach. Wie ein Ehevertrag war die Adoption ein Weg, die interfamiliären und politischen Allianzen zu verstärken. Der Adoptierte war oft in der privilegierten Situation, die Beziehungen der ursprünglichen und der Adoptivfamilie nutzen zu können. Fast jede an der politischen Front tätige römische Familie machte Gebrauch davon.

Beispiele: die Julier und die Adoptivkaiser

Der wohl berühmteste adoptierte Mann in der Republik war Augustus; geboren als Gaius Octavius, wurde er von seinem Großonkel Gaius Iulius Caesar adoptiert und bekam den Namen Gaius Iulius Caesar Octavianus – der Grund, weshalb er in der Literatur oft nur als Octavian bezeichnet wird.

Im Patriziat war die Adoption der übliche Weg, den Thron zu besteigen, ohne Gewalt anzuwenden. Während des 2. Jahrhunderts wurden die besten Thronfolger von Kaiser adoptiert, wodurch ihre Position legalisiert wurde. Kaiser wie Trajan, Hadrian oder Marcus Aurelius sind adoptierte Nachfolger, Adoptivkaiser.

Ein weiteres Beispiel ist Nero. Er war der Sohn von Gnaeus Domitius Ahenobarbus und Agrippina Minor, einer Frau aus der kaiserlichen Familie, und wurde Lucius Domitius Ahenobarbus genannt. Im Jahr 49 heiratete seine Mutter den Kaiser Claudius und überzeugte ihn, Lucius zu adoptieren. Dieser bekam dann den Namen Tiberius Claudius Nero Domitianus und erbte den Thron im Jahr 54 als Nero.

Adoption erwies sich im Römischen Kaiserreich als flexibleres und durchführbareres Mittel, eine ordentliche Nachfolge sicherzustellen, als die natürliche Nachfolge es sein konnte. Sie garantierte, dass vielversprechende Leute, oft mit nachgewiesenen Fähigkeiten, zu Nachfolgern in ein Amt ernannt werden konnte, das tatsächlich einer Militärdiktatur entsprach. Andererseits wurde die Nachfolge von Marcus Aurelius mit seinem eigenen Sohn Commodus der Wendepunkt zum Abstieg des Reichs.