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Bofors 375-mm-U-Boot-Abwehrraketenwerfer

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Bofors 375 mm U-Boot-Abwehrraketenwerfer[1]
Herstellungsland Schweden
Hersteller Bofors AB, Karlskoga
Einführung 1956
Technische Daten
Kaliber 375 mm
Anzahl der Rohre 2–6
Schussreichweite 3625 m
Gefechtskopf HE
Zündmechanismus Akustischer Annäherungszünder/ Zeitzünder
Antrieb Festbrennstoff
Ausgewählte Daten für Typ SR 375 Ty 60 (Bundesmarine, 4 Rohr)[2]
Nachladezeit 4 min
Masse 3480 kg
Daten der Rakete (Mimmi, DM 11, DM 21)
Startmasse 250 kg
Masse der Sprengladung 100 kg
Anfangsgeschwindigkeit 70–130 m/s
Anwendungstiefe bis 250 m

Der Bofors 375-mm-U-Boot-Abwehrraketenwerfer ist ein in Schweden entwickeltes System zur Bekämpfung von U-Booten in Tauchtiefen bis 250 m. Das System verfügt über vier verschiedene Typen von Trägerraketen, die Werfer sind unterschiedlich mit zwei, vier oder sechs Rohren ausgestattet. Das System wurde in den 1950er Jahren in Dienst gestellt.[3]

Geschichte

Die Entwicklung von schiffsgestützten U-Boot-Raketenwerfern begann im Zweiten Weltkrieg. Der Einsatz von Wasserbomben bedingte die Bekämpfung von U-Booten unmittelbar über ihrer Position und war damit recht schwierig und aufwändig. U-Boot-Abwehrraketen hingegen konnten aus einer Distanz auf die durch Schallortung bestimmte Position des U-Bootes abgeschossen werden. Erste Systeme wie das Hedgehog-System der Royal Navy waren jedoch aufgrund der geringen Sprengkraft mit ca. 25 kg und ihrer Auslegung mit Aufschlagzündern auf direkte Treffer noch nicht sehr effektiv.

Bofors begann in den frühen 1950er-Jahren mit der Entwicklung eines Raketenwerfers zur U-Boot-Abwehr. Viele Marinen brauchten zu dieser Zeit U-Boot-Abwehrsysteme, waren jedoch nicht in der Lage, die relativ kostenintensiven und komplexen Systeme wie zum Beispiel Limbo[4] oder Weapon Alpha[5], zu kaufen und zu verwenden.

Der erste Bofors Vierrohrwerfer mit einer M/50-Rakete wurde 1954/55 getestet und ging 1956 in Produktion. Die japanische Selbstverteidigungsstreitkräfte gaben erste Bestellungen für das System Anfang der 1960er Jahre ab und ließen die Systeme auch bei Mitsubishi in Lizenz bauen.

Der französische Waffenhersteller Creusot-Loire und die französische Marine interessierten sich Mitte der 1960er Jahre für den Raketenwerfer. 1967 schlossen Creusot-Loire und Bofors eine Vereinbarung zur Produktion durch das französische Unternehmen zur Fertigung von besonderen Sechs-Rohr-Werfern unter Lizenz bei Verwendung derselben Raketen, Sprengköpfe und Zünder der bisher bei Bofors produzierten Systeme.

Bofors entwickelte das System kontinuierlich weiter und entwarf eine leistungsfähigere Rakete, die Nelli-Rakete. Diese und der korrespondierende Vierrohrwerfer wurden 1972 getestet und gingen 1973 in Produktion. Im Jahr 1992 veröffentlichte SAAB, der Nachfolger von Bofors, Details eines aktiven Hochfrequenz-Sonarsuchers und eines Lenksystems für Wasserbomben. Das Unternehmen erhielt im Juni 1992 den offiziellen Auftrag von der schwedischen Marine für dieses Programm mit dem Ziel, die Technologie auf die schwedische Standard-Wasserbombe Modell 33 und den Bofors 375-mm-Raketenwerfer anzuwenden. Für den Export wurde das System für das Raketensystem ELMA ASW-600 und die britische Wasserbombe Mk. 11 verfügbar gemacht.

Im Jahr 1994 wurden Kurzstreckenraketenwerfer dieses Typs in mehreren Ausschreibungen als Reaktion auf den Bedarf für die Ausstattung kleiner Kampfschiffe angeboten. Zu den Bedarfsträgern gehörte die Offshore Patrol Vessel (OPV) der malaysischen Marine.[6]

Varianten

Werfer

Bofors B4: Vierfachwerfer, 1956 von Bofors eingeführt. Zunächst als M/50, später als B4 bekannt. In Japan wurde er unter Lizenz als Typ 71 hergestellt. Der Munitionsvorrat beträgt 48 Raketen pro Werfer. Das halbautomatische Ladesystem lädt jeweils eine Patrone, wobei vier Rohre in drei Minuten nachgeladen werden.

Creusot-Loire Modell 54: Sechsfachwerfer, entwickelt von der französischen Firma Creusot-Loire, erstmals 1967 vorgestellt. Der Sechsfachwerfer wurde so konzipiert, dass er die Feuerkraft von zwei Vierfachwerfern B4 in einer einzigen Lafette vereint. Die Munition variiert je nach Klasse und umfasst zwischen 30 und 72 Raketen.

Bofors B2: Zwillingswerfer, wurde 1972 von Bofors eingeführt. Es ist die kompakteste Version des Werfers, ohne dabei an effektiver Feuerkraft einzubüßen. Dies wird durch ein verbessertes Nachladesystem erreicht, das zwei Patronen gleichzeitig in 30 Sekunden lädt. Er wurde vor allem auf kleineren Einheiten eingesetzt.[7]

Munition

Raketentypen[8]
Typ Gewicht Mindestkampfentfernung Höchstkampfentfernung Fluggeschwindigkeit
Erika 107 kg 655 m 1635 m 10,7 m/s
Flora 230 kg 1400 m 2230 m 10,2 m/s
Mimmi 100 kg 370 m 875 m 10,9 m/s
Nelli 80 kg 1580 m 3625 m 8,2 m/s

Komponenten und Funktion

Das 375-mm-ASW-Raketenwerfersystem umfasst ein bordeigenes Sonar-/Feuerleitsystem. Der Werfer ist mit zwei, vier oder sechs (nur Frankreich) Rohren ausgestattet. Vier Raketentypen unterschiedlicher Größe kommen zum Einsatz. Das vorwärtswerfende System ist grundsätzlich im Bugbereich der jeweiligen Einheit montiert, die Fahrtrichtung nach vorne ist die Hauptschussrichtung. Sobald das Schiffssonar Kontakt mit einem U-Boot aufnimmt, bestimmt das Feuerleitsystem den richtigen Kurs und die richtige Höhe für den Werfer.

Im Munitionsbunker wurde der Zünder auf die Rakete gedreht, die Rakete dann in den Aufzug verbracht. Der Werfer stand zum Beladen in der Ladelage, bei den Zerstörern der Hamburg-Klasse beispielsweise senkrecht. In den Rohren waren Schleifringe angebracht über die die Zünder auf die jeweilige Wassertiefe eingestellt wurden. Dieses erfolgt über das Feuerleitpult.

Die Wurfentfernung wird durch den Höhenwinkel des Werfers bestimmt. Der Werfer wird ferngesteuert elektrohydraulisch bewegt. Werfer mit zwei Raketen haben einen Höhenwinkel von 0 bis 60 Grad zum Abfeuern und 0 bis 90 Grad zum Laden bei unbegrenztem Schwenkbereich. Werfer mit vier und sechs Raketen haben einen Schwenkbereich von +130 Grad, einen Abfeuerbereich von 15 bis 60 Grad und eine Ladegrenze von 15 bis 90 Grad.

Die Raketen verfügen über zwei konzentrische (innere und äußere) Raketenmotoren, deren Geschwindigkeit durch Zünden eines oder beider Motoren variiert werden kann. Die Tiefe der Salve kann entweder zeitgesteuert oder durch akustische Annäherung eingestellt werden. Die Zeitverzögerung konnte auf Wunsch mit einer Aufpralloption kombiniert werden. Raketen können entweder einzeln oder in Salven abgefeuert werden.[9]

Nutzerstaaten

Agypten Ägypten

Die ägyptische Marine setzt das auf den Korvetten El Suez und Abo Qirder der Suez-Klasse, die ursprünglich als Descubierta-Klasse für Spanien gebaut wurden, ein.[10]

Belgien Belgien

Die Belgische Marine setzte 3 Systeme auf den Fregatten der Wielingen-Klasse ab Ende der 1970er Jahre bis zur Abgabe an Bulgarien in den 2000er Jahren ein.[11]

Bulgarien Bulgarien

Auf den Fregatten der von Belgien übernommenen Wielingen-Klasse wurden diese 3 Systeme weiterbetrieben.[12]

Brasilien Brasilien

Es wurden sechs zweirohrige Systeme auf den Fregatten der Niteroi-Klasse betrieben.[13][14]

Deutschland Deutschland
[15]

Die Bundesmarine setzte das Vierrohrsystem auf

  • den U-Jagdbooten der Thetis-Klasse ab 1961 bis zur Abgabe an Griechenland in den 1990er Jahren,
  • den Fregatten der Köln-Klasse ab 1961 bis zur Abgabe an die Türkei bzw. anderweitige Verwertung um 1989,
  • den Zerstörern der Hamburg-Klasse ab 1964 bis in die 1990er Jahre,
  • sowie auf dem Schulschiff Deutschland ab 1963 bis zur Ausmusterung in den 1990er Jahren ein.
Frankreich Frankreich

baute das Vierrohrsystem in Lizenz, entwickelte dann das Sechsrohrsystem und setzte es auf vielen Kriegsschiffklassen ein, darunter auf den Zerstörern der T-47-[16] und T53-Klasse[17] und 17 auf den Avisos (Korvetten) der D'Estienne d'Orves-Klasse „A69“.[18]

Indien Indien

setzte es zweischen 1972 und 2010 auf den Fregatten der Nilgir-Klasse Nilgiri, Himgiri Udaygiri und Dunagiri ein.[19]

Indonesien Indonesien

setzt es ab 1979 auf seinen drei Korvetten der Fatahillah-Klasse, Fatahilla, Malahayati und Nala ein.[20]

Japan Japan
  • ab 1961 bis 1992 auf den vier Fregatten der Isuzu-Klasse : Isuzu, Mogami, Kitakami und Ohi[21]
  • ab 1966 auf den sechs Zerstörern der Yamagumo-Klasse: Yamagumo, Makigumo, Asagumo, Aokumo, Akigumo und Yugumo[22]
  • ab 1967 auf den vier Fregatten der Takatsuki-Klasse: Takatsuki, Kikuzuk, Mochizuki und Nagatsuki[23]
  • ab 1968 auf den drei Zerstörern der Minegumo-Klasse: Minegumo, Natsugumo und Murakumo.[24]
  • ab 1981 auf der Fregatte Ishikari[25]
  • ab 1983 auf den zwei Fregatten der Yubari-Klasse: Yubari und Yubetsu[26]
Malaysia Malaysia

Auch die Königlich Malaysische Marine setzt auf den beiden Korvetten Kasturi und Lekir der Kasturi-Klasse, eine Bauserie der Howalds-Werft Baureihe FS 1500 ein.[27]

Marokko Marokko

setzt ein System auf einer früheren spanischen Fregatte der Descubierta-Klasse[28]

Niederlande Niederlande

Die Niederlande setzten es auf den Zerstörern der Friesland-Klasse ein.[29][30]

Peru Peru

setzte es auf den von den Niederlanden übernommenen den Zerstörern der Friesland-Klasse bis zu deren Ausmusterung Anfang der 1990er Jahre ein.[31]

Schweden Schweden

setzte die originären M/50 4-Rohrwerfer auf den Zerstörern der Halland-[32], Visby- und Öland-Klasse ein.[33] Die Schiffe wurden ab Ende der 1970er Jahre ausgemustert.

Turkei Türkei

setzte das System auf den Fregatten der ehemaligen Köln-Klasse, vormals deutsche Bundesmarine Emden, Karlsruhe, Lübeck und Braunschweig. Die Türkei setzt es auf den Korvetten der Burak-Klasse ein[34], die alle ehemalige Korvetten der A69-Klasse sind und hauptsächlich für die U-Boot-Abwehr an der Küste und als Eskorte auf hoher See konzipiert wurden.

Der Werfer wird mit Stand Mai 2025 noch wie oben beschrieben in Indonesien, Brasilien und in der Türkei auf den Burak-Klasse-Korvetten genutzt. In anderen Ländern wie Schweden, Frankreich und Japan wurde das System bereits in den 1980er Jahren außer Dienst gestellt und z. B. in Schweden durch das Elma ASW-600[35] -System, in Japan durch das ASROC-System ersetzt.

Museale Rezeption

Ein Exemplar des Vier-Rohr-Werfers und der dazugehörigen Munition ist in der Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz und original montiert auf dem Museumsschiff Smaland in Göteborg[36] ausgestellt.

Trivia

Auf Grund der torkelnden Flugbahn des Geschosses erhielt der Flugkörper in der Bundesmarine in Anspielung auf das Wurfgeschoss des Asterix-Helden Obelix den Spitznamen "Hinkelstein".

Siehe auch

Commons: Bofors 375-mm-U-Boot-Abwehrraketenwerfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Warships Forecast - Bofors 375 mm ASW Rockets, 7 Forecast International, 1998- im Folgenden zitiert als Warships Forecast, abgerufen am 17. Mai 2025
  2. Wehrtechnische Studiensammlung Koblenz, Exponatbeschreibung U-Jagd Mehfrfachraketenwerfer, Inv.Nr. 17066, Stand März 2025
  3. Warships Forecast
  4. britischer Wasserbombenwerfer, auch Anti Submarine Mortar Mark 10 (A/S Mk.10)
  5. amerikanischer U-Boot -Abwehrraketenwerfer
  6. Warships Forecast, S. 1–2
  7. Weaponsystems.net, Bofors M/50, abgerufen am 19. Mai 2025
  8. missilery.info: Bofors charcteristics, abgerufen am 21. Mai 2025
  9. Warships Forecast, S. 2
  10. Seaforces.org: El Suez (Descubierta) class Corvette, abgerufen am 22. Mai 2025
  11. shipshub.com: Wielingen-Class Frigate, abgerufen am 22. Mai 2025
  12. shipshub.com
  13. Aviacio Militar, ASPIRANTEX 2023: Uma visita à Fragata F44 Independência, Bilder der brasilianischen Nitéroiklasse mit einem Zweirohrwerfer, abgerufen am 19. Mai 2025
  14. WTS
  15. bmlv.gv.at: Die Deutsche Marine (II) 1956–2006: von der Zerstörerflottille zur Einsatzflottille, abgerufen am 21. Mai 2025
  16. Seaforces.org- Surcouf class Destroyer, abgerufen am 21. Mai 2025
  17. seaforces.org: Duperre-class, abgerufen am 21. Mai 2025
  18. kriegsschiffe.net: www.kriegsschiffe.net › fregatten › ff-destienne-dorves-klasseFF ‘D‘Estienne d‘Orves’ Klasse, abgerufen am 21. Mai 2025
  19. bharat-rakshak.com: Nilgiri-Class, abgerufen am 22. Mai 2025
  20. Nvypedia.org: FATAHILLAH frigates (1979–1980), abgerufen am 22. Mai 2025
  21. Helis.com: Isuzu-Class, abgerufen am 21. Mai 2025
  22. Navypedia: YAMAGUMO destroyers (1966–1978), abgerufen am 21. Mai 2025
  23. Navypedia.org: AKATSUKI destroyers (1967–1970)
  24. Seaforces.org: Minegumo class Destroyer, abgerufen am 21. Mai 2025
  25. Navypedia.org: ISHIKARI frigate (1981)
  26. Helis.com
  27. Richard Sharpe: Jane's Fighting Ships. Hrsg.: Jane’s Information Group. Nr. 101, 1998, S. 148; 431
  28. globalmilitary.net: Descubierta-class, abgerufen am 19. Mai 2025
  29. Naval-Encylopedia, Friesland-Class Destroyers, abgerufen am 19. Mai 2025
  30. Warshipsresearch.blogspot.com: Submarinechaser Friesland, abgerufen am 21. Mai 2025
  31. Naval-Encyclopedia
  32. Kriegsschiffe.net, Halland-Klasse, abgerufen am 21. Mai 2025
  33. Naval-Encyclopedia.com: Öland-Destroyers, abgerufen am 21. Mai 2025
  34. Seaforces Org, Burak Class, abgerufen am 19. Mai 2025
  35. Kriegsschiffe.net: Elma ASW 600, abgerufen am 24. Mai 2025
  36. Museumships.us.: Smaland, abgerufen am 28. Mai 2025